Vor ein paar Tagen habe ich Susan, eine nette Amerikanerin, kennengelernt. Wir waren zusammen auf der Mardi Gras Parade, einem Karnelvalsumzug in New Smyrna Beach. Der hat mich ziemlich enttäuscht. Klar kann man nichts mit dem deutschen Karneval vergleichen, und auch in New Orleans, wo Mardi Gras herkommt, ist die Parade schon etwas anders. Okay, New Smyrna Beach ist nur ein ziemlich kleiner Ort. Doch sind selbst die Xmas-Paraden größer und vielfältiger. Was aber interessant war, man hat nicht wie bei uns mit Bonbons geworfen, sondern mit Perlenketten. Das hatte ich auch schon mal auf dem Silvesterfest in der Main Street in Daytona Beach erlebt.
Mardi Gras
Warum Perlen? Winzige Marken, die Wohlstand, Gesundheit und langes Leben repräsentieren, sind seit Jahrhunderten Teil der Menschheitsgeschichte. In Ägypten wurden Jetons in der Hoffnung verteilt, dass sie ein glückliches Leben nach dem Tod garantieren würden. Menschen, argumentiert der Archäologe Laurie Wilkie, zeigen eine Vorliebe für glänzende Objekte. Die klassischen Karnevalsfarben in New Orleans sind Violett, Gold und Grün. Dabei steht Grün für Glauben und Vertrauen, Gold für Kraft und Violett für Gerechtigkeit. Es ist ein möglicher Grund, warum Mardi Gras so viele Menschen anzieht, die mit den Armen in der Luft begierig sind, ein billiges Plastikgeschenk zu erhalten. Und dort in dieser großen Stadt sollen auch besonders junge Frauen bereit sein, ihren blanken Busen zu zeigen, um eine Perlenkette zugeworfen zu bekommen. Das war in New Smyrna Beach nicht nötig.
Wir haben uns dann für den nächsten Tag in Port Orange verabredet, da meine Lieblingsbar dort am Mittwoch den Start der Bike Week feiern wollte, mit der Band Crashrockett, eine der beliebtesten lokalen Rockbands.
Eine Enttäuschung
Ich hatte mich so richtig auf einen Abend mit ausgelassenem Tanzen gefreut, denn Susan zeigte, dass sie sehr gern tanzt. Umso größer war die Enttäuschung, als sich heraus stellte, dass First Turn die Veranstaltung gecancelt hatte. Es war einfach zu kalt und man fürchtete, nicht genug Bier zu verkaufen, um die Band bezahlen zu können. Ich war total enttäuscht. Susan traf ein, auch noch Barbara, eine weitere Dame vom Fat Tuesday. Um es etwas auszugleichen lud ich die beiden zu mir nach Hause ein, denn ich wohne ja in der Nachbarschaft. Und das wurde ein richtig schöner Abend.
Susan erzählte mir, wie sie an ihren Ehemann kam. Und ich fand das so eine tolle Story, die wäre es wert, ein Buch darüber zu schreiben. Natürlich hat sie nur die Eckpunkte erzählt und die kann ich auch nur weitergeben, aber es genügt, um vor Rührung Tränen in die Augen zu bekommen.
Susan ist in den USA geboren, aber ihre Eltern stammen aus Serbien. Häufig fuhr die Familie dorthin in den Urlaub, sie stammten aus einem ziemlich kleinen Ort. Als Susan 13 Jahre alt war traf sie dort den jungen Dragan, 20 Jahre alt, der schönste Mann im Dorf. Sie verliebte sich sofort Hals über Kopf in ihn. Doch der Gute wollte nichts von ihr wissen, schickte sie heim zur Oma, sie solle ihre Milch trinken und früh ins Bett gehen. Susan war zwar beleidigt und musste nach Ende der Ferien zurück in die USA, vergaß ihren Dragan jedoch nie. Doch das Leben nimmt so seinen Lauf und mit 17 Jahren heiratete sie. Bekam einen Jungen. Doch kein Wunder bei so einer Frühehe, es ging schnell schief und mit 20 Jahren war Susan allein mit ihrem Sohn.
Auf der Suche nach Dragan
Sie hatte Dragan nie vergessen, hatte ihm auch geschrieben, aber er hatte es nie für Wert gehalten, ihr zu antworten. Daher hatte sie keine Ahnung wie sein Leben inzwischen aussah, ob er vielleicht verheiratet war. Trotzdem fasste sie einen Entschluss und fuhr nach Serbien. Mit dem festen Willen Dragan zu finden und zu heiraten. Susan kam im April an, von Dragan keine Spur. Es ist ein kleines Dorf, jeder kennt jeden, und so erfuhr sie schnell, dass er eine Arbeit hat und von seiner Firma nach Japan geschickt worden war. Susan ist redselig, und so erfuhr der ganze Ort von der Absicht der Amerikanerin, auf Dragan zu warten, ihn zu heiraten und mit nach Amerika zu nehmen.
Doch Dragan war nicht da. Eine Tages im Juni ging Susan zusammen mit Kusinen und Freunden in eine Kellerbar, ihr Dorf hat nur zwei Läden, aber fünf Bars, und auf der Treppe kam ihr Dragan entgegen. Es war, als träfe sie ein elektrischer Schlag. Aber auch er war in einer Gruppe, es gab nur ein großes Hallo und jeder ging seiner Richtung. Susan ging nach Hause, voller Wünsche und Erwartungen, aber hielt es dort nicht aus. Und tatsächlich, auf der Dorfstraße traf sie Dragan. Der natürlich auch längst von dem Dorfklatsch gehört haben musste.
Sie machten einen Spaziergang und Dragan erzählte von seiner Arbeit in Japan, aber auch, wie sehr er seine Heimat vermisst habe und so froh war, wieder zu Hause zu sein. Er hatte nie geheiratet, weil er zwar einer der bestausehendsten Männer im Dorf war, aber so arm, dass ihn niemand heiraten wollte. Er lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen, zusammen mit seiner Mutter in nur einem Zimmer, aber er hatte die Mutter sehr vermisst. Susan, die im Inneren ja ganz genau wusste, was sie wollte, fragte nur, also würdest du nicht mehr aus Serbien fortgehen? Er ahnte wohl, was hinter der Frage steckte und meinte nur, mal sehen, das weiß ich noch nicht.
Sie verabredeten sich ein weiteres Mal und ein drittes Mal und bis dahin gab es noch nicht mal so viel wie einen Kuss. Und da konnte Susan nicht anders, sie fragte ihn rundheraus: willst du mich heiraten?
Und er sagte ja.
Dragan wollte sie küssen, doch Susan wehrte ab. Ihr zweijähriger Sohn war beim Onkel und sie sagte, bevor er sie küssen darf müssen sie erst zum Onkel gehen und die Verlobung öffentlich bekanntmachen. Man muss mal eines bedenken: Es war in den 1980ern! Aber gesagt getan, Dragan war einverstanden und der Onkel öffnete den Selbstgebrannten. Und heute sind sie seit 30 Jahren glücklich verheiratet und haben zum Erstgeborenen noch zwei weitere Söhne. Ich kenne nur einen, aber das ist ein toller junger Mann.