24.12.

Heiligabend auf der Piste. Ich brauch das ja nicht unbedingt. Weihnachtsbaum, Geschenke, Familienfeste. Mit meiner Familie kann ich auch sonst feiern, vielleicht noch schöner. Mich zogs nach Marokko und ob das nun Weihnachten ist oder nicht, war mir egal.
Fast.
Ein bisschen was besonderes muss eben doch sein. Vor 30 Jahren war ich das erste und einzige Mal auf Mallorca. Auch da ohne zu feiern. Ich fuhr am Weihnachtstag mit dem Mietwagen über die Dörfer und kehrte mittags ein, ganz allein. Am Nebentisch eine große Familie. Als ich fertig war brachte mir der Kellner ein Glas Sekt und ein Stück Turron (span. Nougat), erklärte, dass dies von der Familie komme. Dies würde zu Weihnachten ganz fest gehören. Ich war echt gerührt und habe dies nie vergessen, es gehört für mich nun einfach zur spanischen Weihnacht. Und irgendwie ganz im Innern dachte ich, ich bekomme auch diesmal meinen Turron.
Da ich lange gelernt habe „selbst ist die Frau“, habe ich mir im Carrefour Turron gekauft. Und fuhr und fuhr. Gestern waren es ja über 1000 km und das Schlafen im Auto war so unbequem, dass ich nach weniger als zwei Stunden weiterfuhr. Und war dann am Nachmittag in Granada. Mein Plan war – dass ich mich auch immer wieder in Plänen versuche, obwohl die doch nie eintreffen – mir als Ausgleich für die kurze Nacht im Auto diesmal ein richtig schönes Hotel zu suchen.
Wenn das so einfach wäre. Schöne Hotels kommen entweder, wenn man sie noch nicht braucht oder unerreichbar auf der falschen Straßenseite. Ich gelangte hinter Granada an eine Kreuzung mit gleich 2 Hotels auf meiner Seite. Eines sehr hübsch, geschlossen. Das andere auf, um 15 Uhr so voller Lärm, dass man die startenden Flugzeuge auf dem direkt daneben liegenden Flugplatz nicht mehr hören kann. Das gefiel mir. Ein Zimmer für 25 Euro, alles super sauber und gut eingerichtet. Allerdings konnte niemand ein Wort deutsch, mein Spanisch ist extrem beschränkt. Als ich fragte, ob es einen Halbpensionspreis gibt, verstand man das nicht, schüttelte heftig mit dem Kopf, was ich so auffasste, dass man Zimmer und Essen eben extra bezahlt.
Aber zuerst ging ich joggen. Ich darf meine gute Kondition, die ich mir den Sommer über aufgebaut hatte, doch nicht den Bach runter bzw. nach Marokko gehen lassen. Aber ist schon ein Unterschied, ob man durch den frischen Wehener Wald joggt oder neben einer viel befahrenen Straße. Aber egal, Sport ist Sport.
Im Hotel dann unter die Dusche und runter an die Bar. Die hatten ja vorhin nicht nur Gläser vor sich stehen, sondern auch Tapas.
Mhm. Alles weg. Tapas und Gäste. Nur einige Eingefleischte saßen noch vor ihren Gläsern und der Kellner übersah mich völlig, bin ich schon so dünn geworden?
Ich fragte energisch nach Essen: mangare! Ich fürchte, das ist Italienisch. Denn er verstand zunächst nichts, bot Kaffee und Zigaretten an. Dann zuckte er mit den Schultern, es sei geschlossen, ich könnte nur noch ein Hotelzimmer haben. Da er mich eh nicht verstand schimpfte ich auf Deutsch und er holte den Chef zur Verstärkung. Heute ist Heiligabend und ich soll noch nicht mal was zu essen bekommen?
Aber der Chef war ganz lieb und besorgte mir einen Salat, Pommes und Schweinesteaks. Die Pommes waren köstlich und ich bin ja mit wenig zufrieden.
Aber niemand brachte mir meinen Turron und ein Glas Sekt. Also ab ans Auto, Turron geholt und den Kellner gefragt. Ich Alzheimer Kranke kam zunächst nicht mehr darauf, wie der spanische Sekt heißt. Aber dann fiel mirs ein. Auf mein „Frechenett“ schaute er zwar zunächst verständnislos, aber als ich auf den Turron deutete , kapierte er gleich.
Und Weihnachten war gerettet.
Der Chef kam dann noch mal an meinen Tisch, war glücklich, dass ich glücklich war und sagte mir, dass eigentlich in Spanien an Weihnachten alles geschlossen ist.
Bestimmt denken jetzt alle, warum kauft sie sich kein Wohnmobil und nimmt alles bis zum Weihnachtsbaum mit.
Aber ich bin eben anders. Ich liebe es genau so. Immer überraschend, immer anders, nie vorhersehbar.