Archiv für den Monat: Mai 2013

Viele Tage auf einmal

3.5.
Heute will ich eine neue Route erkunden, überwiegend Asphalt, aber auch ein Teil Piste. Das ist immer ein Abenteuer, wenn man überhaupt nichts über die Strecke weiß. Von Midelt aus geht es zunächst wieder Richtung Er Rachidia, hinter dem Parc N’Zala aber dann rechts ab auf eine neue Asphaltstraße nach Zaouia Sidi Hamza. Bis dorthin sind es 25 km Teerstraße und daher leicht zu finden. Der Teer endet bei dem kleinen Ort mit einer berühmten Sufi-Bibliothek, ich habe auch einen Zettel mit dem Namen des Wächters, aber die Bibliothek ist zu und ich kann nichts erreichen. Desto schöner ist es jedoch, durch das kleine, halb verfallene Dorf zu schlendern. Sidi Hamza ist nicht nur für seine Bibliothek berühmt, sondern auch für seine ausgefeilte Kanalisation. Schon seit Jahrhunderten wird das klare Bergwasser in schmalen Kanälen durch die Häuser geleitet, eine große Erleichterung für die Frauen. Viele Häuser stehen leer, eine Frau lädt mich sofort zum Tee ein. Überhaupt sind alle sehr freundlich hier, am Ende der Straße wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht weiter geht und wie ich die Piste nach Ait Yacoub finde. Touristen scheinen wirklich niemals hierher zu kommen.
An dem Pistenabzweig sitzen ein paar Männer und ich erkundige mich bei ihnen nochmals, alles in Ordnung, es ist die richtige Piste. Und sie macht auch keine Schwierigkeiten, weder von der Navigation noch vom Straßenzustand. Dennoch würde ich kein Wohnmobil hier fahren lassen. Es geht immer entlang eines wunderschönen Oueds, ein kleines Stück geht es auch durchs Flussbett, sehr reizvolle Landschaft. Der nächste größere Ort ist Ait Yacoub, und die Verbindung von dort zur Asphaltstraße Rich – Imilchil ist schon fast fertig geteert. Das Abenteuer war also gar keins.
Das könnte sich aber noch ändern, denn je näher ich Imilchil komme desto schwärzer wird der Himmel, das Thermometer sinkt bis auf 5 Grad und in der Ferne zucken Blitze. Hagel- und Schneesturm voraus. Ich verzichte auf Imilchil, dort habe ich eh nichts zu tun, biege vorher auf die gute Asphaltstraße nach Ait Hani und zur Todraschlucht ab und direkt nach der Abzweigung geht’s los. Dicke Hagelkörner. Aber eh ich mich’s versehe stehe ich in Almerou vor dem Haus einer Familie, die ich vor 25 Jahren kennengelernt habe. Ein paar kleine Jungs schauen zur Tür hinaus, wissen natürlich nicht, wer ich bin, winken mich aber herein. Machen ein Zeichen, ich soll mit ihnen essen.
Drinnen ist die Schwiegertochter inmitten der Kinderschar, sie erkennt mich sofort. Als ich das erste Mal zu Gast war, wäre sie noch ein Nachbarskind gewesen, aber im Verlauf der 25 Jahre hab ich ab und zu mal kurz hereingeschaut. Da niemand französisch spricht nimmt sie das große Bild ab, das noch immer einen Ehrenplatz an der Wand hat. Ich hatte es ihnen damals geschenkt mit Fotos von der ganzen Familie. Und nun bekomme ich von jedem gezeigt, wo er sich aufhält, den Vogel abgeschossen – in ihren Augen – hat die Tochter, die nach Nador geheiratet hat. Die Schwiegertochter fragt Alemania msien (gut)? Ich nicke und sage Maghrebia msien! Almerou msien. Sie schüttelt sofort den Kopf und gibt mir zu verstehen, dass Almerou nicht msien ist.
Ich kann das nachvollziehen. Die große Familie mit Eltern, unverheirateter Tochter, Sohn, Schwiegertochter und sieben Kindern lebt in einem Häuschen, das im Erdgeschoss nur Lager hat, der erste Stock ist über eine Treppe mit sehr hohen Steinstufen zu erreichen, dort ist in der Diele die Küche und davon ab gehen zwei Räume. Punkt. Zum Glück gibt es nun Strom, aber kein fließendes Wasser. Der Familienraum wird mit einem kleinen Öfchen geheizt, wofür die Frauen in langen Märschen die trockenen Wurzeln suchen mussten und dann in einem schweren Haufen auf dem Rücken heimgeschleppt haben. Im zweiten Raum, dem Salon, habe ich vor Jahren mit der ganzen Familie zusammen auf dem Boden geschlafen, einer neben dem anderen.
Nacheinander trotten die Familienmitglieder ein, sie waren beim Freitags-Gebet, zuletzt der Vater, der sich sehr freut. Es fehlen der Sohn, der den familieneigenen Lastwagen fährt, sowie die drei ältesten Enkelkinder, die in der Schule sind, zwei davon auf dem College in Imilchil.
Sehr interessant ist es, die Familienzusammenhänge zu studieren. Die A…Karte hat ganz klar die unverheiratete und auch etwas hässliche, aber sehr freundliche Tochter gezogen. Ihr obliegen die meisten Arbeiten. Sie kümmert sich nun vor allem ums Essen. Die Schwiegertochter um die jüngsten Kinder (ca. 1 und 2 Jahre), wobei das Kleine noch die Brust bekommt und gerade dabei ist, sich aufzurichten und zu laufen. Die Mutter macht natürlich nichts, das hat sie verdient, denn sie war früher immer diejenige welche. Nun darf sie sich ausruhen. Und der Vater ist der Pacha. Sobald das Geräusch seines Autos ertönt war (ja, er hat eins), wurde der kleine Ofen angezündet, damit er’s schön warm hat.
Einer der Jungs bringt die Schüssel zum Händewaschen und die zweijährige Khadija reicht mir ganz stolz das Handtuch. Eine Schale mit herrlich duftendem Tajine wird hereingetragen, natürlich von der Jungfer. Es setzen sich zum Essen: Vater und Mutter, Gast und die zwei kleinen Söhne. Die kleine Khadija hat noch alle Freiheiten, sie darf hier essen oder später mit der Mutter, ganz wie sie will. Zum Glück kenne ich die Etikette, also nehme ich nur Soße mit Gemüse, kein Fleisch. Das teilt der Vater zu gegebener Zeit zu. Dieser Moment ist gekommen, als ich mich satt zurücklehne. Mir wird ein Hühnerschenkel vorgelegt. Ich schätze schnell die unter dem Gemüse versteckte Fleischmenge ab, reiße mir ein paar Bissen ab und sagen dann: lächlif, so etwas wie: Vergelts Gott. Das wird akzeptiert, nun bekommen auch die anderen Fleisch zugeteilt. Als alle um die Schale sich satt zurücklehnen kümmern sich Tochter und Schwiegertochter um die Reste.
Das war mal wieder ein richtig schönes Erlebnis. In meinen ersten Marokko-Jahren hatte ich davon sehr viel mehr und habe auch oft die Einladung zur Übernachtung akzeptiert, aber man wird älter und bequemer, und ich kenne es nun ja. Da gehe ich doch lieber in ein schönes Hotel mit warmer Dusche und Zimmer zum Abschließen. Ich weiß ja auch noch aus Erfahrung, dass man in Almerou, sollte man zur Toilette müssen, entweder ein weites Gewand braucht, das alles verdeckt, oder man wartet bis es dunkel ist. Es ist ein Tausend-Sterne-Klo in der weiten Natur.
Nach Almerou geht eine sehr gute Straße, die zu bauen auch sehr lange gedauert hat, durch ein schönes, fruchtbares Flusstal. Oft laufen mir Kinder hinterher, betteln, möchten, dass ich anhalte. Aber das schöne ist, dass ich weiß, diese Kinder sind so nur zu Fremden. Sobald man in die Familie kommt, dazu gehört, sind sie ganz brav. Und dann auf dem 2.600 m hohen Pass kommt mir eine ganze Nomadenfamilie entgegen. Bestimmt 20 Kamele tragen die Habseligkeiten, Zelte, Stangen, Teppiche. Die Esel tragen das Kleinzeug, obenauf sitzen die Hühner. Schafe und Ziegen folgen und natürlich auch die Familienangehörigen. Ich mache ein Foto, aber ich stoppe auch und gebe ihnen eine Kleinigkeit, sie sehen wahrlich nicht reich aus. Ich würde gerne mehr Zeit haben, um auch diese Menschen besser kennenzulernen.
Und dann bin ich im Les Amis in Tamtatouchte. Wahrlich bei Freunden!

4.5. Kontrastprogramm
Heute bin ich in Tinerhir angekommen, wo ich in der Kasbah Lamrani wohne. Sie gehört einem hiesigen Teppichhändler und seinem Bruder, den ich schon seit Jahren kenne und daher werde ich von ihm zum Abendessen mit seiner Familie eingeladen. Dieses Essen könnte kein größerer Kontrast zu dem gestern in Almerou sein und dazwischen liegen ca. 150 km. Ali holt mich in seinem Geländewagen vom Hotel ab und wir fahren zu seinem Haus, ein schicker Neubau in der besseren Gegend von Tinerhir direkt neben der Moschee, wohin Ali erst noch kurz entschwindet. Ich hatte seine Frau Latifa bereits vor zwei Jahren kennengelernt, eine scheue, hübsche junge Frau, sie spricht aber kein Französisch. Und sie verlässt auch nur selten das Haus. Die drei Kinder sind wohlerzogen, Larbi etwa 10, spricht Französisch und übersetzt für mich, die Mittlere, Name vergessen, ist ziemlich müde und schläft auf dem Sofa im eleganten Salon ein. Das Herzchen ist die kleine, vierjährige Douria, ganz süß, blinzelt vergnügt, hängt immer irgendwie an der Mutter, hat lustige Spängchen im ordentlich gekämmten Haar und zeigt stolz ihr Buch aus der Vorschule, wo alle möglichen Gegenstände aus dem Alltagsleben mit dem französischen Wort bezeichnet sind. Sie zeigt mir später darin die Gemüse, die im Couscous verwendet wurden.
Während Ali noch in der Moschee ist lüftet Latifa die Spitzentischdecke von dem runden Tisch, auf dem große Schalen mit süßen Leckereien stehen. Schalen mit einem Durchmesser von bestimmt 60 cm prall gefüllt mit den köstlichsten Marzipanplätzchen, Nüssen, Datteln, was das Herz begehrt. Dazu gibt es Tee. Larbi schaltet den Plasmafernseher ein und reicht mir als Zeichen der Höflichkeit die Fernbedienung. Im Satellitenprogramm gibt es hunderte Sender, aber ich verzichte dankend. Daraufhin wählt Larbi etwas aus und er hätte es besser nicht machen können. Eine Dokumentation über einsame Berggegenden in Marokko, in Arabisch mit französischen Untertiteln. Ein Film, den ich mir liebend gerne noch mal in Ruhe anschauen möchte. Darin wird auch das Leben einer Berberfamilie gezeigt, die Leute sitzen so zum Essen zusammen, wie ich das gestern in Almerou tat. Larbi ist bass erstaunt. So etwas hat er noch nie gesehen. Er schaut genauso fremd darauf, wie man das bei uns in Deutschland tun würde. Der Familienvater wird gezeigt, der gerade auf Raten seinen kleinen, altmodischen Fernseher mit Schüssel für 1.000 DH angeschafft hat. Er zahlt nun jeden Monat ab, was er gerade kann. Warum hat er ihn gekauft, fragt der Reporter. Er meint, für die Kinder. Es sei einfach obligatorisch. Auch seine Frau, eine Berberin, schaut gebannt auf den flimmernden Kasten. Sie versteht jedoch kein Wort, denn sie spricht nur ihre Berbersprache. Andere Frauen werden erwähnt, die ihre Männer bitten, die Eier der familieneigenen Hühner auf dem Markt zu verkaufen, um Spielfilme auf CD anzuschaffen, der Reporter kritisiert das, denn die Nahrung dieser Eier würde so den Kindern fehlen. Also ein wirklich interessanter, kritischer Film und für den jungen Larbi hätte er auch in China aufgenommen sein können. Leider ist er bald zu Ende und ich traue meinen Augen nicht. Als nächstes folgt die marokkanische Version von DSDS.
Der Vater kommt nach Hause und diesmal kommt kein Kind mit einer Waschschüssel zum Händewaschen, sondern ich werde ins Bad geführt. Ich hatte Ali ganz klar gesagt, dass ich kaum etwas esse und er um Gottes willen nicht so viel auftischen sollte wie beim letzten Mal. Er verspricht, nein, nur einen kleinen Couscous. Doch zunächst folgen kleine Schälchen mit Salat und eine große Schale mit gegrillten Fleischspießen, wobei mir nicht klar wird, wer die wo gegrillt hat. Alle setzen sich um den Tisch, auch Latifa, wenn sie nicht schnell mal in die Küche laufen muss, aber das würde ich ja auch so tun.
Mir werden unaufhörlich Spieße gereicht, das Fleisch ist wirklich lecker und zart und es ist nicht leicht, dem endlich ein Ende zu machen. Sobald alle satt sind und sich zurücklehnen wird jedoch abgeräumt und die Schale mit Couscous kommt, auch das keine kleine. Und irgendwann bin ich doch wieder so rundum satt, wie ich eigentlich nicht wollte und werde zurück ins Hotel gefahren. Habe leider keine Fotos gemacht.

7.5.
In früheren Jahren kam ich vor allem nach Marokko, um die wunderschönen Pisten hier zu fahren. Heute gibt es davon ja nur noch wenige. Auf Pisten hat man zwangsweise einen anderen, innigeren Kontakt zu den Menschen und der Natur, da man langsam fahren muss. Heute hatte ich mir eine Strecke vorgenommen, die zu früheren Zeiten sehr schwierig war. Nicht nur einmal hatte ich auf dem spitzsteinigen Felsanstieg, comme les escaliers, wie man hier sagt, einen Platten und einmal musste ich sogar am Pistenrand übernachten. Doch heute sind von der anspruchsvollen Verbindung von der Dades- zur Todraschlucht nur noch 40 Pistenkilometer übrig geblieben und die sind nicht allzu schwer. Und dennoch, diese 40 km haben mir wieder interessante Eindrücke gegeben durch drei unterschiedliche Erlebnisse.
Zunächst einmal begegnete mir auf der schmalen Piste eine Nomadenfamilie, die ihre Habseligkeiten auf die verschiedenen Tiere geladen hatte und zu einem neuen Standplatz unterwegs war. Jetzt im Frühjahr ist die große Zeit des Wanderns zu den besseren Weideplätzen. Darunter war ein alter Mann, der auf einem Esel ritt. Ich hielt an, um ihn besser vorbei zu lassen, grüßte höflich. Er grüßte zurück und machte aber ein Zeichen dafür, dass er Geld wollte. Das hat mich sehr beeindruckt. Kinder und Jugendliche fragen mal nach Geld, Bettler, aber alte würdevolle Familienväter tun das meist nicht. Wenn er danach fragte, dann muss es reine Not sein. Ich gab ihm nichts, diese Gedanken gingen mir auch erst danach durch den Kopf. Ich denke, die Nomaden gehören hier schon zu den Ärmsten.
Die nächste Station war ein Bergüberhang, unter dem sich schon immer eine Nomadenfamilie häuslich eingerichtet hat, es gab sie (oder andere) schon, als ich vor 20 Jahren hier fuhr. Hier kamen die Kinder und auch eine junge Frau mit Baby ans Auto gelaufen, fragten nicht unbedingt nach Geld, zeigten aber schon durch ihre Anwesenheit, dass sie etwas haben wollten. Teils durch das Erlebnis davor, teils aber auch weil ich noch Kindersachen dabei hatte, gab ich ihr eine Kleinigkeit. Ich predige selbst in meinen Büchern, dass man am Wegesrand nichts verschenken soll, nicht ohne Gegenleistung. Aber ich denke, alle, die in Marokko unterwegs sind, kennen auch die Zwickmühle, in der man sich befindet. Man möchte doch eben etwas geben, möchte helfen.
Wieder einige Kilometer weiter, nach der Passhöhe, von der man schon Tamtatouchte herrlich in der Ferne liegen sieht, kam ich an ein kleines Café und hielt an. Ich wurde sehr freundlich empfangen. Hier lebt eine 11-köpfige Familie, die dieses kleine Haus mit Aussichtsterrasse, einem Salon, Küche und WC gebaut hat, um die Familie irgendwie durchzubringen. Sie sind super nett, machen spontan Musik auf selbst gebauten Gitarren. Ich habe nur einen Orangensaft getrunken, aber sie bieten auch Essen an. Und da dachte ich mir, das ist doch die richtige Lösung. So macht es die Familie richtig, dass sie eine sinnvolle Erwerbsmöglichkeit sucht statt zu betteln. Und der Tourist macht es richtig, wenn er hier einkehrt, eine Kleinigkeit verzehrt und so der Familie hilft. Sie bewahrt so ihren Stolz und gibt auch den Kindern ein gutes Vorbild.

9.5.
Ich muss sagen, der Tag heute endet irgendwie unwirklich, pervers. Ich sitze mitten in der knallheißen Wüste in einer schicken Bar, trinke einen eisgekühlten Gris und im TV läuft ein vermutlich französischer Film mit Untertiteln in Arabisch und Englisch über Leni Riefenstahl und die Nazizeit. Ich bin so perplex, dass ich kaum noch mehr schreiben kann.
Dabei fing der Tag ganz normal an. Nachdem ich gestern Nachmittag vollkommen erschöpft und fast orientierungslos in Zagora im Perle du Draa ankam drückte mir Hassan ganz einfach einen Zimmerschlüssel in die Hand, ließ mein Gepäck hinauf bringen und das wars im Wesentlichen für den Tag. Ich war am Morgen die Piste über den Jebel Sarho gefahren, wunderschön, aber die allein hätte mich nicht so fertig gemacht. Es war wohl eher die Tatsache, dass ich nun seit zwei Monaten täglich etwa 16 Stunden arbeite, fahre, recherchiere, rede, schreibe, ohne eine Minute des Ausruhens, des Rastens, des Alleinseins. Wenn ich abends in einem Hotel ankomme dann kümmert sich immer der Hotelbesitzer sehr nett um mich, er meint es gut, ich erfahre auch immer sehr wertvolles, aber irgendwann ist es auch einfach zu viel. Ich brauche eine Auszeit. Ich habe die Wahl zwischen Mhamid und Foum Zguid. An beiden Orten Freunde, die mich gerne ein paar Tage aufnehmen. Und vielleicht auch zu mir kommen lassen.
Ich entscheide mich für Foum Zguid. Sicher auch deshalb, weil dort das schönere Hotel ist. Ich empfinde es inzwischen fast als der Inbegriff einer Wüstenetappenstation. Piste heißt Hitze, Schweiß, Anstrengung, Staub. Nach einer Pistenfahrt will man ankommen, duschen, ein eiskaltes Bier zischen, relaxen. Wo könnte man das besser als im Bab Rimal. Ich schwimme in dem großen Pool und bin dabei nicht die Einzige, denn die Vögel sind in der weiten Wüste glücklich über diese Wasserquelle. Einige große Ameisen kostet der Drang nach Wasser das Leben. Mein Autothermometer zeigte heute 39 Grad an. Auf dem Weg hierher habe ich unter einer Akazie Halt gemacht und einfach nur den Augenblick genossen. Es wird mal nicht gearbeitet.

10.5. Dust und Diesel oder … Maktoub
Es gibt hier eigentlich keinen Tag, an dem nicht zumindest eine winzige Kleinigkeit berichtenswert wäre. Heute war so ein Tag. Er plätscherte so dahin, durchaus gewollt, denn ich musste mich ja endlich mal ausruhen. Abends wieder ein schöner Ausklang zusammen mit ein paar Bekannten bei einem Glas Gris. Wieder eiskalt im heißen Foum Zguid. Gegen 21 Uhr bekam Naji dann einen Anruf: eine Gruppe Deutscher am Ende der Piste von Chegaga und ein Wagen war zusammengebrochen. Naji witterte Kunden für sein Hotel, ich hörte nur Deutsche. Also Autoschlüssel gezückt und nichts wie hin. Direkt dort, wo die Piste auf Asphalt mündet, stand eine Gruppe von Mercedessen. Zumindest überwiegend. Ich stieg aus und fragte: „Das ist doch nicht etwa Dust and Diesel“. Sie: Ja klar!“ Ich: „Wo ist Flori?“ „Hier ist er!“ Kaum zu glauben, die Gruppe Dust and Diesel, die jedes Jahr nach Mauretanien fährt, um dort ihre Fahrzeuge für einen guten Zweck zu verkaufen und die natürlich auch hier im Forum vertreten ist. Wenn das nicht Maktoub ist.
Flori hatte alles im Griff. Der Werkstatt-LKW war schon am Ziel bei den Kaskaden von Tissint, der zusammengebrochene Wagen sollte dort hingeschleppt werden. Einige schrieen nach einem kalten Bier, was sie bei Naji bekommen hätten. Aber keine Chance, Flori dirigierte seine Leute mit starker Hand ab in die Wüste. Ich konnte ihm gerade noch so eben ein paar Bücher für Idoumou mitgeben.

im Sandkasten

Diesmal erlebe ich den Erg Chebbi wieder ganz anders. Es sind unglaublich viele Touristen hier, so viele habe ich noch nie gesehen, und sehr viel mehr als in Mhamid/Chegaga. Ich habe immer gegen der Bau der vielen Hotels geschimpft und die Ruhe des Erg Chegaga hervorgehoben, aber diesmal sehe ich es anders. Sicher sind nicht alle Herbergen ausgebucht, aber einige schon und die anderen haben ganz gut zu tun. Die Betten werden gebraucht.
Der ganze Erg Chebbi ist eine riesige Spielwiese für Jungs, ein einziger großer Sandkasten. Nirgendwo sonst ist das Dünenmeer so einfach erreichbar, man kann über gute Straßen im komfortablen Fahrzeug direkt bis in den Sand fahren, kann dann umsteigen auf was immer man möchte, Kamele, Quads, Enduro oder Geländewagen und bekommt das Wüstenerlebnis direkt und ohne Umstände serviert. Die Auberges sind komfortabel, die Biwaks nur wenige Kamelschritte entfernt. Die meisten Gäste bleiben mehrere Tage. Und die Jungs, die hier arbeiten, bieten eine tolle Atmosphäre mit ihren blauen Gandoras und mächtigen Chechs. Einerseits sind sie keine Hoteliers, sondern immer noch Nomaden ganz hinten in ihrer Seele, andererseits machen sie das ganze total professionell und viel besser als in Mhamid. Auch viele Biwaks sind hier noch ursprünglicher, authentischer als am Erg Chegaga, wo man inzwischen zu immer mehr Luxus übergeht. Und am Abend trommeln und singen sie sich die Seele aus dem Leib. Fast die perfekte Wüstenferienmaschinerie, die hier abgeht. Nur Dunkelheit, um die Sterne zu sehen, Stille, um die Wüste zu spüren, leere Weite, um mit den Kamelen zu gehen, die gibt es nicht mehr. Die findet man am Erg Chegaga.