Mit Mohammed Belkassan durch Tata

Ich hatte noch nie so eine schöne Zeit in Tata. Mohammed und ich haben uns einfach gefunden. Obwohl er erst 32 Jahre alt ist kenne ich ihn schon etliche Zeit als Hotelinhaber, kannte vorher seinen Vater, aber ich hatte doch nie näher mit ihm zu tun. Er fragte mal nach meinen Reiseführern, ja, aber das war es im Wesentlichen. Doch diesmal nahm er sich Zeit, was wohl vor allem daran lag, dass er sich neuerdings wieder für den Tourismus interessiert. Das Hotel hat er jahrelang zugunsten seiner anderen Projekte vernachlässigt, bezeichnet sich als Entrepreneur, also Unternehmer. Und daher wollte er von mir Ratschläge über den touristischen Sektor.

Gepasst hat es aber vor allem wegen einem Körperteil, das bei jedem von uns fest verbunden ist, dem Smartphone. Wohin er ging und was er tat, das Smartphone war dabei. Meins aber auch. Und so wurde gegenseitig natürlich alles fotografiert und in facebook gepostet, was eben nur ging. Kein Essen ohne Foto vorher. Es hat total Spaß gemacht, echt. Ihr könnt alle schimpfen so viel ihr wollt, hier hatten sich zwei gefunden. Wenn wir eine Polizeikontrolle passierten und er gerade telefonierte stellte er es auf Lautsprecher und legte es auf den Beinen ab.

Aber auch der touristische Sektor kam nicht zu kurz. Am ersten Tag zeigte er mir ein Gelände am trockenen Oued Dra, wo er sich vorstellen könnte, ein Biwak oder eine Ecolodge aufzubauen. Die Landschaft war wirklich traumhaft schön und die Architektur der einheimischen Gebäude schon richtig saharisch. Und natürlich trafen wir Freunde von ihm, wurden zum Tee eingeladen, saßen sehr entspannt im kühlen Garten und genossen die süßen Datteln, die in ebendiesem wuchsen.

Noch interessanter wurde es aber am nächsten Nachmittag. Er brachte mich zu einem würdigen älteren Herren, der ein touristisches Projekt machen möchte, dafür schon einen Plan und Geld vom Staat hat. Er wollte meine Meinung dazu hören. Nun, ich bin deutsch, und das heißt, ich sage immer geradeaus meine Meinung. Sein Haus im Garten war abseits der Straße, hatte keinerlei Schönheit an sich. Der alte Herr sprach keinerlei Fremdsprachen, hatte nie im Tourismus gearbeitet und keine Ahnung, was ein Tourist sucht und braucht. Sein Kopf platzte nur so von Ideen, was er alles machen wollte. Das traditionelle Leben zeigen, einheimische Gerichte zusammen mit den Gästen kochen, die Zimmer im berberischen Stil einrichten. Und und und.

Wunderbare Ideen. Nur hat er eins vergessen. Dazu braucht er Gäste. Und möglichst viele. Nach Tata kommen kaum welche. Hauptsächlich Camper, die ihre eigene Unterkunft dabei haben. Dazu einige Rallyes, die zwar Geld bringen, aber nicht ein solches Gästehaus suchen. An letzteres hatte er gedacht. Er führte mich zu einem Lager, in dem massenhaft Waren gestapelt waren, die er bereits mit dem staatlichen Geld gekauft hat. Kühlschrank und Gefriertruhe, Kochtöpfe, in denen Suppe für eine Armee gekocht werden kann, Teekessel, Tajinetöpfe, Becher, Wasserkessel …., ich kann es gar nicht alles aufzählen. In riesiger Menge. Das nagelneue Zeug lagert dort und verkommt. Er hat keinerlei Verbindungen zum touristischen Sektor, zu Organisatoren von Rallyes, nichts. Er wird diese Waren nie einsetzen können.

Dann zeigte er mir ein weiteres Haus, das ihm gehört, ein flaches Lehmhaus, in dem seine Tante mit Familie lebt. Ja, das ist etwas anderes. Hier blühte mein Herz auf. Mit diesem Haus kann man was machen. Es liegt unweit der Hauptstraße vor einem reizvollen alten Dorf mit Agadir, hat einen herrlichen, wenn auch vernachlässigten Palmengarten daneben, mit Brunnen. Über dem Berg gleich daneben ging bei unserem Besuch rotgolden die Sonne unter und ich sah alles vor mir. Vier schöne Gästezimmer mit Bad, auf dem Dach ein Zelt, in dem man sich abends zum Tee setzt und den Sonnenuntergang direkt vor sich genießt, ein schön mit Blumen bepflanzter Palmengarten mit herausgeputztem Brunnen, in dem die Gäste spazieren gehen oder sich in den Schatten setzen.

Aber genau diese touristische Weitsicht hat er nicht. Ein solches Projekt kann man nur erfolgreich ausführen, wenn man entweder bereits Erfahrung im Tourismus hat oder einen ausländischen Partner an seiner Seite. Ich fragte ihn, was er sich in Bezug auf Sanitäranlagen dachte und er meinte, im Garten würde er extra Gemeinschaftstoiletten bauen. Ja, mein Lieber, das geht heute gar nicht mehr. Das zeigt mir einfach, dass hier sehr viel Wissen fehlt. Mir tut der arme Mann leid, er wird scheitern. Hat auch keinen Sohn, der ihm in diesem Projekt helfen könnte, nur einen Neffen, der aber auch keine Ahnung hat.

Dann fragte uns die Tante, die in dem Haus lebt, ob wir einen Tee wollen und diesmal sagte ich jubelnd zu, denn sie erwähnte Amlou. Diese erdnussbuttergleiche Paste wird aus Mandeln und Arganöl hergestellt, dazu brachte sie noch warmes, frisch gebackenes Brot und auf dem Boden genossen wir den köstlichen Imbiss.

Die Ausflüge mit Mohammed haben mir total Spaß und erinnern mich an die Zeiten, bevor ich Reiseführer schrieb. Da kam ich eigentlich viel mehr mit der eigentlichen Bevölkerung in Kontakt und erlebte viel. Heute geht es in erster Linie um Arbeit und Recherche. Und ich habe tausendmal lieber in Mohammeds abbruchreifem Hotel gewohnt als in dem im Vergleich luxuriösen Bab Rimal mit einem so unfreundlichen Empfang.