13.5.

Das waren ganz sicher die zwei schönsten Tage auf der ganzen Reise. Ich fuhr nach Agdz, um dort Abdelilah zu besuchen, den ich im Jahr 1988 kennenlernte, als er 20 war. Und diesen Besuch wollte ich kombinieren mit einem erneuten Aufenthalt in der Casbah des Arts. Ich hatte diese Kasbah und damit Kamal, ein marokkanischer Filmproduzent, vor 1 ½ Jahren entdeckt. Diese Kasbah ist ganz eng mit meinen ganz frühen Marokkoerlebnissen verknüpft. Es war eine Ruine, als ich sie 1988 zum erstenmal sah, aber direkt daneben war eine noch bewohnte Kasbah, und mit dieser Familie war ich eng verbunden. Ich hätte diese Ruine damals am liebsten gekauft, aber sie war nicht verkäuflich und sie hat mir immer am Herzen gelegen. Und dieser Kamal hat sie Jahre später für sich entdeckt. Zusammen mit dem Besitzer, Abderzak, hat er sie wunderschön restauriert und als Gästehaus eingerichtet. Ich habe damals 2 Tage dort verbracht und das besondere waren außer dem herrlichen Gebäude die langen Gespräche mit Kamal. Er ist ein sehr interessanter Mensch voller Ideen. Seine Filme wurden schon auf der Berlinale ausgezeichnet.
Am ersten Tag schlug ich vor, eine bestimmte Piste zu suchen und daraus wurde eine unglaublich schöne Fahrt. Beide kamen mit, Kamal war ein rasanter Fahrer und fuhr die härtesten Pisten. Ich habe nur immer gedacht, wie gut, dass wir nicht mit meinem Land Rover gefahren sind, ich hätte Todesangst um den armen Wagen gehabt. Wir entdeckten ein Marokko, von dem wir schon dachten, es gäbe es nicht mehr. Wunderschöne Landschaften, vollkommen unberührte Dörfer, ein tiefgrüner, glasklarer See im Dra, in dem wir schwimmen konnten. Und das alles in einer Entfernung von vielleicht 20 km von Agdz. Selbst Abdelilah, der hier geboren wurde, hatte diese Dörfer noch nie gesehen. Es sind die Dörfer am Oberlauf des Dra. Er hat hier, zumindest in dieser Jahreszeit, Wasser, und die Landschaft ist unglaublich schön. Vor allem, wenn die Asphaltstraße endet und es nur noch über Pisten weitergeht. Wir sind schmale Pisten gefahren, die auf der einen Seite hoch aufragende sonnenverbrannte Felsen hatten, auf der anderen die tiefgrünen Palmen und Obstbäume darunter und dann das schlängelte sich der von blühendem Oleander gesäumte Dra dort entlang. In den Dörfern saßen die Leute vor den Häusern und ich schwöre dir, sie hatten noch nicht viele Touristen zu Gesicht bekommen. Wir waren ja auch keine. Kamal ist aus Chichaoua (zwischen Marrakech und Essaouira), er konnte sich mit den Leuten kaum verständigen. Aber dazu hatten wir ja Abdelilah, er spricht die örtliche Berbersprache, und wenn er sagte, er ist aus Asslim von der Familie Ait el Kaid, so kannte natürlich jeder den damaligen Kaid, dies ist eine geschichtlich sehr bedeutsame Familie für diese Region.
Ich blieb noch den nächsten Tag und war richtig traurig, dass wir kein Ziel mehr hatten. Das Ziel des ersten Tages war ja, Informationen über die angeblich im Bau befindliche Straße nach Skoura zu entdecken sowie noch einmal zu den Cascades Tizgui zu fahren, die ich seit 1995 nicht mehr gesehen hatte. Beides war erreicht worden. Allerdings hatten uns die Dorfbewohner von weiteren Kaskaden erzählt, die ganz unbekannt sind. Also schlug ich vor, diese zu suchen.
Meine beiden Männer brauchten nicht lange überredet zu werden, sie kamen begeistert mit. Zunächst kauften wir aber noch Brot und Ölsardinen ein, ich wollte ein Picknick. Dann gingen wir zum Fotogeschäft, wo angeblich Fotos von den Wasserfällen aushingen, und wollten den Fotografen befragen. Aber der Laden war zu. Deshalb beschlossen wir, einfach wieder eine schöne Piste zu fahren. Und die hatte es wieder in sich. Hier sind ganz viele Pisten, jeweils zu versteckten Dörfern, Strecken, die man als Fremder nie finden könnte. Aber Abdelilah konnte ja immer fragen. Und dann fanden wir ihn, unseren Piscine naturelle. So eine unglaublich schöne Stelle, das kann man auf Fotos niemals festhalten. Da muss man hin. Übrigens hatte mein GPS die ganze Zeit leere Batterien, ich habe also nichts aufgenommen und will es auch nicht in meinen Büchern bringen. Das bleibt unser kleines Paradies. Wir machten ein Picknick am Wasser, die Männer schwammen, es war einfach wieder ein schöner Nachmittag.
Doch das hat Kamel natürlich noch nicht gereicht, er musste weiter. Hat mal wieder von der Bergeshöhe eine neue Piste entdeckt und wir nichts wie los. Als wir mal wieder anhielten, um einfach nur zu schauen und zu fotografieren kam ein Mann vorbei mit einem schweren Sack auf dem Rücken. Die beiden fragten sofort, was drin ist, es waren Datteln, und kauften dem Mann den Sack für 20 Dirham ab. Und nicht nur das, sie ließen ihn noch zurück zu seinem Oasengarten laufen und er brachte uns einen Korb voll der ersten Aprikosen. Kamal gab ihm 10 Dirham dafür, und der glückliche Blick des Mannes zeigte, es war genug für ihn.
Da sah ich unseren platten Reifen. Aber auch das kein Problem, Abdelilah hatte mich in jungen Jahren ja schon oft auf Pisten begleitet und ist ein geübter Reifenwechsler.
Inzwischen leuchtete auch langsam die Tankanzeige gelb auf, die Sonne stand schon sehr dicht über den Bergen, aber Kamal hatte immer noch mehr Ideen. Wir kamen in ein kleines Dorf, wo sich die Männer nach getaner Arbeit vor den Häusern versammeln. Unser Auftauchen war natürlich das Ereignis. Hätten wir gewollt und Zeit gehabt, wir wären zum Tee, zum Abendessen, zum Übernachten eingeladen worden. Aber Kamal wollte weiter. Und auch ich habe ja für den nächsten Tag schon wieder ein neues Programm. Als unsere Piste schließlich völlig aussichtslos im Flussbett endete gab auch Kamal auf und wir mussten auf dem gleichen Weg zurück. Nahmen noch Chef von zwei Dörfern zu seinem zweiten Dorf mit und kamen lange nach Anbruch der Nacht in Agdz an.
Und morgen muss ich weiter, wie schade.