Wüstenluxus pur

Meine erste Kameltour in die Wüste war im Jahr 1987. Wir zogen von Zagora los auf dem Rücken der Kamele, alles, was wir zur Übernachtung brauchten, war in den Satteltaschen verpackt und wir drei Mädels saßen obenauf. Es ging nicht allzu weit, wir ritten vielleicht zwei Stunden, dann haben wir unter einer Palme unser Lager aufgeschlagen, Matten wurden ausgebreitet, der Koch schälte das Gemüse und wir halfen. Später am Abend dann streckten wir uns auf den Matten aus, betrachteten die Sterne und schliefen ein. Am Morgen mussten wir helfen, die Kamele zu suchen, die angehobbelt in der Wüste grasten, und dann ging es wieder zurück. Es war einfach wunderschön.

Doch so kann man Touristen heute nicht mehr zufrieden stellen. Als Abdou Anfang der 2000er sein erstes Wüstencamp einrichtete, fand ich es überhaupt nicht schön. Wir saßen zum Essen auf ungemütlichen kleinen Hockern an niedrigen Tischen, statt wie früher alles auf dem Boden zu machen. Und statt dass wir unser Geschäft im Wüstensand erledigten gab es nun einfache Häuschen mit Plumsklos. Aber es ist ja klar, je mehr Menschen die Wüste entdecken wollen, desto mehr muss man auch auf solche Kleinigkeiten achten, da kann nicht jeder einfach in den Sand sch….

Doch kaum hatte ich mich an dieses für mich zunächst so luxuriöse Biwak gewöhnt hatte Abdou schon weitere Ideen. Sein Luxus-Camp hatte gemütlich eingerichtete Zelte für 2 Personen mit bequemen Betten, daneben ein kleines Babyzelt mit privatem Bad, das bestand aus Chemie-Klo und Eimerdusche. An den ungemütlichen Hockern änderte sich nichts. Doch auch das war immer noch nicht genug. Das Camp wurde schnell zum Komfort-Camp umbenannt und man baute das erste wirkliche Luxuscamp, und das war echt toll. Super eingerichtet, mit King-Size Bett und Sitzecke, das Bad hat eine richtige heiße Dusche und ein wassergespültes Klo. Natürlich auch elektrisches Licht von Solarstrom, womit sich auch Handies laden ließen. Von der Terrasse davor mit seinen Sesseln kann man am Abend die Sterne anschauen. Und das mit Teppichen und Sitzpolstern eingerichtete Restaurantzelt mit richtigen Tischen und Stühlen zum Abend-Diner lässt auch keine Wünsche mehr offen. Allen Camps gleich ist aber die Musik nach dem Essen. Die ist echt und ungeschminkt, da greifen die Jungs zu den Trommeln und hauen drauf los, was nur geht.

Doch manchen Menschen geht auch das nicht weit genug. Abdou hat sehr reiche Kunden, die fliegen mit dem Privatjet nach Zagora, steigen dort in den Hubschrauber um und landen gleich am Erg Chegaga. Dass ein solcher Kunde natürlich nicht mit dem gemeinen Volk zusammen sein kann ist klar. Also hat Abdou nun ein weiteres Camp gebaut, das Super-Luxus-Camp, was jeweils nur für die zusammengehörige Gruppe vermietet wird, und das wollte ich natürlich erleben.

Allein wäre das absolut langweilig, aber gerade sind deutsche Freunde am Platz und die hatten eine Wüstentour gebucht. Natürlich eine ganz normale, dem Preis nach in dem Komfortcamp. Aber Abdou tut ja immer alles für mich damit ich mich nur wohl fühle, wir sind halt sehr gute Freunde. Und so gab er den Beiden ein kostenloses Upgrade und wir zogen los. Mohammed war unser Fahrer, wir lasen in letzter Minute noch ein sehr junges belgisches Paar auf, das sich auf den hinteren Bänken im Toyota drängte, und ab ging es in die Wüste. Eckhard ist ein begeisterter Fotograf und so waren einige Halts obligatorisch, der erste beim Ruccolafeld. Ich wusste nie, dass Ruccola wild in der Wüste wächst und vor allem die Kamele lieben das heiß und innig. Er stand gerade in voller, blassgelber Blüte. Wir probierten ein paar Blättchen. Also, das hat mit unserem Ruccola ja kaum etwas gemein, höchstens die Form der Blätter. Aber der Geschmack – der ist so würzig und intensiv, einfach köstlich. Es schmeckt schon fast, als wäre der frische Parmesan bereits darüber gestreut. Wie schade, dass ich hier keine Küche habe und mir eine Salatschüssel zubereiten kann.

Ein weiterer Halt war die berühmte Oasis Sacrée, die heilige Oase, die ja dem Namen nach schon etwas Mystisches hat. Eine reichhaltige Quelle ist dort Lebenselixier für Menschen, Tiere und Pflanzen. Die Oase ist nicht öffentlich, sie ist in Privatbesitz und leider vollständig ummauert und geschlossen. Der Besitzer war früher Hotelier, hatte auch ein hübsches Camp dort eingerichtet, man konnte kommen und einen Pfefferminztee oder ein kühles Bierchen trinken, auch übernachten, doch ist nun alles geschlossen, er ist älter und krank und lebt sehr zurückgezogen.

Irgendwann kamen aber dann doch die mächtigen Dünen des Erg Chegaga ins Blickfeld. An einer hübschen Stelle inmitten des Sandes ließen wir die Belgier aussteigen, sie hatten ihr eigenes Zelt, Essen und Wasser dabei und ich bin sicher, sie haben eine wunderschöne Nacht ganz allein verbracht. In der Nähe war eines unserer Camps und wir sagten ihnen, dass sie im Falle irgendeines Problems dorthin gehen könnten. Zum Beispiel zeigte unser Mohammed auf eine dunkle Regenwolke, aber mir war schon klar, dass sie nicht bei uns Regen bringen würde. Und so war es auch, die Nacht verlief ungestört.

Unterwegs kamen wir an einem weiteren Camp von Sahara Services vorbei und Mohammed erkundigte sich nach dem Weg, er war noch niemals in dem neuen Biwak gewesen. Wir fuhren und fuhren, selbst Mohammed war es längst klar, dass wir falsch sind, waren schon auf dem Weg nach Foum Zguid. Er hielt an und stieg auf eine Düne, um sich umzusehen, da kam ein Pickup angebraust. Naim hatte bereits Ausschau nach uns gehalten, wusste vom anderen Camp, dass wir in 5 Minuten da sein müssten, und kam uns suchen. Gute Organisation!

Und dann das Camp! Die Lage wunderbar einsam, weitab von den anderen Biwaks, auf einer ebenen Fläche vor den weiten Dünen. Nur vier Zelte zum Wohnen, ein Restaurantzelt und offene Zelte, um darin einen Tee zu trinken. Spektakulär sah das noch nicht aus, so sind die anderen Camps auch. Das besonders aber ist die private Lage und dann die Einrichtung. Es ist schon dekadent, wenn man inmitten der Wüste ein Zelt betrifft und darin so ein herrliches Bett findet und eine Couchgarnitur, wo man sich bequem zum Lesen zurückziehen kann, genug Licht, ein richtiges Bad, und einfach alles. Hier hat ein Designer seine Finger im Spiel gehabt, allerdings ist noch lange nicht alles fertig. Bronia und Eckhard konnten es kaum fassen, sie hatten zuvor noch gefragt, ob sie Handtücher und Schlafsack mitbringen sollten, kannten nur die einfachen Camps von Merzouga. Eckhard wollte nicht mehr weg. Den hätten wir hier für einige Tage abgeben können, der wäre mit einer prallvollen Speicherkarte zurückgekommen, denn alles was er tat, war fotografieren.

Bronia und ich zogen uns stattdessen in ein kleines, an den Seiten offenes Nomadenzelt zurück und tranken den Willkommenstee, gefolgt von einem kühlen Rose. Es war eine eher laue Nacht, aber trotzdem brachte uns Naim eine Gasheizung. Wie bitte? Eine Gasheizung mitten in der Wüste? Das ist für mich dann doch der Gipfel der Dekadenz. Das kleine Restaurantzelt, wo zum Dinner aufgedeckt wurde, erstrählte noch im jungfräulichen Weiß, da wird in Zukunft noch einiges verschönert werden, aber das Menü stellte uns vollkommen zufrieden, es war gut wie immer bei Sahara Services.

Wie immer in einem Wüstencamp, egal welcher Qualitätsstufe, wurde danach das Lagerfeuer angezündet und die vier Jungs machten unter dem glitzernden Sternenhimmel mit nur einer Trommel so schöne Musik, dass wir völlig gepackt waren. Sie baten uns, doch auch ein Lied zum Besten zu geben. Und dann begann eine Show, die einer Bühne und einem Eintrittspreis würdig gewesen wäre. Bronia stammt aus Polen und sang ein polnisches Lied, ein sehr tragisches Lied, das um eine junge Mutter geht, die ihren Sohn alleine durchbringen muss indem sie sich an Männer verkauft. Sie sang nicht nur, sie spielte das Lied mit einer Intensität und die vier Wüstennomaden waren hingerissen. So etwas lieben sie, so etwas feuert sie noch mehr an. Ich musste den Text des Liedes für sie übersetzen, Bronia wollte entschuldigend sagen, dass es eine Geschichte aus dem polnischen Leben sei, dass es das in der Wüste nicht gäbe, aber die Männer waren da ganz anderer Ansicht. Nein, genau das gäbe es auch hier und sie hatten volles Verständnis für die arme Frau in dem Lied und konnten sich vollkommen in das Lied hineinversetzen. Natürlich konterten auch sie mit einem neuen Lied und einer Übersetzung der Geschichte und es war sicher der denkwürdigste Abend, den ich je in der Wüste erlebt habe.

Bronia ist einfach toll.