16. – 24.4.

16.4.
Bubsche emanzipiert sich! Ganz langsam erobert er sich seinen Platz. Zunächst hat er sich nur in der Nähe des Verschlages aufgehalten, lief selbst mir nur in einem begrenzten Rahmen nach. Aber er wurde immer mutiger, dehnte seinen Radius immer mehr aus. Die Katze muss weichen oder ihn zumindest akzeptieren. Heute waren sie beide am Tisch. Aber ich füttere Bubsche nicht direkt am Tisch, dennoch steht er davor und sieht mich halb verhungert an. Und morgens nach Sonnenaufgang bellt er herausfordernd, so wie: steh gefälligst auf und gib mir was zu fressen.
Morgen reise ich ab, das Personal hat versprochen, ihn zu füttern. In einigen Tagen komme ich nochmal zurück und will sehen, wie es steht. Bisher war jeden Tag ein Kind hier im Hotel zu Gast und hat sich sofort mit ihm angefreundet. Vielleicht duldet man ihn ja doch hier. Nur der Gärtner schimpft. Bubsche findet es natürlich herrlich kühl unter den saftig grünen Pflanzen, die viel gewässert werden. Und wälzt sie nieder. Sagt zumindest der Gärtner.

17.4.
Dieses Zagora ist einfach immer wieder unvergleichlich. Bin heute früh hierher gefahren, muss mal für zwei Tage den Sand und Staub hinter mir lassen und Luxus und Piscine genießen. Bin wieder in dem herrlichen Riad Dar Sofian, mein absolut bevorzugtes Zuhause in Zagora. Am Abend mache ich einen Rundgang in der Stadt. Ich kenn das ja schon von früher, spaziere dennoch liebend gerne an den Boutiquen entlang, wo jeder mich anspricht und mich irgendwie in seinen Laden locken will. Mit allen möglichen dummen Sprüchen. Dann höre ich, wie jemand von der Seite sagt: „Ich kenne dich. Du warst hier mit einem roten Suzuki und hattest mit Hassan und Mohammed zu tun.“ Ich gehe weiter, grinse aber vor mich hin. Einfach unglaublich, es stimmt. Das ganze war 1986 im Oktober, nur der Suzuki war weiß. Ich gehe unbeeindruckt weiter, muss aber heimlich grinsen und gehe deshalb so ganz unauffällig zurück. Dann kommt wieder was: „Und ich kenne dich auch von dem Heiratsmarkt in Imilchil. Da warst du mit Abdelilah aus Agdz.“ Also nein, nun bleibe ich wirklich stehen. Das war 1994. Behaupte zwar erstmal großspurig und wahrheitsgemäß: „Ich hatte noch nie einen roten Suzuki.“ Aber er hat mich natürlich ganz klar erkannt und mir macht das einen diebischen Spaß. Es endet wie es enden muss, bei einem Tee im Teppichgeschäft und die ganzen alten Geschichten werden aufgerollt. Mostafa gesellt sich zu uns, ich kenne ihn noch nicht, aber er betreibt ein neues Lokal in Zagora, das Dromedar Gourmand. Ich hatte das Schild schon gelesen und für lustig befunden. Morgen geh ich hin.
Vorher war ich noch bei einer Werkstatt. Hauptsächlich, um ein Foto davon für meinen Guidewriter-Campingführer zu machen. Die Werkstätten von Zagora sind ja was Besonderes. Ihre Schlepper lauern überall, ich hab sie sogar im 90 km entfernten Mhamid gesehen, wo sie kurz vor der örtlichen Werkstatt versuchen, Kunden abspenstig zu machen. Und in Zagora gelingt es niemand, mit einem Fahrzeug die Stadt zu durchqueren, ohne von den Motorradschleppern angesprochen zu werden, die für ihre Werkstatt werben. Und auch bei mir wars natürlich nicht mit einem Foto getan, der Luftfilter zumindest sollte gesäubert werden, den coolen Wüstenstaub auf dem Disco habe ich dagegen mit Zähnen und Klauen verteidigt. Meine Land Rover Werkstatt hat ja klar gesagt, Luftfilter dürfen nicht gereinigt werden, aber ich glaube, von denen hat auch noch nie jemand einen Kilometer in der Wüste zurückgelegt. Berge von Sand fanden sich dort, ein Wunder, dass überhaupt noch Luft durchging.
Dann gings zum Abendessen ins Dar Sofian. Eigentlich sollte ich dieses wunderbare Riad nie erwähnen, sollte es als Geheimtipp für mich und meine Reisegruppen behalten. Aber zum Glück lesen hier im Forum ja hauptsächlich Wohnmobilisten, die kein Hotel brauchen. Dieses Riad habe ich vor einem guten Jahr entdeckt und lasse seitdem alle meine Wüstenreisen hier Unterkunft nehmen, es ist einfach ein Paradies. Abends beim romantischen Licht vor dem Piscine zu sitzen, eingerahmt von hohen Palmen, edel gedeckter Tisch, köstliches Abendessen. Als Nachtisch hatte ich mir Tarte au Citron ausgesucht und dann plötzlich gedacht, autsch, das hatte ich doch schon beim letzten Mal. Aber es kam ganz was anderes, ein richtiges Gemälde. Sie haben eigens für Nachtisch und Dessert einen Chef, der immer neues kreiert. Ach, wie geht’s mir gut.

18.4.
Ich weiß, es muss langsam langweilig wirken, wenn ich immer wieder das Loblied des Riad Dar Sofian singe, aber leider kann ich nicht anders. Es ist einfach zu schön. Ich war ja deshalb ins Sofian zurückgekehrt, weil ich eine kleine Kundengruppe hatte, die bereits vor zwei Jahren eine Tour zum Erg Chegaga gemacht hatten und dieses Mal nach Merzouga wollten. Und sie hatten den Wunsch geäußert, mich kennenzulernen. Das hätte eigentlich nicht geklappt, unsere Wege kreuzten sich nicht, sie sollten von Merzouga nach Tazzarine und Nekob, dort essen und dann in Agdz schlafen. Und ich war in Mhamid. Also machte ich mit dem Chauffeur aus, dass er heimlich einen Umweg fährt, von Tazzarine aus direkt über die neue Straße nach Zagora und dort treffen wir dann im Sofian zum Essen zusammen. Und so kam es dann.
Es war einfach überwältigend. Die drei Schweizer stießen nur Entzückungsrufe aus, sie schlenderten überall herum, nahmen jedes Detail wahr, und der Kellner kam überhaupt nicht dazu, seine Menükarte loszuwerden. Die waren einfach so begeistert. Doch endlich gelang es ihm, inmitten unserem Geschnatter doch noch unsere Essenswünsche aufzunehmen, und als dann das Essen kam war das auch nicht geeignet, die Jubelrufe zu unterbrechen, denn es war einfach wieder hervorragend. Das Menü kostet 160 Dirham, soll zum Winter etwas heraufgesetzt werden, da auch noch ein neuer Koch das ganze weiter verbessern soll. Aber für meine Leser soll es weiterhin 160 Dirkam kosten, ihr müsst das einfach nur der Bedienung sagen. Ihr findet es in der elektronischen Guidewriter-Version, aber auch in meinem Campingupdate hier im Forum. Und im August kommt ja dann die neue Ausgabe für die Wintersaison, da stehts dann drin als Tipp. Es liegt in Zagora im Palmenhain direkt neben dem Camping Oasis Palmier.

20.4.
Heute war noch mal ein Tag, an dem ich nicht nur zwei Gruppen meiner Kunden getroffen habe, sondern vor allem auch in Mhamid einen Kochkurs beigewohnt habe. Zuvor hatte ich das ja schon bei Marrakech erlebt und war nicht restlos begeistert. Der Koch fühlte sich doch recht erhaben und wollte am liebsten alles selbst machen. In Mhamid war man schon seit Tagen dabei, die große Küche sauber zu schrubben, um den Gasherd wurde alles neu mit Alufolie abgedeckt. Dann traf der „Große Chef“ vom Dar Azawad ein. Er stellte sich als ein sehr netter, sehr gesprächiger und umgänglicher Koch heraus, der sich durchaus nicht für was besseres hielt und es machte meinen zwei Kunden sehr viel Spaß mit ihm zu kochen. Allerdings hat er, noch bevor es losging, die Küche inspiziert und trotz der vielen Mühen vorher eine Nachbesserung verlangt. Machte mir heimlich viel Spaß. Er zog sich eine blütenweiße Kochjacke an, und als er ging, traute ich meinen Augen kaum, auch unser altbewährter Kasbahkoch trug plötzlich eine saubere weiße Kochjacke statt seinem gewöhnlichen T-Shirt. Und er guckte dem Starkoch öfter mal über die Schulter. Meine zwei Kunden waren am Vormittag bereits mit dem Rezeptionist in den einzigen Supermarkt con Mhamid gefahren und hatten die entsprechenden Gewürze eingekauft, die man zum Tajine braucht, Gelbwurz, Cumin, Ingwer, Paprika, schwarzer Pfeffer, Zimt, alles fein gemahlen, sowie Knoblauch. Beim Metzger dann wurde von einem toten Schaf ein Stück heruntergesäbelt.
In der Küche gings dann los. Am Morgen waren extra zwei neue Schneidebretter eingetroffen und die drei werkelten wirklich eifrig vor sich hin, vor allem duften sie alles selbst machen, der Koch, Haj genannt, da er schon in Mekka war, gab nur die entsprechenden Hinweise. Zunächst das Tajine, weil es ja lange auf dem Holzkohlfeuer köcheln muss, dann einen gemischten marokkanischen Salat, wo z.B. die Paprika zunächst ganz in Öl frittiert wurden, und zum Abschluss einen Salat aus Salatherzen und Orangenscheiben mit einer Sauce aus Orangensaft und Rosenwasser, gewürzt mit Honig. Und dann haben wir alle zusammen das herrliche Menü verspeist.
Zum Mittagessen hatte sich in der Kasbah noch eine kleine Gruppe von vier Personen eingefunden, auch dies Kunden von mir, die die Nacht zuvor im Riad Dar Sofian verbracht hatten. Ich sag nur so viel: die Lobeshymnen gingen weiter. Auch diese beiden Ehepaare waren total begeistert.
Allerdings muss ich einen Fehler eingestehen. Ich habe gestern bei der Preisangabe falsch geschaut, das Menü kostet 160 DH, ich hatte den Preis nur für das Hauptgericht angegeben. Aber es ist es auch vollkommen wert. Im Dromadaire Gourmand kostet das Menü 150 DH, ist aber bei weitem nicht damit zu vergleichen. Ich habe es oben korrigiert.

21.4.
Das faule Leben in Zagora/Mhamid ist vorbei, ich bin wieder auf der Piste, im wahrsten Sinne des Wortes. Bin heute die Strecke Zagora – Oum Jrane – Fezzou – Mecissi gefahren, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Und es war immer noch Piste zur Freude aller 4×4-Fahrer. Schöne Wüstenstrecke. In Oum Jrane in der Auberge wurde schwer gebaut, und die neuen Zimmer sind wohl kaum für die seltenen Pistenfahrer, die vorbei kommen, sondern wohl eher für Mitarbeiter der in der Nähe liegenden Minen. In diesem Gebiet gab es früher viele stillgelegte Minen, doch seitdem die Rohstoffpreise kräftig gestiegen sind lohnt sich hier wieder der Abbau. Auch die Auberge Tombouctou in Mecissi war vollkommen im Umbau und es amüsiert mich immer wieder, wenn man sagt, in zwei Wochen sei alles fertig.
Ab und zu muss ich ja auch Hotels anschauen, nicht immer nur Campingplätze, und so fuhr ich in Rissani sofort zur Kasbah Ennasra, da ich darüber schon einiges hatte munkeln hören. Das wunderschöne Hotel habe ich jahrelang sehr geliebt, es hatte nicht nur sehr hübsche Zimmer und einen tollen Piscine im blühenden Garten, das Besondere war der nette, warmherzige Empfang von Hassan und seinen Brüdern. Finanziert worden war das Haus von einem Italiener in Partnerschaft mit den Brüdern. Da dieser Italiener nun eine einheimische Frau geheiratet hat, hat diese ihn unter Druck gesetzt, die Brüder rauszuschmeißen und das Haus von ihrer Schwester leiten zu lassen. Er selbst lebt mit seiner neuen Frau in Italien. Unmöglich, das Ergebnis. Das wird in meinem Hotelführer stark herabgesetzt und im Campingführer gestrichen. Alles kalt, unpersönlich, leer. Auf meine Bitte, mit der verantwortlichen Person zu sprechen, kam eben diese Rissanerin, die nicht nur vom Hotelgewerbe keinerlei Ahnung hat, sondern auch kein Wort einer Fremdsprache spricht. Nein, dieses Haus kann man nicht mehr empfehlen.
Weiter gings zum Camping Karla und einem stark entgegen gesetzten Erlebnis. Camper hatten mir von diesem neuen Platz in Erfoud nur Gutes berichtet und ich wollte nun mal selbst nachschauen. Die erste Frage, die man mir dort stellte, war, ob ich den Tee mit oder ohne Zucker trinken will. Und ohne eine Antwort darauf kam ich nicht weiter. Es sind sehr freundliche, sehr nette Brüder, die diesen Platz betreiben und jedem Gast wird ein persönlicher Empfang mit Tee zuteil. Tee gibt’s auch später jederzeit gratis und am Morgen wird das Brot kostenlos verteilt. Der Stellplatz fasst etliche Fahrzeuge, auch Dickschiffe finden ein gemütliches Plätzchen unter hohen Palmen, da keine abgeteilten Stellflächen angelegt wurden. Die Sanitäranlagen sind nicht nur sauber, sondern auch sehr hübsch, es gibt drei warme Duschen und drei Sitzklos mit Klopapier. Ich wohne in einem gemütlichen Haus, das zwei Schlafzimmer hat und in der Mitte einen großen, ganz mit Teppichen ausgelegten Salon. Ismail, der Chef, soll auch tolle Musik am Abend machen, aber ich habe ihn nur kurz gesprochen, er musste nach Fes fahren mit seiner spanischen Frau Karla. Ich finde diesen Platz auf jeden Fall sehr viel gemütlicher als Tifina, und auch die Umgebung ist sehr ansprechend. Vom Platz aus werden interessante Ausflüge angeboten. Zum Abendessen habe ich mir die regionale Spezialität Kallia ausgesucht und es schmeckt sehr gut und ist reichlich. Also, diesen Platz kann ich nur empfehlen und ich setze den Bericht nun mit dem Platz-Wi-Fi ins Netz. Im Guidewriters ist natürlich schon das Update online.

22.4.
Der Tag war auf jeden Fall ereignisreich. Die netten Leute vom Camping Karla schlugen vor, mir einen Führer mitzugeben für eine kleine Piste, die nördlich von Erfoud direkt zu der Himmelstreppe des Hannsjörg Voth führt. Das hat mich auf jeden Fall interessiert und so fuhren wir früh los. Zunächst ging es zu einem wirklich tollen Aussichtspunkt, von dem man aus viele Kilometer bis zum Palmenhain von Erfoud schauen kann. Die Saudis haben diesen Platz auch schon entdeckt und gehen dort mit Falken auf Jagd.
Weiter gings zunächst zur Himmelstreppe, die ich mir 1988 mal angesehen hatte und seitdem nie wieder. Deshalb habe ich auch die beiden später geschaffenen Kunstwerke noch nicht gesehen. Sie liegen weit voneinander entfernt in der Wüste, dazwischen sind sandige Oueds, und deshalb ist ein Geländewagen unbedingt nötig. Man kann aber zum Beispiel vom Camping Karla einen solchen Ausflug buchen und ich finde, es lohnt sich.
Ich wollte so schön mit fotografieren loslegen, musste aber feststellen, dass meine Batterie fast leer war. Kein Problem, hab ja eine zweite. Da fing das Suchen an. Nichts. Etliche Telefonate wurden geführt. Nichts. Das Ding bleibt verschwunden. Obwohl die Batterieanzeige schon lange warnt, habe ich es dann doch geschafft, von jedem Kunstwerk zumindest einige Fotos zu machen, bevor es ganz aus ist.
Die Piste endet bei den Foggaras an der R702 zwischen Tinejdad und Erfoud. Das ist ein ganz besonders schönes Plätzchen. Entlang diesen Foggaras sind nun einige Auberges entstanden, die Inhaber haben in gemeinsamer Arbeit die Foggaras wiederhergestellt und als Museum geöffnet. Dazu gehören jeweils ein Zelt mit Restaurant und Souvenirladen sowie ein Campingplatz. Ein Stopp, der sich unbedingt lohnt.
Die Brüder Abdul und Bachir – junge sympathische Leute – haben sich die Arbeit gemacht und ein Stück Foggara-Stollen wieder instand gesetzt. Sie haben in Handarbeit eine tadellose Treppe hinunter bis auf die Höhe des Stollens gegraben, der Gang ist 2 bis 3 m hoch. Den Stollen haben sie hübsch mit Kerzen ausgeleuchtet, so dass man sich fast wie in einer Tropfsteinhöhle fühlt. Man kann den Stollen gut begehen. An jedem Einstiegsloch haben fünf Leute gearbeitet, zwei an der Seilwinde, drei unten im Stollen, der je nach Lage 10 bis 50 m tief war. Der Besuch kostet pro Person 10 DH und endet mit einer Einladung zum Tee im Beduinenzelt nebenan. Im heißen Sommer wird der Tee im romantisch erleuchteten kühlen Stollen serviert. Die jungen Leute sind sehr freundlich, sprechen gut französisch. Vor dem Zelt ist ein junges Kamel als Attraktion angepflockt, aber es stehen auch acht Dromedare für Ausritte, zum Beispiel zum Sonnenuntergang, zur Verfügung.
Vor den Foggaras wurde eine ebene Fläche als Stellplatz für Wohnmobile eingerichtet, es gibt natürlich weder Wasser noch Strom, aber viel Platz, auch für Dickschiffe, und Trommelmusik am Abend. Der Platz ist inzwischen offiziell angemeldet.

Wir wollten dann weiter nach Erfoud und mussten zu diesem Zweck durch das Örtchen Jorf. Und da kam das nächste Problem. Die Ortsmitte war gesperrt wegen einer Demonstration, mit Bändern war die Straße blockiert, dazwischen hunderte meist junger Leute. Ich hatte ja keine Ahnung, was abgeht, mein Führer winkte mir, daran vorbei zu fahren und schon hatten wir den Salat. Alle umrundeten uns, belagerten das Fahrzeug, einer warf sich davor auf den Boden. Ich versuchte, ganz langsam weiter zu fahren, aber keine Chance. Wir waren einfach mittendrin in einem Volksaufstand. Ich schrie los, pa toucher la voiture, und so. Schließlich kam ein Polizist, nur einer war da, und meinte, ich solle zurück fahren. Bloß wie denn? Um mich herum nur Menschen. Schließlich schaffte er es doch, die Menschenmenge zu teilen und wir konnten zurück vor die Blockade, wo inzwischen auch drei Wohnmobile warteten. Dort ging ein Sträßchen, exakt 10 cm breiter als mein Land Rover, in den Ortskern. Dann wieder die nächste links wollten wir die Blockade umgehen, aber das war wohl ein wenig zu früh. Wir wurden entdeckt und die johlende Menschenmenge kam sofort angerannt und umstellte erneut den Wagen. Es waren überwiegend junge Leute und ich hatte den Eindruck, es ging ihnen vor allem darum, dass mal was los war, dass sie etwas zu tun hatten. Zunächst brüllte ich wieder los, pas toucher, pas toucher, denn ich hatte wirklich Angst, dass die mir meinen Wagen demolieren wollten. Einige machten ständig Fotos mit ihren Handies, ich bin sicher, dass ich nun irgendwo in Twitter rumgeistere. Wirklich voran kamen wir nicht, zurück war auch schlecht, denn die Gasse nicht unbedingt breit genug zum Umkehren. Ich sagte ihnen, ich müsse unbedingt ins nur 15 km entfernte Erfoud, aber sie meinten nur ziemlich gleichgültig, dann sollte ich zurück nach Tinejdad und über Errachidia nach Erfoud, ungefähr 200 km Umweg.
Da besann ich mich auf Ruhe. Ich fragte, wer Französisch könne. Ein etwa Siebzehnjähriger auf einem Fahrrad meldete sich. Ich fragte: willst du mal Arbeit? Willst du einen Job und Geld verdienen? Dir auch ein Auto kaufen? Da musste er natürlich ja sagen. Ich sagte, ich sei Touristin und Journalistin. Touristen bringen das Geld, schaffen Arbeitsplätze. Wenn ich nun als Journalistin zurück komme und schreibe, in Marokko sind Demonstrationen und Touristen sind nicht sicher, dann kommt niemand mehr ins Land. Dann gibt es keine Arbeitsplätze.
So ganz langsam beruhigte sich die Lage. Zwei etwas ältere Männer schalteten sich ein und bedeuteten den Jungen, mir Platz zu machen und mich durchzulassen. Ich war wohl die einzige, die diese Blockade durchfahren konnte. Später in Erfoud hörte ich, dass es diese Probleme in Jorf wohl schon seit längerem gäbe. Es geht um die Verteilung von Wasser, zwei große Familien sind sich da wohl in die Haare gekommen und die Demos finden alle paar Tage statt.

Es ging zunächst zum Fotogeschäft, und kaum zu glauben, ein Akku für meine Canon-Kamera war vorhanden. Wieder ins Auto, Motor starten, Anzeige: „Smart Key nicht gefunden“. Ach wie schön, ich habe ihn um den Hals hängen. Also noch mal raus, Auto zu, Auto auf, gleiches Spiel, kein Mucks. Also noch mal raus, Auto zu und 2 Minuten warten, hab ich von meinem Sohn gelernt, und es klappt. Ja, das ist die neue Technik.
Dann fuhr ich zum Restaurant Dakar mit dem netten Inhaber Ismaily Sidi Mohamed, um sie dort aufzuladen. Ich kam da natürlich nicht wieder weg, ohne etwas zu essen, aber das macht in dem netten, schattigen Garten ja auch Spaß. Am Nebentisch saßen zwei kanadische Paare im Großelternalter, wir kamen ins Erzählen und sie fragten, ob ich denn auch Bücher in Englisch oder Französisch hätte. Flugs holte ich mein Alibuch aus dem Auto und schon waren wieder zwei Exemplare verkauft. Es ist wirklich witzig, über meinen Onlineshop verkaufe ich dieses Buch recht wenig, aber wenn ich es jemand in die Hand gebe, wird es mir ganz selten zurück gegeben, jeder will es sofort kaufen. Selbst die Marokkaner.
Nach so viel Aufregung hatte ich wenig Lust, meine Besichtigungstour fortzuführen und fuhr sofort zum Erg Chebbi in den Sahara Garden von Hassan, der früher die Kasbah Ennasra in Rissani betrieben hatte. Hassan ist ein guter Freund und ich freute mich zu sehen, dass er in kurzer Zeit aus seinem Biwak sehr viel gemacht hat. Als ich vor knapp zwei Jahren das erste Mal dort war gab es nur ein Biwak, das Restaurant war noch im Bau. Nun gibt es außer dem weiter bestehenden Biwak ein großes Restaurant, einen Salon und um einen kleinen Innenhof acht schöne Zimmer mit Bad. Aber das besondere bei Hassan und seinem Bruder Brahim ist ja immer der Empfang und die Herzlichkeit, zu der kleinen Gruppe stieß noch der Musiker Belaid aus Zagora, der dort die Auberge Prends ton temps hat. Er war mit drei Französinnen auf Rundreise und es war klar, dass es am Abend eine Session vor dem Lagerfeuer gab. Und dabei stieß ein Junge den Tisch um, auf dem in einer Tasche mein Fotoapparat war, sie fiel in den Sand und die Kamera geht nicht mehr.
Manchmal fragt man mich, ob es nicht zu langweilig sei, alleine zu reisen. Ich glaube, meine Reiseberichte geben die Antwort. Sie sind viel länger und ereignisreicher, wenn ich alleine auf Tour bin.

23.4.
Heute ist absolut nicht mein Tag. Nichts läuft richtig, ein Tag, an dem man einen Freund braucht, um sich an seiner Schulter auszuweinen. Habe unendlich viele Bekannte, aber keinen Freund. Zunächst ist die Dusche kalt. Dann die Kamera. Die Eltern des Jungen zucken die Schultern. Hassan bemüht sich, meint, in Erfoud sei jemand, der kann das säubern. Ich gebe ihm die Kamera und gehe auf Tour. Fühle mich echt gehandikapt, denn ich finde wunderschöne Herbergen und kann sie nicht fotografieren. Finde Kamele, die ganz alleine durch die Wüste ziehen und sich im Sand wälzen. Nichts. Am schönsten ist es noch im Ocean des Dunes, wo zwei deutsche Wohnmobile stehen und ich schon von weitem mit „Edith?“ gerufen werde. Ein Camperpaar, das ich schon mal vor Jahren getroffen habe. Und endlich habe ich mal Zeit für ein Schwätzchen, ist selten genug. Zeige das Alibuch, und wieder brauche ich es nicht zurück ins Auto zu legen.
Auf dem Rückweg suche ich mir einen schönen Hügel aus mit herrlichem Blick auf die Dünen. Das Auto schützt vor dem Wind, ich stelle einen Klappstuhl auf und denke, an diesem Tag habe ich mir einen Schluck Wein verdient. Und schon kommt ein Moped angefahren, stoppt. Ich sage dem Herrn nicht ganz freundlich, dass er sich verziehen soll, ich will allein sein. Anlass für ihn, sich gemütlich auf dem Boden nieder zu lassen. Klappstuhl wieder rein, Flasche bleibt zu. Ach, wie wird meine Laune dadurch gebessert.
Zurück im Sahara Garden will Hassan mir Tee anbieten, was zu essen, alles, alles, nur um ja von der Kamera abzulenken, das einzige, was mich interessiert. Die Kamera ist da, meint er. Aber geht nicht. Müsste nach Casa, vier Tage, die wäre ich doch noch da …! Also nein, da habe ich kein Zutrauen mehr, da hilft nur noch eine neue Kamera, aber hier in Erfoud? Wir verschieben das Problem auf den nächsten Morgen, wenn die Franzosen aus dem Wüstenbiwak zurückkommen. Und das Internet geht auch nicht.
Nun aber endlich mal duschen und Haare waschen. Die Dusche ist kalt. Ich suche einen Ansprechpartner. Man meint, ich solle das Wasser länger laufen lassen. Nunja, das habe ich ja schon getan. Bestimmt 10 Minuten, das Bad steht schon unter Wasser. Aber ich versuchs weiter und irgendwann kommt tatsächlich heißes Wasser. Ob da jemand am Knopf gedreht hat oder nicht, wer weiß.
Am Abend dann ist Kontrastprogramm angesagt. Während ich ja sonst in kleinen, gemütlichen Herbergen zuhause bin, mit persönlichem Empfang, hatte ich am Morgen direkt neben dem Sahara Garden eine große Anlage entdeckt. Sie gehört zum Palmotel in Erfoud und ist entsprechend groß. 25 Zimmer in einer Reihe, dahinter unendlich viele Zelte wie in einer Stadt der Reihe nach angeordnet, ohne Zwischenraum. Sie sind zwar hübsch mit Decken verkleidet, aber als Möbel gibt es nur Betten und wenig Platz. Das bedeutet, man ist vom Nebenschläfer nur durch eine dünne Zeltwand getrennt. Wenn überhaupt muss man hier in den vier Suiten übernachten, die sind geräumig und ansprechend. Und liegen etwas höher auf einem Hügel mit schönem Blick auf die Dünen. Doch werde ich auch hier sehr nett empfangen, der Chef persönlich, und er lädt mich sogar ein, hier zu essen bzw. zu wohnen. Ich nehme die Einladung zum Abendessen gerne an, aber nicht zum Wohnen. Ich möchte mir mal anschauen, wie man sich hier fühlt.
Also eins muss man der Anlage lassen, die Örtlichkeit ist wunderbar. Vom Pool und auch vom Restaurant blickt man auf die herrlichen goldgelben Dünen, die greifbar nahe sind. Wenn man Gründe hat, mit einer großen Gruppe zu reisen, gibt es sicher schlechtere Unterkünfte als diese hier. Doch ist mir hier alles ein wenig zu groß, zu unpersönlich. Man ist auf Gruppen eingerichtet, kann locker Hunderte von Gästen unterbringen. Das Personal, das ich kennenlerne, ist sehr freundlich, darunter ist auch der Koch, der so früh am Tag noch genug Zeit hat, am Abend probiere ich sein Essen und es kann halt mit den kleinen Häusern nicht mithalten, ist eher Kantinenessen. Ein Teller Couscous mit in Zwiebeln gedünsteten Rosinen, also weder Fleisch noch Gemüse, ich esse diese Rosinen gerne, aber sie müssen richtig karamellisiert sein, und dazu ein Hühnchentajine mit Oliven, drei Karottenspalten und drei halben Kartoffeln. Danach Orangenscheiben mit Zimt, sehr einfallsreich. Überzeugen tut mich das nicht. Wo ist mein Riad Dar Sofian?
Bevor ich nach Hause gehe komme ich mit einem deutschen Ehepaar am Tisch nebenan ins Gespräch. Mich wundert schon die ganze Zeit, warum sie nur zu zweit in diesem Gruppenetablissement sind. Bevor ich viel sagen kann schütten sie mir auch schon ihr Herz aus. Es sei einfach furchtbar, nie wieder Marokko. Sie haben bei Dertour gebucht, haben zu zweit einen Minibus mit Fahrer und Guide (möchte nicht wissen, was das gekostet hat), haben in Fes in einem unpersönlichen großen Hotel gewohnt, in einem Tag die lange Strecke gefahren, spät angekommen, keine Zeit gehabt, die Dünen zu besteigen und Fotos zu machen, nun ein recht erbärmliches Essen, Nacht in einem engen Zimmer und am Morgen die ganze Strecke nach Ouarzazate. Die rasen nur durch, sehen kaum etwas, kommen mit niemand ins Gespräch. Waren total unglücklich. Wie anders erleben da doch meine Kunden Marokko und viele kommen wieder.

24.4.
So schön Sahara Garden für mich ist und Hassan immer ein guter Freund war, mein Aufenthalt dort wurde getrübt durch den Verlust der Kamera. Die französische Familie denkt gar nicht daran, mir irgendetwas zu ersetzen und so fahre ich weiter, will einfach nicht mehr daran erinnert werden. Weit geht die Fahrt allerdings nicht, nur wenige Kilometer entfernt liegt das Hotel Yasmina. Diese Herberge gehört zu den vier ersten, die es ab den 1980ern am Erg Chebbi gab. Sie wurde nach und nach immer mehr ausgebaut und erweitert und gehört heute zu den schönsten Anlagen. Die Lage des Yasmina hat mich einfach überzeugt und dazu geführt, dass ich mir von den fast 100 Hotels um die Dünen des Erg Chebbi für heute genau dieses ausgesucht habe. Das besondere ist die herrliche Lage nicht nur vor den mächtigen Sanddünen, die sich direkt vor der Restaurantterrasse erheben und je nach Tageslicht ihre Farbe ändern, sondern vor allem auch durch seine exponierte Lage auf einem Hügel über dem von Tamarisken umstandenen Yasmina-See. Dieser füllt sich nur bei den seltenen Regenfällen, bietet dann aber eine Augenweide für den Touristen und eine lebensspendende Quelle für die Tiere und Vögel. Daher ist dieses Hotel ein Treffpunkt der Ornithologen. Im Frühjahr und Herbst machen hier viele Migrationsvögel Station, um sich aufzutanken. Man kann hier in normalen, klimatisierten Zimmern mit Bad schlafen, in Zelten in den Dünen direkt vor der Herberge oder – und das habe ich mir ausgesucht – in den schönen Suiten um den Pool. Meine Suite hat zunächst einen kleinen Salon mit Sitzecke und Einzelbett, dahinter liegt das geräumige Schlafzimmer mit Doppelbett, von dem aus man auf das offene Fossil-Waschbecken blickt. Rechts und links davon liegen hinter einem Duschvorhang dann WC und Dusche. Im Schlafzimmer gibt es einen Wandschrank, dessen offene Fächer hübsch mit Teppichen ausgelegt sind. Überhaupt ist alles sehr hübsch dekoriert, peinlich sauber und klimatisiert. Die einzige Ausnahme davon bildet die Dachterrasse. Über eine Treppe von meinem Salon erreicht man diese private Sonnenterrasse, von der sich ein toller Blick zu den Dünen und zum Sonnenauf- und -untergang bietet. Es gibt Liegen und einen Tisch mit Stühlen, also alles perfekt. Bis auf die Tauben. Nicht nur den hübschen Migrationsvögeln gefällt es am Yasmina-See, sondern es haben sich auch etwa 100 Tauben hier nieder gelassen. Einschließlich ihren Abfällen. Es ist sicher nicht leicht, diese ständig zu entfernen und so stören die Hinterlassenschaften auf der Terrasse ein wenig. Außerdem muss man sich darüber im Klaren sein, dass Yasmina inzwischen recht groß ist. Einschließlich der Zelte können 100 – 200 Gäste beherbergt werden und wenn gerade eine Rallye einfällt, so wie bei mir, ist es schon ein wenig lebhaft. Wer mehr Ruhe braucht geht besser in eine der Herbergen mit nur wenigen Zimmern. Die Rallye ist die Super5Raid, Teilnehemr sind zumeist kleine Renault 5.
Ich benutze nun mein Smartphone, um zumindest einige Fotos zu machen. Aber weder ist die Qualität so gut wie bei meiner Kamera, noch ist die Bedienung im hellen Sonnenlicht einfach. Und die Innenaufnahmen werden grisselig. Hassan hat leider nichts in dem Dilemma beitragen können, aber bei einem Telefonat mit Ali Mouni vom Nomad Palace verspricht dieser zumindest, sich umzuhören, ob ich irgendwo eine Kamera leihen kann.