Archiv für den Monat: März 2017

Hassan zum Zweiten

Eine Fortsetzung hat meine Erfahrung mit Hassan noch genommen und leider auch eine Freundin. Sehr schade.

Gestern, vor dem Tajine-Essen, hatte ich mit der Bekannten einen Ausflug gemacht. Es war schon schwer genug, sie dazu zu bewegen. Sie, die in Mhamid immer gerne auf einen Ausflug mitgekommen ist, war hier ganz anders. Am liebsten wäre sie geblieben oder hätte alle, eben auch Hassan, mitgenommen. Unterwegs habe ich schon gemerkt, dass sie mehr als nervös war, ständig getextet hat, habe eher gedacht, es war wegen ihrem Mann, aber es war wohl Hassan, der auf ihr Rückkommen gedrängt hat. Hassan hat sie vollkommen unter seinem Bann. Er macht für sie alles, geht einkaufen, macht die Wäsche, kocht. Und bekommt dafür fürstliche Geschenke wie ein sehr hochwertiges Mountainbike. Aber Hassan will dafür auch völlige Kontrolle über sie, will seinen Geldgeber nicht verlieren.

Aus diesem Grunde habe ich mich heute zunächst von dem Wohnmobil und Hassan fern gehalten, als dieser schon beim Frühstück dort saß. Am Nachmittag bin ich mal kurz hin, setzte mich zu den Campern, Hassan natürlich dabei. Wie üblich ab dem Nachmittag mit Alkohol, der ihm freizügig angeboten wird. Meine Bekannte wollte mir was erzählen, was aus irgendwelchen Gründen Hassan nicht hören sollte, zweimal setzte sie an, als er kurz weg war, hörte sofort auf, als er zurück kam. Ihre Bitte, dass uns Hassan mal kurz allein lässt, wurde von ihm nicht respektiert. Dieses aufdringliche Verhalten von ihm ging mir so sehr gegen den Strich, dass ich fluchtartig die Wagenburg verließ und meiner eigenen Wege ging.

Später am Abend saß ich an der Rezeption, als meine Bekannte erschien, dicht gefolgt von Hassan. Sie fragte, was los sei, ich entgegnete, dass ich das nur unter vier Augen sagen würde. Hassan, stark alkoholisiert, verhielt sich einfach unglaublich. Er ließ uns nicht allein, setzte sich gegen unseren Wunsch zu uns und drängte die Bekannte, doch mit ihm zurück zum Wohnmobil zu kommen. Was sie dann auch folgsam tat, nicht ohne, dass ich mir vorher ein Wortgefecht mit Hassan geleistet habe.

Ich weiß nicht, warum so viele Camper auf ihn und seinen totalen Besitzanspruch herein fallen. Denn angeblich kommen alle nur wegen Hassan. Ich kann das nicht so recht glauben. Ich halte ihn für einen sehr durchtriebenen, berechnenden Menschen, der sich natürlich nur wegen seines Vorteils so sehr um seine Camper kümmert. Ich hatte danach noch ein langes Gespräch mit Ahmed, dem Besitzer. Er profitiert natürlich von den Gästen, die Hassan ihm heranschleppt, weiß auch genau, dass dieser zu viel trinkt, wenn es ihm angeboten wird, und er dann ausfallend werden kann. Aber Geld geht vor.

Ein wenig Vertrauen in die Menschenkenntnis der Camper habe ich ja doch noch und kann nicht glauben, dass alle von Hassan begeistert sind. Ich könnte mir ganz gut vorstellen, dass einige sang und klanglos abgereist sind, weil ihnen die persönliche Betreuung doch ein wenig zu viel war.

Was ich morgen früh auch und gerne tue. Merzouga hat für mich eine eigenartige Atmosphäre. Es ist schön hier, bin gerne da, aber sehr oft gibt es persönliche Verwicklungen, gerade hier. Merkwürdig.

Es gibt so viele schöne Plätze in Merzouga, wo man romantisch und unbelästigt stehen kann. Für Gruppen ist La Chance super, für Einzelreisende gibt es viel gemütlichere Plätze.

Merzouga Touristen

Heute bin ich im Nomadenpalast von Ali Mouni. Zum Frühstück treffen sich hier nicht nur die Gäste aus den Zimmern, auch die Leute, die die Nacht im nahen Wüstenbiwak verbracht haben, reiten am frühen Morgen zurück und frühstücken im Hotel. Und ich freue mich immer wieder, wie viele Marokkaner ich sehe zwischen den Chinesen, Brasilianern und Franzosen. Junge Paare und Familien. Nicht nur geht es vielen Menschen in den Städten inzwischen so gut, dass sie auch an eine Urlaubsreise denken können, nein, sie haben auch ein Interesse daran, ihr eigenes Land kennenzulernen. Im Sommer zur Atlantikküste war ja schon immer ein Ziel, aber die Wüste bei Merzouga zu entdecken, das ist neu. Bisher kamen höchstens Rheumakranke im Sommer zu den berühmten Sandbädern. Bei der Ankunft humpelten sie vor Schmerzen, nach zwei Wochen reisten sie beweglich und vergnügt wieder ab. Doch ist nun auch der schöne Wüstentourismus entdeckt worden.

Hassan von der Tankstelle

Hier in Merzouga habe ich einen neuen Beruf kennengelernt, den Camper-Betreuer. Bisher kannte ich ja nur Campingplatzbesitzer. Ist es ein kleiner Platz kümmert der sich häufig selbst sehr gut um die Gäste, beantwortet Fragen, offeriert Touren. Ist es ein großer Platz wie Atlantica Park gibt es natürlich einen Stab von Mitarbeitern für die einzelnen Bereiche und es ist nicht immer so persönlich und nett.

Merzouga bietet wohl die meisten Campingmöglichkeiten konzentriert in einer relativ kleinen Region. In meinem Campingführer habe ich sie alle beschrieben. Sie sind unterschiedlich, bieten von wunderschönen Stellplätzen direkt in den goldenen Dünen bis zum ummauerten Platz ohne Sicht, von einfachen Sanitärs bis zu blitzblanken Klos und heißen Duschen wirklich alles. Und dennoch ist es interessant, welcher Platz sich schließlich zu einem Favoriten der Camper etabliert. Es liegt ganz sicher nicht an meiner Beschreibung, die relativ neutral ist.

Direkt in Merzouga sind das die netten, kleinen Plätze Le Petit Prince und Les Roches. Letzterer hat nun einen Pool direkt vor den Dünen gebaut und ist sehr hübsch. Hier sind nur wenige Stellplätze, aber immer ein paar zufriedene Besucher.

In Hassi Labiad gibt es eigentlich nur zwei Plätze, wo man immer Camper findet, Ocean des Dunes und Haven La Chance. Ocean des Dunes ist nur klein, völlig ummauert und ich würde mich da eher beengt fühlen, dennoch ist der Platz sehr beliebt, wohl wegen der Freundlichkeit des Betreibers.

La Chance ist da ganz anders. Die Lage ist super, dennoch nicht einzigartig. Im Umkreis gibt es mehrere Campingplätze, die einen schönen Stellplatz direkt an den Dünen haben und sehr romantisch sind. Aber La Chance hat das Rennen gemacht. Inzwischen hat der Inhaber Ahmed den Platz sehr vergrößert, von den oberen Standplätzen ist es schon ein Stück bis zu den Sanitäranlagen und viele, viele Gruppen kommen. Dennoch fühlen sich auch die Individualcamper wohl.

Und das liegt wohl an Hassan. Und damit kommen wir zu dem neuen Beruf des Camper-Betreuers.

Hassan ist nicht auf dem Campingplatz angestellt. Sein Arbeitsplatz, sein Büro, ist die Tankstelle von Merzouga, der Treffpunkt des Ortes schlechthin. Dort wartet er darauf, dass ein Wohlmobil vorfährt, wer auf der Straße von Zagora über Alnif anreist hat vermutlich Bedarf an Treibstoff und dann ist die Stunde von Hassan gekommen. Er schlägt den Campern La Chance vor, vielleicht noch mit dem unterschwelligen Hinweis, wie schlecht die anderen Zufahrten seien, und zeigt den Weg. Von da an sind das seine Camper, die er rundum betreut. Er kocht, er macht Ausflüge, er unterhält. Ich hätte das als einfache Besucherin, die den Platz checkt, niemals gemerkt. Aber eine gute Bekannte ist schon seit längerem ein Fan von Hassan, kommt gerade wegen ihm zu diesem Platz und hat mich eingeladen zu einem gemeinsamen Abendessen. Zwei deutsche Wohnmobile stehen zusammen, Hassan hat eingekauft und kocht im Camper das tolle Tajine. Es schmeckt gut, nichts dagegen zu sagen.

Ich gönne ihm seinen Beruf, jeder muss leben, die Camper sind zufrieden, warum also nicht.

Aber kurz danach muss ich feststellen, dass ich schon längst in seine Marketingstrategie eingebunden bin. Ein Leser fragt per Email nach einem Buch, eine Kommunikation entsteht und der Leser sagt, ach, in Merzouga sind Sie. Hassan hat mir sehr stolz berichtet, dass Sie ihn jedes Jahr besuchen.

Hups! Ich kannte ihn gar nicht. Ich besuche Ahmed und den Camping La Chance. Habe ihn erst gestern Abend persönlich kennengelernt. Clever Kerlchen.

 

Frauenkooperativen für Arganöl

Arganbäume sind endemische Pflanzen, das heißt sie wachsen nur in einer bestimmten Region und können nicht verpflanzt werden. Und zwar im Großraum Essaouira – Agadir – Taroudannt. Seit Jahrhunderten waren es traditionell die Frauen, die aus den Kernen in mühseliger Handarbeit das kostbare Öl gewonnen haben. Zunächst jede Frau alleine zu Hause für den eigenen Bedarf, dann schlossen sie sich in Gruppen zusammen, um das Öl gemeinsam herzustellen und zu vermarkten. Bis dahin waren das reine Frauenkooperativen.

Arganöl war aufgrund der aufwändigen Herstellung schon immer relativ teuer, kostete Anfang der 2000er etwa 8 Euro/Liter. Doch dann wurde das Öl von der Kosmetikindustrie entdeckt und die Preise explodierten. Und gleichzeitig traten die Männer auf den Plan, übernahmen das Marketing, bauten statt der bis dahin einfachen Lehmhütten riesige Verkaufspaläste und die Preise stiegen auch in Marokko enorm, z.B. 20 Euro für 200 ml.

Dieses Geschäft wollten sich dann auch andere nicht entgehen lassen, angebliche Frauenkooperativen entstanden entlang von touristischen Routen im ganzen Land und so wurde nun auch bei Merzouga die erste angebliche Frauen-Kooperative aufgemacht. Zur Zeit gibt es etwa fünf Alibi-Frauen, die hier arbeiten, das heißt, sobald Touristen auftauchen setzen sie sich auf den Boden und bearbeiten die Kerne. In Säcken werden die Kerne aus Agadir hergebracht, im Laden verarbeiten die Frauen diese Kerne und wohnen auch da, aber den Reibach machen hier wie überall die Männer. Und die fertigen, in schöne Flaschen verpackten Produkte werden aus den Fabriken in Agadir hertransportiert.

Moha hat in Tafraoute im Anti-Atlas bereits einen solchen Laden und hat nun eine Filiale in Hassi Labiad aufgemacht, das Maison La Dune Dorée. Er verkauft hier alle möglichen Arganprodukte sowie andere natürliche Schönheitsmittel, auch Kunsthandwerk aus Tafraoute wie die bestickten Pantöffelchen. Die Preise sind extrem hoch.

Ich will nun jedem selbst überlassen, ob er dort hingeht und etwas kauft. Viele kommen auf ihrer Reise ja nicht in die Argangegend. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass dies keine von Frauen aufgebaute und betriebene Unternehmung ist. Hier steckt ein Geschäftsmann dahinter, er macht den Reibach. Sicher ist es schön, wenn die fünf Frauen nun etwas verdienen können, aber es nur wenig und es darf nicht übersehen werden, dass sie nur eine Alibifunktion für den ansonsten sehr teuren Laden haben und kaum ein Erzeugnis dort wirklich von ihnen hergestellt wird.

Geführte Wohnmobil-Touren

Um es mal ganz klar und deutlich zu sagen: Marokko ist nicht gefährlich und man kann ganz ohne Probleme dorthin allein reisen und viel Spaß haben. Ich mache das seit genau 31 Jahren. Natürlich muss man sich gut vorbereiten, Marokko ist anders als Spanien und man muss vorher einiges wissen, zum Beispiel, dass nicht alle Versicherungen die grüne Karte für Marokko ausstellen.

Trotzdem stelle ich in diesem Jahr fest, dass die geführten Wohnmobiltouren sehr stark zugenommen haben. Wenn es auch nicht mein Ding wäre, in einer Gruppe zu fahren und mich nach anderen zu richten, ich freue mich, dass so dem Land Touristen zugeführt werden, die vielleicht alleine nicht gekommen wären. Und viele davon kommen im nächsten Jahr wieder, ohne eine Gruppe, aber mit meinem Reiseführer.

Ganz wichtig bei einer solchen geführten Tour ist natürlich der Führer. Die Zusammensetzung der Gruppe kann man nicht beeinflussen, den Leiter kann man sorgsam aussuchen und Empfehlungen einholen. Und da gibt es doch ein paar schwarze Schafe. Namen möchte ich hier nicht nennen, aber oft gibt es Berichte im Internet, ein wenig googeln kann da schon Erkenntnisse bringen. Allzu oft gibt es Menschen, die mal nach Marokko gefahren sind, das Land schön fanden und nun nach einem Weg suchen, sich die weiteren Reisen finanzieren zu lassen. Und das geht natürlich gut, wenn man eine Gruppe führt. Man braucht auf den Plätzen nichts zu bezahlen und verdient ja auch noch an den Teilnehmergebühren. Nicht immer haben sie eine gute Landeskenntnis und nicht immer einen guten Charakter.

Gestern wohnte ich in der Auberge du Sud direkt an den Dünen des Erg Chebbi, eine wunderschöne Lage. Als ich ankam sah ich dort fünf Wohnmobile geparkt, ohne dazugehörige Menschen, und die Aufschrift der Reiseleitung besagte, dass es sich um SIWA-Tours handelte. Dieser Name ist mir ein Begriff, es handelt sich um ein Unternehmen mit viel Erfahrung, sie machen Touren in viele Länder und wir hatten schon kommuniziert, uns aber nie getroffen. Als die Gruppe von einer 4×4-Fahrt um den Erg zurückkam machte ich mich mit Siggi, dem Leiter, bekannt und er lud mich ein, am Abend mit der Gruppe zu essen. Ich habe mich sehr gut mit Siggi und mit Ali, einem lokalen Führer, der am Erg Chebbi dabei ist, unterhalten. Die Gruppe erschien mir eher zurückhaltend. Das erlebe ich oft. Liegt es daran, dass Gruppenteilnehmer wenig auf andere zugehen oder vermutlich eher daran, dass sie ja in der Gruppe reisen, weil sie alleine nicht so recht auf Menschen zugehen können. Wenn ich Einzelreisende auf den Campingplätzen treffe gibt es immer ein großes Hallo und nette Gespräche. Wie auch immer, ich habe von der SIWA-Gruppe einen guten Eindruck erhalten, es waren diesmal nur 4 Fahrzeuge, aber Siggi hat viel Erfahrung im Land und ist ein guter Anführer. Nach dem Essen genossen wir den windstillen Abend, es gab ein Lagerfeuer und sogar ein Feuerwerk. Was mir fehlte war Musik. Die Auberge du Sud war früher dafür bekannt, dass die Mitarbeiter am Abend in die Trommeln gehauen haben, was sie nur konnten und die traditionellen Lieder sangen, aber gestern war da überhaupt nichts los. Und auch das Abendessen war eher enttäuschend.

Merzouga am Erg Chebbi oder Mhamid mit dem Erg Chegaga

Welches Gebiet ist schöner, werde ich oft gefragt. Wohin soll ich gehen, wenn ich nur für eines Zeit habe?

Ich mag diese Frage nicht, denn ich kann sie nicht beantworten. Die beiden Ergs sind so wie man sich die Wüste vorstellt: gewaltige Gebirge aus rotgoldenem Sand. Dazu Einsamkeit, Kamele, Nomaden. Das ist es, was der westliche Tourist sucht. Schaut man sich nur den Sand an, dann sind beide Gebiete fast gleich. Gleich hoch, gleich ausgedehnt. Aber ansonsten? Ein Unterschied zwischen Tag und Nacht.

Chegaga ist einsam, es ist nur über eine schwierige Piste von 55 km zu erreichen, Mhamid der nächste Ort. An den Dünen nur einige Biwaks, Beherbergungsunternehmen mit mehr oder weniger komfortablen Zelten.

Um den Erg Chebbi gibt es fünf Dörfer, gut 100 Hotels und bestimmt 150 Biwaks versteckt im Sand. Dazu Tausende von Kamelen, die täglich die Gäste zu den Camps transportieren. Auf den ersten Blick stößt das eher ab, aber es muss ja etwas dran sein, wenn jedes Jahr tausende von Touristen zum Erg Chebbi kommen und ungleich weniger zum Erg Chegaga.

Und trotzdem, ich kann die Frage nicht beantworten. Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Für mich haben diese beiden Orte, wie eigentlich alles in Marokko, sehr viel mit persönlichen Beziehungen zu tun, und diese Dinge ändern sich manchmal. In Mhamid, das ich auch schon lange kenne, finde ich immer wieder mal etwas Neues, ob es jetzt Jamal mit seinem wunderschönen, versteckten Ksar ist, der Frauenmarkt am Nachmittag oder die schönes Festivals, immer gehe ich gerne hin. Merzouga, das früher ein bevorzugtes Lieblingsziel von mir war, bietet mir nichts Neues mehr. Ich kenne Alles und Jedes, das einzige, das ich tun kann, ist schauen, ob sich die Preise auf den Campingplätzen geändert haben oder ein neuer aufgemacht hat. Langweilig. Ich bin nun die zweite Nacht hier, aber ich fühle mich total unwohl, unglücklich. Merzouga bringt es einfach nicht mehr für mich. Ich bleibe aber noch, denn heute will ich in der Auberge du Sud wohnen. Sie gehörte zu den ersten Cafés, die es in den 1980ern bei meinem ersten Marokkobesuch um die Dünen gab, wurde dann immer mehr verschönert und vergrößert, erhielt wegen seiner Lage weitab vom nächsten Dorf erst kürzlich elektrischen Strom und ist im Augenblick vielleicht die schönste Herberge am Erg. Ich habe noch nie hier gewohnt und möchte es einmal ausprobieren.

Morgen dann gehe ich zu Ali Mouni in den Nomadenpalast. Ali kenne ich seit vielen Jahren, aber es ist manchmal auch schwer, mit ihm umzugehen. Ali ist auch so ein Rätsel für mich, aus dem ich nicht schlau werde. Früher chauffierte er mit einem alten Land Rover die Gäste von Erfoud aus zum Sonnenuntergang am Erg, dann baute er sich eine kleine Auberge weit abgelegen von den anderen und gab ihr den hochtrabenden Namen Nomad Palace. Und dieser kleine, eher unscheinbare Mann, der so gerne Haschisch raucht und ganz langsam spricht, dem man absolut nichts zutraut, hat daraus einen wahrhaftigen Palast gemacht. Jedes Jahr, wenn ich komme, ist er ein wenig größer geworden, gibt es mehr und schönere Zimmer, deren wunderschöne Einrichtung er selbst kreiert, er braucht dafür keinen Designer. In diesem Jahr kam ein langer Flur hinzu, an dessen Wänden Plakate von den unzähligen Filmen hängen, die in der Gegend von Merzouga gedreht wurden. Und einen neuen Pool gibt es auch. Den bereits bestehenden im hinteren Teil will er als Hallenbad ausbauen.

Auf der Piste

So langsam muss ich mich Richtung Merzouga aufmachen, um zu vermeiden, dass ich dort in der Osterzeit bin. Dann ist die Hölle los in Merzouga, ganz Spanien ist dort, die Hotels sind voll bis zum Bersten und die Hoteliers haben keine Zeit. Zum Abschluss besuchte ich mit einer Bekannten noch die örtliche Hammam. Wir hatten eine Badefrau empfohlen bekommen, Mbarka. Sie ist nicht in der Hammam angestellt, sondern arbeitet selbstständig. Man ruft sie an und macht einen Termin aus, allerdings spricht sie nur ihren Berberdialekt, kein Französisch. Ich wollte gerade von den Dünen in Tinfou nach Tamegroute fahren als mein Telefon klingelte. Hassan Tahiri aus Skoura war dran und sagte, er habe gerade mein Auto vorbei fahren sehen. Ja, wo bist du denn? Ich sitze mit Freunden an den Dünen von Tinfou.

Babyhaut in der Hammam

Also fuhren wir wieder zurück, tranken Tee mit ihm und Hassan rief Mbarka an, Termin nächster Morgen um 11 Uhr. Wir erschienen mit Handtuch, Shampoo und frischer Unterwäsche pünktlich vor der Hammam, Hassan war extra gekommen, um uns einzuweisen. Mbarka war schon drinnen und hatte alles vorbereitet, eine Matte auf dem Boden, ein niedriges Schemelchen für sie, die schwarze Hammamseife lag bereit, ein harter Handschuh zum Schrubben. Wir zogen uns, genau wie die anderen Frauen, aus bis aufs Höschen und gaben unsere Kleidung bei einer Aufseherin ab. Wie ein Baby seifte sie uns zunächst mit der schwarzen Seife von oben bis unten ein, übergoss uns immer wieder mit heißem Wasser. Danach kam der Handschuh. Hart, aber ohne weh zu tun, rubbelte sie an mir herum, es ist einfach unglaublich, wie viele Hautschuppen sich da lösen, Spaghetti nannte Mbarka diese gräulichen Röllchen, die von der Haut abgingen. Immer wieder kam ein wenig schwarze Seife auf den Handschuh. Da denke ich, nun ist aber alles weg, nein, Mbarka findet immer noch was. Danach nimmt sie einen locker gehäkelten Handschuh, legt ein Stück Kernseife hinein und seift uns erneut von oben bis unten ein, gleichzeitig massiert sie den ganzen Körper, bis in die Zehenspitzen. Mit einem Bimsstein wird dann die Hornhaut am Fuß noch abgeschliffen, meine Haut ist langsam sanft wie ein Baby. Zu guter Letzt werden die Haare gewaschen, diesmal aber mit unserem eigenen Shampoo.

Danach haben wir uns eine Belohnung verdient, gleich neben der Hammam ist die Bäckerei, wir holen uns Stückchen und trinken im Café Oskar einen Kaffee dazu. Plötzlich fährt ein rotes Auto vor, das ich doch kenne. Ich springe auf und mein diesmal ganz in grellem Gelb gekleideter Freund Mostafa steigt aus. Wie schön. Mostafa, Besitzer des Restaurants Dromadaire Gourmand, ist bekannt dafür, dass er täglich vom Chech bis zu dem Schuhen komplett in eine neue Farbe gekleidet ist. Am Gebetstag, dem Freitag, immer ganz in weiß.

Nach diesem Kaffeetrinken ist aber mehr oder weniger Abschied nehmen angesagt, denn so schön es war, ich muss nun weiter. Am nächsten Morgen geht es vom Riad Dar Sofian gleich auf die Straße nach Tazzarine, die ja inzwischen vollständig asphaltiert ist. Ich jedoch biege unterwegs ab auf die Piste nach Tissimoumine. Viel offroad bleibt hier nicht, es sind nur 20 km bis zum Ort, wo schon wieder für eine kurze Strecke Asphalt ist. In Oum Jrane besuche ich die örtliche Herberge, werde vom Chef zum Essen eingeladen, aber lehne ab. Weiter geht es nach Fezzou. Dort hatte ich im letzten Jahr Brahim kennengelernt, der sein elterliches Haus sehr hübsch zur Auberge umgebaut hat und auch einen Campingplatz eröffnet hat. Ich will ihm den neuen Campingführer zeigen, erst seit 1. März auf dem Markt, wo natürlich über ihn viel geschrieben ist, denn ich war ganz begeistert, was er in dem abgelegenen Fezzou nun geschaffen hat. Brahim lädt mich natürlich auch zum Essen ein, aber ich lehne wieder ab. Ich könnte hier bis zum Platzen gefüttert werden, aber ich will endlich mal ein Wüstenpicknick ganz allein am Wegesrand genießen, ist mir lieber als das ausführlichste Menü. Und so finde ich auch bald einen schattigen Baum und lasse mich dort nieder, um ein gekochtes Ei, die fünf Datteln und zwei Mandarinen zu verspeisen, die ich vom Frühstück eingepackt habe. Reicht völlig aus und befriedigt mich mehr als ein Tajine.

Im letzten Jahr war die Straße Mecissi – Fezzou – Tafraout noch im Bau, aber in diesem Jahr ist alles fertig. Was für das entlegene Tafraout einen enormen Aufschwung bedeutet. Es war bisher nur auf langen, schwierigen, versandeten Pisten zu erreichen und nun geht eine Teerstraße direkt bis zum Lac Maider. Langsam müsste auch mal der Ort Tafraout in einer Karte erscheinen, denn bisher gibt es ihn noch in keiner. Dabei ist Tafraout wunderschön und durchaus nicht mehr klein. Umgeben von schwarzen Bergen und rotgoldenen Sanddünen, die hier in einer dunklen Farbe leuchten wie an keinem anderen Ort in Marokko. Die Herbergen werden auch immer komfortabler, Les Jardins de Tafraout sieht wunderschön aus, aber ich sehe es mir nicht an, denn ich will weiter.

Oase Mharech

Vor Jahren schon war ich mal auf dieser Piste unterwegs mit einem guten Freund. Er heißt Mohammed Ouattou und ist ein sehr guter Führer. Zwar war ich die Strecke schon häufig alleine gefahren, aber er wollte gerne mitkommen. Unterwegs meinte er, ob ich nicht die Oase Mharech sehen wollte, sie sei sehr schön. Ja, ich war tatsächlich noch nie dort. Er bog ab offroad, damals mit meinem Ford Ranger Pickup, nicht sehr sandtauglich mit zu viel Luft in den Reifen und fest saßen wir. Kamen auch allein nicht wieder raus. Fanden schließlich einen Herbergsvater aus Tafraout mit seinem uralten Land Rover, der uns raus zog. Und so wurde nichts aus Mharech, es ging mit ihm nach Tafraout. Auch im letzten Jahr, als ich bei Tafraout eine ziemlich schlimme Reifenpanne hatte, konnte ich mir damit Mharech nicht ansehen, sondern musste versuchen, so schnell wie möglich nach Erfoud zu kommen.

Also diesmal sollte es sein. Es gibt zwei Pisten in die schöne Schlucht, die möchte ich zu einer Rundfahrt für mein nächstes Buch zusammenstellen. Von Tafraout geht es zunächst östlich auf die Piste nach Ramlia und Taouz. In der Ferne sehe ich auf einer Parallelpiste einen Pickup, er kommt näher und winkt. Aus steigt Mohammed Ouattou, nur wenige Kilometer entfernt von der Stelle, wo wir damals eingesandet waren. Ja, das ist Marokko, man läuft sich immer wieder über den Weg. An einem Brunnen biegt dann die Piste ab in die Mharech-Schlucht, es geht direkt über den Trockensee auf einer wirklich üblen Piste. Wenn es mal regnet, was selten vorkommt, besteht dieser See aus einem einzigen Schlamm und dann werden Fahrspuren sehr tief eingegraben, die dann aushärten. Später höre ich in der Herberge, dass auf diesem Wege schon Wohnmobile in der Schlucht eingetroffen sind, aber ich kann es kaum glauben und ganz bestimmt nicht empfehlen. Dazu gehört schon viel fahrerliches Können, aber auch ein doch zumindest etwas geländetaugliches Mobil. In schlechter Erinnerung an die üble Reifenpanne vom letzten Jahr schaue ich alle paar Kilometer meine Reifen an, ob sie noch alle Luft haben.

Am Beginn der Schlucht steht auf einem Hügel eine neue Auberge, Riad Nomad. Ich fahre hinauf, und die Aussicht ist einfach unglaublich. Über das ganze Tal, den staubigen See bis hinein in die Schlucht. Auch wer nicht in dieser Herberge übernachten will sollte einfach mal hoch fahren, um die grandiose Aussicht zu genießen. Sie bietet schöne geräumige Zimmer mit Bad, das Licht kommt vom großen Solarpanel und es soll sogar WiFi geben, auf meinen Test allerdings bekomme ich keine Verbindung mit dem Internet. Der Chef erzählt mir, dass er an diesem Abend englische Gäste haben wird, die mit 10 Pferden kommen. Das ist doch mal eine interessante Tour, auf Pferden durch die Wüste. Ganz wie Kara Ben Nemsi.

Aber ich will nicht warten und fahre nun hinein in die Schlucht. Es gibt noch eine ältere Auberge, die von Brahim, Bruder von Said, den ich aus Tafraout kenne und der mir im letzten Jahr mit meiner Reifenpanne geholfen hat. Ich war auch kurz bei ihm vorbei gefahren, alle Türen standen auf, aber niemand war zu sehen. Die Schlucht ist nicht lang, die Auberge Oasis El Mharech folgt schon nach 2 Kilometern. Wer nun denkt, dass es hier doch wohl einsam ist so tief in der Wüste direkt an der algerischen Grenze, der irrt sich. Denn da hier noch richtige Wüste ist und schöne Pisten, findet hier ein lebhafter Offroad-Betrieb statt. Individuelle Geländewagenfahrer so wie ich und wie es sie früher viel gab, findet man heute kaum noch. Es sind meist geführte Gruppen, so wie kurz zuvor die Pferde, und nun die Enduros. Solche Touren gibt es inzwischen sehr häufig, aber auch geführte Geländewagentouren mit eigenen oder gemieteten Fahrzeugen. Da ja auch die geführten Wohnmobiltouren sehr stark zugenommen haben frage ich mich, wo bleibt die Individualität, die Freiheit, die Selbstständigkeit. Naja, ich zumindest habe sie ja noch.

Wenn ich dachte, dass Brahim in der kleinen Schlucht auch eine kleine Auberge haben muss, so habe ich mich da doch ganz schön geirrt. Eine riesige weitläufige Anlage, und in der Mitte wird gerade ein Pool gebaut. Das ist schon abartig in dieser abgelegenen Gegend, wo es ansonsten nichts gibt, kein Telefon, kein Internet, kein Strom. Auch hier kommt dieser vom Solarpanel, aber 24 Stunden lang und reicht auch zum Laden der Geräte. Die Zimmer sind im Garten im Karree um den neuen Pool angeordnet, man kann direkt davor parken, da aber nun die Poolfläche weg fällt, werde ich schließlich von den Neuankömmlingen ganz schön zugeparkt und muss dann am nächsten Morgen warten, bis alle weg sind.

Aber erstmal steht Abendessen auf dem Programm und danach falle ich völlig erschöpft ins Bett.

Eine Liebesgeschichte in der Wüste

Vor wenigen Jahren hatte ich bei Mhamid den Ksar Ouled Mhajar entdeckt. Es ist ein altes Dorf, das heute weitgehend vom Sand überrollt ist und dessen einst mächtige Kasbah fast zerfallen ist. Ich hätte das abseits des Weges liegende Dorf nie entdeckt, wenn ich nicht am Straßenrand ein kleines Schild gesehen hätte mit einer Einladung zum Tee. Abdelkader Khalil ist der alte Kaid des halb zerfallenen Dorfes und bot in seinem aus einfachen Planen zusammengebauten Zelt den zufälligen Passanten Tee, um ein wenig Geld zu verdienen. Ich fand den Alten schon damals sehr sympathisch, aber er sprach kaum Französisch.

Im Jahr darauf kam ich wieder zu der magischen Stelle und suchte nach Abdelkader, traf an seiner Stelle aber den viel jüngeren Jamal, seinen Sohn. Das Zelt hatte sich ein wenig vergrößert, es waren ein paar zusätzliche Hüttchen dazu gekommen und erst durch Jamal erfuhr ich die vollständige Geschichte des magischen Ortes und nahm ihn in meine Reiseführer auf. Ich bekam das Recht, jederzeit meine Freunde in die halb mit Sand gefüllte Familienkasbah zu führen, die im Innern wunderschöne Architektur aufweist, besuchte das Familien-Marabut, das seine Berühmtheit erhielt, weil der alte Marabut, Jamals Ur-Ur-Großvater die Baraka besaß, den Karawanen eine erfolgreiche Rückkehr zu ermöglichen, und erklimmte den Hügel mit den magischen Tamarisken, die den jungen Mädchen des Dorfes zu einem Ehemann verhelfen sollten. All das schrieb ich in meinem Reiseführer und empfahl Jamal, eine Fläche einzuebnen, damit Fahrzeuge bei ihm über Nacht stehen können.

In diesem Jahr nun besuchte ich Jamal erneut. Er kam mir überglücklich entgegen. Tatsächlich kommen nun Touristen, Deutsche, mit meinem Führer. Er hat eine kleine Betonbrücke über den Bewässerungskanal gelegt und nun kann man ganz gut bei ihm einfahren. Und die Landschaft, die sich dahinter bietet, ist einfach grandios. Wer braucht schon Chegaga, wenn sich in Fußweite von Mhamid so schöne Dünen bieten, immer mit kleinen Tamariskengruppen dazwischen oder mit Palmen. Einfach wunderschön. Und Jamal bietet nun auch Kamelexkursionen in diese herrlichen Dünen an, fern von Chegaga, aber mindestens genauso schön.

Ich hatte nur kurz Zeit und versprach, noch einmal wiederzukommen. Und genau das tat ich nach meiner Rückkehr aus Chegaga. Ich rief Jamal kurz an und kündigte meinen Besuch für den Nachmittag an. Jamal war da und stellte mir seine Frau vor.

Was! Eine Frau? Und eine Europäerin!

Ich war zunächst mal sprachlos, hatte ihn nie mit einer Frau gesehen. Und zunächst macht man sich ja mal seine Gedanken, lässt seine Vorurteile spielen, wovon ja niemand ganz frei ist. Ich zeigte Bronia und Eckhard den magischen Hügel, dann kamen wir zurück und Camelia, was für ein schöner Name, lud uns ein in ihr Hüttchen. Und wir erfuhren einiges aus ihrem Leben, das meine Meinung doch ganz schön änderte.

Camelia ist Rumänin. Sie ist 50 Jahre alt und hat schon sehr viel erlebt. Ihre Eltern waren bekennende Christen in einem kommunistischen Land, hatten viel zu erdulden. Camelia war beim Militär, hatte später in vielen Berufen gearbeitet, auch als Filmregisseurin und viel im Ausland, in Skandinavien. Und dann schrieb sie sich ihre Erlebnisse von der Seele in drei Bänden, wofür sie einen ersten Preis in Rumänien gewann. Sie kam nach Marokko auf der Suche nach ihrer Identität, auch auf der Suche nach der Wahrheit der Religionen, denn sie war keine praktizierende Christin wie die Eltern, sie war auf der Suche. Kam in dieses kleine Camp. Jamal bot ihr eine Kameltour an. Sie hasste Jamal auf den ersten Blick, wollte nichts von ihm wissen. Sie spazierte über das Gelände, sah den Friedhof um das Marabut und hatte auf einmal das Gefühl, dass sie nur dort einmal ihre letzte Ruhestätte haben wollte. Jamal kam zu ihr, nahm seine Sonnenbrille ab, sie blickte in seine Augen und sah darin das Leid, das auch er in seinem Leben erfahren hatte. Das änderte alles. Jamal sagte schon beim zweiten Besuch von Camelia seinen Eltern, dass dies die Frau sei, die er heiraten wolle. Und auch die Eltern lieben Camelia, obwohl sie ja wissen, dass sie von ihr nicht die in Marokko üblichen und erwünschten Enkelkinder bekommen können. Camelia ist nicht reich, auch sie muss für ihren Lebensunterhalt arbeiten, sie ist eine sehr stille, nachdenkliche, liebenswerte Frau, so dass ich ihr diese Liebesgeschichte voll abnehme.

Der Plan der Beiden ist, demnächst nach Norwegen abzureisen, wo Camelia Beziehungen hat, dort den Sommer über zu arbeiten, und dann im Oktober wiederzukommen, um das kleine Camp auszubauen und vielleicht ein richtiges Restaurant zu eröffnen. Auch die alte Kasbah soll aus ihrem sandigen Schlaf befreit werden. Ich wünsche den beiden viel Glück und Erfolg, viele Besucher und werde ihren weiteren Weg im Auge behalten.

Wüstenluxus pur

Meine erste Kameltour in die Wüste war im Jahr 1987. Wir zogen von Zagora los auf dem Rücken der Kamele, alles, was wir zur Übernachtung brauchten, war in den Satteltaschen verpackt und wir drei Mädels saßen obenauf. Es ging nicht allzu weit, wir ritten vielleicht zwei Stunden, dann haben wir unter einer Palme unser Lager aufgeschlagen, Matten wurden ausgebreitet, der Koch schälte das Gemüse und wir halfen. Später am Abend dann streckten wir uns auf den Matten aus, betrachteten die Sterne und schliefen ein. Am Morgen mussten wir helfen, die Kamele zu suchen, die angehobbelt in der Wüste grasten, und dann ging es wieder zurück. Es war einfach wunderschön.

Doch so kann man Touristen heute nicht mehr zufrieden stellen. Als Abdou Anfang der 2000er sein erstes Wüstencamp einrichtete, fand ich es überhaupt nicht schön. Wir saßen zum Essen auf ungemütlichen kleinen Hockern an niedrigen Tischen, statt wie früher alles auf dem Boden zu machen. Und statt dass wir unser Geschäft im Wüstensand erledigten gab es nun einfache Häuschen mit Plumsklos. Aber es ist ja klar, je mehr Menschen die Wüste entdecken wollen, desto mehr muss man auch auf solche Kleinigkeiten achten, da kann nicht jeder einfach in den Sand sch….

Doch kaum hatte ich mich an dieses für mich zunächst so luxuriöse Biwak gewöhnt hatte Abdou schon weitere Ideen. Sein Luxus-Camp hatte gemütlich eingerichtete Zelte für 2 Personen mit bequemen Betten, daneben ein kleines Babyzelt mit privatem Bad, das bestand aus Chemie-Klo und Eimerdusche. An den ungemütlichen Hockern änderte sich nichts. Doch auch das war immer noch nicht genug. Das Camp wurde schnell zum Komfort-Camp umbenannt und man baute das erste wirkliche Luxuscamp, und das war echt toll. Super eingerichtet, mit King-Size Bett und Sitzecke, das Bad hat eine richtige heiße Dusche und ein wassergespültes Klo. Natürlich auch elektrisches Licht von Solarstrom, womit sich auch Handies laden ließen. Von der Terrasse davor mit seinen Sesseln kann man am Abend die Sterne anschauen. Und das mit Teppichen und Sitzpolstern eingerichtete Restaurantzelt mit richtigen Tischen und Stühlen zum Abend-Diner lässt auch keine Wünsche mehr offen. Allen Camps gleich ist aber die Musik nach dem Essen. Die ist echt und ungeschminkt, da greifen die Jungs zu den Trommeln und hauen drauf los, was nur geht.

Doch manchen Menschen geht auch das nicht weit genug. Abdou hat sehr reiche Kunden, die fliegen mit dem Privatjet nach Zagora, steigen dort in den Hubschrauber um und landen gleich am Erg Chegaga. Dass ein solcher Kunde natürlich nicht mit dem gemeinen Volk zusammen sein kann ist klar. Also hat Abdou nun ein weiteres Camp gebaut, das Super-Luxus-Camp, was jeweils nur für die zusammengehörige Gruppe vermietet wird, und das wollte ich natürlich erleben.

Allein wäre das absolut langweilig, aber gerade sind deutsche Freunde am Platz und die hatten eine Wüstentour gebucht. Natürlich eine ganz normale, dem Preis nach in dem Komfortcamp. Aber Abdou tut ja immer alles für mich damit ich mich nur wohl fühle, wir sind halt sehr gute Freunde. Und so gab er den Beiden ein kostenloses Upgrade und wir zogen los. Mohammed war unser Fahrer, wir lasen in letzter Minute noch ein sehr junges belgisches Paar auf, das sich auf den hinteren Bänken im Toyota drängte, und ab ging es in die Wüste. Eckhard ist ein begeisterter Fotograf und so waren einige Halts obligatorisch, der erste beim Ruccolafeld. Ich wusste nie, dass Ruccola wild in der Wüste wächst und vor allem die Kamele lieben das heiß und innig. Er stand gerade in voller, blassgelber Blüte. Wir probierten ein paar Blättchen. Also, das hat mit unserem Ruccola ja kaum etwas gemein, höchstens die Form der Blätter. Aber der Geschmack – der ist so würzig und intensiv, einfach köstlich. Es schmeckt schon fast, als wäre der frische Parmesan bereits darüber gestreut. Wie schade, dass ich hier keine Küche habe und mir eine Salatschüssel zubereiten kann.

Ein weiterer Halt war die berühmte Oasis Sacrée, die heilige Oase, die ja dem Namen nach schon etwas Mystisches hat. Eine reichhaltige Quelle ist dort Lebenselixier für Menschen, Tiere und Pflanzen. Die Oase ist nicht öffentlich, sie ist in Privatbesitz und leider vollständig ummauert und geschlossen. Der Besitzer war früher Hotelier, hatte auch ein hübsches Camp dort eingerichtet, man konnte kommen und einen Pfefferminztee oder ein kühles Bierchen trinken, auch übernachten, doch ist nun alles geschlossen, er ist älter und krank und lebt sehr zurückgezogen.

Irgendwann kamen aber dann doch die mächtigen Dünen des Erg Chegaga ins Blickfeld. An einer hübschen Stelle inmitten des Sandes ließen wir die Belgier aussteigen, sie hatten ihr eigenes Zelt, Essen und Wasser dabei und ich bin sicher, sie haben eine wunderschöne Nacht ganz allein verbracht. In der Nähe war eines unserer Camps und wir sagten ihnen, dass sie im Falle irgendeines Problems dorthin gehen könnten. Zum Beispiel zeigte unser Mohammed auf eine dunkle Regenwolke, aber mir war schon klar, dass sie nicht bei uns Regen bringen würde. Und so war es auch, die Nacht verlief ungestört.

Unterwegs kamen wir an einem weiteren Camp von Sahara Services vorbei und Mohammed erkundigte sich nach dem Weg, er war noch niemals in dem neuen Biwak gewesen. Wir fuhren und fuhren, selbst Mohammed war es längst klar, dass wir falsch sind, waren schon auf dem Weg nach Foum Zguid. Er hielt an und stieg auf eine Düne, um sich umzusehen, da kam ein Pickup angebraust. Naim hatte bereits Ausschau nach uns gehalten, wusste vom anderen Camp, dass wir in 5 Minuten da sein müssten, und kam uns suchen. Gute Organisation!

Und dann das Camp! Die Lage wunderbar einsam, weitab von den anderen Biwaks, auf einer ebenen Fläche vor den weiten Dünen. Nur vier Zelte zum Wohnen, ein Restaurantzelt und offene Zelte, um darin einen Tee zu trinken. Spektakulär sah das noch nicht aus, so sind die anderen Camps auch. Das besonders aber ist die private Lage und dann die Einrichtung. Es ist schon dekadent, wenn man inmitten der Wüste ein Zelt betrifft und darin so ein herrliches Bett findet und eine Couchgarnitur, wo man sich bequem zum Lesen zurückziehen kann, genug Licht, ein richtiges Bad, und einfach alles. Hier hat ein Designer seine Finger im Spiel gehabt, allerdings ist noch lange nicht alles fertig. Bronia und Eckhard konnten es kaum fassen, sie hatten zuvor noch gefragt, ob sie Handtücher und Schlafsack mitbringen sollten, kannten nur die einfachen Camps von Merzouga. Eckhard wollte nicht mehr weg. Den hätten wir hier für einige Tage abgeben können, der wäre mit einer prallvollen Speicherkarte zurückgekommen, denn alles was er tat, war fotografieren.

Bronia und ich zogen uns stattdessen in ein kleines, an den Seiten offenes Nomadenzelt zurück und tranken den Willkommenstee, gefolgt von einem kühlen Rose. Es war eine eher laue Nacht, aber trotzdem brachte uns Naim eine Gasheizung. Wie bitte? Eine Gasheizung mitten in der Wüste? Das ist für mich dann doch der Gipfel der Dekadenz. Das kleine Restaurantzelt, wo zum Dinner aufgedeckt wurde, erstrählte noch im jungfräulichen Weiß, da wird in Zukunft noch einiges verschönert werden, aber das Menü stellte uns vollkommen zufrieden, es war gut wie immer bei Sahara Services.

Wie immer in einem Wüstencamp, egal welcher Qualitätsstufe, wurde danach das Lagerfeuer angezündet und die vier Jungs machten unter dem glitzernden Sternenhimmel mit nur einer Trommel so schöne Musik, dass wir völlig gepackt waren. Sie baten uns, doch auch ein Lied zum Besten zu geben. Und dann begann eine Show, die einer Bühne und einem Eintrittspreis würdig gewesen wäre. Bronia stammt aus Polen und sang ein polnisches Lied, ein sehr tragisches Lied, das um eine junge Mutter geht, die ihren Sohn alleine durchbringen muss indem sie sich an Männer verkauft. Sie sang nicht nur, sie spielte das Lied mit einer Intensität und die vier Wüstennomaden waren hingerissen. So etwas lieben sie, so etwas feuert sie noch mehr an. Ich musste den Text des Liedes für sie übersetzen, Bronia wollte entschuldigend sagen, dass es eine Geschichte aus dem polnischen Leben sei, dass es das in der Wüste nicht gäbe, aber die Männer waren da ganz anderer Ansicht. Nein, genau das gäbe es auch hier und sie hatten volles Verständnis für die arme Frau in dem Lied und konnten sich vollkommen in das Lied hineinversetzen. Natürlich konterten auch sie mit einem neuen Lied und einer Übersetzung der Geschichte und es war sicher der denkwürdigste Abend, den ich je in der Wüste erlebt habe.

Bronia ist einfach toll.

Nomadenfestival in Mhamid

Diese Woche ist von Donnerstag bis Samstag wieder das Internationale Nomadenfestival in Mhamid. Ich habe es schon einige Male besucht und konnte mir daher den ersten Tag schenken, ich wusste, da passiert nichts, was ich unbedingt sehen muss. Aber immerhin haben Bronia und Eckardt schon auf mich gewartet und deshalb ging es am Morgen ziemlich schnell hin. Zuvor hatte ich mit einigen Campern gesprochen, die nicht nach Mhamid wollten, aus Angst, dass es dort zu voll ist, auf den Campingplätzen keinen Platz für sie gibt. Oje, in Mhamid ist immer genug Platz, sooo viele Leute kommen auch nicht hierhin. Wenn auch die wenigen Hotels immer überbelegt sind, aber auf den Campingplätzen ist noch genug Raum.

In der Kasbah Sahara Services hat es dann ein Weilchen gedauert, mein Zimmer zu beziehen, denn es ist unglaublich voll, Abdou könnte an dem Tag dreimal so viele Leute unterbringen. Es war schön, Bronia und Eckhardt wieder zu treffen und am Nachmittag sind wir dann zu der Eröffnungsfeier gefahren, die merkwürdigerweise immer am 2. Tag stattfindet. Ich kenne das ja schon, im Programm steht 15:30 Uhr, aber natürlich fängt es da nicht an. Zunächst muss ja auf die Honoratioren gewartet werden, und die lassen sich Zeit. Aber das macht nichts, denn vorher wird immer Musik gemacht und gerade heute war es wieder sehr gut.

Guedra ist ein sehr typischer Tanz von Mhamid und der Sahararegion, die sich bis nach Mauretanien hinzieht. In meinem Reisehandbuch schreibe ich darüber:

Rhythmus GUEDRA

Dies ist der Name des traditionellen Instrumentes der Perkussionsmusik, das aus einer Ziegenhaut besteht, die auf ein hohles Tongefäß gespannt wurde. Der Name bezeichnet auch den rhythmischen Tanz und sogar die Tänzerin. Im Allgemeinen wird er von den Frauen getanzt und beginnt langsam wie der Schritt des Dromedars und beschleunigt sich progressiv bis zum tranceartigen Höhepunkt. Er ist zweifellos der am meisten entwickelte Tanz, den die Frauen in ihren traditionellen blauen Gewändern ausführen.

Als um 17 Uhr dann endlich die wichtigen Leute erschienen, das große Bild des Königs an einen hervorragenden Platz transportiert worden war, konnten dann die Reden beginnen und ich verschwand. Denn zu dem Zeitpunkt geht draußen das Spiel los. Die hageren Kamelmänner in ihren blauen Gewändern zurrten die letzten Sättel fest und ließen sich stolz mit ihren Tieren fotografieren. Weiß gekleidete Musiker hatten sich auf einer Seite aufgestellt, bunt gekleidete Mädchen auf der anderen, spielten wieder eine ganz andere Musik und wiegten sich dazu im Tanz. Diesmal war etwas ganz besonderes da, riesengroße Puppen tanzten. Das habe ich noch nie gesehen. In den flachen Sanddünen des trockenen Oued Dra sammelten sich dann die Kamelreiter zu ihrem Rennen, immer ein malerisches Bild, aber auch schnell vorbei.

Am Abend tranken wir zusammen in der Kasbah eine Flasche Sekt, die ich aus Spanien mitgebracht hatte, irgendwie dekadent, in der Wüste, nicht? Aber schön. Und für Sonntag haben wir noch etwas viel dekadenteres vor, aber das erzähle ich erst später.

Rfissa

Vor einem Jahr in Marrakech schickte mich Abdou zum Riad Haraka. Ich sollte ihn mir ansehen, ob er für meine Touren infrage käme. Zum Mittagessen sollte ich dort sein. Pünktlich wie die Maurer war ich vor Ort, aber man hatte keine Ahnung von mir. Ein Telefongespräch ergab, dass ein Übermittlungsfehler vorlag, natürlich zeigte man mir gleich das schöne Riad und ich wollte auch gerne auf das Essen verzichten. Aber nein, die marokkanische Gastfreundschaft würde das natürlich nicht zulassen, ich musste mich auf der Terrasse platzieren, man brachte Tee und dann ein Tajine. Wir kennen das ja in Marokko, es ist immer das gleiche, Tajine, Couscous, Brochette. Obwohl die Küche so viele wunderschöne Gerichte bietet gibt es in den Restaurants und Hotels immer das gleiche.
Aber nicht hier. Das Tajine war riesig, ganz sicher nicht für eine Person bestimmt, und darin ein Gericht, das ich noch nie zuvor gesehen hatte und zunächst auch nicht mit Namen kannte. Die Grundlage bildete Hühnchen, dazu sehr viele Linsen und in der Sauce Streifen von dem köstlichen Pfannkuchen, der gerne zum Frühstück serviert wird, Msmen. Es war einfach eine Geschmacksexplosion. So richtig malerisch sieht es nicht aus, da fehlen ein wenig die Farben, aber es ist einfach köstlich. Als ich mich verabschiedete, ich hatte nur höchstens ein Viertel gegessen, sah ich in der Küche mehrere Frauen sitzen und ich bin ganz sicher, es handelte sich in Wirklichkeit um ihr eigenes Mittagessen. Aber ich war sehr dankbar, dass ich es probieren durfte.
Wochen später war ich dann in Mhamid, wo Abdou Besuch vom Bürgermeister hatte. Und dieser brachte eine Schüssel voll Essen mit, von seiner Mutter oder Frau oder was auch immer gekocht. Darin eben dieses Hühnchen – Linsen – Gericht. Ich probierte, war bei weitem nicht so gut, aber eindeutig das gleiche. Man kennt das ja auch von Zuhause, ein Gericht schmeckt immer anders, je nachdem von wem es gekocht wurde.
Bis gestern hatte ich dann keinen Kontakt mehr zum Linsengericht, wusste auch den Namen nicht. Aber da saß ich dann im Riad Dar Sofian und sollte mir ein Abendmenü aussuchen. Und fand in dem Bereich, der eine Vorbestellung erfordert, Rfissa. Zutaten Hühnchen, Linsen und Pfannkuchen. Hah! Sofort habe ich also bei meinem Lieblingskellner Omar genau das für heute bestellt und eben kam es. Wieder ganz anders als in Marrakech, erst recht als in Mhamid, aber lecker, lecker, lecker. Auch diesmal eher unscheinbar vom Aussehen her.
Und was besonders toll war, Omar erinnerte sich daran, mir kein Brot zu bringen.
Ach, es ist einfach schön hier.

Foto 1 Riad Haraka, Foto 2 Riad Dar Sofian