Archiv für den Monat: März 2016

Meine kleinen Helferlein

Hier will ich mal zeigen, wie man als Frau allein durch Marokko kommt. Oft werde ich ja dafür kritisiert oder bewundert, je nachdem, weil ich am liebsten alleine fahre. Auch auf Pisten. Aber tatsächlich bin ich ja nicht allein. Im Hintergrund habe ich doch eine ganze Armada von Helfern, die bereit stehen, wenn ich sie brauche. Aber auch in einem neuen Land, wie damals 2007 in Mauretanien, bekomme ich ein solches Netzwerk ziemlich schnell aufgebaut. Die Bewohner der nordafrikanischen Länder sind eben kontaktfreudig und hilfsbereit. Und meine eigenen Reiseführer sind im Notfall das beste Telefonbuch für mich.

Im Prinzip war ich auf dem Weg von Zagora nach Merzouga, allerdings wollte ich unterwegs noch so einiges abklären. Von der N 12 führen einige Stichstraßen nach Süden, früher Pisten, nun wollte ich schauen, wie weit der Teerbelag fortgeschritten ist. Von der N 12 bis zur Bergbaustadt Oum Jrane gab es kein Problem, alles geteert. Die Verbindung hinüber nach Fezzou ist immer noch Piste. Fezzou war einst ein sterbendes Dorf, aber da auch hier Straßenarbeiten im Gange sind kommen doch mehr Besucher hindurch und deshalb gibt es nun ein von außen sehr schön dekoriertes Café, das meine Aufmerksamkeit erregte. Und der Stopp hat sich unbedingt gelohnt. Brahim hat Jura studiert, fand aber keine Arbeitsstelle, und auch der Wunsch, nach Europa zu emigrieren, ging nicht in Erfüllung. So versucht er nun in seinem Dorf etwas auf die Beine zu stellen und ich hatte einen sehr interessanten Aufenthalt. Natürlich nahm ich alle seine Daten auf, denn er soll ja in den Führer. Er empfahl mir dann in Tafraout, wo ich hin wollte, in die neue Auberge von Said zu gehen, ich speicherte lediglich dessen GPS-Punkte ab.

Die Teerstraße ging über in Schotterpiste mit üblem Wellblech. Mit meinem wirklich komfortablen Discovery flog ich nur so über die Piste. Doch immer mehr drängte sich mir ein Geräusch auf. Mein Display in dem hochelektronischen Fahrzeug zeigte jedoch keinerlei Probleme an, ich vertraute der Anzeige völlig und schob das Geräusch und das heftige Stoßen auf das schlimme Wellblech. Ich erreichte Tafraout und dort schauten mich die Anwohner doch etwas seltsam an. Also stoppte ich. Und traute meinen Augen nicht. Mein Magen drehte sich schon beinah um bei dem Anblick, mir wurde ziemlich schlecht. In all den Jahren auf Marokkos Pisten habe ich noch nie so einen zerfetzten Reifen gesehen und es war klar, dass ich schon ein ziemliches Stück auf der Felge gefahren bin.

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Gleich vor mir deuteten zahlreiche Reifen auf eine entsprechende Werkstatt hin, doch kein Mensch war zu sehen. Frauen und Kinder scharten sich um mich, konnten natürlich auch nicht helfen. Ich ging ein wenig ins Dorf und traf einen Mann, der ganz gut Französisch konnte, er schaute sich das Desaster an und rief sofort den Mechaniker zu Hilfe. Der kam in wenigen Minuten mit Sohn auf dem Moped. Ich rief Brahim an und bat ihn, Said Bescheid zu sagen, dessen Nummer hatte ich ja noch nicht. Irgendwie brauchte ich jemand, der mir zur Seite steht. Ich hatte schon viele Reifenpannen im Laufe der Jahre und schon oft genug alleine in der Wüste die Räder gewechselt, doch dieser zerstörte Reifen und die Gefahr, dass die Felge beschädigt ist, machten mich ziemlich fertig. Said kam nicht bei, doch der nette Mann, ein Kommunalbeamter, hatte sämtliche Telefonnummern, er rief Said an. Es stellte sich heraus, dass ich die falsche Ortsangabe durchgegeben hatte und als Said dann kam, war auch gerade das Ersatzrad fertig aufgezogen. Und nach wenigen Worten stellte sich heraus, dass Said schon zum zweitenmal mein Retter war. Im Jahr 2012 war ich in Begleitung eines Einheimischen auf der Piste ab Taouz unterwegs, Moha fuhr, wollte mir abseits der Piste etwas zeigen und fuhr sich fest. Keine Chance ohne Hilfe wieder raus zu kommen. Also ging ich an die etwa 1 km entfernte Piste und wartete einfach, ob ein Fahrzeug vorbei kommt. Ein alter Defender tauchte auf und es war eben dieser Said, er zog uns raus. Said und sein Bruder betrieben damals in der nahen Oase Mharech eine Herberge, nun hat Said eine weitere in Tafraout eröffnet.

In dieser neuen Auberge fand ich also ein Zimmer mit Bad, aber ein wichtiges Problem gab es ja noch zu lösen, mir fehlte ein Reserverad. Also nahm ich mein „Telefonbuch“ zur Hand und rief Mohammed an, der in Erfoud das Restaurant Dakar betreibt. Ich bat ihn, sich nach einem passenden Reifen umzuschauen. 10 Minuten später kam der positive Rückruf, die Garage Royal genau gegenüber seinem Restaurant hat einen fast neuen, passenden Reifen. Nun musste ich also nur noch die gut 150 km heil ohne Reserve zurücklegen, was ich auch am nächsten Tag erfolgreich tat. Mohammed half nicht nur bei der Preisverhandlung, ich bekam den Reifen mit Montur für 1500 Dirham, in Tafraout hatte ich für die Reparatur freiwillig 50 Dirham gezahlt (in Euro eine Stelle weniger). Sondern lud mich obendrein  noch zur Pizza in seinem Restaurant ein. Da auch die Felge offensichtlich die Rüttelfahrt gut überstanden hat sind meine Probleme fürs Erste gelöst.

Palais Asma

Heute habe ich den Rekord gebrochen, den Rekord in der Länge der Tagesetappe. Immerhin 500 Meter habe ich geschafft, vom Palais Asma zum Riad Dar Sofian, meiner zweiten Heimat. Das schöne Gästehaus war gestern ausgebucht, schade für mich, gut für den Besitzer, und so habe ich im Palais Asma geschlafen, das zur gleichen Familie gehört und in dem ich tatsächlich bisher noch nie gewohnt habe. Ich wollte es gerne mal ausprobieren, hatte ich es doch schon während der Bauzeit besichtigt, wo mir der Bauherr jedes Detail liebevoll erklärte. Aber wie das häufig in Marokko so ist, ein Projekt wird wunderschön geplant und auch aufgebaut, aber danach fehlt es an allen Ecken, es wird nicht gut erhalten.

Der Empfang an der Rezeption war ordentlich, auch kam sofort ein Portier und half mir mit dem Gepäck. Das ist auch gut so, denn die Orientierung innerhalb des weitläufigen Hauses ist kompliziert und auch beim zweitenmal finde ich mein Zimmer noch nicht sofort. Aber obwohl das Hotel noch nicht alt ist, wirkt das Zimmer auf mich abgewohnt. Ein uralter Röhrenapparat an der Wand hat keine Programme in englisch oder deutsch, die Matratze ist unbequem, die Möbel verlieren ihre Lackierung. Im Bad nicht nur sehr primitive Pflegeprodukte, der Hammer ist, dass eines davon bereits entleert ist. Und in der Badewanne sind Haare. Die Handtücher rau und hart. Das Frühstück dann mehr als rudimentär. Da eine Gruppe gerade abgereist war gab es nur Reste, keine Crêpes, Baguette war aus, Kaffee eine leichte braune Brühe und der Orangensaft hat mit Orangen nur die Farbe gemein. Fazit: Das Ambiente und der Garten mit Pool sind ganz nett, Service und Frühstück könnten besser sein. Für Gruppen okay, die vermutlich einen Dumpingpreis bekommen, für Einzelreisende nicht zu empfehlen.

Im Riad Dar Sofian angekommen bestelle ich mir erstmal eine Koffeinzufuhr!

Inch’allah

Jaja, die Wege des Herrn. Nach zwei sehr angenehmen Wochen im staubigen Mhamid wollte ich mich vor der Weiterfahrt Richtung Merzouga noch zwei Tage in Zagora mal so richtig säubern. Mich und meine Kleidung. Also ging es zunächst zur Reinigung, um ein Kleiderpäckchen abzugeben. Auf dem Weg dorthin sehe ich eine Gruppe von Leuten, Moment mal, das ist doch Anne, die ich in Mhamid zum Festival getroffen hatte und die eines Morgens angefahren war, ohne dass wir uns noch verabschieden konnten. Ich hupe, sie erkennt mich sofort und wir verabreden, einen Tee zusammen zu trinken. Aber erst Reinigung. Ich frage, ob die Sachen morgen fertig sind, die Antwort: Inch’allah. Der arme Gott, nun muss er auch noch über meine schmutzigen Hosen entscheiden.

Anne ist in Begleitung eines weiteren Camper-Kollegen, Torsten und drei jungen Mädels. Die sind neu in Marokko und wollen in die Wüste. Gingen ziemlich unschlüssig von einem Wüstenbüro zum anderen, wussten nicht recht, wo und was sie buchen sollten, bis sie Anne und Torsten trafen, die sich ihrer annahmen. Anne meinte, so eine Tour beginne man am besten von Mhamid aus, dort sei Edith, die könne vielleicht helfen. In dem Moment fuhr ich vorbei! Wieder einmal Allah, oder?

Ja, ich konnte den Mädels helfen, zu einer schönen Tour und einem Nachmittag am Pool in Mhamid. Es war eine nette Gruppe und so fiel mir plötzlich ein, dass Belaid vom Camping Prends ton Temps mich schon die ganze Zeit zu einem kleinen Fest einladen wollte. Ich hatte keine Lust hinzugehen. Belaid ist ein hervorragender Musiker, hat eine komplette Ausrüstung und tritt auch manchmal auf. Ich habe ihm schon oft begeistert zugehört. Was mich abhielt war die fehlende Gesellschaft. Allein da zu sitzen und den Jungs zuzuhören, nein, dazu hatte ich keine Lust. Aber das hier war doch eine Gelegenheit. Ich schlug ein gemeinsames Abendessen vor, alle waren begeistert, ohne dass sie wussten, was sie erwarten würde und ich fuhr schnell mal zu Belaid, um zu hören, ob er überhaupt im Lande ist und für uns spielen kann.

Ja, Belaid war da und ich bestellte Couscous. Um 7 Uhr holte ich die Mädels ab, und hatte nicht so recht überlegt, dass ja Zeitumstellung war und es um 7 Uhr noch sonnig und viel zu früh zum Essen war. Machte aber nichts, wir gingen zur Auberge und tranken Tee, ein paar Fläschchen Wein hatten wir auch eingepackt. Bei Belaid gibt es das nicht zu kaufen und so kann man seinen eigenen Wein mitbringen. Torsten und Anne kamen dann um 8 Uhr, denn sie hatten sehr wohl an die Umstellung gedacht. Und Bruder Abdellah brachte einen riesenhaften Couscous an den Tisch.

Wir hatten Glück, es war nicht nur Belaid anwesend, sondern noch zwei Marokkaner, die ich schon auf dem Festival gesehen hatte. Sie sind ebenfalls Musiker, sind dort aber nicht aufgetreten. Die Auswahl an Instrumenten bei Belaid ist einfach riesengroß und so spielten bald sechs leute nur für uns. Immer wieder kam einfach jemand von draußen rein, ergriff sich eine Trommel und spielte mit. Belaid singt auch und es war ein Konzert vom feinsten. Trommelabends in der Wüste sind auch wunderschön, aber das hier war ein richtiges Konzert, sehr prfessionell. In der Evke saß noch ein einzelner Herr, ein Franzose. Ich dachte, ah ja, ein Camper vielleicht. Bei Belaid kann man ja in hübschen Zimmerchen wohnen oder auf dem kleinen Campingplatz. Sehr viel später kam Abdellah bei mir vorbei und sagte mir, dass der Herr ein vom Guide du Routard sei, also ein Berufskollege von mir. Mit dem Guide du Routard kann ich es absolut nicht aufnehmen, das ist ein wichtiger Guide, der in etliche Sprachen übersetzt wird und den viele Reisende nutzen. Aber was mir richtig gut tat, war die Tatsache, dass Belaid das Fest mir zu Ehren gab. Nicht wegen meinem Buch, sondern aus Freundschaft. Das ist mir unglaublich wichtig. Klar behandelt mich jeder, der vom Tourismus lebt, als Autor eines Reiseführers besonders gut. Und ich kann das auf eine professionelle Art auch akzeptieren. Aber ich will auch Freunde haben, die mich als Person mögen und nicht nur wegen meiner Bücher. Belaid und sein Bruder Abdellah gehören dazu. Danke.

Und nur mal so am Rande: Abdellah brachte den Herrn zurück in sein Hotel, er wohnt im Reda, einem großen unpersönlichen Gruppenhotel. Das zeigt mir eigentlich, dass er wenig Ahnung hat. Da wohnen doch die Individualreisenden, für die sein Buch ist, nicht.

Wir dachten manchesmal ans Aufbrechen, aber es kam immer noch ein neues Lied und der Abend war so wunderschön, es war Mitternacht, als wir endlich aufbrachen.

Reisen gestern und heute

Wie jeder nun zur Genüge weiß reise ich seit drei Jahrzehnten durch Marokko. Und niemals wäre ich in all den Jahren auf die Idee gekommen, mir zuvor ein Hotel zu reservieren. Es gibt bekannte Ausnahmen, und das sind die touristischen Städte wie Marrakech, Essaouira und Fes. Dort sollte man, wenn man etwas bestimmtes möchte, schon reservieren. Die andere wichtige Ausnahme ist Merzouga an Ostern. Dann setzt sich wirklich jeder Spanier, der über einen geländegängigen Untersatz verfügt, in ebendiesen und fährt für die Semana Santa, die heilige Woche vor Ostern, nach Merzouga. Das sollte man zu dieser Zeit komplett meiden.

Aber nun bin ich in dem Wüstenkaff Mhamid und all die Leute, die hier auftauchen, haben zuvor reserviert. Klar, eine Wüstentour sollte man reservieren, dazu ist eine aufwändige Logistik erforderlich, aber ein Hotelzimmer gleich welcher Art ist hier immer zu bekommen. Ohne Reservierung reist man frei und uneingeschränkt, und ist auch vor Überraschungen sicher. Denn gerade die einfachen Hotels setzen oft Fotos ins Netz, die der Wirklichkeit wenig entsprechen. Und dann ist man enttäuscht. Ich bin immer ohne Anmeldung gereist, konnte so frei entscheiden, wo und wie lange ich bleibe und wenn mein Ziel wirklich mal ein Ort war mit wenig Hotelbetten, dann habe ich am Nachmittag angerufen und gefragt, ob noch was frei ist. Ich habe hier in Mhamid etliche getroffen, die etwas traurig darüber waren, dass durch die Reservierung ihre Reiseroute fest steht. Denn es kommt ja noch hinzu, dass man sich heute abgesehen vom Hotel kaum informiert. Man fährt einfach los. Aber gerade Marokko ist ein Land mit Überraschungen, wenn man nicht einen Reiseführer hat, so wie meinen, der über die schönsten Strecken berichtet, erfährt man das erst unterwegs von anderen und kann es nicht mehr einbauen.

Obwohl – dann kommen die Leute vielleicht ein zweites Mal! Marokko wird sich freuen.

Im Biwak

1986 im Frühjahr war meine erste Marokkoreise, die mich so sehr begeistert hat, dass ich noch im gleichen Jahr einen Geländewagen kaufte und nach Marokko zurück kam. Und dann habe ich auch meinen ersten Kamelausflug in die Wüste gemacht. Vor dem Hotel La Fibule in Zagora warteten die Kamele, nach Mhamid kam man damals nicht so leicht und zum Erg Chegaga schon gar nicht. Marokko und Algerien hatten Differenzen über den Verlauf der Grenze und der Süden ab Tagounit war nur mit Genehmigung und Führer befahrbar. Schon im nächsten Jahr wurde das aber aufgehoben.

Doch was wusste ich damals schon von Chegaga, ich hatte noch nicht mal den Namen gehört. Also begann für mich die Wüste vor Zagora. Wir waren drei junge Frauen, den Kamelen wurde unser Übernachtungsgepäck aufgeladen und hoch ging es auf mein erstes Kamel. Ist ja nicht so einfach, wenn das Tier erst auf die Vorderbeine geht, dann auf die Hinterbeine und man sich ganz schön an dem unbequemen Touristensattel festklammern muss. Da fällt auch durchaus schon mal jemand runter. Die Tuareg würden auf so einem komischen Ding nicht reiten, sie haben ganz hohe Holzsättel, ledergebunden und verziert und sitzen darauf mit vor sich gekreuzten Beinen und nackten Füßen. Mit diesen lenken sie das Dromedar. Für einen richtigen Tuareg muss sich das Kamel auch nicht hinlegen, sie klettern über Knie und Hals des Tieres hinauf. Aber ein Tourist wiederum könnte sich nicht auf so einem Sattel halten.

Wir ritten also am Nachmittag hinaus in die Wüste vor Zagora, fanden am Boden die leuchtend gelben Bitterkürbisse. Ich war so unvorsichtig, einen anzufassen, was zunächst nicht weiter auffiel. Erst als ich viel später mit meinen Fingern zum Mund fasste kam der schrecklich bittere Geschmack, also das muss wirklich nicht sein. Wir fanden eine einsame Palmengruppe und schlugen dort unser Lager auf, an Zelte war damals noch nicht zu denken. Die Kamele wurden angehobbelt, wer nicht durch Karl May gebildet ist, dabei werden die Beine so zusammengebunden, dass das Tier zwar ein wenig laufen und nach Futter suchen kann, sich aber nicht allzu weit entfernen. Unsere beiden Begleiter begannen sodann mit der Zubereitung des Abendessens, wobei wir durchaus einbezogen wurden, wir schnippelten Karotten und schälten Kartoffel. Unser Lager bestand nur aus Wolldecken auf dem Sandboden, es gab weder Matratzen noch Stühle oder Tische. Zur Beleuchtung gab es Sonne, Sterne und Mond. Nach dem Sonnenuntergang tranken wir zunächst einen Tee, und irgendwann war auch das auf Holzkohle schmorende Tajine fertig. Wir unterhielten uns sehr nett mit den beiden Kameltreibern/Köchen und es gab, obwohl wir noch recht junge Frauen waren, nicht die geringste Anmache oder unangenehme Situation.

Danach sank jeder auf seinen Decken nieder, betrachtete den unglaublichen Sternenhimmel und die leuchtende Milchstraße und irgendwann fielen dann die Augen zu. Und am nächsten Morgen verblüfften uns unsere Begleiter mit dem Auftrag, hinaus in die Wüste zu gehen und die Dromedare zu suchen. Wir schafften es, natürlich nur mit etwas Hilfe.

Viele Jahre lang habe ich keinen Wüstenausflug mehr gemacht. Natürlich bin ich oft mit meinem Geländewagen über Pisten gefahren, habe auch häufig in meinem Zelt frei in der Wüste geschlafen. Viele der heutigen Asphaltstraßen waren damals noch schwierige Pisten und wer zum Beispiel von Mhamid nach Merzouga fahren wollte brauchte meist eine Übernachtung unterwegs. Und Hotels, nada!

Dann lernte ich Abdou kennen, der im Jahr 2000 gerade seine Agentur Sahara Services gegründet hatte. Und irgendwann nahm ich dann an einem seiner Ausflüge teil. Er hatte damals nur ein einziges Biwak am Erg Chegaga, eben so, wie die Biwaks damals waren. Es waren braune Nomadenzelte, nach wenigen Jahren wurden aber schon an den Seiten Lehmmauern errichtet und darüber Zeltbahnen gespannt. Innen schlief man zunächst auf Matten, bald aber kamen Betten, damit die Gäste nicht Angst vor Schlangen und sonstigen Krabbeltieren haben mussten. Abseits war ein Klohäuschen, mehr schlecht als recht, in Zagora waren wir noch einfach in die Wüste gegangen, aber es gab ja auch wesentlich weniger Touristen. Und zum Essen setzte man sich auf einen niedrigen Hocker an einen ebensolchen Tisch. Ich habe es gehasst und fand das total unbequem, schimpfte mit Abdou und sagte, die ganze Wüstenatmosphäre ist doch dahin. Aber er konterte, dass die Gäste das haben wollen, sie wollen nicht auf dem Boden sitzen oder schlafen. Ich konnte den Wüstentourismus nicht aufhalten und hielt meinen Mund.

Dann ging es bei Abdou eine Stufe höher, er hat schon immer den Blick nach vorne gerichtet, hat immer gute, neue Ideen. Die braunen Nomadenzelte wurden durch weiße Festzelte ersetzt, was den Vorteil hatte, dass man darin überall stehen konnte. Und hinten war ein kleines Babyzelt angebaut, das eine Nasszelle mit Chemieklo und Eimerdusche enthielt. Vom Solarpanel gab es abends ein wenig Licht.

Doch seit kurzem hat Abdou ein drittes Camp, ein Luxus-Biwak. Und obwohl nun tatsächlich die eigentliche Wüstenatmosphäre weg ist lieben die Gäste dieses Camp und auch ich bin voll darauf eingeschwenkt. Heute Nacht habe ich wieder einmal dort geschlafen und es ist einfach toll. Die Zelte stehen ein wenig entfernt vom Nachbarn, auch hier wieder weiße Festzelte und jedes hat, wenn auch nur von einer Zeltbahn abgetrennt, ein richtiges Bad mit Sitz-WC, Waschbecken und Dusche. Und dazu gibt es rund um die Uhr Licht vom Solarpanel und sogar eine Steckdose, um das Handy zu laden, obwohl es in Chegaga nur an wenigen Stellen auch Empfang hat. Die breiten, bequemen Betten haben wunderbar weiche Zudecken, die Zelte sind gemütlich eingerichtet und vor jedem Zelt ist eine kleine Terrasse mit zwei Sesseln, so dass man hier den Abend genießen kann.

Sofern nicht die Kamele bereits warten, um die Besucher zu den Sanddünen zu bringen. Wir sind fast eine Stunde geritten und haben dann von der höchsten Düne den Sonnenuntergang beobachtet, es war ein wunderschöner, windstiller Abend nach Sandsturm und Regen die letzten Tage. Zurück im Lager gab es dann Tee und Nüsschen, um 8 Uhr wurde von den netten, blau gewandeten Jungs das Abendessen serviert, ganz lecker Couscous mit Gemüse und Rinder-Tajine mit Pflaumen. Danach saßen alle um das Lagerfeuer, die einheimischen Jungs trommelten, was das Zeugs hielt und forderten dann die Gäste auf, auch etwas zum Besten zu geben. Meine drei Kunden, die diesen Ausflug bei mir gebucht hatten und die ich in die Wüste begleitete, konnten ebenso wie ich kein Lied, aber eine Gruppe Österreicher brachte richtig schönes Volksgut zu Gehör mit dazu passendem Klatschen. Ein durchaus gelungener Abend.

Und das Frühstück am nächsten Morgen überraschte mit Crêpes und Pfannkuchen in der Wüste. Nicht schlecht.

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Mhamid

Am letzten Wochenende war wieder Festival in Mhamid und die Sonne lachte dazu. Vor allem aus heutiger Sicht, nach einem Sandsturm am Montag und Regen heute weiß ich erst richtig zu schätzen, wie schön und herrlich heiß das Wetter war, einfach gerade richtig. Trotzdem bin ich zu den Aktivitäten kaum gegangen, es ist ja schon mein drittes Festival und ich bin nicht sehr musikbegeistert. Ich fand es viel schöner, abends todmüde von den vielen netten Gesprächen ins Bett zu sinken und von dort der Musik zuzuhören, die dann irgendwann in einen Schlaf überging. Fast wie zu Hause beim Fernsehen. Jetzt nach dem Festival ist Schlafen nicht mehr so einfach.

Ansonsten habe ich natürlich wieder ein wenig recherchiert und selbst im altbekannten Mhamid so manches Neue gefunden. Vor allem den magischen Baum. Die Örtlichkeit wird nicht verraten, Agenten lesen mit, das steht dann in der nächsten Ausgabe des Reisehandbuchs. Es handelt sich um eine Tamariske, die auf einem hohen Sandhügel steht. Diesem Ort wird magische Hilfe bei der Suche nach einem Ehemann zugesprochen. Die jungen Mädchen versammeln sich und steigen den Hügel hinauf, um Couscous zu kochen, zu feiern und zu tanzen. Abschließend wird ein Fetzen vom Kleid an den Baum gehängt und man lässt sich den Hügel herunterkullern. Das alles soll helfen, den Ehemann bald zu finden.

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Ein Einheimischer hat mir erzählt, dass es dafür in der Geschichte einen realen Hintergrund gibt. Der Marabut des Dorfes war der Schutzpatron der Karawanen, die alle hier Station machten und um seinen Segen baten. Darunter waren viele alleinstehende Männer. Die feiernden Mädchen ganz in der Nähe konnten so deren Aufmerksamkeit erregen, und zack, die Sache war gelaufen.

Hochzeit

Von Zagora ging es weiter nach Süden und die erste Station vor Mhamid war natürlich das Café Fata Morgana. Die Münchnerin Isolde hatte es vor ein paar Jahren als Privathaus mit kleinem Café erbaut und Isolde war mir zur guten Freundin geworden. Wenn ich bei ihr war konnten wir so richtig schwätzen. Doch leider ist sie vor zwei Jahren verstorben und sie fehlt uns allen sehr. Ihr einstiger Angestellter Ali kümmert sich noch immer um das Haus, wird natürlich von niemand mehr dafür bezahlt und versucht, das Café weiterzuführen, kommt aber mehr schlecht als recht über die Runden. Ali lud mich ein zu einer Hochzeit. Sie sollte am nächsten Tag beginnen. Ich nahm die Einladung gerne an, wusste aber schon vorher, dass es schwierig wird, denn solche Feiern gehen streng getrennt, ich muss mit den Frauen sitzen und kann mich doch nicht mit ihnen unterhalten. Trotzdem war es sehr interessant. Wir waren etwa 15 Frauen in einem Raum in der alten Kasbah, aber es war ein Kommen und Gehen. Mal wurde was auf den Tisch gestellt zum Essen, Erdnüsse oder ein Nudelgericht, dann griffen die Frauen zu einer Trommel, sangen und tanzten. Und natürlich hatten sich alle in ihre schönsten Kleider gehüllt und genau wie in unserer Gesellschaft schaute man genau, was die andere anhatten, welchen Schmuck sie tragen. Der Reichtum der Familie wird in Goldschmuck ausgedrückt. Demnach war ich ziemlich arm, trug aber immerhin ein Kleid mit Hose, das in der buntbestickten Art von Tamegroute genäht war. Mit meinen üblichen Caprihosen und T-Shirt hätte ich hier nicht erscheinen können. Trotzdem hätte ich viel lieber mit den malerisch im Garten verteilten Männern gesessen.

Daher wurde mir die Rumsitzerei zu langweilig. Ich verabschiedete mich, musste aber versprechen, am nächsten Tag wiederzukommen. Da sollte ein großes Frauenfest sein. Auf dem Campingplatz fand ich ein junges amerikanisches Paar und lud die Beiden ein. Das war schon besser, diesmal wenigstens ein wenig reden zu können. Ratha ist interessanter Abstammung, sie ist halb chinesisch, halb kambodschanisch und kam als kleines Kind in die USA. Ihr Aussehen fiel daher nicht zu sehr auf, nur an der Kleidung merkte man, dass sie fremd war. Ratha trug ein langes Kleid und hatte ein Tuch über Haare und Schulter gelegt, so konnten wir uns schon sehen lassen. Diesmal war richtig viel los, bestimmt 100 Frauen kamen und gingen und jeder brachte einige Zuckerhüte mit. Was ich nicht so richtig verstand. Was will man mit so viel Zucker. Erst sehr viel später kam ich zumindest ein wenig weiter. Denn in einem Vorraum, durch den jeder musste, standen unzählige Kisten mit Zuckerhüten. Die Besucher kamen jeweils, kauften einige davon, je nachdem wieviel Geld sie ausgeben wollten, der Betrag wurde in eine Liste eingetragen, und dann wurde der Zuckerhut übergeben. Später würde man diese alle wieder einsammeln und im Geschäft verkaufen. Und wenn jemand von der Liste ebenfalls eine Hochzeit veranstaltet, wird je nach der Höhe des Betrages ein Gegengeschenk gemacht.

Hmh, kompliziert. Für uns.

Die Frauen waren sehr lieb zu uns, fragten nach unseren Namen, gaben uns Tee. Musik gab es an dem Tag wenig. Später verabschiedeten wir uns, aber der Gastgeber ließ uns nicht weg, bevor wir noch etwas aßen. Und versprachen, am Abend wiederzukommen. Nach Sonnenuntergang.

Und da gab es endlich ein wenig mehr Action. Die Frauen hatten sich inzwischen in einem Hof der Kasbah versammelt, lagerten auf Teppichen, die weiß gekleideten Männer saßen wieder so richtig malerisch im Garten zusammen. Und diesmal war es uns auch erlaubt, uns zu ihnen zu setzen. Und sogar Fotos zu machen, die nun auch von den Einheimischen in großer Zahl gemacht wurden. Dann aber ging der nächste Programmpunkt los. Alle Männer gingen nach draußen, versammelten sich im Palmenhain und kamen dann langsamen Schrittes und singend zurück. In ihren Reihen hatten sie zwei dunkel verhüllte Männer, das waren die Bräutigame, denn es war ja eine Doppelhochzeit. Singend wurden sie in den Hof der Kasbah geführt, laut singend und trillernd wurden sie von den Frauen empfangen. Nun also endlich alle in einem Garten, wenn auch auf getrennten Seiten. Aber die Grenzen waren verwaschen. Dann kamen drei alte, schwarz verhüllte Damen und rührten Hennah an, damit wurden den Bräutigamen die Hände eingerieben. Aber keine schönen Muster wie bei den Frauen. Danach wieder Singen und Tanzen. Die Männer, aber auch zwei Mädchen wagten sich vor zum Tanzen, die Augen schamhaft zum Boden gedreht. Inzwischen war es neun Uhr und das sollte so weitergehen bis nach Mitternacht, erst dann würden die Bräute von ihren Familien abgeholt.

Uns Europäern war das denn doch zu spät und wir verabschiedeten uns. Aber es war eine sehr interessante Erfahrung.

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Taunusstein und anderswo in Deutschalnd

Ich habe meinen blog von gestern noch mal durchgelesen und merke schon, dass meine Taunussteiner Mitbürger vielleicht böse sein könnten. Deshalb will ich hier doch klarstellen, dass es durchaus auch in Taunusstein und auch überall sonst in Deutschland nette, intelligente Menschen gibt. Mit denen man sicher wundervoll diskutieren könnte.

Nur lerne ich sie nicht kennen. Eine Reise ist eine ganz andere Situation. Man ist fern von zu Hause und kommt wie hier beim Abendessen viel leichter ins Gespräch. Hat auch mehr gemeinsame Themen. Oder bei meinen Rundgängen auf den Campingplätzen, obwohl es da meist nur über campingrelevante Themen geht. Aber in den sechs Jahren Taunusstein ist es mir nicht gelungen, dort nette Bekanntschaften aufzubauen. Als ich im letzten Jahr anfing, mich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren, tat ich das nicht nur, weil ich den Menschen ein wenig von der Gastfreundschaft zurückgeben wollte, die ich auf meinen Reisen erhalte. Ich dachte auch, das wäre eine gute Gelegenheit, Menschen in Taunusstein kennenzulernen, mit denen mich etwas verbindet. Mit denen man mal reden kann, zusammen etwas unternehmen. Aber leider ist mir das überhaupt nicht gelungen. Im Gegenteil, der Helferkreis, in dem ich war, da gab es eher Anfeindungen. Da glaubte jeder, er sei der Einzige, der es richtig macht, und alle anderen machen alles falsch. Es gab mehr Gezank als gute Taten. Deshalb habe ich mich am Ende nur auf die Romafamilie konzentriert, die betreut und mich den Kindern als Ersatz-Oma präsentiert, sogar meine eigene Familie miteinbezogen. Was mir viel Spaß machte. Aber ein gedanklicher Austausch mit der Familie war nicht möglich. Dazu fehlt beiden Seiten die Sprache. Dabei hätte ich bestimmt sehr viel von der Familie lernen können. Auch wenn sie nach Albanien zurück müssen werden wir den Kontakt sicher aufrecht erhalten.

Politik zum ersten …

Marokko ist einfach unglaublich. Nun bin ich schon vier Tage im Riad Dar Sofian in Zagora und eines, was mir wichtig ist, außer der netten Unterbringung und einem guten Essen, ist der Kontakt zu Menschen. Gespräche. Interessante Gespräche.

Und die hatte ich bisher. Da ich Zagora gut kenne und immer viel Zeit hier verbringe, hatte ich wenig zu recherchieren und die vier Campingplätze waren auch schnell besucht. Ja klar, auf jedem Platz gab es auch wieder nette Gespräche, aber wichtig ist halt auch der Abschluss am Abend. Bisher konnte ich da nicht klagen. Richtig viel zu tun war im Augenblick nicht, das Hotel bei weitem nicht ausgebucht, aber jeden Abend waren doch ein, zwei Tische besetzt und ich kam immer mit meinen Nachbarn ins Gespräch. Es waren tatsächlich immer Deutsche, obwohl das nicht so wichtig ist, die Hauptsache ist, man kann sich verständigen. Gestern Abend war es besonders nett. Ich und ein weiterer Tisch mit einem deutschen Paar saßen bereits beim Essen, da ging die Tür auf und zwei Männer kamen rein. Wiesen auf die Empfehlung bei „Edith Kohlbach“ hin und fragten, ob noch ein Zimmer zu haben sei. Der Rezeptionist wies mit der Hand auf mich und meinte, da sitzt sie. Klar, dass damit ein nettes Gespräch eröffnet war. Die Beiden waren mit je einer BMW im Land, erste Marokko-Tour, und eine Maschine war kaputt. Da sie mein Buch hatten waren sie auch schon bei Ali Nassir, der hatte sich gekümmert, brauchte aber Teile, die er hoffte, aus Casablanca zu bekommen. Was hier ziemlich schnell geht. So was kommt mit Bus und Taxi meist übernacht, Fedex ist nicht so schnell. Am Morgen fuhr ich sie dann in die Werkstatt, aber dort gab es traurige Nachricht, die Teile sind in Marokko nicht zu bekommen, was auch schon vermutet worden war, und der Rücktransport zur Fähre nach Tanger war bereits von Ali in die Wege geleitet. So was ist teuer, bestätigt mir hier jeder, es kostet 9000 Dirham, aber ein versicherter Transport, und damit freie Fahrt an allen Polizeikontrollen. Ich werde es erfahren, durch das arabische Telefon, wie es gegangen ist.

Dann gab es heute auch so einige politische Nuancen. In Rabat haben sich etwa 3 Millionen Menschen zu einer Demonstration versammelt. Es geht um die Westsahara. Der UN-Generalsekretär war kürzlich im Polisario-Lager auf algerischem Gebiet und hat so etwas durchblicken lassen, dass Marokko gegen das Völkerrecht die Westsahara annektiert habe. Ich habe dazu eine persönliche Meinung, und die ist die, dass Marokko das Gebiet nicht nur ausgebeutet hat, sondern ganz entschieden darin investiert hat, was der Westsahara sehr gut bekommen ist. Die Saharaouis, die zunächst in Zeltlagern gelebt haben, haben feste Häuser bekommen, eine Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen und alle Lebensmittel und sonstige Kosten werden dort stark subventioniert, so dass es den Leuten recht gut geht. Anders als in den algerischen Lagern, wo immer noch in schlimmen Verhältnissen in Zeltlagern gelebt wird. Ich kann diese Unabhängigkeitsbestrebungen in der heutigen globalen Zeit nicht verstehen, die Saharaouis wären allein nicht lebensfähig und sollten froh sein, zu Marokko zu gehören. Ähnliche Lebensbedingungen, wie sie in der Unabhängigkeit zu erwarten hätten, herrschen in Mauretanien, so ziemlich dem ärmsten Land in Afrika. Ich glaube kaum, dass dies erstrebenswert ist.

Das gab mir schon zu denken und ich hätte mir nichts mehr gewünscht, als einen Gesprächspartner zur Diskussion. Zudem waren ja heute auch in Deutschland drei Landtagswahlen, die interessante Ergebnisse zeigten und so fing ich mit meinem Freund Manfred einen Chat an. Das ganze zum Aperitif vor dem Abendessen, das heute ganz traurig aussah. Es hatten sich keinerlei Gäste eingefunden, keine Dinnergespräche. Nur virtuell.

Der Kellner kam und deckte den Nebentisch. Ich fragte natürlich gleich, ob es neue Gäste gäbe. Ja, meinte er, zwei Marokkaner seien noch da, aber er wisse nicht genau, ob die essen wollten. Also weiter mit Manfred gechattet. Dann kamen sie. Der Kellner schaltete den Fernseher ein. Abtörnend. Aber dazu muss man wissen, dass es einfach Kulturunterschiede gibt. In Deutschland schaltet man den Fernseher aus, wenn Gäste kommen. Hier an. Das ist einfach der gute Ton hier. Ich war natürlich erstmal sauer. Sagte also keinen Ton. Schaute nicht hin. Nachrichten liefen, in arabischer Sprache. Und dann sagte der eine zum anderen etwas auf Arabisch, das ich aber verstand. Donald Trump sei doch genau wie Hitler.

Da konnte ich nicht mehr an mich halten. Und schaltete mich in das Gespräch ein. Und es lief einfach unglaublich weiter. Es waren zwei Brüder, um die 40. Der eine wohnte in Casablanca und ist der Direktor einer deutschen Aufzugsfirma (Thyssen). Der andere lebt in Connecticut, was er macht habe ich nicht gefragt. Zwei absolut gebildete, wohlerzogene, intelligente Menschen. Das Gespräch lief über Stunden. Wir haben alles abgehandelt. USA, Marokko, Deutschland, die Welt.

Das ist der Grund, warum ich reise. Und warum ich mich in Taunusstein doch nicht hundertprozentig wohl fühle.

Was für ein Abend.

Schwätzchen am Oued Tissint

Die erste Aktion heute früh war, mit dem Moped ins alte Tissint zu fahren. Der Kellner Mohammed ließ mich hinten aufsteigen und los ging die Höllenfahrt. Mit Karacho durch die Gassen des alten Ksar, nicht mal einen Meter breit. Das Foucauld – Haus war mein Ziel. Charles de Foucauld war ein berühmter Franzose, der im 20. Jahrhundert durch die Sahara reiste und auch einige Zeit in Tissint wohnte. Von der einst blühenden, reichen Oase ist heute kaum mehr etwas zu sehen. Die Trockenheit hat die meisten Palmen zerstört. Aber damals war das eine wichtige Karawanenstation, ein reiches Dorf mit einem florierenden Handel. Foucault wohnte in dem Haus eines reichen Kaufmanns und seit Jahrzehnten weiß ich bereits davon. Nur, angeschaut habe ich es nie. Einfach weil das alleine unmöglich ist und weil es in dem unscheinbaren Tissint für mich unmöglich war, die entsprechenden Kontakte zu knüpfen. Doch nun hat das neue Hotel von Naji all dies geändert und Tissint findet Eingang in die Welt des Tourismus. Und es lohnt sich.

Wir fuhren also in das alte Dorf und den überdachten Ksar. Dann ließ Mohammed mich warten, ich übergab ihm 20 Dirham, so wie man es mir an der Hotelrezeption gesagt hatte, und er suchte die Inhaberin des Schlüssels. Das Haus ist heute nicht mehr bewohnt, aber verschlossen. Und das ist gut so. Denn als Mohammed mit der Schlüsselgewaltigen zurück kam und das Tor unter Schwierigkeiten aufgesperrt wurde, was offensichtlich lange nicht mehr getan wurde, erschloss sich mir ein wunderschönes altes Haus mit herrlichen Wanddekorationen. Wieder ganz anders im Stil, als ich bisher gesehen hatte. Das Haus ist nicht möbliert und die Kammer, in der Foucault geschlafen hat, nicht mal so groß wie mein ganzes Bett. Mit Sicherheit war der Franzose kleiner als ich. Aber damals war man halt auch bescheidener. Selbst wenn er nie hier gewohnt hätte und das Haus daher nicht diesen geschichtlichen Bezug hätte, so wäre der Besuch dennoch unbedingt lohnenswert, denn man kann immer noch erkennen, dass das riadartige Haus wunderschön war. Im Zentrum ein winziger, quadratischer Innenhof, von geometrisch verzierten Säulen bestanden, darüber ein weiteres Stockwerk mit Rundbögen. Die Wände sind mit Zeichnungen verziert.

Nach dem Besuch übergab Mohammed die vereinbarten 20 Dirham, aber die liebe Dame war nicht damit zufrieden und startete ein ziemliches Gezeter, doch sind die 20 Dirham ein absolut korrekter Preis verglichen mit ähnlichen Einrichtungen. Doch selbst wenn man die geforderten 50 Dirham zahlen muss ist der Besuch es in meinen Augen wert. Abgerundet wurde das Ganze noch dadurch, dass Mohammeds Mutter in dem Ksar wohnt und wir zu ihr zum Tee trinken gingen. Eine ganz liebe Frau, die sich auch gerne mit mir ablichten ließ. Und genau für solche Fälle habe ich meinen Koffer im Auto mit Kleidungsstücken, wovon ich Mohammed denn ein Päckchen übergab, was ihn sehr gefreut hat.

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Ich kann also nur jedem raten, in Tissint eine Etappenstation einzulegen und diese Besichtigung zu machen. Für alle ist gesorgt, mit Hotel und als Stellplatz und wer weiß, wie lange Tissint noch so ursprünglich sein wird.

Dann ging es gemütlich weiter, denn für diesen Tag standen ja nur 70 km auf dem Programm. Ich ließ mir Zeit und legte am wunderschönen Oued Tissint noch eine Pause ein. Es gibt da herrliche Stellen, mit kleinen Wasserfällen oder auch von Palmen bestandenen Seen, man könnte, wenn man wollte, auch dort baden. Mitten auf der Furt standen dann zwei Wohnmobile, deren Besatzung mich sofort mit „Frau Kohlbach?“ begrüßte. Ja, man kennt sich. Ein kleines Schwätzchen, Austauschen von Tipps, natürlich habe ich sofort von Tissint berichtet, und weiter gings. Für die kurze Strecke habe ich schließlich vier Stunden gebraucht, einschließlich des Besuchs eines neuen Campingplatzes in Foum Zguid, und kam danach im Bab Rimal an, wo es endlich auch Wi-Fi gibt.