Impressionen aus dem äußersten Südosten Marokkos

Nomadenland, keine Parkwächter, keine Geschwindigkeitskontrollen, nur Weite, Freiheit, der Blick reicht bis zum Horizont und darüber hinaus. Dazwischen Hirten mit Schafherden und endlose Ruhe, wenn ich den Wagen parke und den Motor ausstelle höre ich keinen Laut. So war immer mein Marokko, deshalb kam ich her. Auch dieses Land hat sich verändert, sich „globalisiert“, den Stress der Zivilisation aufgenommen. Aber hier ist es noch so, auf der weiten Rekkam-Ebene. Dieses endlose Land auf 1300 Metern Höhe gehört den Nomaden der Beni Guil, die Schafe und Ziegen züchten, keine Kamele, was auch die Straßenschilder berücksichtigen. Sie halten sich im hier sehr kalten Winter vorwiegend im Norden in der Tafrata-Ebene südlich von Taourirt auf, im heißen Sommer möglichst hoch in den Bergmassiven um Figuig. Um die großen Distanzen ohne Brunnen zu überbrücken verfügt der Clan-Chef über einen LKW zum Transport der Tiere, so sehe ich auch tatsächlich neben fast allen Zelten einen LKW geparkt. Und immer wieder in der Landschaft sind Rampen, mit Lehm aufgeschüttet und an einer hohen Mauer endend, über diese Rampen werden die LKW dann mit den Tieren beladen. Einige der Zelte haben nun auch feste Hütten nebenan, um Vorräte sicher unterzubringen, sie haben jeweils für die Jahreszeit feste Standplätze.

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Das Interessante an dem heutigen Tag ist, dass ich nicht weiß, wo ich landen werde, wo ich eine Unterkunft finde. Das ist dann eine der wenigen Gelegenheiten, wo ich mir einen Camper wünschte, einfach irgendwo stehen bleiben, wo es schön ist, den Tag ausklingen lassen und in die Landschaft schauen. Es ist kein Wunder, dass gerade der Osten so gerne von Wohnmobilfahrern angefahren wird. Touristische Infrastruktur gibt es hier nicht. In dieser weiten Ebene gäbe es für mich nur die Farm von Thomas, aber heute ist Thomas noch in Errachidia und alleine habe ich keine Lust, dort zu übernachten. Ich lasse also erstmal alles auf mich zu kommen.

Man könnte hier sehr schnell fahren. Es ist wenig Verkehr und es gibt natürlich auch keine Tankstellen, keine Orte. Nur selten ein Privatauto, aber hin und wieder ein LKW, der zwar manchmal auch Schafe geladen hat, oft aber auch nur Lebensmittel zur Versorgung. Doch ich muss immer wieder anhalten. Manch einer könnte sagen, hier gibt es doch nichts zu sehen, es ist doch eine endlose, karge, völlig öde Ebene. Aber das finde ich nicht. In der Ferne wird sie von bizarren Bergen eingerahmt und von nahem kann man die unterschiedlichsten Pflanzen erkennen. Büschel von Halfagras zum Beispiel, nur hin und wieder mal ein blühendes Kraut. Es hat sehr wenig geregnet in diesem Winter, aber zarte grüne Spitzen sind doch zu erkennen und so kreuzen unzählige Schafherden meinen Weg. Die Hirten sind Profis, meistens Männer und passen sehr wohl auf, dass Fahrzeuge nicht behindert beziehungsweise ihre Tiere nicht getötet werden. Sie sind freundlich, grüßen, mehr nicht. Kein Betteln, keine Ansprache. Auch schöne Vögel fliegen durch die Luft, aber es gelingt mir nicht, sie mit der Kamera einzufangen.

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Auch sehr interessant ist, dass ich die Strecke nicht kenne. Ich wusste noch nicht mal sicher, ob sie komplett asphaltiert ist, das geht aus der Karte nicht hervor, da ja die Karten über Marokko nie den genauen Straßenzustand zeigen. Ein Entdeckergefühl entwickelt sich, eine Neugier, eine Herausforderung. Früher hatte ich das viel öfter erleben können, aber heute sind fast alle Strecken in Marokko bekannt und dokumentiert. Nur der Osten – Marokko Oriental – bietet noch viele Geheimnisse. Und natürlich treffe ich keinen einzigen Ausländer.

Ein Übernachtungsangebot habe ich, die Olivenfarm von Thomas. Die Route geht genau daran vorbei. Aber Thomas ist nicht immer auf seiner Farm, sondern hat auch eine Wohnung in Er Rachidia, was seiner Frau besser gefällt, aber auch für die Schulbildung der Kinder günstiger ist. Und Thomas verpasse ich genau um einen Tag, er kommt erst morgen. Aber zwei Nächte möchte ich nicht bleiben. Später treffe ich bei Gourrama zwei deutsche Wohnmobile auf dem Weg zur Farm, ja, hätte ich das gewusst. So fahre ich also über Gourrama in die Ziz-Schlucht und schlafe in der Kasbah Jurassique. Schon lange kenne ich das dortige Hotel mit Campingplatz, aber noch nie habe ich da geschlafen. Und das ist einfach immer besser, man lernt es so einfach besser kennen. Und was ich lerne ist, dass es hier einfach köstlich schmeckt. Bodenständig und reichlich, sehr zu empfehlen. Ich hatte nur eine einfache Harira, aber das war die beste, die ich je in Marokko bekam.