Von Tinerhir ging es in die nahe Dadesschlucht. Auch dort ist, wie an allen touristischen Orten, eine Herberge an der anderen. Und die meisten haben auch einen Campingplatz. Auf keiner Reise kann ich die alle besuchen, ich bräuchte sonst Tage für die 35 km lange Strecke in die Schlucht. So ist es gut, dass ich in meinem Campingführer immer das Jahr der letzten Information dazu schreibe, so kann ich also sehen, was in diesem Jahr dran kommt. Und zudem gibt es ganz oben bei Msemrir noch eine Auberge, die ich nicht kenne und die ich mir ansehen möchte. Eine Schweizerin namens Madeleine hatte mich mal angeschrieben und auf diese Unterkunft aufmerksam gemacht, sie war mit dem Inhaber befreundet und half ihm ein wenig. Der Ort Ouiskis erschien mir sehr interessant, also sollte dies das Endziel meiner Schluchtenfahrt werden.
Die ersten Stopps liefen erwartungsgemäß, ich erhielt wieder eine Menge neuer Informationen und Fotos. Es sind Touristen da, auch Wohnmobile, aber doch in geringer Zahl. An der letzten Herberge zur Schlucht, es waren noch 30 km bis Ouiskis, wollte ich anrufen und fragen, ob jemand da ist. Niemand ging an die beiden Nummern. Trotzdem entschied ich mich, den Weg zu machen, der Ort interessierte mich. Kurz vor Msemrir muss man links abbiegen. Schon nach einem Kilometer war ich ziemlich baff, am Wegesrand stand ein wahrhaft königlicher Palast. Eine riesige Mauer mit Türmchen, durch die drei massive Tore führen, durch ein jedes passt ein LKW. Schon ungewöhnlich an einem solchen Ort. Und auch wohlgestaltet, eben genauso wie einer der königlichen Paläste, die ich von außen gesehen hatte. Sollte der König hier wirklich familiäre Beziehungen haben? Auffallend war auch, dass für einen solch abgelegenen Ort es viele neue und teure Wohnhäuser gab.
Es ging weiter und nach 6 km fand ich tatsächlich das Hotel. Aber alles war fest verrammelt. Ich rief noch mal alle Nummern an, nichts. Ich stieg aus, wollte ums Haus gehen. Das war ein Fehler. Ein junger Mann, normal gekleidet, also nicht abgerissen und schmutzig, bat mich um Geld. Gib mir 10 Dirham, ich habe nichts zu essen. Nur dass er das nicht so ruhig sagte, wie es hier klingt, sondern unglaublich aggressiv, er kam mir immer näher. Ich schrie ihn an, er solle mich in Ruhe lassen, ich würde die Polizei rufen. Nur ein paar Kinder standen herum, kein Erwachsener, niemand konnte mir helfen. Als ich das Auto aufschloss um einzusteigen machte er die Beifahrertür auf, wo meine teure Elektronik lag. Wie eine Furie lief ich ums Auto, er hatte noch nichts angefasst und als ich wieder mit der Polizei drohte ging er immerhin vom Auto weg und ich konnte zu machen. Aber es war dann ziemlich schwierig, wieder aufzuschließen, um hineinzukommen und wegzufahren. Es ist mir schließlich gelungen, aber der Kerl hat mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Immer noch kein Mensch auf der Straße fuhr ich los. Nach 2 km ein Telefonanruf. Es war Said, Mitarbeiter eben diesen Hotels. Er wollte, dass ich zurückfahre und auf ihn warte, aber in dieses Dorf bringen mich keine zehn Pferde mehr. Wir verabredeten dann, uns auf der Strecke zu treffen.
Mein nächster Stopp zurück in der Schlucht war Chez Pierre, ich hatte es mir für das Ende aufgespart, denn ich hoffte, dort übernachten zu können. Gerade als ich mit dem netten Ismail beim Tee saß, rief Said von unten an. Ich bat ihn hoch, damit wir uns über die Auberge unterhalten konnten. Es stellte sich heraus, dass dieses Haus zunächst Idir gehörte, und seiner französischen Frau. Idir ist vor einem Jahr verstorben und Said musste gerade zum Flughafen, um die Französin abzuholen, er hatte sie im Schlepptau. Schon von der ersten Sekunde an war ich ihr unsympathisch, ich kann das nicht unbedingt umgekehrt sagen, aber als ich fragte, ob sie Madeleine sei, da war es aus. Ismail, mit dem ich ja beim Tee saß und der daher bei dem Treffen dabei war, erzählte mir nachher folgendes: Idir war zwar mit der Französin verheiratet, die nicht immer vor Ort war, hatte aber auch noch eine Freundin Madeleine. Das war also ein schlimmer Faux Pas, diesen Namen zu nennen. Und als ich mein Erlebnis von Ouiskis schilderte führte das auch nicht zu gegenseitiger Freundschaft. Der junge Mann war ihr wohlbekannt, es ist wohl ein örtlicher Drogenabhängiger. Und dann wollte sie wissen, welchen Führer ich schreibe, denn sie wolle sich schon aussuchen, wo sie drin steht und wo nicht. Schnell entschieden wir in gegenseitigem Einvernehmen, dass in meinem Buch Ouiskis abwesend bleibt.
Als sie ging schaute mich Ismail verständnislos an. So ein Benehmen hatte er noch nicht erlebt. Mir kann es ja egal sein, aber er lebt hier und möchte mit allen auskommen. Und er hatte wirklich alles versucht, freundlich zu der Frau zu sein. Said war ganz anders, aber er hatte offensichtlich nichts zu sagen, war nur ein Angestellter.
Allerdings erfuhr ich noch ein wenig über Ouiskis. Dieser Ort gehört tatsächlich zu den reichsten in der Region und der gro0e Palast gehört einem Unternehmer, er soll der viertreichste Mann Marokkos sein und ist im Straßenbau international tätig. Und auch weitere Unternehmer stammen aus der Region, alle irgendwie verbandelt, und bauen sich dann hier einen Sommerpalast, den sie zwei Wochen im Jahr nutzen.
Nun aber zurück zu Chez Pierre. Diese Auberge war einmal von einem Belgier aufgebaut worden, daher der Name. Sie war schon damals für ihre gute Küche bekannt. Dann entschloss sich der Belgier zu verkaufen und sein Koch kaufte das Hotel zusammen mit seinen zwei Brüdern. Und diese Drei haben in nur kurzer Zeit unglaublich viel daraus gemacht, mal wieder eine marokkanische Erfolgsstory. Die Küche ist sehr einfallsreich, das Restaurant würde in Paris Furore machen und so ist man auch sehr stolz auf das 5-Gänge-Menü, das in der Halbpension enthalten ist. Und die Zimmer sind einfach ein Traum. Das Hotel liegt an einem steilen Hang, gesund muss man hier schon sein, aber dann geht es treppauf, treppab durch einen blühenden Garten und zunächst hat man Probleme, in dem Labyrinth sein Zimmer zu finden. Die sind alle unterschiedlich eingerichtet, sehr komfortabel, es gibt Bademäntel und Heizung und jedes Zimmer hat eine eigene Terrasse und dort auch Sitzmöglichkeiten. Am Pool warten eine Sonnenliege mit einem Sonnenhut und Badetuch, es ist einfach an alles gedacht. Aber das besondere ist der persönliche Empfang. Ismail nimmt sich für jeden Gast Zeit, trinkt Tee mit ihm, offeriert sein köstliches, hausgemachtes Gebäck und fragt nach dem Woher und Wohin. Er gibt auch gute Tipps für Ausflüge und packt auf Wunsch einen Picknickkorb. Das hier ist einfach ein Ort, an dem man bleiben möchte, man will so schnell nicht wieder weg.
Aber kann ich denn bleiben? Ismail hat mir schon am Anfang gesagt, dass sein Haus den ganzen Monat ausgebucht ist und auch während wir Tee trinken geht das Telefon in einer Tour mit Reservierungswünschen. Aber Ismail ist wirklich so lieb. Natürlich habe ich einen Bonus, denn ich biete diese Auberge in meinen Rundreisen an und wer auch immer in die Dadesschlucht will steigt hier ab, und alle sind begeistert. Es schiebt und trickst in seinem Reservierungsbuch, wie er das macht weiß ich nicht, aber schließlich fragt er mich, ob es auch ein ganz kleines Zimmer sein darf. Ich freue mich auf das Essen, jedes Zimmer ist mir recht und so stimme ich freudig zu. Als ich dann in mein Reich geführt werde, staune ich, mein kleines Zimmer ist anderswo eine Suite, hat einen kleinen Tisch und zwei Sessel und natürlich auch vor der Tür eine kleine Terrasse.
Ich weiß nicht, ob ich euch noch von dem Abendessen berichten soll, ihr würdet ja sofort den Koffer packen wollen, und das kann ich euch nicht antun. Nur so viel: Es gab als Amuse Geule eine Mini-Pizza, dann Kürbissuppe, danach einen köstlich angemachten Salat mit Ziegenkäse, als Hauptgang Wachteln mit Couscous und glasierten Spaghetti und als Nachtisch Frischkäsetorte.
Wer mich bei der Abreise gesehen hat muss nun etliche Kilos dazu rechnen. Schließlich endet hier jeder Tag so oder ähnlich.
Fotos von meinem kleinen Zimmerchen und dem bescheidenen Mahl