Fähren-Überfahrt mit der Atlas von GNV – Sete -Nador

Sehr gerne denke ich an meine erste Fährüberfahrt im Jahr 1986 zurück. Es war die Marrakech, ein marokkanisches Schiff im Privatbesitz des Königs. Wunderbare Salons mit Holzschnitzereien und ein toller Service. Nach Ankunft an Bord musste man sich beim Restaurantchef melden, er teilte einem einen Tisch zu, meist mit 6 Personen, und das war immer ein Erlebnis. Tolle Gespräche mit interessanten Menschen, einmal sogar mit dem amerikanischen Konsul, der daraufhin ein Freund wurde. Vorzügliches 4-Ganz-Menü am weiß gedeckten Tisch, ein schöner Wein dazu. Am Tage wurde – natürlich nur in der warmen Jahreszeit – das Wasser in den Pool gelassen und zwischendurch konnte man Tontauben schießen. Am Abend spielte eine Musikkapelle. Diese Überfahrten habe ich immer sehr genossen, oft kamen mir die Tränen, wenn ich wieder einmal an Bord ging vor lauter Freude. Und natürlich war ich damals eine junge Frau und damit war es leicht, die komplette Mannschaft kennen zu lernen. Der Bordingenieur zeigte mir das ganze Schiff.

Doch diese schönen Zeiten waren bald vorbei. Zunächst merkte man, dass das Menü auf 3 Gänge vermindert wurde, das schöne Besteck wurde nicht mehr ausgelegt, die Kabinen zwischendurch nicht mehr gereinigt. Und dann war die Gesellschaft pleite und meine schöne Marrakech gab es nicht mehr.

Heute wird die Überfahrt ab Italien oder Frankreich meist von der italienischen GNV gemacht, der Grandi Navi Veloci. Die haben zwar neuere Schiffe, aber nicht mehr einen so guten Service. Das Essen ist nicht mehr im Preis enthalten, man kann ein Voucher kaufen und dann in der Kantine in sehr mäßiger Qualität essen. Doch der Reihe nach.

Und 20 Uhr soll das Schiff ablegen, man muss 4 Stunden vorher am Hafen sein und zunächst sein Ticket am Schalter vorzeigen. Daraufhin bekommt man die Bordkarten. Unser Schiff, die Atlas, traf um 14:30 Uhr ein. Darauf begann die lange Kolonne der Autoausfahrt, und im Schiff selbst das Reinemachen. Die Mannschaft hat dafür 5 Stunden, schon daran sieht man, dass mit Einschiffen um 16 Uhr nichts werden kann. Aber die wollen ihre Schäfchen beisammen haben. Doch auch die später angekommenen bekamen ihr Ticket. Der Hafenparkplatz war unglaublich voll, meist Marokkaner mit hoch beladenen Kleinlastern und ich konnte mir kaum vorstellen, wie diese vielen Fahrzeuge in ein einziges Schiff passen sollen. Es war fast 18 Uhr bis endlich die ersten Autos einfahren durften, natürlich zunächst die kleinen PKW, die auf die höheren Ränge des Garagendecks müssen. Und ganz lange warten müssen, bis sie wieder raus kommen. Dazu gehörte natürlich auch ich. Dann nimmt man sein Übernachtungsgepäck und geht hoch zur Rezeption. Und unglaublicherweise war das Schiff tatsächlich pünktlich beladen, es war sogar noch Platz in der Garage und um 19:55 Uhr fuhren wir los.

Auf dem Schiff waren hauptsächlich Marokkaner, die die komplette Verpflegung mitbringen sowie Kissen und Decken zum Schlafen. Die liegen dann später einfach auch überall. Sie buchen oft nur einen Liegesessel, schlafen aber irgendwo auf dem Boden. Ich hatte eine innen liegende Viererkabine zur Alleinbenutzung gebucht, war damit auch zufrieden, aber man strich an der Rezeption die Nummer aus und gab mir statt dessen einen Stock höher eine Außenkabine. Keine Ahnung warum, aber ich sage nicht nein. Und schon war es Zeit zum Abendessen. Das Voucher kostet 29 Euro und enthält 3 warme Mahlzeiten und 2 Frühstück. Es gab zur Auswahl Pasta, Fleisch und Fisch und davon reichlich. Zum Voucher gehörte ein Fleisch- oder Fischgericht, Beilage, 3 Stück Brot und ein alkoholfreies Getränk. Das Essen war nur lau, aber in der Cafeteria ist eine Mikrowelle. Vom Abendessen kann man satt werden, nicht jedoch vom Frühstück. Da gab es einen Becher Kaffee, einen Orangensaft und ein Croissant, keine Butter oder Konfitüre, es sei denn, man zahlt drauf. Das ist schon etwas dürftig.

An Einrichtungen bietet das Schiff die Selbstbedienungs-Cafeteria, die nur zu den Mahlzeiten offen ist, ein gutes Restaurant mit zivilen Preisen, eine Bar, wo man immer mal sitzen und etwas trinken kann. Dort gibt es auch Kuchen und gut aussehende Sandwichs. Eine schöne Boutique, die auch Kleidung bietet, ein großer Kinosaal und ein Kinderspielraum runden das ganze ab, für die Marokkaner natürlich auch eine Moschee. Die Hunde sind in einem zugigen Gang hinter der Cafeteria in kleinen Kabinen untergebracht, aber es war zum Glück keiner an Bord.

Außer den Marokkanern waren zwei deutsche Wohnmobilbesatzungen an Bord, zwei Holländer, eine deutsche Gruppe mit 2 PKW, die nach Burkina Faso wollen, ein schweizer Toyota, der bis Senegal will und einige Servicefahrzeuge für die Rallye Touareg. Dem Schweizer konnte ich sofort einen Mauretanien-Führer verkaufen.

Am ersten Morgen um 10 Uhr bildeten sich dann die Schlangen vor dem Raum, in dem der marokkanische Polizeibeamte die Pässe abstempelt. Zwei deutsche Camper, Erstbesucher, und ich waren ziemlich vorne und die ersten Nicht-Marokkaner in der Schlange, es ist halt gut, wenn man fragen kann. Und so habe ich mich auch gleich mit dem Grüppchen in der Schlange richtig gut unterhalten, wir haben so viel gelacht, dass die Zeit schnell vorbei ging. Und dann kam für mich die große Überraschung. Der Dienstraum öffnete sich und ich fand wie in einer Schulklasse Stuhlreihen und ein Podest vorne. Wir mussten uns der Reihe nach auf die Stühle begeben und warten. Also so gut organisiert habe ich die Passkontrolle noch nie erlebt. Natürlich nicht perfekt. Denn durch die Hintertür, durch die man später rausgehen sollte, schlüpften dann doch etliche Personen unbemerkt von der Obrigkeit unter Umgehung der Schlange hinein.

Nachdem diese Prozedur erledigt ist muss man ein paar Schritte weiter zur nächsten Schlange und dort die Fahrzeugpapiere ausfüllen lassen. Viele Touristen erledigen das ja schon zu Hause am PC und das wurde im Hafen auch immer akzeptiert, aber dieser freundliche Beamte nutzte die gleiche Internetseite und druckte das Papier noch einmal neu aus. Man kann sich die Mühe also sparen. Und zum erstenmal in all den Jahren hat mich der Beamte nach der Versicherung gefragt. Wie gut, dass ich die ganze Mappe dabei hatte, meist liegt der Schein ja im Handschuhfach.

Am Nachmittag spielte dann ein Marokkaner auf der Hammondorgel, ein zweiter sang dazu und das fast ausschließlich männliche Publikum klatschte, einer, der aussah wie der junge Gaddafi, tanze wie wild. Und der Orgelspieler erinnerte stark an Assad. Wir Deutschen saßen zusammen an einem Tisch, aber die Männer hielten den Lärm nicht aus und gingen draußen rauchen.

Mein GPS zeigte mir an, dass wir gegen 6 Uhr deutscher Zeit Beni Ansar (Nador) erreichen sollten. Natürlich braucht das Schiff dann noch eine Weile, bis es fest im Hafen liegt, vor allem da der Hafen von Beni Ansar sehr eng ist und die Schiffe bei zu starkem Sturm schon mal ausweichen müssen. Es gab tatsächlich in der Frühe noch Kaffee und Croissant und dann war ich wiederum erstaunt, wie organisiert die Abfahrt verlief. Bin halt bisher meist marokkanisches Chaos gewöhnt, die Italiener scheinen es besser drauf zu haben. Ich stand – natürlich – auf dem höchsten Autodeck 6, die großen Fahrzeuge auf 3, und so wurden die unterschiedlichen Ebenen einzeln aufgerufen, es entstand kein Gedränge und kein Auspuffmief, weil man halt nicht schon lange vorher im Auto saß und das unbedingt starten muss, obwohl das Heck noch zu ist. Hab ich oft erlebt. Auch die Abfertigung im Hafen lief geordnet, Autobesitzer müssen das Formular noch registrieren lassen, was schnell geht, der Zöllner fragte was ich dabei habe, war aber schon abgezischt bevor ich überhaupt antworten konnte und ich war entlassen. Um 8:50 deutsche, 7:50 marokkanischer Zeit war ich frei im Land, mit all meinen Weinvorräten und Büchern.