Djebel Siroua

Ich bin immer noch ziemlich deprimiert über die Sache mit Naji und erwäge schon, aus Marokko abzureisen und noch ein paar Tage in Spanien zu bleiben, um dann früh nach Hause zu kommen. Doch noch hält mich das kalte Wetter ab. Ich war zwei Tage in Taghazoute in einem sehr schönen Hotel, konnte es gar nicht richtig genießen, dann eine Nacht in einem schönen Riad in Taroudannt. Habe hin und her überlegt, ob ich Abdou anrufen soll und ihm mein Leid klagen, habe mich aber dagegen entschieden, will ihn nicht mit meinem Ärger belasten. Oft reden wir ja nicht. Und genau da klingelt mein Telefon und Abdou ist dran. Unglaublich. So lieb. Will einfach nur mal fragen, wie es mir geht. Ich sage, dass mir das immer noch nahe geht und er hält dagegen, es gibt eben Freunde und Freunde. Ich soll mir nichts daraus machen, einfach weitergehen. Und nach dem Gespräch schickt er mir noch so eine nette Mitteilung, dass ich doch Teil der Familie bin, dass sie mich hier lieben und dass ich doch so viel für Marokko tue. Das ist natürlich Balsam für meine Wunden, aber so richtig gut geht es mir immer noch nicht. Ich fahre Richtung Skoura, hatte mich ja bei Hassan angesagt, auch Hassan ist ein Freund, bei dem ich mich aussprechen kann.

Aber ich komme nie an. Mein erster Stopp ist Taliouine. Dieses kleine Städtchen ist Zentrum des Safrananbaus und ich kenne es schon seit meiner ersten, schicksalshaften Marokkoreise 1986. Damals war ich mit Freunden unterwegs nach Agadir, und in Taliouine haben wir zum Mittagessen gestoppt. Damals waren Herbergen, die von einem Marokkaner zusammen mit einer europäischen Partnerin aufgebaut wurden, noch etwas ganz seltenes. Die Auberge Souktana gab es schon, der Hausherr war Ahmed mit seiner französischen Frau Michelle und es war die beste Unterkunft in dem damals sehr einfachen Taliouine, es gab noch lange keinen Strom. Abends saßen wir alle um das Feuer in der Mitte des Restaurants, denn die Gegend kann ganz schön kalt sein.

Leider ist Michelle zusammen mit ihren zwei Kindern längst nach Frankreich zurück gegangen und Ahmed blieb allein. Er ist ein bisschen ein Freak, oder Hippie, oder was auch immer. Und hat die Auberge zwar erhalten, aber nicht voran gebracht. Viele Touristen stoppen hier nicht mehr, aber er kann sich über Wasser halten. Ich wollte vorbei fahren und nur stoppen, wenn ich ihn oder seinen Wagen vor der Tür sehe. Ich sah beides, Ahmed lud gerade eine Gasflasche ein. Und es war ziemlich klar, dass ich nun erstmal nicht weiter kam. Zumindest Tee müssen wir trinken. Es war ja noch früh am Tag, Ahmed beschwor mich, da zu bleiben, ich sagte, nein, ich will weiter nach Skoura, und überhaupt, mir geht es nicht gut und was soll ich denn hier den ganzen Nachmittag machen.

Er zeigte mir Fotos, was es in der Gegend nicht alles zu sehen gäbe, beschwor mich, und ich merkte, wie mein Widerstand und meine schlechte Laune langsam schmolzen. Und ab ging es in mein Auto. Ich ließ Ahmed fahren, der noch nie einen Automatik chauffiert hatte, es ruckelte und zuckelte, aber bald kam er ganz gut damit zurecht. Es ging hoch in die Berge, dann auf Piste, und selbst zu Ahmeds Erstaunen stellten wir fest, dass man begonnen hatte, unsere Straße auszubauen. Doch meine Freude war nur von kurzer Dauer, denn schon bald mussten wir die Straße auf einer Piste verlassen. Und da war ich heilfroh, dass Ahmed dabei war. Allein wäre ich sie nicht gefahren, da ich ja keine Infos über die Strecke hatte. Die Spur war so schmal, dass ich jederzeit fürchtete, es ginge nur mit Maultier weiter. Aber Ahmed sagte, vertrau mir, wir kommen durch.

Es ging bis zu den höchsten Gipfeln des Djebel Siroua und ich war mal wieder erstaunt, wie auch in solch abgelegenen Stellen immer noch kleine Dörfer sind, Menschen wohnen, und ihrer kargen Landwirtschaft nachgehen. Viel wächst hier nicht, aber sie sind zufrieden, haben ein paar Tiere und wollen nicht in die Stadt. Das Ziel unserer Reise war das letzte Dorf, Artougha, auf 1.900 Meter, hier geht es nicht mehr weiter, aber hier mussten auch wir wieder ein Stück zurück fahren. Tiefgrüne Terrassenfelder mit Getreide waren unterhalb des Dorfes angelegt, es gab viel Schnee im Winter, ein gutes Jahr ist zu erwarten. Die Felder bieten mehrere Ernten pro Jahr, Getreide, Gemüse, Futter und natürlich auch Safran.

In einem Bogen ging es dann zurück auf die Teerstraße, wir wollten Tislit noch erreichen. Auch das ein Dorf im Siroua-Gebiet, aber nicht ganz so abgeschieden, es ist nur einige Kilometer von der Teerstraße entfernt und hat eine unglaublich schöne Schlucht. Tislit ist hauptsächlich Ziel von Trekkingtouren, die gerne im Siroua gemacht werden. Wir fuhren allerdings nur bis zum Ende der Piste, und konnten die Schlucht von ferne sehen, gerne wäre ich hineingewandert, aber Ahmed hatte Hunger. Ich hatte ihn ja tatsächlich von seinem Mittagessen weggelockt und auf die Bergtour gelotst. Oder er mich. Mir allerdings tat es nach Tagen der Völlerei mal gut, nichts zu essen.

Und Ahmed hat sein Ziel voll erreicht, mich aufzumuntern. So gefällt mir das Leben, so ist Marokko schön. Und am Abend in der Auberge ließ er mir noch ein Essen servieren, das besser war als alles, was ich vorher hatte. Ich bin die schlecht gewürzten Tajine ja so leid, und er schlug mir Lammkoteletts vor, mit sehr guten Bratkartoffeln und grünen Bohnen. Leicht und schmackhaft. Köstlich. Ich fiel geradezu in mein Bett.

Und so sieht danach der Frühstückstisch einer Reiseschriftstellerin aus, inklusive meiner Kaffeemaschine.