Politik zum ersten …

Marokko ist einfach unglaublich. Nun bin ich schon vier Tage im Riad Dar Sofian in Zagora und eines, was mir wichtig ist, außer der netten Unterbringung und einem guten Essen, ist der Kontakt zu Menschen. Gespräche. Interessante Gespräche.

Und die hatte ich bisher. Da ich Zagora gut kenne und immer viel Zeit hier verbringe, hatte ich wenig zu recherchieren und die vier Campingplätze waren auch schnell besucht. Ja klar, auf jedem Platz gab es auch wieder nette Gespräche, aber wichtig ist halt auch der Abschluss am Abend. Bisher konnte ich da nicht klagen. Richtig viel zu tun war im Augenblick nicht, das Hotel bei weitem nicht ausgebucht, aber jeden Abend waren doch ein, zwei Tische besetzt und ich kam immer mit meinen Nachbarn ins Gespräch. Es waren tatsächlich immer Deutsche, obwohl das nicht so wichtig ist, die Hauptsache ist, man kann sich verständigen. Gestern Abend war es besonders nett. Ich und ein weiterer Tisch mit einem deutschen Paar saßen bereits beim Essen, da ging die Tür auf und zwei Männer kamen rein. Wiesen auf die Empfehlung bei „Edith Kohlbach“ hin und fragten, ob noch ein Zimmer zu haben sei. Der Rezeptionist wies mit der Hand auf mich und meinte, da sitzt sie. Klar, dass damit ein nettes Gespräch eröffnet war. Die Beiden waren mit je einer BMW im Land, erste Marokko-Tour, und eine Maschine war kaputt. Da sie mein Buch hatten waren sie auch schon bei Ali Nassir, der hatte sich gekümmert, brauchte aber Teile, die er hoffte, aus Casablanca zu bekommen. Was hier ziemlich schnell geht. So was kommt mit Bus und Taxi meist übernacht, Fedex ist nicht so schnell. Am Morgen fuhr ich sie dann in die Werkstatt, aber dort gab es traurige Nachricht, die Teile sind in Marokko nicht zu bekommen, was auch schon vermutet worden war, und der Rücktransport zur Fähre nach Tanger war bereits von Ali in die Wege geleitet. So was ist teuer, bestätigt mir hier jeder, es kostet 9000 Dirham, aber ein versicherter Transport, und damit freie Fahrt an allen Polizeikontrollen. Ich werde es erfahren, durch das arabische Telefon, wie es gegangen ist.

Dann gab es heute auch so einige politische Nuancen. In Rabat haben sich etwa 3 Millionen Menschen zu einer Demonstration versammelt. Es geht um die Westsahara. Der UN-Generalsekretär war kürzlich im Polisario-Lager auf algerischem Gebiet und hat so etwas durchblicken lassen, dass Marokko gegen das Völkerrecht die Westsahara annektiert habe. Ich habe dazu eine persönliche Meinung, und die ist die, dass Marokko das Gebiet nicht nur ausgebeutet hat, sondern ganz entschieden darin investiert hat, was der Westsahara sehr gut bekommen ist. Die Saharaouis, die zunächst in Zeltlagern gelebt haben, haben feste Häuser bekommen, eine Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen und alle Lebensmittel und sonstige Kosten werden dort stark subventioniert, so dass es den Leuten recht gut geht. Anders als in den algerischen Lagern, wo immer noch in schlimmen Verhältnissen in Zeltlagern gelebt wird. Ich kann diese Unabhängigkeitsbestrebungen in der heutigen globalen Zeit nicht verstehen, die Saharaouis wären allein nicht lebensfähig und sollten froh sein, zu Marokko zu gehören. Ähnliche Lebensbedingungen, wie sie in der Unabhängigkeit zu erwarten hätten, herrschen in Mauretanien, so ziemlich dem ärmsten Land in Afrika. Ich glaube kaum, dass dies erstrebenswert ist.

Das gab mir schon zu denken und ich hätte mir nichts mehr gewünscht, als einen Gesprächspartner zur Diskussion. Zudem waren ja heute auch in Deutschland drei Landtagswahlen, die interessante Ergebnisse zeigten und so fing ich mit meinem Freund Manfred einen Chat an. Das ganze zum Aperitif vor dem Abendessen, das heute ganz traurig aussah. Es hatten sich keinerlei Gäste eingefunden, keine Dinnergespräche. Nur virtuell.

Der Kellner kam und deckte den Nebentisch. Ich fragte natürlich gleich, ob es neue Gäste gäbe. Ja, meinte er, zwei Marokkaner seien noch da, aber er wisse nicht genau, ob die essen wollten. Also weiter mit Manfred gechattet. Dann kamen sie. Der Kellner schaltete den Fernseher ein. Abtörnend. Aber dazu muss man wissen, dass es einfach Kulturunterschiede gibt. In Deutschland schaltet man den Fernseher aus, wenn Gäste kommen. Hier an. Das ist einfach der gute Ton hier. Ich war natürlich erstmal sauer. Sagte also keinen Ton. Schaute nicht hin. Nachrichten liefen, in arabischer Sprache. Und dann sagte der eine zum anderen etwas auf Arabisch, das ich aber verstand. Donald Trump sei doch genau wie Hitler.

Da konnte ich nicht mehr an mich halten. Und schaltete mich in das Gespräch ein. Und es lief einfach unglaublich weiter. Es waren zwei Brüder, um die 40. Der eine wohnte in Casablanca und ist der Direktor einer deutschen Aufzugsfirma (Thyssen). Der andere lebt in Connecticut, was er macht habe ich nicht gefragt. Zwei absolut gebildete, wohlerzogene, intelligente Menschen. Das Gespräch lief über Stunden. Wir haben alles abgehandelt. USA, Marokko, Deutschland, die Welt.

Das ist der Grund, warum ich reise. Und warum ich mich in Taunusstein doch nicht hundertprozentig wohl fühle.

Was für ein Abend.