Zum erstenmal wollte ich eine Radtour mit Übernachtung machen. Jetzt im schönen Sommer braucht man dazu ja nur minimales Gepäck, das ging bequem in meinen leichten Rucksack und Ersatzschuhe und Ladegerät in die Tasche auf dem Gepäckträger.
Zunächst brauchte ich aber ein Hotel. Und da kam mir die Email von American Airlines gerade recht, die mich darauf hinwies, dass ich noch viele Meilen gut habe, mit denen ich etwas anfangen könnte. Nur für einen USA-Flug reichte es leider nicht. Dafür aber für das beste Hotel in Boppard, das Bellevue direkt am Rhein und mit einer langen Tradition.
Für den Hinweg wollte ich wieder das 9-Euro-Ticket nutzen und hatte mir den Bus ab Wehen 8:49 Uhr herausgesucht. Von Wiesbaden aus dann sollte es mit dem Zug nach Kamp-Bornhofen gehen. Aber ich war total aufgeregt, warum weiß ich auch nicht. Um 6 Uhr gab es schon Frühstück, um 7:30 war ich abfahrbereit. Die schöne Bahn-App zeigte mir, dass es auch um 8:03 einen Bus gibt. Und da ich inzwischen ja Panik habe, ob ich mit Rad auch mitgenommen werde, dachte ich, je früher desto besser. Ich wurde bisher nur ein einziges Mal aus dem Bus geschickt, in Wiesbaden, weil ein Kinderwagen dazu kam. In Taunusstein kam auch mal ein Kinderwagen, aber wir fanden beide Platz und dem Fahrer war es recht. Deshalb fühle ich mich nun immer ein wenig unwohl.
Aber es ging alles gut, ich hatte das einzige größere Gerät und kam unbehelligt an den Bahnhof. Die RB nach Neuwied war wieder recht voll, aber dennoch ging es. Am Fahrradplatz waren wir 2 Kinderwagen und 2 Fahrräder. Übrigens hatte ich auch Bedenken, ob die Fahrradmitnahme wirklich kostenlos ist. Ein Bekannter meinte, im Bus ja, aber nicht bei der Bahn. Mr. Google wurde ausführlich zu Rate gezogen und ich fand heraus, dass bei der Bahn tatsächlich theoretisch ein Tagesticket fürs Rad zu 6 Euro nötig ist. Gehören Bus und Bahn dagegen zum RMV, dem örtlichen Verkehrsverbund, dann ist es kostenlos. Okay, schön, aber wozu gehört die Regionalbahn? Ich entschloss mich, es einfach zu versuchen und siehe da, der Zug hatte tatsächlich das RMV-Logo. Das ging also glatt.
In Kamp-Bornhofen stieg ich aus und fand auch gleich den Fahrradweg entlang der B 42. Offensichtlich geht überall entlang des Rheins ein Radweg. Sehr schön. Und noch schöner war, als ich in Lahnstein an der Viktoriaquelle vorbei kam. Dort wird Mineralwasser abgefüllt. Aber für die Öffentlichkeit gibt es entlang des Radwegs einen schönen Brunnen, wo das leicht kohlesäurehaltige Wasser kostenlos heraussprudelt. Also schnell mal die Trinkflasche aufgefüllt.
Ansonsten gibt es über den weiteren Weg rechtsrheinisch bis Koblenz und linksrheinisch wieder zurück nach Boppard nicht viel zu berichten. Überall schöner, ausgeschilderter Radweg, es waren insgesamt 48 km. In Rhens, eine weitere Stadt mit einer Mineralwasserabfüllstation, aber ohne kostenlosen Brunnen, machte ich dann Kaffeepause auf einer Bank und bewunderte die schönen alten Häuser.
Parken im Bellvue
In Boppard kam ich noch vor der Check-in Zeit an, aber sorgte erstmal für mein Rad. Ich wurde sofort darauf hingewiesen, dass es aus brandschutzrechtlichen Gründen nicht erlaubt sei, den Akku mit aufs Zimmer zu nehmen. Er kann in der Garage aufgeladen werden, das kostet eine Gebühr von 5 Euro. Okay. Ich also hin zu der Garage, die ein wenig entfernt vom Hotel ist. In dem ganzen Gebäude nur eine Steckdose und die gleich am Eingang. Zudem kann jeder auf den Türöffner drücken, das Tor bleibt lange auf und man schaut genau auf meinen Akku. Das ist mir doch viel zu gefährlich, diese Dinger sind ja nicht gerade billig. Also wieder zurück ins Hotel. Man meinte, es gäbe noch eine weitere Garage, dazu bekäme ich einen Schlüssel gegen 10 Euro Pfand. Ich ab in diese recht große und auf jeden Fall viel sicherere Garage und machte mich auf die Suche nach Steckdosen. Ja, gab es. Unter der Decke, in etwa 3 m Höhe. Sooo groß bin ich ja auch nicht, im Alter sogar etwas geschrumpft. Also wieder zurück zur Rezeption. Doch, doch, da ist eine Steckdose, man war ganz sicher und erklärte mir in etwa die Örtlichkeit. Wieder zurück. Nur gut dass ich ein Fahrrad für die Wege habe. Es stellte sich heraus, dass an der Ladestation für die e-Autos tatsächlich eine freie Steckdose ist. Eine. Das Hotel war gut besucht von Bikern. Zum Glück war ja noch kein Check-in und ich die erste Radlerin, konnte also aufladen. Aber als ich später nachschaute, standen schon andere in Warteposition.
Ich habe ja nichts dagegen, dass man eine Gebühr von 5 Euro verlangt. Strom kostet Geld. Aber dann muss man auch eine gute Infrastruktur schaffen. Ich hörte später, dass die Steckdosen so weit oben sind wegen der Hochwassergefahr. Verständlich. Aber warum nicht einfach ein kleines Leiterchen bauen?
Nachdem ich also bestimmt eine Stunde mit Rad parken beschäftigt war konnte ich in mein Zimmer. Es war zwar recht klein, aber immerhin mit direktem Blick zum Rhein und einem kleinen Balkon. Hat mir gut gefallen.
Klettersteig
Bereits kürzlich war ich in Boppard zusammen mit einer älteren Nachbarin. Wir wollten auf den Berg, um den Vierseenblick zu bewundern. Aber der Weg nach oben war für meine Nachbarin viel zu beschwerlich und wir mussten umkehren und die Sesselbahn nehmen. Der Klettersteig geht sehr steil den Berg hoch und ist grob ins Rheinische Schiefergebirge geschlagen, nicht ganz einfach. Mein Ziel war es, diesen Weg nun bis zum letzten zu machen, allein. Und es hat geklappt. Es waren so etwa 35 Grad, die vom Schiefer doppelt zurückgestrahlt wurden. Und natürlich alles in der prallen Sonne. Meine Wasserflasche stand sicher im Hotel. Aber ich sags ja immer, ich bin ein Wärmemensch, je heißer desto besser, und so hatte ich keine Probleme. War aber sehr froh, keine Begleiter zu haben, das hätte wohl kaum einer durchgehalten. Nach dem Abstieg ist gegenüber gleich ein Getränkemarkt. Dort habe ich mir erstmal eine Flasche Apfelschorle geholt und auf einen Zug ausgetrunken.
Weingut Rolf Bach
Aber es gab ja noch ein weiteres Ziel, das ich mir vorgenommen hatte. Ich bin in Boppard geboren, aber schon als Kind weg gezogen. Vor 3 Jahren war ich mal da, um ein wenig in der Familiengeschichte zu recherchieren und hatte in diesem Gutsauschank gute einheimische Gesprächspartner gefunden, die mir viele zusätzliche Informationen geben konnten. Da wollte ich einfach wieder mal hin, da trifft man die Bopparder. Doch saß ich völlig allein an meinem Tisch. Links eine größere Gruppe noch recht junger Leute, rechts ein mittelaltes Paar. Die sprach ich an. Waren aber Touristen aus Saarbrücken.
Doch was spielt sich da ab auf der anderen Straßenseite? Ein großer Tisch war reserviert, ein Mann erschien, eine Frau, noch eine und noch eine. Ein schönes Grüppchen, alle in meiner Altersgruppe. Eine ganze Weile schaute ich mir das an, zumindest so lange, bis ich meinen Spundekäs gegessen hatte. Dann ging ich rüber und outete mich als geborene Bopparderin. Nun wusste ich aber, dass mein Name und selbst der meiner Eltern hier nicht bekannt sind, wir sind ja weggezogen, selbst meine Großeltern, die ja schon sehr lange tot sind und auch keine Jungs hatten, die den Namen fortführen, kannte man natürlich nicht. Aber zwei der fünf Mädchen hatten in Boppard geheiratet und waren geblieben. Die erwähnte ich. Mein Tante Käthe und das Cafe Graeff. Ach, der Hugo. Ja natürlich, den kennen wir. Und die Tante Hannele, die den Apotheker Lerdo geheiratet hat. Ja klar, die Tochter hat dann doch auch einen Apotheker geheiratet. So ging das weiter, es war so schön. Mir tut es ein bisschen leid, dass ich keine Wurzeln habe. Ich habe in meiner Jugend alle paar Jahre den Wohnort und die Schule gewechselt und konnte nirgendwo Bindungen aufbauen. Musste dann sogar hören, dass zwei meiner Kusinen, zu denen ich keinen Kontakt mehr hatte, inzwischen gestorben sind.
Zurück auf direktem Wege, 85km
Auf dem Hinweg hatte ich 48 km per Rad zurück gelegt, was für mich und auch meinen Akku noch lange nicht genug war. Für den Rückweg bestand der Plan, so lange am Rhein entlang zu radeln bis ich müde bin und dann in den Zug zu steigen. Bis Bingen waren es 45 km und ich immer noch top fit. Also gab ich dann mal zuhause in Google maps ein und mir wurde gezeigt, dass es nochmal 40 km sind. Das schaff ich doch mit links. Habe die Fähre nach Rüdesheim genommen und bin dann weiter nach Eltville Kaffee trinken. Bis dorthin waren es 65 km und mein Akku noch zu 70 % voll. Da schaffe ich doch auch noch die letzten 20 km bis Taunusstein, auch wenn es jetzt steil auf die Taunushöhen geht. Zuhause dann, nach 85 km, war der Akku auf 30 %. Ich selbst mindestens noch auf 50 %. Also alles gut.