Archiv für den Monat: September 2020

Djerba und nach Hause

Ärger in Houmt Souk

Ich blieb noch bis zum 4. Januar in Douz, aber dann wollte ich doch noch mal zurück nach Houmt Souk ins Hotel Marhaba. Der abrupte Aufbruch dort ging mir irgendwie nach und ich wollte nochmal mit Haschmi reden. Ich bekam wieder mein Zimmer, wir sprachen am Abend, aber es war dennoch eine Enttäuschung. Am Morgen dann ein großer Schreck. Mein Suzuki SJ 410 hat ja nur eine Plane, die man leicht aufmachen kann. Also hatte ich alles Gepäck ausgeräumt. Als einziges waren der algerische Karton voller Sandrosen und ein Plastikbeutel mit meinen verknipsten Diafilmen im Auto zurück geblieben. Und genau dieser Beutel war weg. Völlig nutzlos für den Dieb, aber eine Katastrophe für mich. Außerdem habe ich Krach mit Haschmi, aber ich kann noch nicht weg, weil ich auf meine Sachen aus der Reinigung warten muss.

Am 6. Januar fahre ich ab aus Houmt Souk und damit ist die Reise auch im Wesentlichen beendet. Zwischenübernachtung in Kairuan und bin furchtbar genervt. Habe sowieso schlechte Laune und hier ist die Anmache noch schlimmer als anderswo.

Sidi Bou Said

Sitze nun in meinem Lieblingslokal in Sidi Bou Said und komme langsam wieder zu mir. Bekomme heute, am letzten Tag, wieder etwas Spaß an meinem Urlaub. Dieses Sidi Bou Said ist ein guter Ort. Zwar gibt es auch hier Souvenirgeschäfte, aber die Anmache ist nicht so schlimm wie anderswo. Hier kann man noch Ruhe finden. Habe hier ein tolles Geschäft entdeckt mit wundervollen alten Dingen und festen Preisen. Der Inhaber hat es nicht nötig, die Leute auf der Straße abzufangen. Schade, dass mein Geld alle ist. Aber wie er so schön sagte, la prochaine fois!

Damit endete meine erste Tunesien-Reise, die ich mit eigenem Fahrzeug gemacht habe. Ich kam noch etliche Male wieder. Viele Namen wurden genannt, aber der einzige, mit dem ich ich immer noch einen netten Kontakt habe, ist Kamel. Er kam mich sogar mal in Deutschland besuchen.

Das Fest des Marabut

Walli und ich zogen um ins Hotel Saharien. Am Morgen wurde ich von dumpfen Trommelschlägen geweckt. Die Leute im Hotel konnten mir nicht so recht erklären, was es mit der Musik auf sich habe, so suchte ich also nach Kamel. Er erklärte mir, dass es sich um ein Fest zu Ehren eines Marabuts handelte, eines heiligen Mannes. Wir gingen zusammen zu dem Festplatz. Er liegt nicht weit vom Stadtzentrum neben einer Moschee, mitten in den Sanddünen. Gegenüber steht das Grabhäuschen des Marabut und vor diesem hatte sich eine riesige Menschenmenge versammelt. Diesmal waren die Menschen aber ganz strikt nach Männern und Frauen getrennt, Kamel sagte gleich zu Beginn, dass er auf mich warten wolle. Auf keinen Fall wollte er auf diesem Fest in Begleitung einer Frau gesehen werden. Ältere Männer in Djellabas mit einem Gewehr auf der Schulter (sicher nur zur Zierde) patrouillierten auf und ab und achteten streng darauf, dass die Ordnung eingehalten wurde. Kinder mussten bei den Frauen sitzen, schon etwa 10jährige Mädchen wurden sofort von der Männerseite vergrault. Wenn ich allerdings mal bei den Männern stehen blieb, sagte keiner etwas, ich war auch die einzigste Touristin.

Reiter stellten sich in ihren schönsten Trachten auf, man sah sowohl herrliche Araberpferde als auch Reitkamele. Wenn eine Gruppe beisammen war, jagten sie auf ein Zeichen hin durch die von den Zuschauern gebildete Gasse und schossen ihre reich verzierten Gewehre ab. Es war ein Schauspiel, so schön und so echt, dass es mir viel lieber war, als das ganze Saharafestival.

Von Kamel hatte ich gehört, dass der Sage nach in dem Häuschen des Marabut eine Schlange leben soll. Einmal im Jahr, an diesem Festtag, soll die Schlange erscheinen und ihr Biss soll völlig ungiftig sein. Kamels eigener Glaube daran war allerdings nicht sehr groß, er wollte sich lieber nicht beißen lassen. Die Menschen versammeln sich, um auf das Erscheinen der Schlange zu warten und verkürzen sich die Zeit mit diesen Reiterspielen. Ob die Schlange aber wirklich noch erschienen ist, kann ich leider nicht sagen.

Douz

So traf ich also am Vormittag des 30. Dezember etwas lustlos in Douz ein, denn ich konnte mir denken, dass hier noch schwieriger ein Zimmer zu finden wäre. Das Festival lief noch, Silvester stand bevor und alle Hotels voll. In der Woche des Festivals ist täglich Markt, die Verkaufsstände sind entlang der Hauptstraße und im Hof der Schule aufgebaut. Nicht nur Händler kommen hierher, um ihre Waren zu verkaufen, auch richtige Nomaden bauen zu dem Fest ihre Zelte im Ort auf. Sie richten darin kleine Restaurants ein, man kann sitzen, Tee trinken und ihre typischen Gerichte probieren. Ich versuchte die Pfannkuchen, sie sind sehr lecker. Die junge, nicht verschleierte Frau gab mir noch eine Handvoll Datteln dazu.

Als ich so über den Markt schlenderte, sprach mich ein junger Mann namens Kamel an und fragte, ob ich eine Schlafgelegenheit suche. Er habe in der Nähe der großen Düne, etwas außerhalb von Douz und nicht weit vom Festplatz, einige Nomadenzelte errichtet, in denen Touristen schlafen könnten. Ich solle mir das doch einmal ansehen, bei Nichtgefallen könnte ich ja wieder gehen. Das war doch genau eine Unterbringung nach meinem Geschmack. Vier Zelte standen im Kreis und bis zum Abend würden noch andere Touristen kommen. Die Zeit bis dahin wollte er nutzen, um mir das Festival zu zeigen. Das war wirklich toll, denn er ist ganz lieb ohne irgendwelche Absichten und er kümmert sich rührend.

Saharafestival in Douz

Dieses Ereignis ist eine rein touristische Veranstaltung und fand vom 27. bis 30. Dezember statt. Große Tribünen waren aufgebaut, der Eintritt ist (noch ?) kostenlos. Es wurden Kamelrennen und -kämpfe gezeigt, aber mit echten Reitkamelen, die zum Teil von den Tuareg im Hoggar gekauft werden.  Nomaden marschierten in ihren bunten Trachten ein und zeigten, wie sie ihre Herden zum Brunnen treiben. Die Attraktion von Douz sind spezielle Windhunde, die zur Gazellenjagd ausgebildet werden. Es wurde allerdings nur gezeigt, wie sie einen armen Fenek zu Tode hetzten. Den glanzvollen Abschluss bildete eine inszenierte Berberhochzeit mit den dazugehörigen Reiterspielen.

Das schönste an dem Fest war für mich aber, die Zuschauer zu betrachten. Vor allem gefielen mir die würdevollen alten Männer, die – auf einen Stock gestützt – den Darbietungen mit ernster Miene zusahen. Überhaupt muss man sagen, dass die Zuschauer zum größten Teil aus Einheimischen bestanden. Männlein und Weiblein waren streng in verschiedene Abteilungen getrennt, nur bei den Touristen gab es eine Ausnahme. Kamel (ist wirklich ein Vorname in Tunesien, wird gesprochen wie Kamell) hatte noch ein deutsches Mädchen unter den Zuschauern getroffen und wir durften mit ihm zusammen in der Touristenabteilung sitzen.

Nach der Veranstaltung zeigte sich dann, dass wirklich noch andere Touristen unser Sahara-Camp gefunden hatten, alle Zelte waren besetzt. Walli, das Mädchen aus Deutschland, kam mit uns, auch sie wollte einmal eine Nacht im Nomadenzelt verbringen. Kamel ließ von seiner Familie einen riesigen Topf Couscous herbeibringen und wir aßen alle zusammen vor unseren Zelten, über uns Millionen Sterne am Himmel. Nach Einbruch der Dämmerung wird es im Dezember empfindlich kalt und auch feucht, aber bei einem Feuerchen konnten wir uns wärmen. Es wurde noch lange erzählt und wir schliefen, in warme, handgewebte Decken gerollt, vorzüglich auf den Teppichen der Zelte. Und hier feierten wir auch Silvester, eine Gruppe Italiener kam noch dazu.

Leider wurde unser Camp nach zwei Tagen abgebaut. Die Familie bekommt jedes Jahr nur für die Dauer des Festivals die Genehmigung für das Camp. Inzwischen hatten Walli und ich uns schon längst mit der ganzen Familie angefreundet. Sie wohnen in Ghellissia, einem kleinen Dorf vor Douz. Das Dorf musste vor zwanzig Jahren neu aufgebaut werden, weil der Wind die alten Häuser vollständig mit Sand zugeweht hatte. Noch heute kann man Mauerüberreste aus dem Sand ragen sehen und es ist nicht auszuschließen, dass der Ort irgendwann einmal wieder verlegt werden muss.

Die Frauen der Familie kamen am Morgen, um die Zelte abzubauen. Wir Beiden boten uns sogleich zur Mithilfe an, was auch akzeptiert wurde. Kamel aber, den wir fragten, warum er nicht mithelfe, lehnte entrüstet ab. Das sei Frauenarbeit und er hätte in den vergangenen Tagen genug gearbeitet (er war hauptsächlich mit uns unterwegs gewesen). Aber diese Arbeitsteilung von alters her muss man wohl akzeptieren.

P.S. Das sind nun die ersten Fotos, die wirklich von dieser Reise stammen, sie waren noch in der Kamera, als mir in Houmt Souk die Tasche mit den vielen belichteten Filmen gestohlen wurden.

Houmt Souk

Stadtbummel in Houmt Souk und Rundfahrt auf der Insel. Abends kam der junge Mann, den ich in Matmata getroffen hatte und lud mich zusammen mit seiner Frau zum Essen ein. Sein Bruder Haschmi, der das Hotel leitet, kam auch mit. Er war unheimlich lustig. Wir gingen noch in eine Diskothek bis 2 Uhr, ich tanzte wie verrückt.

Auch am nächsten Tag blieb ich noch in Houmt Souk, weil der Haschmi Geburtstag hatte und wir den abends feiern wollten. Aber so ein lustiger Abend lässt sich natürlich nicht wiederholen. Er wollte, dass ich mit ihm schlafe, aber ich wollte nicht.

Am Morgen war der Gute wohl sauer wegen gestern Abend. Da ist es gut, mit dem Auto frei zu sein. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste jetzt noch in dem Hotel bleiben. Leider regnet es immer noch.

Ksar Rhilane

Bin bis Ksar Rhilane gefahren. Auf der Piste traf ich Franzosen mit Motorrädern und zeigte ihnen den Weg. Ein Mädel, Beifahrerin, bat mich, ob sie mit mir fahren könne, sie war müde und kaputt und das Wetter so schlecht. Als wir dann in Ksar Rhilane eintrafen waren viele Leute dort. Man unterhielt sich, machte Musik, es war einfach toll, der lustigste war Fati, der mt einer Gruppe dort war. Einer von den Momenten, wo ich weiß, warum ich diese Strapazen auf mich nehme. Wann ist es schon zu Hause so? Nie! Diese neuen Erlebnisse täglich, diese Gespräche mit neuen und oft interessanten Leuten hier. Oft habe ich Momente, wo ich solches Heimweh habe und sofort heimfahren möchte, aber kurze Zeit später ist es wieder ganz toll.

Fati reiste mit seiner Gruppe ab, aber ich blieb noch ein Weilchen. Die Franzosen nahmen mich schließlich mit dem Motorrad mit zu einem Ausflug zu dem alten Fort aus dem 2. Weltkrieg, als Dank fürs Weg zeigen. Das war toll. Mein Fahrer nahm grundsätzlich die höchsten Sanddünen. Wir sind auch einigemale gestürzt, aber in dem Sand passiert ja nichts. Ich merkte, wie schwer doch so eine Maschine ist. Ohne zweiten Mann kann man die nicht wieder aufrichten. Aber habe direkt Lust bekommen, selbst Motorrad zu fahren.

Ksar Rhilane – Douz

In Douz sollte bald das Sahara-Festival stattfinden, es ist jedes Jahr kurz vor Silvester. Deshalb machte ich mich auf den Weg. Doch unterwegs ein erneuter Schock. Mitten in der Fahrt ging plötzlich mein Motor aus. Ich kann es wirklich nicht fassen, dass mich auch diesmal, auf einsamer Piste 60 km vom nächsten Ort, mein Schutzengel nicht verließ. Eine Minute später kam ein Auto vorbei und der Mann verstand wohl etwas von Motoren. Es hielten schließlich 4 Autos bei mir und als der erste mir gerade angeboten hatte, mich nach Douz zu schleppen, ging es wieder. Keine Ahnung wieso. Ich habe wirklich unverschämtes Glück und sollte es nicht weiter strapazieren. Abends traf ich in Grad ein, wo ich Fati wiedertraf.

Steckengeblieben im Salzsee

Am Morgen behielt ich noch das Zimmer und wollte einen schönen Tagesausflug machen. Zunächst ging es nach Tozeur, den Phosphatminenstädten Metlaoui und Moulares, dem wunderschön auf Felsen gelegenen Mides und zu den Wasserfällen von Tamerza. In Chebika erkundigte ich mich nach der Piste zurück nach Nefta. Aber niemand kannte sie. Schließlich fand ich eine breit angelegte Piste, die in die richtige Richtung führte.

Das erstemal wurde mir mulmig, als ich plötzlich mitten auf dem Chott Gharsa war und aus der breiten Piste nur einzelne Spuren wurden. Diese wurden immer spärlicher, und das Auto fuhr immer schlechter, da der Untergrund sehr weich war. Ich dachte an die Karl-May-Geschichten, wo Pferd und Reiter spurlos im Salzsee verschwanden und fürchtete schon, dort übernachten zu müssen, da die Sonne nicht mehr hoch stand.

Doch endlich war der Salzsee zu Ende, dafür aber auch die Spuren. Ich richtete mich nur noch nach dem Kompass, konnte sogar in der Ferne schon eine Oase erkennen. Aber wie viele Kilometer das in einer Wüste noch sind! Plötzlich vor mir ein Fluss. Das darf doch nicht wahr sein! Ich war schon ziemlich mit den Nerven fertig, stieg aus und betrachtete den Wasserlauf. Nicht höher als 20 cm das Wasser. Also durch! Nach zwei Metern stak ich dermaßen im Schlamm, dass das ganze Fahrwerk aufsaß, und die Sonne erfreute mich mit einem wunderschönen Untergang.

Ich räumte alles Gepäck aus dem Wagen, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass der Wagen in der Nacht ganz versinkt. Und ohne Gepäck auch leichter ist. Dann ging ich erstmal in Richtung Oase, deren Lichter verführerisch vor mir glitzerten. Nach etwa einer Stunde blickte ich zurück. In der Richtung meines Autos sind doch Lichter! Hat da jemand meine Sachen gefunden? Ich hastete zurück, kam völlig fertig an und sah, dass die Lichter ferner als je zuvor waren. Man wird hier in der Entfernung sehr getäuscht.

Zum Glück hatte ich die gesamte Campingausrüstung samt Wasser und Datteln dabei, der Rest war im Hotel, wo man mich sicher vermisste. Also Zelt aufbauen und schlafen. Im Zelt kam der Schock erst so richtig über mich. Ich zitterte am ganzen Leib, konnte es nicht kontrollieren. Schlief nur wenig. Vor allem die Angst: Ist das Auto vielleicht am Morgen im Schlamm versunken? Wird es noch fahren können? Was wird das alles kosten?

Bevor noch die Sonne richtig aufgegangen war, machte ich mich erneut auf den Weg. Nach über einer Stunde Fußmarsch in Richtung Ort ein neuer Schreck: Sumpfgebiet. Wenn ich da in der Nacht hineingeraten wäre! Es muss mir wirklich mein Schutzengel die  Lichter zum Umkehren geschickt haben. Es war nicht leicht, aus diesem Labyrinth herauszufinden; wie habe ich mir in diesem Moment einen dieser sonst lästigen kleinen Jungen gewünscht, der mich für ein paar Münzen führt. Ich musste einen großen Umweg machen. Endlich eine Piste! Eine größere Freude hätte ich zu Hause mit Weihnachtspäckchen auch nicht haben können, heute ist ja der 23. Dezember. Und bald traf ich zwei Männer auf einem Traktor. Erst viel später ging mir auf, was für ein Glück das wirklich war. Als ich nämlich die vielen Kilometer, die der Ort noch entfernt war (es war El Hamma), selbst fahren konnte.

Ich stieg auf den Traktor und wir versuchten, den Wagen zu finden. Leicht ist das nicht in dieser unendlichen Weite. Aber wie den Wagen rausbekommen? Der Traktor war jenseits des Flusses und das Seil reichte nicht bis zu dem eingesunkenen Fahrzeug. Also suchten die Männer einen Platz zum Überqueren und blieben prompt ebenfalls stecken. Erneuter Fußmarsch, diesmal nicht von mir.

Nach über zwei Stunden kam der freundliche Mann mit einem Hilfstrupp von weiteren zwei Personen. Aber so ist der Traktor nicht herauszubekommen. Sie zogen wieder ab, und ich wartete mit einem der Tunesier auf neue Hilfe. Glaube, wenn ich heimkomme, habe ich erstmal die Nase voll von der Wüste.

Ich erlebte den zweiten wunderschönen Sonnenuntergang an dieser Stelle und wir warteten immer noch. Wie gut, dass ich wenigstens den richtigen Tee für die Leute dabei hatte. Nur mit meiner Kocherei sind sie nicht zufrieden und übernehmen das selbst. Wir tranken viele Kannen leer in dieser Nacht.

Da endlich tauchten in der Ferne die Lichter eines Autos auf. Es dauerte lange, bis es sich einen Weg durch die unwegsame Landschaft gekämpft hatte. Ein Vortrupp, der verkündete, dass bald ein zweiter Traktor eintreffe. Es hatte stundenlange Verhandlungen und 50 Dinar (über 100 DM) gekostet, den Besitzer zum Kommen zu überreden. Wir versuchten, den Anhänger des Traktors herauszuziehen, es klappte. Als wir aber auch den Traktor befreien wollten, riß das dicke Stahlseil. Also, ab in die Stadt und wieder warten. Nach zwei Stunden kamen sie mit einer schweren Kette (wieder 20 Dinar weg, das wird ja teuer). In diesem Moment betete ich wirklich darum, dass sie es schaffen. Und tatsächlich, der Traktor kommt aufs Trockene. Hamdullah! Die Tränen kommen vor Freude. Wenn die Kette den schweren Traktor geschafft hat, ist der ausgeräumte Suzuki ein Kinderspiel. Und genau 12 Stunden nach dem ersten Eintreffen der Hilfe können wir uns auf den Heimweg machen. Inzwischen hat sich schon eine Piste zu der Unglücksstelle gebildet.

Ich muss natürlich mit zur Familie, dort essen und die Nacht verbringen. Und nun will ich bezahlen. Da kommts: Sie wollen zwar das Geld, das sie ausgelegt haben, aber für sich keinen Pfennig! Im Gegenteil, ich werde noch reichlich mit Datteln bedacht. Da hilft auch kein Überreden. Für 12 Stunden Arbeit, vier Mann, die einen Arbeitstag versäumt haben, und einen Riesenstapel verschlammter Wäsche. In meinem Kleidervorrat finde ich noch einige schöne Kleidungsstücke für die Familie und auch mein Zelt schenke ich ihnen. Am Heiligabend war ich dann wieder in meinem Hotel in Nefta, wo mich kein Mensch vermisst hatte.

Rauswurf aus dem Hotel

Ich war schon einige Zeit in Tunesien unterwegs und es war nie schwierig gewesen, ein Hotelzimmer zu finden. Es ist meist in jeder Preisklasse etwas zu haben, die Hotels sind hübsch, preiswert und sauber und jetzt, Mitte Dezember, nicht ausgebucht. Doch das änderte sich schlagartig, als Weihnachten näher kam. Am Morgen des ersten Weihnachtstages war unter der Tür meines Hotelzimmers in Nefta ein Zettel durchgeschoben: Hotel ist komplett! Das ist ein Rausschmiss. Zudem war das Wetter schlecht, sehr windig, also packte ich meine Sachen und zog weiter. Wohin wusste ich noch nicht, aber schließlich landete ich auf Djerba, im Hotel Marhaba in Houmt Souk, das mir schon in Matmata empfohlen worden war. Das Abendessen musste ich mal wieder in Gesellschaft einnehmen.

Abstecher nach Algerien

Grenzübergang

Und nun geht es weiter zur algerischen Grenze. Die Ausreise aus Tunesien verläuft reibungslos und schnell, auf der algerischen Seite sieht es da schon anders aus. Zunächst muss ich einige Papiere ausfüllen und mich damit vor einen Schalter stellen. Es geht natürlich nicht der Reihe nach, vielleicht sollte man ein kleines Bakschisch geben, aber ich habe ja Zeit. Endlich nimmt man mir den Pass ab und ich muss ein Weilchen warten, bis ich ihn mit Stempel zurückbekomme. Aber dann fängt die Arbeit erst an. Nun muss ich Geld umtauschen, pro Einreise müssen etwa 300 DM zu einem sehr ungünstigen Kurs umgewechselt werden. Dann muss ich ins Versicherungsbüro, denn die deutsche Autoversicherung gilt in Algerien nicht. Ich schließe für 3 Wochen ab. Dann geht es zum Zoll, dort muss ich eine Devisenerklärung ausfüllen und meine Wertsachen, wie Fotoausrüstung, aufschreiben. Der junge Beamte schreibt und schreibt, er tut mir richtig leid, dass er so viel Arbeit hat, und das sage ich ihm auch. Er freut sich, dass sich mal jemand mit ihm unterhält und will persönlich mein Auto untersuchen.

Draußen am Wagen merke ich, dass ihm die Untersuchung nicht sehr wichtig ist, stattdessen fragt er mich, ob ich ihm nicht ein Buch zum Deutsch lernen besorgen kann. Er könnte so etwas im Land nicht bekommen. So ein Buch habe ich tatsächlich, also tauschen wir die Adressen aus. Das alles muss heimlich geschehen, denn den Zollbeamten ist jeder private Umgang mit Touristen verboten.

*** Anmerkung: Ein Jahr später bekam ich plötzlich einen Einschreibebrief von diesem Khaled und er fragte, ob er mich in Deutschland besuchen könne. Ich stimmte zu und er kam für 3 Wochen nach Wiesbaden. Ein interessantes Erlebnis.

Endstation Touggourt

Endlich kann es weitergehen. Eine gute Teerstraße mit wenig Verkehr führt nach El Oued. Nicht weit von der Grenze entfernt winkt ein Mann am Straßenrand, an der Hand einen etwa sechsjährigen Jungen. Ich halte und lasse ihn einsteigen, auch er will nach El Oued. Er spricht in Arabisch auf mich ein, ich kann ihn nicht verstehen und nicke freundlich zurück. Er wird aber immer fordernder, ich kann nur mit den Achseln zucken. Da macht er, trotz der Anwesenheit des Kindes, ganz eindeutige Zeichen, was er von mir möchte. Ich bin total geschockt! Wieviele Anhalter habe ich in Marokko schon mitgenommen, aber so etwas ist mir noch nicht passiert! Nur mit Mühe bewahre ich die Geduld und werfe ihn nicht auf offener Straße aus dem Wagen, aber im nächsten Ort halte ich und schicke ihn hinaus. Er sieht mich sehr verständnislos an, verlässt aber den Wagen.

Das war kein schöner Empfang in Algerien. Auch El Oued präsentiert sich mir nicht besser. Ich finde weder ein Hotel, das mir zusagt, noch die Ausfahrt nach Touggourt. Vielleicht liegt es nur an meinen gereizten Nerven. Endlich finde ich doch hinaus und kann wieder die Landschaft genießen. Meterhohe, gelbe Sanddünen reichen bis an die Straße. Ich halte am Straßenrand und steige eine Düne hinauf. In der Mitte befindet sich ein Trichter, auf dessen Grund Palmen angepflanzt sind. So können die Wurzeln gerade noch das Grundwasser erreichen. Für den Oasenbauer bedeutet das aber, dass er ständig den nachrutschenden Sand auf Eseln hinausschaffen muss. Eine mühevolle Arbeit!

Als ich weiterfahren will, hält ein Taxi an. Der Fahrer glaubt, ich sei im Sand hängengeblieben und bietet mir seine Hilfe an. Nun, das ist nicht nötig, meine Suzi schafft das auch allein, aber ich suche schließlich eine Unterkunft für die Nacht. Der freundliche Mann lädt mich sofort zu seiner Familie ein, die im nur wenige Kilometer entfernten Ben Naceur wohnt. Der Ort liegt mitten in den Sanddünen. Die Familie ist kaum überrascht über meinen Besuch, der Vater bringt öfter Fremde mit. Um einen Innenhof herum sind mehrere Hütten gruppiert, in jeder wohnt ein Bruder mit seiner Familie. Die Großmutter ist eine echte Berberfrau mit hennagefärbten Zöpfen und rotgemusterter Kleidung. Ihre Silberarmbänder sind aber nicht echt alt, und bei einem Tee holt sie gleich einen ganzen Beutel voll davon hervor, sie möchte mir welche verkaufen. Aber die Familie ist trotzdem sehr nett, die Nachbarn kommen zu Besuch, um diese deutsche Frau zu sehen, die allein durch Algerien reist. Später werde ich sogar noch mit dem Taxi des Hausherrn ins nächste Dorf gefahren, um auch dort den Freunden vorgestellt zu werden.

Später zieht sich jede der Familien zum Schlafen in ihr Häuschen zurück, ich schlafe zusammen mit meiner Gastfamilie, sie haben nur ein Kleinkind, auf dem Boden. Am nächsten Morgen fragen mich meine Gastgeber, ob ich nicht Kleidung zu verkaufen habe. Ich habe schon etwas, aber das will ich nicht verkaufen, sondern ihnen als Dank für die Gastfreundschaft schenken. Die Freude ist groß, aber die Kinder werden losgeschickt, um hinter dem Haus noch Sandrosen für mich zu suchen. Man packt mir einen großen Karton voll ins Auto. Der Abschied ist herzlich und man bittet mich, auf dem Rückweg noch einmal vorbei zu kommen.

Am Morgen fahre ich weiter nach Touggourt. Die algerischen Städte stoßen mich irgendwie ab, ich kann mich nicht heimisch fühlen, vermisse mein Marokko. In Temacine traf ich wieder einen netten Mann, der mir alles zeigte. Ich dachte natürlich, für Geld, erst als ich ihm was geben wollte, hatte es den Anschein, er macht es wirklich aus Freude. Es fällt mir schwer, die Leute hier einzuschätzen, zu verstehen. Ich will wieder weg. In Tunesien haben mir wenigstens die Hotels gut gefallen, wenn schon nicht Marokko, dann wenigstens wieder zurück nach Tunesien.

Ich drehte also um und übernachtete in El Oued. Dort traf ich zufällig den netten Zöllner wieder und wir tranken einen Tee zusammen. Am Morgen dann einiges in der Umgebung angesehen, Teppich gekauft, Mörser. Zurück zur Grenze. Vorher Halt an einem Brunnen. Die Leute luden mich zu Kaffee gewürzt mit Pfeffer ein. Traf an der Grenze wieder Khaled. Lernte an der tunesischen Grenze einen dortigen Zollbeamten kennen, nahm ihn mit nach Nefta. Dort nahm ich mir ein Zimmer in dem schönen Hotel Les Nomades, das in ortüblicher Lehmziegelarchitektur errichtet ist. Am nächsten Mittag war ich dann noch beim Zollbeamten zum Mittagessen eingeladen.

 

Ksar Rhilane – Douz – Kebili

Gern wäre ich noch ein paar Tage an diesem schönen Ort geblieben, aber mein „ständiger Begleiter“ verleidete mir den Aufenthalt etwas. Also fuhr ich weiter, ich wusste noch nicht, wohin mich dieser Tag bringen würde. Zunächst ging es wieder entlang der Erdölpiste. Zum Brunnen Bir Soltane führt eine Abzeigung, er liegt zwei Kilometer entfernt. Ich füllte meinen Kanister mit frischem, klarem Trinkwasser. Ein Arbeiter half mir an der Motorpumpe, die in einem kleinen Häuschen untergebracht ist. Der Brunnen steht ganz allein hier, es gibt keine Ansiedlung, nur etwas weiter entfernt ein Militärlager. Aber die Nomaden kommen hierher, um ihr Vieh zu tränken und ihre eigenen Vorräte aufzufüllen.

Bald hinter Bir Soltane musste ich die schön ausgebaute Piste verlassen und nach Douz abbiegen. Bisher kam mir ab und zu mal ein Wagen entgegen, aber jetzt war ich ganz allein auf der Strecke. Die Piste ist manchmal vom Sand überweht, aber man kommt ganz gut durch. In Douz trank ich in einem Cafe eine Cola, aber sofort kam ein junger Mann, der sich als Führer anbieten wollte. Ich weiß wirklich nicht, was er mir noch zeigen soll, ich habe meinen Weg auch allein gut gefunden und wurde etwas unfreundlich. Er schimpfte hinter mir her. Ich wollte mich nicht länger in Douz aufhalten, da nach Weihnachten hier ein Sahara-Festival anfangen wird und ich dann noch einmal zurückkommen will.

Also fahre ich weiter nach Kebili. Das ist ein etwas größerer, aber nicht sehr schöner Ort, aber hier gibt es ein gutes Hotel und nach fast 300 Kilometer Piste sehne ich mich nach etwas Komfort und einem kühlen Bad. Beim Abendessen im Restaurant fragt mich der Direktor persönlich, ob es mir gefällt, es hat schon Vorteile, als Frau allein unterwegs zu sein.

Kebili ist der südöstliche Ausgangspunkt für die Fahrt über das Schott Jerid. Der Salzsee – aus Karl May’s Geschichten hinlänglich bekannt – hat viel von seinem Flair von Abenteuer und Gefährlichkeit verloren, seit es von einer Asphaltstraße durchschnitten wird. Vor Jahren hatte ich einmal eine organisierte Busfahrt in Tunesiens Süden gemacht und war dabei über das Schott gefahren. Seitdem hegte ich den Wunsch, einmal allein, ohne eine Reisegruppe hinter mir, über den See zu fahren und anhalten zu können, wo immer ich möchte. Und nun war ich endlich angekommen. Ich parkte das Auto und ging ein paar Schritte über das Salz. An den meisten Stellen ist das gut möglich, es sieht nicht aus, als sei man auf einem See, feiner Kies bedeckt den Boden. Zunächst gab es noch einige Pflanzen, die den salzhaltigen Boden aushalten, aber später findet man nicht mehr die geringste Vegetation. Und unvermittelt gibt es Wasserlöcher, an deren Rand sich dicke, pastellfarbene Salzkrusten gebildet haben. Ich versuche mit einem Taschenmesser einige Kristalle abzulösen, es ist nicht leicht. Mehrere Pisten führen über das Schott, aber ich probierte keine aus, später sollte ich noch leidliche Erfahrungen damit sammeln.

Gegen Mittag komme ich in Tozeur an und schlendere über den kleinen Markt. Tozeur ist ein Zentrum für Datteln und so werden sie an jeder Straßenecke angeboten. In kleine Kisten verpackt oder am Strang, so, wie sie am Baum wachsen. Ich kaufe einige Datteln und Orangen, einerseits fürs Mittagessen, andererseits, um eine eiserne Reserve dabei zu haben, man weiß ja nie, was einem so alles passieren kann.

Matmata – Ksar Rhilane

Endlich auf der Piste

Am nächsten Morgen ging es weiter. Kurz hinter Matmata begann endlich die Piste, das Abenteuer konnte beginnen. Nach Toujane bog ich auf eine wenig befahrene Piste ab, die mich nach Beni Khaddeche bringen sollte. Plötzlich waren keine Wegweiser mehr da. In einem Dorf endete der Weg, mehrere alte Männer saßen vor einem Laden auf dem Boden. Ich fragte sie nach dem Weg. Man wollte mich zurück nach Toujane schicken, aber ich blieb hartnäckig. Es musste doch eine Piste nach Beni Khaddeche geben. Ein Mann, später stellte sich heraus, dass es der Omda (Bürgermeister) war, zeichnete mir die richtige Piste auf und lud mich zum Tee ein. Es war schon ein erhebendes Gefühl für mich, in einem Land, in dem die Frau nicht viel gilt, im Kreis der Honoratioren von Smerten auf dem Boden zu sitzen und Tee mit ihnen zu trinken. Würden sie diese Gastfreundschaft auch einer auf der Durchreise befindlichen Tunesierin erweisen? Oder sehen sie mich etwa nicht als Frau an?

Später zeigte mir der Bürgermeister noch sein Haus und stellte mich der Familie vor. Das Haus bestand zum Teil noch aus der alten Höhlenwohnung, in der die Großmutter wohnte. Er selbst aber hatte sich davor ein neues Haus gebaut, in dessen Salon er mich stolz führte und mir ein Duftwasser zur Erfrischung anbot. Er wollte mir sicher zeigen, dass man in Smerten sehr modern lebte. Nachdem ich noch mit ihnen gegessen hatte, ging die Reise weiter.

Übernachtung in Ksar Hadada

Am Nachmittag kam ich durch Ksar Hadada. Das ist ein kleines Dorf in den Bergen, in dem es einen alten Ksar gibt. Diese Ksars sind ehemalige Getreidespeicher, die die Nomaden gemeinsam anlegten, um ihre Vorräte besser zu schützen, während sie mit ihren Herden unterwegs waren. Die Räume sind wie Bienenwaben neben- und übereinander gebaut. Um alles gibt es eine Mauer aus Lehm, so dass die Ansiedlung vor feindlichen Überfällen gut geschützt war. Dieser Ksar ist heute nicht mehr bewohnt, man hat aber einige der Räume restauriert und zum Hotel umfunktioniert. Das wirkt sehr gemütlich und originell und ich beschloss sogleich, hier zu übernachten. In Tunesien gibt es viele dieser ursprünglichen Hotels und man kann gut und preiswert dort wohnen und essen.

Im Hotel gibt es natürlich wieder die übliche Anmache, es findet sich sofort ein Angestellter, der meine persönliche Betreuung übernehmen will. Ich bleibe dann immer freundlich und höflich, ich unterhalte mich ja gern mal mit jemand. Es wird im Gespräch zwar auch mal auf den Busch geklopft und vorsichtig angefragt, was man denn ohne männliche Begleitung in Tunesien suche und ob vielleicht ein kleines Abenteuer gefragt sei. Aber wenn ich bestimmt dieses Ansinnen abweise, ist man auch zufrieden. Und meist geht es den jungen Angestellten auch nur um eine Unterhaltung, denn im Hotel ist um diese Jahreszeit nicht viel los.

Weiter ging es nach Chenini, einem Ort, der sich eng an einen Berggipfel klammert. Im Reiseführer steht, dass die Menschen dort sehr abweisend sind und ich muss das leider in meinem Fall bestätigen. Kurz vor dem Dorf begegnete mir ein Schäfer mit seiner Herde, der gerade bei einem neugeborenen Lämmchen kniete. Ich hielt, stieg aus und wollte mir dieses hübsche Bild näher anschauen – ohne Fotoapparat! Aber der Mann schickte mich so böse weg, dass mir jegliche Lust verging, hier länger zu bleiben. Lediglich die unterirdische Moschee sah ich mir an, schon bei der Anfahrt traf ich einen alten Mann, der mich herum führte. Er verdient sich damit ein kleines Zubrot.

Hinter Chenini verließ ich das Gebirge und fuhr weiter über steinige Hamada. Es war manchmal ein bisschen schwierig, die richtige Piste zu finden. Viele Wege in umliegende Orte zweigen ab, ich musste den Kompass zu Hilfe nehmen, um die Richtung nach Ksar Rhilane zu finden. Wegweiser gibt es kaum. Endlich traf ich auf die „Erdölpiste“, sie führt entlang der Pipeline, die algerisches Erdöl zum Hafen im Golf von Gabes bringt. Diese Piste ist sehr breit ausgebaut und meist schnurgerade. Leicht kann man hier mit 100 Stundenkilometern fahren. Aber schon nach kurzer Zeit geht von diesem schönen Weg eine kleinere Piste nach Ksar Rhilane ab. Hier beginnen nun endlich die Sanddünen, die man sich in der Sahara vorstellt. Das bedeutet aber auch, dass die Fahrspuren oft vom Sand überweht sind. Ich schaffte es aber, ohne einzusanden zur Oase zu kommen.

Übernachtung unter dem Sternenhimmel

Ksar Rhilane ist nur eine winzige Ansiedlung. Neben wenigen Häusern gibt es eine schöne Oase mit Gärten, in denen die Bewohner eifrig arbeiten. Wasser gibt es genug, zumindest jetzt im Dezember. Die Datteln hängen reif an den Bäumen. Hinter Tamariskenwäldern, in denen Vögel zwitschern, liegt ein See, der von einer warmen Quelle gespeist wird. Einem Bad steht also nichts im Wege. An dem See gibt es ein Zeltlager. Schwarze Nomadenzelte sind als Camp aufgebaut, um Touristen als Unterkunft zu dienen. Wenn aber nicht gerade eine Gruppe angemeldet ist, gibt es nicht viele Gäste und man kann die herrliche Umgebung genießen. Die Wüste blühte, überall grünte es. Das Camp ist von wunderschönen gelben Sanddünen umgeben. Es wäre ein traumhafter Platz, wenn ich nicht gleich wieder als Privatbesitz betrachtet würde. Mohamed wich nicht von meiner Seite, teilte mir ein Zelt zu und zeigte mir die Umgebung. Dann brachte er mir einen kleinen Fenek. Er hatte den armen Wüstenfuchs gefangen und hielt ihn in einem Käfig, um ihn an Touristen zu verkaufen. Das Tierchen war voller Flöhe, aber sehr süß mit seinen großen Ohren und federleicht. Am Abend kochte Mohamed für das Personal, denn weitere Gäste waren nicht da, einen Topf Couscous. Ich bekam auch eine Portion, aber er brachte sie mir in mein Zelt, ich durfte nicht mit den anderen mitessen. Das machte mich misstrauisch. Als es Zeit zum Schlafengehen war, verrammelte ich mein Zelt mit einer Wolldecke, aber es war nicht notwendig. Kein Angestellter kann sich leisten, einer Touristin ohne deren Einverständnis etwas zu tun, er wäre sofort seinen Job los. Und bei der Arbeitslosigkeit in Tunesien ist es nicht leicht, etwas Neues zu finden.

Matmata

Übernachtung in der Höhle

In Gabes, der großen Oase am Meer, geht die Straße nach Matmata, dem Höhlendorf ab. Vor Jahren besuchte ich dieses Dorf mit einer organisierten Bustour und hatte seitdem den Wunsch, einmal eine Nacht im dortigen Höhlenhotel zu verbringen. Die Fahrt geht durch öde Landschaft, dann plötzlich schaut man hinab auf eine Mondlandschaft. Wie Krater sehen die Behausungen aus. Um einen offenen runden Platz werden mehrere Höhlenräume in den Felsen gegraben, die als Schlafzimmer, Küche, Salon und Vorratsräume dienen. Meist wohnen mehrere Familien zusammen. Einige dieser Höhlenwohnungen sind zu einem einfachen, aber sehr originellen Hotel ausgebaut worden und da wollte ich übernachten. Die Räume sind sogar übereinander angebracht, um mein Zimmer zu erreichen, musste ich über eine Strickleiter hochsteigen.

Mitte Dezember ist noch keine Saison in Tunesien, in den Hotels gibt es kaum Gäste. So traf ich beim Abendessen nur noch zwei junge Männer, die in Matmata geboren waren, aber nun schon längst nicht mehr dort wohnten, es gibt ja kaum Arbeitsmöglichkeiten. Beide hatten eine gute Schulbildung, da muss man sein Heimatdorf verlassen, um Arbeit zu finden. Sliman, einer der beiden, erzählte, dass sein Bruder Direktor eines Hotels in Houmt Souk auf Djerba sei und ich müsse selbstverständlich seinen Bruder besuchen, falls ich nach Djerba käme.

Als ich vor meinem kleinen Zimmerchen saß, winkten mir zwei Mädchen zu. Sie waren auf den Hügel gestiegen, in den die Höhlen des Hotels gegraben sind und wollten so Kontakt mit mir aufnehmen. Die beiden waren Berbermädchen, bunt gekleidet, und wollten mir die elterliche Wohnung zeigen. Viele der Häuser in Matmata haben unterirdische Ölmühlen, in denen die Oliven mit Hilfe von Kamelen, die einen Mühlstein ziehen, zerkleinert werden. Die Kinder versuchen so, von den Fremden einen kleinen Zusatz zum Familienbudget zu verdienen. Fast noch begehrter als Geld sind aber gebrauchte Kleidungsstücke, von denen ich immer reichlich mitnehme.

Einladung zu einer Berberfamilie

Die Familie bestand aus der Großmutter und zwei Söhnen mit ihrer Familie. Sie zeigten mir alle Räume. Manche Höhlen dienten als Vorratsräume für den Winter, in großen Tongefäßen war Getreide und Olivenöl aufbewahrt. In anderen wiederum war das Vieh untergebracht. Der Wohnraum war sehr gemütlich mit weißgekalkten Wänden und selbstgewebten Teppichen. Ich musste auf den Teppichen Platz nehmen. Die Schuhe blieben draußen vor der Tür, man brachte mir Kissen, damit ich es auch richtig bequem habe. Dann begann die Teezeremonie. Ein Junge brachte die Gasflasche, ein Mädchen frisches Wasser. Der Vater bereitete den Tee persönlich zu. Während das Wasser kochte, gab er eine Handvoll grünen chinesischen Tees in die bauchige Kanne. Dann wird der Tee kurz überbrüht und das Wasser weggegossen. Erst danach kommt kochendes Wasser auf den Tee und die Kanne wird auf den Kocher gestellt. Aus einer dänischen Keksdose nahm er nun einen Zuckerhut und schlug ein großes Stück davon ab. Der Tee wird in Nordafrika sehr süß getrunken, während des Tages bildet er oft die einzige Energiequelle der Landbevölkerung, die meist erst abends richtig isst. Zum Schluss gab er noch einige Zweige frische Minze dazu. Nun begann der Prozess des Abschmeckens. Der Tee wird mehrmals in hohem Bogen in ein Glas ausgeschenkt und wieder zurück in die Kanne gegossen. So spart man das Umrühren. Mit ernster Miene probierte der Vater den Tee, bis er ihn für gut befand. Dann bekam ich mein Glas, auch seine Frau durfte mittrinken. In dieser Familie waren die Sitten also nicht so streng, dass sich die Frau nur in der Küche aufhalten darf, wenn Gäste kommen. Oder lag es daran, dass ich eine Frau war?

Tunesien Winter 1987/88

Mit der Habib ab Genua

In Genua auf dem großen Warteplatz vor der Fähre nach Tunesien herrschte schon richtig orientalisches Leben. Die Wagen, die bereits seit dem Morgen in Schlangen aufgereiht darauf warteten, dass sie endlich Platz in dem großen Bauch des Schiffes finden, waren bis zum Äußersten bepackt. Viele tunesische Gastarbeiter nutzten die europäischen Feiertage über Weihnachten und Neujahr, um ihre Familien wiederzusehen. Da sind nicht nur Koffer und Kisten aufgeladen, es gibt vom Fernseher über Teppiche bis zur Waschmaschine wirklich alles, die Geschäfte müssen leer gekauft worden sein. Doch neben den Pkws der Gastarbeiterfamilien findet man auch die abenteuerlichsten Geländefahrzeuge. Ein knallroter Wagen findet die Bewunderung der Wartenden, er ist selbst gebaut, sieht toll aus, aber ob er auch den Anforderungen, die eine Sahara-Fahrt an ein Fahrzeug stellt, gerecht wird, bleibt anzuwarten. Die Fahrer der Geländewagen gingen von Wagen zu Wagen, fachsimpelten mit ihren Gesinnungsgenossen, Fahrtrouten wurden ausgetauscht und die ersten Reisebekanntschaften geschlossen.

Als ich in Genua ankam, musste ich zunächst mein Schiffsticket abstempeln lassen. Vor den Schaltern herrschte ein heilloses Durcheinander. Ich wurde von einem zum anderen geschickt, schließlich landete ich vor einem kleinen Fenster, vor dem sich sicher Hundert andere schon drängten. Aber ich hatte ja Zeit, vor dem Abend fuhr das Schiff sowieso nicht los, und ich kam schon gleich mit meinen Leidensgenossen ins Gespräch, manch einen wird man später sogar wiedertreffen.

Endlich ging es los! Zäh setzten sich die Fahrzeugkolonnen in Bewegung, nacheinander frisst dieses Ungeheuer all die Wagen in sich hinein. Nun musste ich meine Kabine suchen, ich teilte sie noch mit drei weiteren Personen, ein junges Paar aus Österreich und Hans aus dem Ruhrgebiet. Er hat einen tunesischen Kollegen, der ihm soviel von seinem Land erzählt hat, dass er sich spontan in seinen Wagen gesetzt hat, um seinen Urlaub dort zu verbringen. Die Kabinen waren nicht zu verschließen, es gab keine Bettwäsche und die Waschräume waren nach kurzer Fahrt völlig verdreckt. Aber ich hatte ja nur Touristenklasse gebucht, da kann ich keinen Komfort erwarten. In der Cafeteria traf ich Barbara und Peter, die ich schon in der Schlacht vor dem Schalter kennen gelernt hatte. Die beiden wollen ein Buch über Tunesien schreiben und nutzten diesen Urlaub, um noch die letzten Einzelheiten vor Ort zu recherchieren. Bei Kaffee und Erzählen verging die Zeit und wir gingen schlafen. Hans schnarchte fürchterlich, aber wenn wir ihn baten, sich doch lieber auf die Seite zu legen, tat er das sehr hilfsbereit.

Am Morgen waren wir leider immer noch auf hoher See, die Vorfreude war kaum noch zu bremsen. Die Geländewagenfahrer hatten sich zusammen gefunden, die Motorradfahrer auch und jeder freute sich auf die Abenteuer, die ihm bevorstanden. Wir mussten bis zum Nachmittag warten, bis die „Habib“ endlich in den Hafen La Goulette bei Tunis eingelaufen war. Die Familien der Gastarbeiter standen am Kai und winkten, aber die Polizei- und Zollabfertigung wartete auch schon auf uns. Das Ausladen der Fahrzeuge dauerte endlos, sofort bildeten sich wieder die bekannten Schlangen vor der Zollabfertigung. Die vollbeladenen Wagen der Tunesier mussten völlig ausgeräumt werden, bis ich endlich durch die Abfertigung kam, war es Abend.

Ich verließ Tunis auf dem schnellsten Wege und fuhr ins 60 Kilometer entfernte Nabeul, das ich schon von einem früheren Urlaub her kannte. Damals kam ich über ein Reisebüro in dieses als Club geführte Hotel und fühlte mich sehr wohl; ich hatte mich vorher schon telefonisch erkundigt, ob das Hotel geöffnet hat. Es hatte, aber ich war der einzige Gast. Für die eine Nacht hatte ich einen Bungalow für mich, in dem großen Restaurant servierte man mir ein Menü mit fünf Gängen und alle waren sehr nett zu mir. Nach dieser wirklich anstrengenden Anreise konnte ich mich hier erst mal erholen, bevor dann am nächsten Morgen endlich das Abenteuer anfangen konnte.

Autopanne vor Kairouan

Von Nabeul aus sollte es geradewegs in den Süden gehen. Am Straßenrand sind Verkaufsstände mit Orangen, sie sind herrlich süß und sehr billig. Kurz vor Kairuan, der berühmten „heiligen“ Stadt und Teppichmetropole, stand ein Fahrzeug mit geöffneter Kühlerhaube am Straßenrand. Einige Männer standen um den Wagen, einer winkte mir, stehen zu bleiben: „Wir haben eine Panne, können Sie mich bitte mit in die Stadt nehmen?“ Aber klar, obwohl ich schon weiß, was er wirklich will, nahm ich ihn mit. Auf der Fahrt fragte er mich dann, ob ich Kairuan besichtigen wollte. Ich sagte ihm, dass ich ohne Aufenthalt weiter in den Süden fahre. „Aber man muss Kairuan doch gesehen haben, ich kann es Ihnen gerne zeigen,“ meint der junge Mann. „Nein danke, ich war schon mehrmals dort,“ entgegnete ich. „Aber meine Schwester heiratet, ich lade Sie zur Hochzeit ein, kommen Sie doch mit mir!“ Als ich ihm nochmals versicherte, dass ich keinesfalls in Kairuan bleiben will, ist die Autopanne vergessen, und er will auf freier Strecke aussteigen, sicher wird er bessere Opfer finden, denen er seine Teppiche verkauft.

Weiter ging es auf einer sehr guten Straße durch einsame Landschaft. Nur hier und da mal ein Café mit Erfrischungen, kaum eine Ortschaft. Dann sah ich am Straßenrand Holzkohlenmeiler. Ich hielt an und sah den Männern bei der Arbeit zu. Holzkohle wird im Süden noch sehr viel verwendet, in den Dörfern wird sie zum Kochen benutzt und jetzt im Winter auch zum Heizen. Man füllt kleine Tonbecken mit glühender Kohle, dicht gedrängt sitzt dann die Familie im Kreis um das Becken und wärmt sich.