Man gönnt sich ja sonst nichts

Aldo, der Junge aus der Flüchtlingsfamilie, die ich schon lange betreue, hatte Geburtstag. Und als Geschenk lud ich ihn ein, mit mir zur IAA in Frankfurt zu kommen. Früh am Morgen holte ich ihn ab. Von seiner Mutter ließ er sich noch 5 Euro geben, er hat immer Hunger und Angst, nicht genug zu essen zu bekommen. Außerdem gibt er gerne Geld aus, ganz normal für einen 12jährigen, der bisher nicht viel vom Leben hatte und in seiner frühen Kindheit dem Vater half, auf Müllplätzen nach Verwertbarem zu suchen. Wir fuhren nach Frankfurt ins Parkhaus, das Jaguar – Land Rover für seine Kunden gemietet hatte, bekamen dort unsere Tickets und wurden mit einem Shuttle zur Messe gefahren. Unser erstes Ziel war das Freigelände von Jaguar, denn dort dürfen Kids von 11 bis 17 in Begleitung eines Fahrlehrers selbst Slalom durch das Gelände fahren. Ein Riesen-Ereignis für Aldo.  Dafür waren dann auch knapp 2 Stunden in der Warteschlange nicht zu viel. Danach ging es über die Messe, aber Aldo hatte nur einen einzigen Gedanken, wie kann ich die 5 Euro ausgeben. An einem Mövenpickstand wurde er die ersten 2 Euro los, danach legte ich ein Veto ein. Auch Kinder müssen schon lernen, dass Messepreise exorbitant sind und man nicht einfach so schnell seine paar Kröten ausgibt. Aldo war schlechter Laune, in jedem seiner folgenden Sätze kam das Wort kaufen vor. Er hätte doch Hunger. Ich verwies ihn auf Brot und Käse, das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, aber irgendwie fand das keine Resonanz. Und in den Messehallen war es inzwischen die Hölle. So unglaublich voll, nur Gedränge, Autos konnte man schon gar nicht sehen. Ich sagte, komm, lass uns zurück zu Jaguar gehen. Er, was sollen wir denn da, wir kennen die Autos doch schon. Hatte ich ihn in Orlen doch hin und wieder mit dem einen oder anderen Neufahrzeug abgeholt, ich sagte, nichts da, wir müssen dort hin. Am Empfang von Jaguar bekamen wir dann unsere Bänder ausgehändigt, auch für Aldo korrekt mit seinem Namen gedruckt, obwohl selbst die Schule seinen Namen oft falsch schreibt. Er war geplättet. In der Lounge dann fanden wir einen bequemen Platz, die Mädels kamen unentwegt vorbei und fragten nach unseren Wünschen und Aldo traute sich kaum noch was zu sagen, er riss die Augen auf und staunte. Und von da an war unser Messeerfolg garantiert. Wir konnten uns so richtig ausruhen, Aldo bekam was in seinen Bauch, ach ja, ich auch, und die Stimmung war gehoben. Und danach waren plötzlich auch die Messestände nicht mehr so voll, einige Leute waren wohl schon nach Hause gegangen und wir blieben tatsächlich bis zum Messeschluss. Berieten immer zwischendurch, sollen wir bleiben oder heimgehen, doch die Messe lockte. Am meisten hat Aldo der Bugatti beeindruckt, ein Auto, das in seinen Augen nur sein Fußballidol Ronaldo sich leisten kann und das er noch nie live gesehen hatte.

Zurück im Parkhaus fragte ich ihn dann, willst du heim oder sollen wir noch mal ins Shoppingcenter, in dem wir parken. Aldo nickte nur. Und war schon wieder geplättet. So viel neues hat er an diesem Tag gesehen, so viele Menschen an einem Ort zusammen, wie er noch nie erlebt hat, so viele wunderschöne Geschäfte unter einem Dach, für einen Jungen aus Orlen ein Wunder, und ein McDonalds, in dem er eine letzten 3 Euro ausgeben konnte.

Langstreckenflüge sind nicht bequem, zumindest nicht in der Holzklasse. Und je älter man wird desto unbequemer wird es. Zumindest für mich. Deshalb habe ich mir dieses Jahr etwas gegönnt, rede mir ein, es ist mein Geschenk zu meinem Siebzigsten, und mir einen Business Flug geleistet. Kostet ein Schweinegeld, aber ich freue mich auch wie ein Schneekönig darauf. Warum sagt man eigentlich Schneekönig?

Und nun muss ich mich ans Packen machen. Der Business Flieger darf zwei Koffer einchecken, und ganz ehrlich, die krieg ich voll! Unter den bereits eingepackten Dingen sind Gummistiefel, Nähnadeln, Kaffee, Eierlöffel und –becher, Marmelade, Trockenhefe, Gelfix, Gartenrechen und eine Flasche Sambucca.