Das leidige Übernachtungsproblem

Wenn ich nicht weiß, wo ich nachts schlafe, dann werde ich knatschig. So auch heute. Gestern Abend war ich ja in Agdz eingetroffen und habe diesmal bei Familie geschlafen. Da sie auch ein touristisches Unternehmen betreiben, will ich den Namen nicht nennen. Ich kenne die Familie seit 30 Jahren und am Beginn dieser Zeit hatte ich versucht, ihnen ein wenig touristisches Bewusstsein beizubringen, ihnen zu zeigen, was Touristen suchen. Das ist als Nummer 1 Sauberkeit, funktionierende Sanitäranlagen, dann gemütliches Ambiente und natürlich ein freundlicher Empfang. Letzteres konnte die Familie seit eh und je, sonst wären wir ja auch nicht so lange befreundet. Aber den Rest – den kann man vergessen. Als ich gestern ankam zeigte mit der Freund stolz den Neubau, vor der alten Kasbah, den er für seine Eltern und für seine Familie gebaut hat. Er hat mir die Baustelle schon vor vier Jahren gezeigt, und wesentliches ist seitdem nicht geschehen. Es wurde zwar ein Stockwerk nach dem anderen zugefügt, aber nichts fertig gestellt. Mit der einen Ausnahme, die kleine ebenerdige Wohnung für die Eltern, die ich schon fertig – aber nicht möbliert – gesehen hatte. Nun wohnen die Eltern dort, aber ich war ziemlich geschockt, als ich die Räume betrat, es stank fürchterlich nach Toilette.

Dann sah ich die anderen Räume. Es gibt viele in dem Haus, und sehr viele auch mit eigenem Bad, oft auch eine Küche. Könnte also wunderschön sein. Aber nichts ist fertig oder funktioniert. Das Zimmer, das ich dann bekam, betritt man zunächst durch eine Tür, deren offenes Gitter von einer völlig demolierten Jalousie geschmückt ist. Es war heftiger Sturm, diese Jalousiefetzen schlugen die ganze Nacht an den Eisenrahmen. Ich schloss die Tür zu meinem Zimmer, die von innen keine Verriegelung hat. Der Sturm blies sie auf. Also musste ich einen Stuhl einklemmen, wie im Krimi. Die Toilette des nagelneuen Zimmers, das angeblich fertig sein sollte, funktionierte nicht. Es gab eine Dusche, ein Schlauch, kein Duschkopf. Ich habe nicht versucht, ob warmes Wasser raus kommt. Die neuen Fliesen völlig von Farbe verschmutzt. Die Steckdose hing halb aus der Wand. Kein Bettzeug, harte Wolldecken. Pottdreckig der ganze Raum. Ich redete mir immer ein, für eine Nacht geht es, und kuschelte mich in meine mitgebrachte Decke. Ja, es ging. Irgendwann hörte ich den Sturm nicht mehr und freute mich auf meine nächste Unterkunft mit warmer Dusche.

Ich möchte hier ganz bestimmt nicht alle Marokkaner in einen Topf werfen. Es ist ein Land wie jedes andere, in dem es Menschen gibt, die etwas auf die Reihe bringen, und Menschen, die es einfach nicht können. Genau wie in Deutschland. Nur schade, dass diese Familie hier über einen kostbaren Schatz verfügt, ein wunderbares Anwesen, aber es nicht versteht, etwas daraus zu machen und sich untereinander völlig zerstreitet. Schade.

Um so mehr freute ich mich darauf, am nächsten Tag eine schöne Unterkunft zu finden. Zunächst besuchte ich Anouar im Riad Caravane in Ait Benhaddou. Ich habe schon da im letzten Jahr geschlafen, Anouar aber nicht getroffen. Er hatte Urlaub. Anouar ist ein Sohn eben dieser Familie. Aber welch ein Unterschied. Anouar ist sauber, ordentlich und fleißig. Deshalb hat er auch die Familie verlassen und sich ein eigenes Leben aufgebaut. Er ist nun Manager in einem sehr schicken Riad, der auch bereits in meinem Reisehandbuch empfohlen wird. Und liebend gerne hätte er mich für die Nacht aufgenommen, aber dieses schöne Riad ist jetzt, immer noch Hochsaison, völlig ausgebucht. Kein Problem, ich habe noch einige Adressen auf meiner Liste.

Zunächst ging es nach Tamdaght, wo ich vor 3 Jahren das neue Gästehaus Kasbah Tamdaght besichtigt hatte und sehen wollte, was daraus geworden ist. Aber es war noch vor Mittag, also keine Anreisezeit, und der Hausherr Mohammed nicht da. Die Frauen im Haus verstanden nichts. Also hier kann ich mich nicht verständlich machen. Die nächste Adresse ist in Telouet, wo ein anderer Mohammed das gute Restaurant Palace de Telouet betreibt und auch einige Gästezimmer hat. Aber er ist nicht da, kauft in Marrakech Nachschub ein. Kurzer Anruf in der Auberge Agdal an der Strecke, bevor ich weiter fahre will ich wissen, ob es dort ein Zimmer gibt. Auch hier ist der Inhaber in Marrakech, um für eine Gruppe einzukaufen, die am Abend erwartet wird. Alle Zimmer belegt. Ob ich im Salon schlafen will? Nein, will ich nicht. Also doch die einfachen Zimmer von Mohammed?

Ich fahre zunächst zur Auberge Telouet. Sie ist am südlichen Ortseingang und immer gut besucht. Der Inhaber zahlt Kommission an die Fahrer und so kommen alle hier zum Essen. Ich wusste vorher, dass das Essen mies ist, steht auch in meinem Reisehandbuch, aber ich bin schlechter Laune und lasse mir ein Omelette bringen. Echt das schlechteste, das ich auf der Reise bekommen habe. Der Inhaber Ahmed bietet mir ein Zimmer an, verlockend, da die Zimmer gut sind und ich genau in diesem Augenblick Hans Winkler treffe, ein Deutscher, der Motorradgruppen führt. In Tamtatouchte hatten wir uns um einen Tag verpasst und hier laufen wir uns über den Weg. Aber sobald die Leute vom Ort erfahren wer ich bin bestürmen sie mich von allen Seiten, wollen in mein Buch. Den Vogel schießt mal wieder ein Mohammed ab. Mein Vertrauen erwirkt er, als er sagte, dass ihm der Camping des Grottes an der Strecke gehört. Der ist in meinem Buch, aber vor Ort treffe ich nie jemand an, mit dem ich reden kann. Und nun hat Mohammed hier in Telouet ein neues Gästehaus eröffnet. Das interessiert mich, denn es gibt einfach nicht viel hier. Also schauen wir es uns zusammen an. Und ich bin schnell überzeugt. Hans in der Auberge Telouet hin und her, hier gefällt es mir und Mohammed ist absolut sympathisch. Dieses Gästehaus kommt ganz sicher in mein Buch.

In dem kleinen Dorfhaus, solide aus Stein gebaut, gibt es vier Zimmer, alle mit Bad, und das schönste ist natürlich das im ersten Stock. Es hat ein Schlafzimmer mit Doppelbett und Einzelbett, ein extra Raum für Waschbecken und WC, extra Dusche und einen Balkon. Außerdem gibt es vor der Tür eine Sitzgelegenheit und eine große Terrasse. Hier gefällt es mir. Unten sind drei weitere Zimmer und die Küche, wo man sich auch selbst mal etwas zubereiten könnte. Ich erhalte einen Hausschlüssel und kann frei schalten und walten, Mohammed geht in den Ort, um weitere Gäste einzufangen oder die Kasbah des Glaoui Touristen zu zeigen. Muss ja irgendwie sein Geld verdienen.

Und das Palace de Telouet ist nur ein paar Schritte entfernt, dort werde ich heute Abend essen. Vielleicht kommt Hans auch.