Unterschiedlicher könnten die beiden Tage eines Wochenendes nicht sein. Ein Wettereinbruch war vorhergesagt, auch in Marrakech Kälte und etwas Regen. 11 Grad am Samstag. Das ist für mich eiskalt, etwa so wie in Taunusstein, dem ich entflohen bin. Die totale Depression hat mich erfasst. Ich war nicht mehr fähig das Hotel zu verlassen, blieb sogar die meiste Zeit im Zimmer. Und war miserabler Laune, fühlte mich total einsam. Bei allem war mir vollkommen klar, dass dies von mir selbst verschuldet ist, dass ich raus muss, um die Stimmung aufzuhellen, um mich besser zu fühlen. Aber unmöglich. Ich blieb sogar meist auf dem Bett liegen, um ein immerhin spannendes Buch zu lesen.
Und nahm mir vor, dass der nächste Tag nicht wieder so laufen sollte. Egal wie warm oder kalt.
Zum Glück kam die Sonne am Sonntag etwas mehr hinter den Wolken hervor, obwohl sie immer noch keine große Wärme verströmte. Also nahm ich mir vor, die beiden wichtigsten Campingplätze um Marrakech zu besuchen, Firdaous und Le Relais. Firdaous war relativ schnell erledigt. Es ist ein einfacher Platz in marokkanischem Besitz, ideal ist die Lage direkt an der Straße von Casablanca her für Durchreisende. Alles war in Ordnung, ich sprach mit einigen Gästen und weiter gings.
Le Relais ist in französischem Besitz und schon eine ganz andere Nummer. Wunderschön angelegt, mit Blumenbeeten zwischen den Stellplätzen, einem schönen Pool. Hier bleibt man gerne für ein paar Tage und genießt die Sonne. Ich traf einige Deutsche an, kannte einige bereits von früher und hatte nette Unterhaltungen, ich war ja nicht in Zeitdruck und konnte mich dazu setzen und einen Kaffee trinken. Danach überlegte ich. Ich hatte für den nächsten Tag eine Verabredung mit Familie Schatz, die in der Nähe von Marrakech ein interessantes touristisches Projekt betreibt, zu dem auch ein Stellplatz gehört. Aber wo ich schon mal unterwegs war könnte ich ja mal schauen, wo der Ort genau ist, um es mir für den nächsten Tag einfacher zu machen. Ich fand das Anwesen ohne Schwierigkeiten und als ich vor dem verschlossenen Tor eintraf kam gerade ein Mitarbeiter mit dem Moped und ließ mich ein. Nach einem Telefonat mit Frau Schatz war schnell geregelt, dass ich mir jetzt schon alles anschauen kann. Und das ist wirklich beeindruckend, wenn ich auch noch nicht alles so richtig gesehen habe. Zunächst einmal gelangt man zu dem Stellplatz. Er verfügt über drei schöne, von Büschen eingefasste Stellflächen mit Stromanschluss und einem kleinen Sonnendach. Davor sind sieben weitere Plätze auf Schotter, falls mehr Besucher kommen. Es ist ja kein offizieller Campingplatz und so rechnet man nicht unbedingt mit einem Riesenansturm. Dazu gehört ein Sanitärblock mit 2 WC, 2 Duschen und Waschbecken, wie bei einer deutschen Familie nicht anders zu erwarten, sehr sauber und in guter Qualität. Bei meinem Besuch war nur ein Stellplatz belegt, von einem deutschen Wohnmobil, das aber sehr geländegängig aussah. Türen geschlossen.
Danach spaziert man eine Weile durch den Garten, es gibt einen Orangenhain, zwei Fischteiche, Enten und Hühner und dazwischen Sonnenwiesen mit bequemen Liegen. Dann folgt ein Pool, in den gerade Wasser lief. Familie Schatz ist etwa 6 Monate im Jahr in Deutschland und 6 Monate in Marokko, nur dann wird der Pool gefüllt. Und wenn Camper auf diesem Platz stehen wollen ist eine vorherige Anmeldung anzuraten, da er eben nicht immer auf ist.
In der im orientalischen Stil erbauten Villa ist im Erdgeschoss ein großer, sehr gemütlicher Salon. Hier finden gemeinsame Abendessen mit den Gästen statt, hier wird gefeiert und musiziert. Im Haus sind mehrere schöne Gästezimmer, aber es ist kein Hotel im eigentlichen Sinne. Herr Schatz bietet seinen Gästen einen ganz besonderen Urlaub an, sehr persönlich ausgestaltet und nach einem Aufenthalt in diesem schönen Haus geht es mit seinem ebenfalls orientalisch ausgestatteten Bus auf eine Rundreise durch Marokko. Dies kann man nur direkt bei ihm buchen.
Als ich nun wieder zum Ausgang gehen wollte, begleitet von der Tochter Schatz, kam ich wieder an dem deutschen Wohnmobil vorbei. Und grüßte. Und das wars dann für ein, zwei Stunden. Es ergab sich so ein nettes Gespräch, wir hatten uns auch schon im Vorjahr mal getroffen und bei Wein und Knabberzeug verging die Zeit wie im Fluge. Und wieder ärgerte ich mich über mich selbst, warum nur hatte ich es am Samstag nicht aus dem Zimmer geschafft. Man muss nur raus und hat die schönsten Erlebnisse. Drei Campingplätze und der Tag war wunderbar ausgefüllt.
Doch nein. Da fehlte ja noch der Abend. Im Hotel erhielt ich einen Anruf von Abdou, ein Chauffeur würde mich um 19:30 Uhr abholen und es ginge zu einem Essen im Palmenhain. Da ich nicht wusste was mich erwartete ergriff ich zum mindesten noch meine warme Jacke, was durchaus gut war. Und dann begann ein orientalischer Traum. Auf einem verschlungenen Wege ging es in den Palmenhain von Marrakech, dunkel war es um uns herum, doch plötzlich leuchteten Kerzen auf und eine unglaubliche Kulisse lag vor mir. Der Horizont eingerahmt von Palmenwedeln, der Boden ausgelegt mit Teppichen und Kissen, Feuer loderten, eine Musikergruppe spielte Gnaua zum Empfang und Sekt und Cocktails wurden gereicht. In einem großen Zelt war festlich für das Diner gedeckt, ein weiteres Zelt bot Sitzpolster für den Kaffee und die Chicha danach, beide von Strahlern mollig warm geheizt. Der Hammer war auch der Toilettenbereich. Keine einfachen Dixieklos, sondern auch hier die Chemietoiletten orientalisch eingerahmt. Klar, dass ein solches Event nicht mir zu Ehren inszeniert worden war. Eine Gruppe von 60 Reisebüroangestellten war für 4 Tage in Marokko, eingeladen vom marokkanischen Tourismusministerium und Sahara Experience und dies war die Abschlussveranstaltung des informativen Kurzbesuches.
Viele Gedanken gingen mir dabei durch den Kopf. Ich hatte Abdou vor 16 Jahren kennengelernt, als er nichts weiter hatte als seine große Idee. Im Tourismusbereich etwas auf die Füße zu stellen, sein eigenes Auskommen zu haben, aber auch seinem Land Marokko zu helfen. Gleich im Jahr darauf war ich eingeladen worden zu einem Tourismuskongress in Marrakech und ich schleuste ihn sogar noch dort ein. Heute ist Abdou derjenige, der solche Events organisiert. Das zeigt mir doch wieder, dass es auch in Marokko möglich ist, etwas zu erreichen. Wer einen Bildungsgang durchläuft und dann wirklich arbeiten will kann auch in Marokko sein Glück machen, vielleicht nicht jeder in solch enormem Ausmaß wie Abdou, aber die vielen Menschen, die er beschäftigt, Fahrer, Führer, Köche, Kellner, sie alle können sich und ihre Familien damit gut ernähren. Keiner in seinem Umfeld hat es nötig, über das Mittelmeer zu flüchten und in Europa sein Glück zu versuchen.
Aber zurück zu diesem wunderschönen Abend, der jedem den Traum vom Orient erfüllte. Während des Essens ertönte laute Musik und zwei Bauchtänzerinnen kamen herein, umtanzten die wenigen Männer, denn Travel Agents scheinen zum großen Teil weiblichen Geschlechts zu sein. Wir Frauen bekamen leider keinen männlichen Augengenuss, dafür aber zwei Feuerschlucker, die vor dieser märchenhaften Kulisse ihre Feuerskünste zeigten. Im Chichazelt wurden die Pfeifen angezündet und am Ende rockten sich die Damen zu Musik der 1980er ab. Was für eine Nacht!