Wer mich persönlich kennt weiß dass ich mich seit gut zwei Jahren um eine Flüchtlingsfamilie kümmere. Es sind Roma aus Albanien. Sie kamen schon vor der großen Flüchtlingswelle ins Land, als Roma noch eine Chance hatten, anerkannt zu werden. Dann öffnete Merkel die Balkanroute und alles wurde anders. Albanien wurde zum sicheren Herkunftsland erklärt, auch für diskriminierte Roma, und die Familie sollte abgeschoben werden.
Gut, ich habe Verständnis dafür. Wir können einfach nicht alle aufnehmen. Unser Land und unsere Arbeitsplätze sind begrenzt. Aber es handelt sich um eine sehr, sehr nette Familie, ich habe besonders die schulpflichtigen Kinder ins Herz geschlossen. Den Ehrenjob als Flüchtlingshelferin habe ich schon lange aufgegeben, bin ja auch nur noch im Sommerhalbjahr da. Aber inzwischen verbindet mich mit der Familie eine tiefe Freundschaft, es ist „meine“ Familie und ich gehöre zu ihnen. Neben der Familie meines Sohnes habe ich mit ihnen die tiefste Verbindung.
Und so war es auch klar, dass ich versuchte, alle Rechtsmittel auszuschöpfen, um die Familie hier zu behalten. Dabei geht es mir nicht um die Eltern, sondern um die drei Kinder. Ich bin ihre Oma. Sie hatten in Albanien keine Chance, durften nicht die Schule besuchen, ´ganz zu schweigen von den schlimmen Wohnverhältnissen und der fehlenden Gesundheitsversorgung. Sie sind so glücklich hier in der Schule, arbeiten so fleißig, obwohl es ihnen schwer fällt. Bis zum 10. Lebensjahr konnte sie ja weder lesen noch schreiben. Vor allem sozial sind es unglaublich freundliche, hilfsbereite Kinder, was auch an der guten Erziehung der Eltern liegt.
Bevor ich im letzten Jahr für den Winter abreiste übergab ich den ganzen Vorgang an eine andere Familie. Deren Sohn geht mit einem der Flüchtlingskinder in eine Klasse, die beiden sind dicke Freunde. Und so bekamen wir schließlich die Auskunft, dass die Familie geduldet werden könnte, wenn der Vater eine Arbeit bekäme.
Na herrlich. Vor langer Zeit schon habe ich nachgefragt, ob der Vater nicht arbeiten kann. Das wurde ganz klar verneint. Er darf nicht. Und nun kann er nur bleiben, wenn er arbeitet. Kommt mir ein wenig vor, wie beim Hauptmann von Köpenick.
Aber egal. Man suchte und fand. Der Vater bekam Arbeit auf einem Bauernhof. Dort arbeitet er seit gut drei Monaten. Für welchen Lohn?
Null. Nichts. Nada.
Noch nicht mal was zu essen bekommt er. Dafür fängt er morgens um 6 Uhr an und kommt abends gegen 8 Uhr nach Hause. Samstag und Sonntag kommt er schon so gegen 4 Uhr.
Wieviele Stunden sind das pro Woche?
Das Amt hat ihm nun seinen Zuschuss gekürzt. Für die fünfköpfige Familie gab es nur 300 Euro für die nächsten 2 Wochen. Man nimmt halt an, dass er arbeitet und Geld verdient. Hat einen Arbeitsvertrag angefordert, aber der Bauer weigert sich, einen auszustellen. Als er diese Woche die 300 Euro heim brachte, wollten 2 Kinder einen Zuschuss zu der Klassenfahrt, die zum Schulabschluss fällig ist. Da war dann kaum noch was übrig.
Morgen ist der Ramadan zu Ende, was natürlich mit einem großen Fest gefeiert werden muss. Die Mutter erzählte mir die ganze Geschichte, aber nicht jammernd, sondern eher resigniert. Sie sagte, wir feiern halt mit Brot, das geht auch.
Unter einem Vorwand lud ich sie und eine Tochter ins Auto. Wir fuhren zu Lidl, ich sagte, ich muss noch einkaufen. Ein Hähnchen, Rindfleisch, Gemüse, Kuchen und lauter Leckereien kamen in den Einkaufskorb, die Mutter fragte erstaunt die Tochter, warum ich denn so viel einkaufe, ich wolle doch am nächsten Tag in Urlaub fahren.
Zu Hause brachte ich dann heimlich alles in die Küche, schickte dann die Mutter unter dem Vorwand hin, Allah hat dir was geschickt.
Sie war sprachlos. Und absolut glücklich. Und hat es sofort angenommen. Hätte ich gesagt, ich schenke es dir, hätte sie protestiert. Aber wenn es von Allah kommt kann sie nicht ablehnen. Ich freue mich total, dass die Familie morgen ein schönes Fest hat. Kann leider nicht dabei sein, denn wie gesagt, ich fahre ein paar Tage weg.
Aber darauf schloss sich dann noch eine längere Diskussion über Allah an. Zwischen mir Atheistin und der gläubigen Romafrau. Wohin kommen wir denn nach dem Tod? Ich: dann gibt’s uns nicht mehr. Sie: ins Paradies. Und wer hat das alles gemacht? Die Babys, die aus dem Bauch kommen? Ich: Ich zeigte ohne Worte, wie ich mir das Babymachen vorstelle.
So ging es noch eine ganze Weile ergebnislos hin und her. Darüber kann man nun nicht diskutieren, glauben ist glauben und jeder glaubt etwas anderes.