18.2. Über die Grenze

In meinem Buch habe ich es geschrieben: es bringt nichts, früh an der Grenze zwischen Marokko und Mauretanien zu sein. Aber leider halte ich mich nicht an meine eigenen Ratschläge. Punkt 9, zur offiziellen Grenzöffnung, bin ich da. Zwei endlos lange Schlangen, links LKW, rechts PKW. Und ganz weit da vorne das Tor zum marokkanischen Posten. Wovon ich einige hundert Meter entfernt bin. Ein Schreiber nimmt 5 Dirham für den Einreisezettel und droht, wenn man es nicht bei ihm macht, würde man den ganzen Tag warten.
Die Beamten machen tatsächlich schon um 9 das Tor auf, aber zunächst nur für Fußgänger und LKW. Wir anderen sollen beim Auto warten. Und sie teilen bereitwillig den Einreisezettel aus. Die ersten am Tor sind übrigens die italienischen Wohnmobile, die ich gestern schon in Lamhiriz gesehen habe. Sie haben die Nacht in der Schlange verbracht. Ein Nachtwächter kassiert nun von allen 5 Dirham, auch von mir will er was, bekommt aber nichts, ich war schließlich in der Nacht noch nicht da. Rückblickend muss ich sagen, dass es wohl besser gewesen wäre, im Hotel direkt an der Grenze zu schlafen und den Wagen schon in der Schlange zu parken, aber am allerbesten ist es, erst am frühen Nachmittag anzukommen.
Ab und zu schert einer aus der Schlange aus und verschwindet hinter den LKW. Viel denke ich mir nicht dabei. Aber außer den Wohnmobilen kam noch keiner aus unserer Reihe ins Grenzgelände hinein. Ich komme mit den anderen Wartenden ins Gespräch, am nettesten sind die Senegalesen. Einer davon wohnt in Frankfurt. Plötzlich erfährt er, dass man den Beamten am Eingang Schmiergeld zahlen muss, dann kann man hinter den LKW vorbei nach vorn fahren. Wir beide spazieren vor, mein Senegalese klärt ab, 2x 200 Dirham wechseln den Besitzer und wir machen’s wie die anderen, fahren hinter den LKW nach vorn und ins Gelände rein. Dann geht alles seinen Gang. Erst zum Polizeischalter, Pass in die Reihe legen und warten. Aber als ich dran bin heißt es, erst zur Douane und dort einen Stempel holen. Dann wieder zum Schalter. Das Gute daran, dass die Beamten immer nur einige Wagen ins Gelände lassen, ist, dass am Schalter nicht so ein Gedränge herrscht. Meine Formalitäten gehen recht schnell, aber dann kommt der Zoll. Und sucht die Fahrgestellnummer. Bei meinem Land Rover ist sie ja oben durch die Scheibe deutlich zu erkennen. Aber das genügt ihnen nicht. Sie legen sich unter den Wagen, suchen überall und meinen, da muss doch eine ins Metall eingravierte Nummer sein. Finden keine. Also wird eine Anfrage gemacht, ob das Fahrzeug gestohlen wurde. Das habe ich schon mal erlebt, 2007. Und es dauerte fast eine Stunde. Aber diesmal geht es schneller, etwa 10 Minuten. Dann noch mal alle Personen- und Fahrzeugdaten handschriftlich in ein Buch eingetragen. Um 9 Uhr kam ich an der Grenze an, um 11.30 geht’s ins Niemandsland.

Direkt hinter dem marokkanischen Posten spricht mich ein junger Mann an. Ob ich Idoumou kenne. Er sei geschickt worden, um mich sicher über die schlimme Piste zu führen, auf der mauretanischen Seite würde dann ein weiterer Gewährsmann warten. Ich habe Idoumou, den Inhaber einer Reiseagentur, bereits auf meiner ersten Reise nach Mauretanien kennen gelernt und weiß seine Dienste zu schätzen. Er oder seine Helfer können alle Formalitäten gegen eine Gebühr erledigen und wirken auch während der reise wie eine Art Schutzbrief.

Und so war’s dann. Ich wurde in Empfang genommen, zum Polizeichef geführt, diesem lag mein Einladungsschreiben von Idoumou vor und er behandelte mich mit äußerster Höflichkeit. Erklärte kurz den Ablauf. Gab mir noch seine Adresse, im Fall, ich würde ihn irgendwie benötigen. Dann wurde ich vom Helfer direkt nebenan ins Visumsbüro geführt. Zwei ganz nette Beamte, sie nahmen Fingerabdrücke und ein Foto, schrecklich sah ich darauf aus. Ich zahlte 50 Euro für 30 Tage und einfache Einreise und war in wenigen Minuten wieder draußen. Einfach super. Kein Vergleich mit der langwierigen Prozedur mit der Botschaft in Berlin oder der Warterei in der Botschaft in Rabat, einfach, schnell, und immer noch günstiger als in Rabat, wenn man die Zeit und die Übernachtung dort einrechnet. Mein Helfer nahm dann den Pass und den Fahrzeugschein und geleitete mich weiter. Zuerst die Ehrenerklärung für das Fahrzeug, die 10 Euro kostet. Man stellte sie auf 7 Tage aus, was ich zum Glück sofort sah und bat, mir 10 Tage zu geben. War kein Problem, man änderte es. Man würde auch mehr bekommen, muss halt nur darauf hinweisen.

Dann wurden in einem weiteren Gebäude die Fahrzeugdaten erfasst. Überall traf ich auf die Gruppe der italienischen Wohnmobilisten, die warten mussten, da sie keinen Helfer hatten. Ich wurde überall zuerst dran genommen. Auch bei der Autoversicherung, die ca. 26 Euro für die 10 Tage kostete. Und verließ schließlich um 13 Uhr noch vor den Italienern die maurische Grenze in Richtung Nouadhibou.

Mein Fazit: die Einreise ist ganz klar ohne Helfer möglich. Aber mit Helfer auf jeden Fall sehr viel schneller und einfacher. Und mein Auto wurde nicht durchsucht, was ansonsten der Fall ist.

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Ein weiterer Grund, warum ich so gern die Hilfe meines lokalen Freundes Idoumou in Anspruch nehme, ist die Zeitersparnis bei allem. Binnen einer Stunde nach meiner Ankunft habe ich eine 3G-Karte fürs Handy, bin telefonisch erreichbar, und er gibt mir sein kleines Huawei-Gerät, mit dem eine Wi-Fi Verbindung zwischen Handy und meinem Computer hergestellt wird. Und ich bin wieder mit der Welt verbunden. Das einzige, das er mir nicht geben kann, ist genügend Zeit für meine Arbeit und mehr Speicherplatz in meinem mit Infos vollgestopften Kopf.

Nouadhibou

Wenn man von Marokko einreist und als erste Station nach Nouadhibou kommt, erleidet man unweigerlich zunächst einen Kulturschock. Marokko hat im letzten Jahrzehnt sehr zugelegt, hat sich wunderbar entwickelt, die Campingplätze und die Hotels sind heute sauber und ordentlich, die Straßen in den Städten sauber angelegt mit Bürgersteigen, die mit Palmen bepflanzt und mit Laternen bestückt sind. Die Einfahrtsstraße nach Nouadhibou nenne ich Avenue des Chèvres. Bürgersteige gibt es nicht, der Müll liegt überall am Wegesrand, und die Ziegen laufen umher, um noch was verwertbares darin zu finden. Das darf auch gern Pappe sein. Die Autos sind Schrottkisten. Es gibt zwei Campingplätze in der Stadt. Baie de Levrier ist der kleinere, ich finde ihn als Campingplatz etwas gemütlicher, es ist ein kleiner, sandiger Hof von Zimmerchen umstanden. Dazu gehören ein nach vorne offener Raum mit einer kleinen Küche und zwei WC mit Dusche. Nicht sehr sauber. Die Zimmer haben nur Schaumstoffmatten und harte Kissen, keine Bettwäsche, keine Handtücher. Das gabs mal in Marokko vor 20 Jahren, aber heute hat sich doch sehr viel geändert. Dieser Camping hat sich absolut nicht geändert seit 2007. Dennoch empfehle ich ihn. Denn der zweite Platz, Abba, ist noch viel ungemütlicher, die Sanitäranlagen noch schlechter. Es ist ein großer Platz, so dass alle mit großem Fahrzeug hierhin müssen, aber er wirkt eher wie der Hof einer Werkstatt oder so. Ursprünglich mal von einem Franzosen angelegt mit Stellplätzen, die von Büschen abgeteilt wurden, ist davon heute nichts mehr zu sehen, es sieht trostlos aus, keine Pflanzen, kaum Stromanschlüsse, nur Staub. Die Zimmer allerdings sind eine Idee besser als Baie Levrier, haben Möbel und es gibt sogar eines mit Dusche und WC. Die Bettwäsche lässt auch hier zu wünschen übrig.

Aber immerhin scheint mein Wunsch auf eine Diätwoche nach der Völlerei in Marokko aufzugehen. Als Idoumou hörte, dass ich an der Grenze angekommen sei, orderte er bei seiner Familie in Nouadhibou sofort ein Willkommens-Barbecue für mich, wie er es ausdrückte. Wir trafen uns am Campingplatz und fuhren zum Haus der Familie, eine dampfende Schale mit gebratenem Fleisch wurde hereingetragen und Idoumou legte mir die besten Stücke vor. Aber ganz ehrlich – für mich waren es nicht die besten. Man hat einfach alles von einem Kamel, was gerade so kam, gebraten und ich konnte es meist nicht so richtig identifizieren. Danach kam noch eine große Schüssel Reis, ich griff mehr als vorsichtig zu. Am Abend dann hatte ich Hunger. Außerdem wollte ich mich mal in Ruhe mit Idoumou über mein Programm für die nächsten Tage unterhalten und schlug die nahe gelegene Patisserie vor, denn auf dem Campingplatz schüttete mich der Inhaber Ali dauernd mit Informationen zu, mein Kopf platzte schon nach dem doch sehr anstrengenden Tag. Doch war dies eine schlechte Idee. Die Patisserie war vollkommen verräuchert, der Fernseher brachte ein Fußballspiel, ich glaube es war Dortmund, ich bestellte aus der Karte einen Cheeseburger, der aber nie kam, und Idoumou nahm jede Gelegenheit, nach dem Burger zu fragen, wahr, um das Fußballspiel zu sehen. Als dann noch ein örtlicher Guide an den Tisch kam und von mir im Buch erwähnt werden wollte, reichte es mir, ich war am Ende und ging ohne Essen zurück ins Camping. Dort allerdings freute Ali sich, dass er mich wieder zudröhnen konnte. Und nun ist es fünf Uhr morgens, ich kann nicht schlafen und sitze schon wieder an der Arbeit. Ach, wie schön ist Mauretanien.