Familiengeschichte Schröder – Teil 3

Kriegstagebücher

Was mein Vater in dieser Zeit erlebte kann aus seinen Kriegstagebüchern entnommen werden, die mir vorliegen. Sie sind im ersten Teil in Sütterlin geschrieben und die Entzifferung war ziemlich schwer. Das erste geht vom 21.05.1940 bis zum 19.07.1941. Als Anschrift gibt er dort wie auch später Kirn, Bergerweg 37, an. Die Bücher gehen bis zum 14.02.1945 und sind alle als unbedenklich von der Wehrmacht abgestempelt. Auf der ersten Seite steht:

Dieses Tagebuch soll mir für spätere Zeiten als Erinnerung und Andenken dienen an meine Militär- und Kriegszeit. Sollte ich den Krieg nicht überleben, so soll es für meine Familie ein Andenken an mich sein.

1940 musste die Deutsche Reichspost Personal zu OKW/WNV/Fu III abstellen (OKW = Oberkommando der Wehrmacht), die Mitarbeiter kamen hauptsächlich zum Funkdienst/Abwehr. Nach der Einberufung am 21.5.1940 ging Erich Schröder zunächst nach Posen im heutigen Polen, wo er eine Ausbildung zum Funker machte. Er kam zur Abwehr und hatte zu Anfang die beste Zeit seines Lebens, als er in Bordeaux und dann in San Sebastian in Spanien beschäftigt war, einem Land, das nicht am Krieg beteiligt war. Dort lernte er Spanisch, konnte in seiner Freizeit tanzen gehen und kaufte Unmengen von Waren für die Familie ein, da es in Spanien sehr preiswert war. Später war er im Osten eingesetzt, in der Krim und der Ukraine. Durch seine Tätigkeit als Funker immer hinter der Front. In dieser Zeit entwickelte sich wohl seine Vorliebe fürs Reisen. Er langweilte sich schnell, wenn er längere Zeit fest auf einer sicheren Dienststelle war, er wollte immer fort. Die Reisen waren sehr abenteuerlich, oft mit der Bahn, was nicht einfach war, aber auch mit LKWs, die im Schlamm stecken blieben. Das schrieb er sorgsam auf, auch die Orte, durch die er fuhr. Aber im Tagebuch schrieb er hauptsächlich von der Freizeit, denn die dienstliche Arbeit war geheim. Er ging während seiner Kriegszeit mehr ins Kino, Theater und Café, als ich je in meinem Leben. Verglichen mit anderen Soldaten hatte er eine richtig gute Zeit, während meine Mutter zu Hause unter dem Bomben­hagel litt und andere Soldaten ihr Leben lassen mussten.

Einige Einträge im Buch sind denkwürdig:

4.6.1940 Bei dem Nachsprechen der Eidesformel befiel mich ein eigenartiges Gefühl. Jetzt bin ich Soldat mit Leib und Seele. Es gilt der Satz; wer auf die preußische Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selber gehört. Wenn die Frage an mich herantritt, soll ich mein Leben einsetzen oder nicht werde ich mit allen Konsequenzen meine Pflicht tun.
7.7.1940 Seit dem Waffenstillstand mit Frankreich hat unsere Ausbildung sehr nachgelassen. Seitdem das Gerücht aufgetaucht ist, dass einzelne Jahrgänge entlassen werden sollen, ist nichts mehr los. Unser Fronteinsatz ist wahrscheinlich auch vorbei. Schade, gegen England wären wir alle gern dabei gewesen.
26.8.1942 Berti hatte 2 Rollen Drops geschickt. Damit hat sie mir große Freude gemacht. Diese Sachen entbehre ich hier sehr.
15.9.1942 Leider war unser Zimmer vollständig verwanzt und verlaust. Dadurch konnte ich die ganze Nacht kein Auge zutun. Bei Taschenlampenbeleuchtung ging ich auf die Jagd.
14.10.1942 Auf dieser Fahrt hatten wir reichlich Gelegenheit festzustellen, dass die Rede Göhrings von der Besserung auf Wahrheit beruhte. Von Rostow an war die Bahnstrecke zweigleisig ausgebaut. Fast alle Brücken waren schon durch eiserne Brücken ersetzt oder waren im Bau. Alle Bahnhöfe neu aufgebaut. Auf allen Bahnhöfen waren riesige Kohlenlager aufgestapelt für den Winter. Überall sieht man wieder rauchende Schornsteine von Fabriken. Teilweise wurden sogar neue Fabriken gebaut, die Felder sind zum großen Teil schon bestellt. Ja es ist Wahrheit. Die schlimme Zeit ist hinter uns. Jetzt noch den Kampf im Osten beenden, dann kann kommen, was will, es kann uns nichts mehr geschehen.
20.7.1944 Heute kam die aufsehenerregende Nachricht von dem Attentat auf den Führer. Glücklicherweise ist ihm nichts geschehen.
27.11.1944 Hoffentlich werden bald die neuen Abwehrwaffen eingesetzt, damit die Heimat mal zur Ruhe kommt.

Über das Ende des Krieges schreibt mein Vater: Werde während eines Urlaubs in Kirn von dem Vormarsch der Amerikaner überrascht. Schlage mich durch ganz Deutschland bis nach Kunzendorf zur Truppe zurück. Komme dort am 20.4.45 an. Am gleichen Tag mit Oblt. Bachmann und Hans Esche Abfahrt über Kommando in Planian und Prag nach Schwarzenberg im Erzgebirge, um neues Einsatzgerät abzuholen. Können dort nicht mehr vor- noch rückwärts, da hinter uns in der Tschechei Aufstand. Vor uns Amerikaner. Am Führergeburtstag hatte Ltn Spode aus eigenem Entschluss noch schnell die alten Leute zu Unteroffizieren befördert, auch mich. In Schwarzenberg erklärt Bachmann, dass es zu Ende sei, er könne nichts mehr machen und entlässt uns. Ich gehe nach Aue, melde mich am 5.5.45 bei Postamt zum Dienst und bleibe dort bis zur russischen Besetzung am 10.6.45. Dann zu Fuß zurück nach Wetzlar. Dort bleibe ich bei Bauern.

Erzählungen zufolge kam er unbeschadet zurück nach Boppard. Allerdings hatte er auch nicht die nötigen Entlassungspapiere, die er sich zunächst mit etwas Mühe bei den französischen Besetzern besorgen musste.

Total überwältigt war ich von der Erkenntnis wie ähnlich mein Vater und ich uns sind. Ich reise durch die nordafrikanischen Länder, früher sehr abenteuerlich, heute etwas komfortabler, und ich habe es schon immer geliebt, darüber zu schreiben. Zunächst ins Tagebuch nur für mich; Internetblogs, die alles öffentlich machen, gab es damals noch nicht. Dann als Länderberichte für den Saharaclub. Und dann sehr bald in der Form von Reiseführern. Und nun muss ich erkennen, dass mein Vater genau das gleiche gemacht hat. Er reiste und schrieb darüber. Wenn er mal längere Zeit in relativer Sicherheit in einem Büro in Berlin, Warschau, Wien oder Krakau Dienst tat, dann langweilte er sich und meldete sich auf einen Einsatzort in der Ferne. Die Reise war sein Abenteuer und wenn es noch so schwierig war. Wie sehr kann ich mich doch mit ihm identifizieren. Er nennt die Orte auf seiner Strecke mit Namen. Viele der besuchten Länder gehörten damals zum deutschen Reich und die Orte hatten deutsche Namen, die heute ganz anders lauten.

Eine der Fahrten zum Einsatzort

Das Kriegtagebuch ist erschienen in gedruckter Form und kann hier bestellt werden:

https://shop.edith-kohlbach.de/Kriegstagebuch

Familiengeschichte Schröder – Teil 2

Eltern Erich Schröder und Berta, geb. Franz

Meine Mutter Berta Franz machte von 1928 bis 1931 eine Lehre als Verkäuferin und arbeitete dann bis zu ihrer Hochzeit am 24. Juni 1937 in diesem Beruf. Ich habe noch ihr Arbeitsbuch.

Mein Vater Erich Schröder machte Abitur auf einem altsprachlichen Gymnasium mit Latein und Griechisch, vermutlich 1930, und suchte zunächst verzweifelt nach einer Arbeitsstelle. Durch Vermittlung eines Bekannten konnte er zwei Jahre später als Praktikant bei der Post anfangen. Unterlagen zeigen, dass er vor dem Krieg auf etlichen Postämtern im Hunsrück gearbeitet hat (z.B. Kastellaun und Andernach) und dann vermutlich auf dem Postamt in Boppard, wo er meine Mutter kennenlernte.

Kriegsjahre

Schon immer liebte mein Vater die Abwechslung, die ihm das Leben bisher aber noch nicht beschert hatte. Und so nahm er im Jahr 1938 das Angebot an, für ein Jahr die Arbeitsstelle mit einem Beamten aus dem Osten des Reiches zu tauschen, und das junge Paar zog noch im gleichen Jahr ins schlesische Gleiwitz, nicht ahnend, an welch geschichtsträchtigen Ort es sie verschlug, war Gleiwitz doch der Ausgangspunkt des 2. Weltkriegs. Am 31. August 1939 drangen SS-Leute als angebliche polnische Freischärler in den Sender Gleiwitz ein und riefen zu einem Aufstand der polnischen Minderheit auf. Diesen fingierten Angriff nahm Hitler als Auslöser für seinen Überfall auf Polen, offizieller Kriegsbeginn war der 1. September 1939.

Doch schon Anfang des Jahres gab es Vermutungen, dass ein Krieg bevorstand. Meine Mutter war schwanger und so legte mein Vater alles daran, wieder ins Rheinland zurück zu kommen. Der Tauschbeamte hatte sich inzwischen in ein Mädel aus dem Rheinland verliebt und wollte nicht zurück, aber irgendwie ist es ihm doch gelungen, und die Familie ging im Februar 1939 wieder zurück nach Boppard. Am 31. März 1939 wurde dann ihr erstes Kind, meine Schwester Sigrid, geboren. Vater wurde Ende 1939 nach Kirn (Nahe) versetzt. Die kleine Familie zog dorthin um und meine Mutter sollte die Kriegsjahre dort verleben. Meine Eltern hatten immer eine enge Bindung an Kirn, hatten Freunde dort und sind auch in späteren Jahren oft dorthin gefahren.

Vaters Papiere zeigen, dass er am 17.05.1940, mit 28 Jahren, eingezogen wurde. Von da an muss man für meine Eltern getrennte Wege berichten. Und wenn ich für mich zu wählen hätte, wurde ich ganz klar Vaters Militärzeit wählen, denn die war verhältnismäßig ruhig, während meine Mutter mit der kleinen Sigrid den Bombenhagel erleben musste.

Da ich zu dieser Zeit noch nicht geboren war habe ich nur Erinnerungsfetzen aus Erzählungen. Und alle Beteiligten leben heute nicht mehr, können nicht befragt werden. Im Gedächtnis blieb haften, dass meine Mutter sehr oft mit der kleinen Sigrid in den Schutzkeller flüchten musste. Der Bombenalarm ertönte, und sie mussten weg. Mehrmals täglich. In Hennweiler, einem Dorf 8 km von Kirn entfernt, lebte die Familie Fuchs, sehr gute Freunde von meinen Eltern. Zu diesen sind sie häufig gewandert, denn damals gab es dort keinen öffentlichen Nahverkehr. Familie Fuchs lebte auf einem Bauernhof und hatte daher immer etwas zu essen, woran sie meine Mutter und die Kleine teilhaben ließen. Auch später in meiner Kindheit haben wir die Familie noch oft besucht. Gut kann ich mich an den Donnerbalken erinnern. Das war der Klo draußen im Hof, ganz ohne Wasserspülung, ein Badezimmer mit WC und fließendem Wasser hatten sie lange nicht. Dorthin musste man bei jedem Wetter und um nicht in der Nacht raus ins Kalte zu müssen stand am Bett ein Nachttopf.

Selten kam Vater zu Besuch, später erzählte er nie vom Krieg, aber eine Heldentat blieb haften. Als er nämlich im Urlaub in Kirn mehr aus Versehen zusammen mit einem Freund ein Wildschwein erlegte. Eine schwere Straftat damals, aber ein unglaubliches Geschenk für die Familie. Das Fleisch wurde heimlich unter den Freunden aufgeteilt und eingemacht. Mit Eingemachtem haben auch andere Erinnerungen zu tun, die meine Mutter oft erzählte, dass nämlich gegen Kriegsende amerikanische Soldaten in die Stadt kamen, die Häuser durchsuchten und vor allem das Eingemachte aus den Kellern mitnahmen. Im Frühjahr 1945 erreichte der Vormarsch der Amerikaner Kirn. Außerdem stand die Einschulung Sigrids bevor, das Schuljahr begann damals noch an Ostern, und die Familie entschied, dass es besser sei, nach Boppard ins Elternhaus zurück zu gehen, damit Sigrid dort in die Schule käme.

Familiengeschichte Schröder – Teil 1

Ein Jubeln ging durch das Krankenhaus. Mitten in der „schlechten Zeit“, am 5. Dezember 1947 kurz nach dem Krieg, als es fast kein Geld und wenig zu essen gab, wurde endlich mal ein pralles Baby geboren. Natürlich kann ich, Edith Kohlbach geb. Schröder, mich nicht wirklich an das Geschrei erinnern, aber es war so etwas besonderes, dass es mir noch oft erzählt wurde. Genauso wie der Ärger meiner Schwester Sigrid, die 9 Jahre lang ihr Dasein als Einzelkind genoss, und genau am Nikolausabend auf ihre Mutter verzichten musste, denn ich wurde kurz vor Mitternacht geboren.

Großeltern väterlicherseits

Meinen Großvater, den Klavierbauer und Händler Johannes Schröder, habe ich nie kennengelernt, er wurde am 18. Oktober 1878 in Koblenz als Sohn des Kaufmanns Wilhelm Schröder geboren. Johannes hatte in Koblenz in der Schlossstraße das Musikaliengeschäft seines Vaters übernommen. Mein Vater Wilhelm Leonhard Hans Erich Schröder wurde am 25. November 1911 in Düren geboren. Die Heiratsurkunde zeigt, dass Erich eine Frühgeburt war, denn Johannes hat seine Margarete Steiger (geb. 4.11.1890) erst am 19. Mai 1911 geheiratet. Am 27. März 1915 wurde ein weiterer Sohn, Hans, geboren.

Johannes Schröder wurde im 1. Weltkrieg (28.7.1914 – 11.11.1918) als Soldat eingezogen. In dieser Zeit scheint sich das Ehepaar entfremdet zu haben. 1918 wurde Schwester Rita geboren, und der Vater war nicht Johannes. Das führte zur Scheidung im Jahr 1919. Die beiden Söhne kamen noch während des Krieges ins Waisenhaus. Johannes heiratete am 27. Mai 1921 erneut, und zwar Franziska Müller (geb. am 4. Mai 1886 in Koblenz-Pfaffendorf). Die beiden Jungen kamen irgendwann zurück zur Familie. Mein Vater hatte in seiner Jugendzeit oft Krach mit seinem Vater, verstand sich aber mit seiner Stiefmutter gut.

1942 wurde das Haus in der Schlossstraße 9, das Geschäft und Wohnung enthielt, völlig ausgebombt, so dass die Eltern das sehr zerstörte Koblenz verlassen mussten und zu Verwandten nach Wetzlar zogen. Meine eigenen Eltern besaßen noch viele Schall­platten aus ihrem Besitz. Der Großvater ist kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges am 14. Mai 1945 verstorben, die Familie sagte mir, er sei ermordet worden, weil man ihm sein Fahrrad stehlen wollte. So habe ich ihn nie kennengelernt. Seine zweite Frau Franziska starb am 1. Dezember 1952.

Die geschiedene Großmutter Margarete hat später Ritas Vater, einen Herrn Happ, geheiratet, der Kinder mit in die Ehe brachte. Eines davon war Hubert. Rita heiratete später diesen Stief-/Halbbruder Hubert, vermutlich um 1951. Alle wohnten in Büsdorf bei Köln. Meine Eltern pflegten einen guten Kontakt mit ihnen, wir fuhren oft hin und Familienfotos zeigen, dass Rita und Hubert uns auch besuchten.

Großeltern mütterlicherseits

Meine Großmutter Elisabetha Pauline Reinehr wurde am 9. Juni 1886 in Niederheimbach geboren, einem kleinen Ort am Rhein. Ihr Vater war dort der Schreinermeister und Möbeltischler Wilhelm Reinehr (geb. 1853) und ich habe noch Stücke aus seiner Hand gesehen. Reinehr war damals eine alteingesessene Familie im Ort, doch im Jahr 2019 steht kein einziger Reinehr mehr im Telefonbuch von Niederheimbach. Die kleine Gemeinde hatte damals wie heute keine 1.000 Einwohner.

Niederheimbach zieht sich entlang des Rheins, ist aber von der daran entlang führenden Eisenbahnlinie und der Straße vom Fluss getrennt. Es war ein eher armer Ort, der von seinen wenigen Weinbergen lebte; die Chronik berichtet, dass 1854 39 Bürger des Ortes wegen großer Not auswanderten nach Brasilien und Australien. Unter den Glücklichen, welche es geschafft hatten, ist auch ein Anton Reinehr. 1859 war dann der Eisenbahnbau in vollem Gange. Dies und die aufstrebende Schifffahrt mit ihrem Frachtverkehr auf dem Rhein brachten nun viele Einwohner Niederheimbachs in Arbeit und Brot. Viele Gärten, Äcker und Wiesen am Rhein fielen dem Eisenbahnbau zum Opfer. Für die Entschädigung konnten andere Grundstücke angekauft, oder, was mehrfach der Fall war, mit diesem Geld endlich Schulden bezahlt werden, welche die Menschen in den letzten sehr schlechten Jahren der Missernten zu machen gezwungen waren, um ihre Familien ernähren zu können. In einer Kopie eines Dokumentes vom 12. April 1859 sind die Namen der Niederheimbacher aufgeführt, die eine Entschädigung für ihr Grundstück erhielten. Hier findet sich auch ein Reinehr (Andreas).

1899 wurde dann auch mein Großvater in der Stadtchronik erwähnt. Am 21. August am Kirmes – Montag, 9 Uhr, brannten 12 Häuser im „Flecken“ nieder. Das Feuer brach im Stall von Anton Stark aus und innerhalb einer halben Stunde standen schon mehrere Häuser in Flammen. Es hatte in dieser Zeit wochenlang nicht geregnet, so dass der Heimbach kaum Wasser führte, was zum Löschen unbedingt benötigt worden wäre. Eine Wasserleitung gab es noch nicht. Wilhelm Reinehr gehörte eines der abgebrannten Häuser. Die Häuser waren damals schon alle bei der Provinzial versichert und erhielten Entschädigungen. Die damals wieder aufgebauten Häuser sind an ihren roten Backstein – Fassaden zu erkennen. Dieses Ereignis und andere schwere Brände führten 1932 zur Gründung einer freiwilligen Feuerwehr. Zum Brandmeister wurde Wilhelm Reinehr gewählt, vermutlich ein Bruder Paulines, denn der Vater wäre für diese Aufgabe schon zu alt gewesen.

 

Niederheimbach
Die neu aufgebauten Backsteinhäuser

Pauline heiratete am 2. August 1909 den Eisenbahnschaffner Josef Franz (geb. 5.3.1881), dessen Vater Winzer in Niederheimbach war. Auch die ersten Kinder wurden in Niederheimbach geboren. In den 1920ern zogen sie ins größere Boppard, Opa Josef war dann Lokführer der Hunsrück­bahn. In den 1930ern erwarben sie das Haus in der Sabelstraße 18, in dem ich aufgewachsen bin. Sie hatten fünf Mädchen, meine Mutter Berta Franz wurde am 29. Juli 1912 geboren. Die älteste war Paula, dann Berta, Käthe, Rosi und als Nesthäkchen Hannele.

Paula, Berta und Käthe noch in Niederheimbach

Die fünf Schwestern hatten ganz offensichtlich eine schöne Kindheit, wenn man rein von den Fotos her urteilt. Der 1. Weltkrieg (1914 – 1918) war gerade vorbei, die Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er und im Verlauf der 1930er Jahre schien auf die Bahnbeamtenfamilie keine große Auswirkung zu haben. Oma Pauline starb am 15. Dezember 1978, Opa Josef lange vorher am 30. September 1957. 

Weihnachten um 1932 oder 1933

Die fünf Schwestern

My Florida Pond

Hinter dem Haus habe ich einen Teich. Als ich 2001 das Haus kaufte nannte ich ihn gegenüber meinen Nachbarn Lake, also See. Das stieß sofort auf Protest, das ist kein Lake, sondern ein Pond! Also eher ein Teich. Ja, stimmt schon. Schon damals war nahe meinem Ufer viel Bewuchs, aber trotzdem war auch noch Wasser zu sehen und viele, viele Tiere gab es. Der Höhepunkt war ein Flussotter, der sich auf meiner Wiese sonnte.

Dann aber nahm der Bewuchs im Laufe der Jahre immer mehr zu und ich wurde der Sache nicht Herr. Damals war ich auch noch nicht so mutig, in ein Kayak zu steigen, das kam erst in viel höherem Alter. Von Wasser war eigentlich nichts mehr zu sehen. Das Problem ist, dass der Pond nicht der Stadt gehört, die ihn pflegen würde, sondern den einzelnen Anliegern. Also auch mir ein ganz schöner Happen.

Vor zwei Jahren dann gab es neue Nachbarn, Jim und Melanie. Die haben schwer geschuftet und auf ihrer Seite doch wieder schönes Wasser frei gelegt. Im letzten Jahr schaffte ich dann auch den Durchbruch zu ihnen, nun eben mit dem Kayak. Denn vom Ufer aus kann man nicht viel machen, und im verschlammten Teich kann man nicht stehen, er ist teils auch recht tief.

Als ich im Oktober zurück kam war natürlich etliches wieder zugewachsen, aber dennoch hat mich der Ehrgeiz gepackt. Seit Oktober habe ich versucht, jede übrige Minute (die nicht vom Radfahren in Anspruch genommen war), in den Teich zu stecken. Es ist eine mörderische Arbeit. Hohe Büsche wuchsen darauf, sie stehen auf schwimmenden Inseln, die Erde hat sich im Laufe der Jahre gebildet, und die haben unter der Erde sehr fest sitzende, schwimmende Wurzeln. Monate habe ich geschuftet, nur sehr kurz auch deutsche Hilfe gehabt, aber in der Hauptsache habe ich es völlig allein gemacht. Meine Nachbarn schauen zu, aber tätige Hilfe oder finanzielle Unterstützung, oh nein, die kommt nicht. Finanziell deswegen, weil es mich auch sehr viele Arbeitsgeräte gekostet hat, die immer wieder kaputt gingen. Aber ich habe alles mit meiner Hände Arbeit gemacht und ohne Chemie, darauf bin ich stolz.

In der letzten Woche hat es mich dann endgültig gepackt. Nur eine relativ kleine Insel war noch übrig, aber die hatte es in sich. Von Montag bis Freitag habe ich daran gearbeitet und war danach so etwas von fertig, dass ich richtig froh war, am Samstag auf eine Veranstaltung zu gehen, auf der ich meine Bücher präsentierte. Das ist Erholung dagegen. Und am Sonntag dann war es geschafft, alles erledigt. Mein Grundstück völlig, das vom rechten, sehr betagten Nachbarn zur Hälfte, und das vom linken, fitten und jungen, aber faulen, Nachbarn zur Linken ebenfalls zur Hälfte.

Und wer kam am Nachmittag? Sozusagen zur Belohnung? Ein großer ausgewachsener Flussotter schwamm übermütig durch den Pond. Leider so schnell, dass ich kein Foto machen konnte.

4-Finger Flight Formation

Das war mal wieder einer dieser Tage, die es wert sind, dafür zu leben. Meine Florida Zeit fing ja 1996 damit an, dass ich meinen Flugschein für Single Engine Maschinen gemacht habe und danach kam ich oft her, einfach um hier zu fliegen. Dabei lernte ich auch sehr liebe Menschen in der Spruce Creek Fly-In kennen, die aber leider nicht mehr hier vor Ort leben. Vor kurzem hielt ich dann einen Vortrag über die Biketrails in der örtlichen Bibliothek und erzählte dabei auch, wie es dazu kam, dass ich nach Florida kam. Und erzählte auch von der Fly-In. Was ich nie für möglich gehalten hätte, zwei Piloten aus dieser Community waren bei dem Vortrag. Und wir kamen auf den berühmten Samstag unter dem Baum zu sprechen.

In dieser abgeschlossenen Gemeinde mit eigenem Flugplatz leben ja auch sehr viele Piloten. Und die treffen sich jeden Samstag um 8 Uhr zu einem Briefing unter dem Baum, wonach es dann in die Luft geht. Das sind schon außergewöhnliche Piloten, nicht einfach nur Freizeitflieger, sie waren entweder bei einer Airline oder in der Air Force. Genießen nun ihre Rente und fliegen jeden Samstag los, zu dem berühmten 100 $ – Frühstück. Aber nicht einfach so. Viele machen Aerobatic, drehen sich also einfach mal so upside down, andere fliegen in Formation, was auch nicht gerade einfach ist.

Also habe ich Bob bei diesem Vortrag darauf angesprochen. Zwar hatte man mir schon oft gesagt, ich soll einfach mal samstags dorthin gehen und fragen, ob ich mitfliegen kann. Aber das ist nun gar nichts für mich, käme mir wie ein Bittsteller vor und hätte Angst, abgewiesen zu werden. Aber mit Bob als Referenz war das natürlich etwas anderes, schon am Gate brauche ich ja einen Namen, wo ich hin will, der Ort ist schwer bewacht.

Und so fanden sich dann auch viele ältere Herren, wovon mich einer mitnahm. Aber eben zu einem 4-Finger-Formationsflug. Das war schon toll. Die anderen Flugzeuge waren ganz nah, man konnte die Piloten genau sehen. Ein Traum. Wir flogen ins etwa 15 Flug-Minuten entfernte Umatilla, bekamen dort ein Courtesy Car und fuhren in den Ort zum Frühstück. Das ist mitten in Florida, im Cowboy-Land, keine Spur von dem touristischen Beach-Florida. Dann ging es zum Tanken und wieder zurück. So kommt es zu dem sprichwörtlichen 100 $ Frühstück.

Mason Jar, Umatilla

Coast to Coast Trail

This route from the Atlantic Ocean to the Gulf of Mexico is app. 250 miles. There is not a single trail with this name, but the route consists of several individual trails, each of which has its own name and the C2C uses all or just parts of it. I publish a guide about the bike trails in the East, many of them are part of the C2C.

http://www.bikingflorida.mobilunterwegs.eu/

Since so many people are constantly asking about this route and complete and current information is not so easy to find (I checked the internet for weeks) I decided to write a second book for Central Florida – West including navigation for the C2C. And yes, there is already a book about the C2C from Nanci Adler, I bought it, but was not impressed. It is just not what I need. I want precise information about navigation, what I didn’t find there, but it is a good book for sightseeing, if you are interested in your surroundings.

For this challenge it was necessary to go on a trip to the West. I know that the average C2C rider loads his bike with overnight luggage, even a tent, and off he goes. Other people like the comfort of an organized group, where the luggage is transported to each overnight accommodation.

I decided to do it my way. The East I didn’t have to explore, since I know all the trails and they are already in my book. But I had to explore the gaps. The Orange County gap I could check on an earlier trip to Lake Apopka, so this tour started in Groveland.

Groveland – Brooksville Gap

The biggest challenge is the gap between Groveland and Ridge Manor. In the internet I found https://ridewithgps.com/, where several riders tracked their alternative routes north and south of the direct SR 50. Since I didn’t sign up to this app I couldn’t use it. To find these routes is extremely difficult, they use little rural roads and you always have to turn right or left. The southern route through Green Swamp might be really nice, but not easy to navigate, more easy to get lost, and a part is not paved with even some sandy stretch.

I decided to check out the direct route along SR 50, and I decided to do this with my car because of security concerns. There is construction in progress, and I would say, maybe a year from now, this will be the perfect and shortest connection, of course not the most beautiful along a busy road and so in my book I’ll just talk about this connection. Maybe the best day to take this adventure is Sunday morning, with less traffic.

I had a nice encounter there. Just a couple of miles into the gap I saw a lonely rider on the narrow shoulder, intimidated by the many heavy trucks passing him. I stopped, we talked, and I did load his bike on my rack and deposited him to Ridge Manor Trailhead. He was thankful. But hopefully soon every rider can take this trail safely along SR 50, from Ridge Manor on it is already done.

I stayed overnight in East Brooksville near the Ridge Manor Trailhead because I knew the hotel Days Inn already from a former trip, and could check out the construction of the new trail connecting the Good Neighbor to SR 50.

My way to check out the trails is, that I look for several place to stay overnight close to the trails and park my car there, so my next night was near Lutz Lake Fern Rd. It was not very close, but sometimes it is just not easy to find something close to a trail. Hotels mostly never, AirBnB is the better choice. First day I checked out the Starkey trails, always have to ride it back and forth, next day Pinellas north, then I moved car with luggage to Largo. This time I had a much better location, the Pinellas was just a few feet away. So I could stay there 4 nights and ride all the trails in the area, I need for my book. The weather was not perfect, for Sunday thunderstorms were in the forecast, but after lunch it dried out a little and I wanted to see how far I could go without getting blown away or soaked. It was 21 miles to Demens Landing, and of course 21 miles back. And I made it! With this stage I had finished checking out the C2C, but fortunately I had a few more days to explore more trails in this beautiful area.

Now I’m back home and tied to my computer, because I want to finish this book as soon as possible. The print version is hopefully done before I go back to Germany in April, but later this month the e-Book with detailed description of the C2C and the trails in the West will be ready to order from my website:

http://www.bikingflorida.mobilunterwegs.eu/

Pinellas Trail Clearwater – St Pete

Eine Kaltfront mit Stürmen und Gewitter war angesagt. Ab Mittag soll es vorbei sein, nur ab und zu Schauer. Voller Ungeduld schaute ich zum Himmel, und fuhr los, sobald es etwas trocken wurde. 21 Meilen, 34 km, hin und das gleiche wieder zurück ist schon viel für mich, und ich will ja auch nicht durchnässt werden. Also war der Plan, so lange zu fahren wie es geht, unterwegs nach Parkmöglichkeiten Ausschau zu halten, um dann am nächsten Tag mit dem Auto dorthin und mit dem Rad weiter. Viel schöner wäre es natürlich, wenn ich durchkäme.

Ganz besonders schön war auf halbem Wege die fast 1 km lange Überquerung der Boca Ciega Bay auf der Bayou Bridge, die eigens für uns Radler gebaut wurde. Aber immer weiter radeln, immer weiter. Und der Himmel machte mit. Es gab keinen Regen mehr, ich kam bis ins Zentrum von St. Petersburg und zur Demens Landing am Golf von Mexiko, dem westlichen Beginn der Coast to Coast Trails, der ja auf meiner Floridaseite bei Titusville endet. Ein paar Fotos gemacht und nichts wie zurück. Hungrig war ich danach zwar, aber müde nicht.

Pinellas Trail bis Clearwater

Ich habe für nächste Woche wieder einen Vortrag geplant, diesmal über die Unterschiede zwischen Florida Trails und den europäischen Radwegen. Ein großer Unterschie ist, dass es in Florida meist durch die freie Natur geht und nicht wie in Europa Essen und Trinken entlang des Weges verfügbar sind. Alles ist vorbereitet.

Und dann komme ich zum Pinellas Trail. Ausgerechnet auch noch an einem Wochenende. Wirft meinen ganzen Vortrag über den Haufen. Was hier abgeht ist unglaublich, und ich meine es in einem positiven Sinne. Erinnert mich ein wenig an Frankfurts Mainufer. Alles was Laufen und Radfahren kann ist an der frischen Luft, der schöne breite Weg voller Menschen, nette Restaurants wechseln sich ab mit kleinen Brauereien, von McDonalds und anderen Fastfoodketten keine Spur.

Der ganze Trail ist 75 km lang, gesicherter Radweg mit vielen Kreuzungen, wenn es große Straßen sind mit Fußgängerbrücke, wenn es kleinere sind mit Überwegen, die auf Knopfdruck durch ein Blinklicht gesichert sind. Und während im übrigen Florida Autofahrer sich absolut nicht um uns arme Radfahrer scheren, uns oft auch zu Tode fahren, ist es hier am Pinellas völlig anders. An meinem Geburtstag im Jahr 1990 wurden die ersten 5 Meilen eröffnet auf einem stillgelegten Bahnkorridor und seitdem entsprechend ausgeweitet. Der Weg führt mitten durch die Orte und wird sehr stark genutzt. Deshalb haben sich die Autofahrer hier in den 30 Jahren daran gewöhnt, sind sehr viel sorgsamer und stoppen schon vor dem Trail, um vorsichtig zu schauen, ob sich ein Radler oder Fußgänger nähert.

Aber auch wir Radfahrer müssen vorsichtig sein, weil einfach so viele Menschen unterwegs sind. Das Highlight der Strecke geht über 15 Meilen von Tarpon Springs über Dunedin bis nach Clearwater, dort bleibt keiner hungrig und durstig, ein Lokal am anderen, und alle hübsch. Manchmal gibt es sogar Musik, und der einsame Musiker am Uhrenturm in Dunedin ist auch mit dem Rad angereist. Ganz witzig auch das Kafe Racer. Das ist ein Bike Shop (ein Geschenk des Himmels, falls unterwegs was am Rad kaputt geht), aber dazu gibt es ein schönes Café, wo man auch im Garten sitzen kann.

Ich habe den Trail in mehreren Etappen gemacht, was aber auch bedeutet, ich muss jeweils hin und zurück die gleiche Strecke fahren. Ab und an habe ich meine Unterkunft gewechselt und bin zuletzt in Largo untergebracht. Dazu muss man sagen, dass es irgendwie doch gut ist, dass es inzwischen AirBnB gibt, also Privatunterkünfte, die man über eine Internetseite buchen kann. Wäre ich allein auf die Hotels angewiesen würde ich meist nichts am Rande der Trails finden und auch viel mehr zahlen. Aber mein Zimmer in Largo ist tatsächlich nur 100 m vom Pinellas Trail entfernt. Am Anreisetag hatte meine Radtour hier geendet, musste natürlich zurück, um das Auto zu holen, aber am nächsten Tag standen dann die 21 Meilen nach St. Petersburg auf dem Plan. Natürlich auch zurück!

Old Florida

Wenn ich einen Biketrail fahre geht es mir nicht nur ums Fahren, um den Sport. Ich will etwas entdecken, Natur erleben oder auch sonst was Schönes. Gestern und heute ist mir das auf jeden Fall gelungen. Die Straße SR 50 war ja nun wirklich kein Vergnügen, vierspuriger Ausbau mit heftigem Verkehr bzw. noch zweispurig, aber im Bau begriffen. Da auf dem schmalen Randstreifen zu fahren ist kein Vergnügen. Radler haben sich deshalb Alternativen ausgedacht und eine davon wollte ich gestern erkunden. Bin nicht sehr weit gekommen, aber habe auf dem Weg etwas sehr Schönes entdeckt, eine Erinnerung an das alte Florida. Ein noch super erhaltener Richloam General Store, General im wahrsten Sinne des Wortes, denn es gab da wirklich alles. Zum Weinen die Preise fürs Benzin damals. Und dazu eine richtig nette Bedienung. Da muss der Radler doch mal stoppen.

Heute war es aber auch nicht schlecht. Ich kam zum Starkey’s Market. Eine sehr weitläufige Farm, auf der die Rinder herumlaufen, hat sein Grundstück genutzt und noch einen Laden und ein Restaurant dazu aufgemacht. Auf der weitläufigen Wiese kann man dann unter der Stromleitung gemütlich sein Bierchen trinken, das man sich auf der langen Fahrt verdient hat.

Und noch ein paar Kilometer weiter dann grüßt die Natur. Auf einer weitläufigen Fläche wurde ein Schutzgebiet für die Gopher Schildkröten abgegrenzt. Zwar habe ich die andernorts auch schon gesehen, aber nie so viele und sie waren auch überhaupt nicht scheu.