Archiv für den Monat: Januar 2022

Alltag

Die liebe Silviane hat gefragt, was denn mit mir los sei, da ich nichts mehr schreibe. Andere haben vielleicht das gleiche gedacht, aber nicht gefragt. Deshalb hier so ein kleiner Situationsbericht. Eigentlich läuft alles smooth, aber vor einer Woche bin ich tatsächlich vom Klo gefallen. Beim Aufstehen wurde mir plötzlich schwarz vor Augen, ich fiel wie ein Stein um und dabei mit dem Po heftig auf die Klobrille. Das ist auch die Stelle, die immer noch weh tut. Zum Glück weder Knochen gebrochen noch Kopf angeschlagen.

Am Wochenende kamen meine Freunde aus Deutschland, auch das ein kleines Abenteuer, da ihr Flug zunächst gecancelt wurde. Samstag Abend sollten sie noch einen späten Flug aus Atlanta nach Daytona nehmen, und ich zitterte, dass sie den auch bekommen. Denn das war so ziemlich der letzte Flug bis Montag. Am Sonntag rollte ein schlimmer Schneesturm über Atlanta an die Ostküste und alle Flüge wurden gestrichen. So wartete ich denn ungeduldig in DAB Airport und sah keine Spur von ihnen, bis sie denn schließlich so ziemlich als letzte ankamen und ich sie in die Arme nehmen konnte.

Der Winter war bisher bei uns in Florida wirklich gnädig, wir hatten bis zum Wochenende noch gut über 20 Grad und die vorgeschriebene Kleidung waren Shorts. Doch pünktlich mit der Ankunft der Freunde kam der Winter. Das ist eigentlich immer so. Ich verdächtige sie, das kalte Wetter aus Deutschland im Koffer mitzubringen. Naja, besser als Leichen.

Mit Shorts war also nichts. Aber wir hatten auch so ein volles Programm mit lauter Erledigungen, unter anderem haben sie mein Türschloss geflickt und meinen Radreifen gewechselt. Ja, solche Freunde kann man brauchen. Aber klar, dass ich da nicht dazu kam, Blog zu schreiben. Ich bin sogar nach ihrer Abreise auf die Couch gecrasht, bin einfach nur noch an mein ruhiges Singledasein gewöhnt. Trotzdem, keine Beschwerde, ich freue mich immer über ein bisschen Leben.

Heute nun ist der Winter in Florida erstmal wieder vorbei, das geht immer schnell, und so ging es heute Morgen mit der Gruppe zum Kayakfahren. Neulich hatte ich Radfahren schon abgesagt, eben wegen meinem Sturz, das tat ziemlich weh, aber nun kann ich ja wieder gut laufen und sogar Radfahren. Also sicherheitshalber noch eine Ibuprofen geschluckt und los. Am Ufer Kayak abgeschnallt, rein gesetzt. Autsch! Auf der Couch kann ich sitzen, selbst auf dem Rad, aber im Kayak brauche ich genau die schmerzhaften Muskeln, die wohl beschädigt wurden. Ich habe ein bisschen unter Schmerzenslauten versucht, aber keine Chance. Nichts wie raus, es geht einfach nicht. Stattdessen habe ich einen schönen Spaziergang gemacht zwischen Fluss und Meer.

Zu Hause hat mich dann wieder mein Pond gerufen. Den kennt ihr sicher noch nicht. Das ist der Teich hinter meinem Haus, der früher mal schön klar war und auf dem es viele Wildtiere gab. Doch ist der nun völlig überwuchert. Seit Monaten schon bin ich dabei, ihn einigermaßen frei zu machen, was schon ein echt heftiger Aufwand ist und eine schwere Arbeit. Teilweise bin ich mit einem Angler-Gummianzug rein, ich kann immer nur ein, zwei Stunden dort arbeiten, bin ja schon älter. Das Wasser sieht nicht sehr tief aus, man denkt vielleicht 20 cm, aber darunter ist ziemlich heftiger Schlamm, wohl 50 – 100 cm. Trotzdem reizt es mich, ist wie ein Puzzle, man will immer ein Stückchen weiter machen.

Und dann fiel ich rein. Echt zum erstenmal. Abgerutscht und dann abgesackt im Schlamm. Eigentlich bräuchte man am Ufer immer jemanden, der aufpasst und einem ein Seil reichen kann. Denn der Schlick ist heftig, der hält mich fest. Ich trug Clogs, und ein Schuh blieb auch im Schlamm stecken. Ich hoffe, wenn das Wasser wieder klar ist dann finde ich ihn. Zwar habe ich auch Gummistiefel, aber erstens sind sie nicht sehr hoch und zweitens komme ich nicht mehr rein mit meinen schlechten Füßen, die ja dringend eine OP brauchen. Die Belohnung für die Mühsal ist dann, wenn man sieht, dass doch wieder einige Tiere zurück kommen, wie die Schnappschildkröte, die mich immer so hungrig ansieht.

Naja, so ist das Leben. Ich habe es mir ausgesucht und es macht mir riesigen Spaß. Lieber im Teich versinken als auf der Couch verschimmeln.

Winter

Für heute war uns Winter versprochen. In den letzten Wochen hatten wir ein super Wetter, 25 – 28 Grad, ideal für den Strand. Aber in der Nacht sollte ein Tief durchziehen, Regen bringen und am Tag dann kühle 15 Grad. Man freut sich darauf in Florida. Im November gab es mal kühle Tage, da konnte man endlich mal seine Jeans anziehen, wenn auch nur die zerrissenen. Und ich habe ja auch noch wärmere, sogar einen Pullover. Aber nichts war es. Regen schon mal gar nicht, stattdessen Wind. Um 4 Uhr früh waren es immer noch 21 Grad, aber bis 9 Uhr sollte es auf 13 Grad zurückgehen. Freue mich auf lange Hosen. Aber für mehr als die Capris hat es nicht gereicht. Im Haus ist es gerade unter dem Limit, wo man die Kühlung einschaltet und draußen sind es 18 Grad. Sonne satt. Vorhersage für morgen 20 Grad. Ja, das ist Winter in Florida. Und ich jammere auf sehr hohem Niveau.

Flagler Trail

Für die, die selten Fahrrad fahren in USA will ich erst einmal erklären, was ein Trail ist. Es ist ein eigens angelegter, meistens asphaltierter Pfad durch die Natur, für Spaziergänger, Radfahrer, Skater oder was auch immer man ohne Motor machen kann, manchmal auch für Reiter. Am Anfang und Ende sind meist schön angelegte Park- und Rastplätze mit sauberen Toiletten und Trinkwasser, oft auch Reparaturwerkzeuge für die Radler. Und über diese Trails in meiner Region Central Florida habe ich einen Führer geschrieben.

Neulich war ich unterwegs und sah plötzlich neben der Straße das für Trails typische Schild „No motorized verhicles“ und einen Meilenmarker beginnend mit 0,0 und der Bezeichnung Flagler Trail. Nun waren wir weder in Flagler Beach nördlich von Daytona noch sah ich irgendwo einen Trail. Und hatte den Namen auch noch nie gehört. Aber ich bin sehr neugierig, wenn es um Trails geht und so notierte ich alles, um zu Hause zu recherchieren.

Andere fahren ja Fahrrad, um zu fahren. Bewegung zu haben, möglichst viele Kilometer zurückzulegen. Sicher auch, um etwas Schönes zu sehen. Ich fahre nicht einfach Rad, um zu fahren, sondern mir macht es sehr viel Spaß zu recherchieren, genau das, was ich ja auch in Marokko seit Jahren getan habe. Und da ist es einfach die natürliche Folge, dass man das in ein Buch fasst.

Das Internet war nicht sehr ergiebig. Ja, ich fand etwas, aber es war noch sehr vieles unklar. Wo genau der Trail verläuft und ob er durchgehend ist. Der Beschreibung nach sollte er es sein, aber vieles sprach dagegen. Also genau die richtige Aufgabe für mich.

Zunächst einmal die Geschichte. Das war einfach und fand sich überall. Henry Flagler (1830 – 1913) war eine wichtige Person für die Entwicklung von Florida. Er war vor allem auch der Erbauer der Bahnstrecke an Floridas Ostküste (Florida East Coast Railway). Für diesen Zweck wurde ein Streifen Land gekauft, das aber nach der Einstellung der Eisenbahnlinie nicht mehr benötigt wurde und 1984 vom Seminole County aufgekauft wurde, um eben als öffentlicher Weg zu dienen. Doch anders als viele solcher Trails, die auf der alten Eisenbahnlinie angelegt wurden, wurde dieser nach Henry Flagler benannte Trail nicht asphaltiert.

Ich fand heraus, wo das nördliche Ende des Trails liegt und fuhr hin zum St. Johns River Trailhead. Auch hier wieder ein Parkplatz. Der Trail war leicht zu finden, beginnt direkt am Ufer des Flusses und läuft ganz gerade in Nord-Süd-Richtung. Er ist uneben und wild, also nur für Mountainbikes. Zum Glück ist mein Rad ja genau das. Auf der ganzen Strecke habe ich keinen einzigen Menschen gesehen, es gab nur einige Farmen auf großen Grundstücken, aber keine Menschen und auch keine Tiere. Und am Ende war auch ganz klar, der Trail geht nicht weiter, sondern endet an einem privaten Grundstück mit Drohungen gegen die Menschen, die das nicht beachten. Naja, erschossen werden will ich ja nicht, in Florida muss man mit allem rechnen. Also zurück.

Hin und zurück mit Umwegen 27 km auf unebener Strecke, das reicht mir schon für einen Tag. Doch ich wollte zumindest sehen, wo genau der Pfad weiter geht. Und genau über diese Zwischenstrecke war auch nicht so recht etwas im Netz zu finden. Es gab aber den Hinweis, dass es ab der Geneva Wilderness Area wieder weiter geht. Dorthin fuhr ich also. Und auch an dieser Seite konnte ich sehen, dass es tatsächlich keine Verbindung mehr zwischen diesen beiden Trailenden gibt. An dem Kiosk der Wilderness Area beginnt der Pfad dann neu und ich dachte, ach, komm, ein bisschen kann ich ja noch fahren. Genau eine Meile habe ich geschafft, dann bin ich erschöpft umgedreht. Vollkommen sandig und keinerlei Radspuren. Nur Hiker sind hier unterwegs. Es war ja ohnehin schon spät, also bin ich heim. Nach so einer Fahrt findet der nächste Tag immer am PC statt, denn ich muss ja alles aufschreiben, zu jedem Trail mache ich auch eine Skizze, das kostet schon Zeit.

Aber an Neujahr bin ich dann zu dem Trailhead gefahren, der am Ende dieses Stückes liegt und habe den Pfad also von der anderen Seite aufgerollt. Das ging auch recht gut, auch hier wieder nur für Mountainbiker oder Hiker, ich sah die schöne Holzbrücke am Econ River, der komplett Econlockhatchee River heißt, aber das sagt ja niemand. Und kam an den sandigen Teil. Er ist nicht so lang, etwa 2 km, also möchte ich Radfahrer nicht entmutigen, das Stückchen kann man ja auch schieben. Denn die Landschaft ist schön und man sollte sich den Trail nicht entgehen lassen. Auf diesem südlichen Teil waren am Feiertag auch viele Menschen unterwegs.

Ja, aber fehlt da nicht etwas? Ich bin immer noch nicht bei dem 0,0 Marker angekommen, der mich ja erst auf den Trail aufmerksam gemacht hat und der gar kein Trail war. Im Internet gibt es nur Informationen über die beiden Teilstücke, die ich bisher zurück gelegt habe, nichts aber über dieses Ende, immerhin noch 6 km. Das reizt mich und ich machte mich auf die Suche. Und fand auch alles. Wir sind hier in Chuluota, einer Wohnstadt nicht allzu weit von Orlando, und ein großer Teil des Trails ging an Wohnsiedlungen verloren. Aber dennoch sind Reste da. Manchmal ein Grasstreifen neben der Straße, ohne aber ein Trail zu sein, manchmal auch das obligate „No motorized verhicles“ Schild. Und ich fand den historischen Pfad und werde vor allem in meinem Buch darüber schreiben, so dass zumindest die Leute, die es haben, genau Bescheid wissen.

Ach, wo kann ich denn noch was recherchieren, es macht solchen Spaß?!

Personal Diary

Heute gibt es mal was ganz persönliches. Es ist ja Feiertagszeit und ich bin ganz alleine in Florida. Diesmal keine Besucher und auch keine Einheimischen, die mich einladen. Man könnte da als Single schon ein wenig depressiv werden. War sogar kurz davor. Obwohl ich die Tage hier wirklich genieße und mir bewusst bin, wie gut ich es habe. Am Tag vor Silvester ging ich schnell nochmal in die Gym, nur kurz ins Jacuzzi, denn Training brauche ich zur Zeit keines, der Alltag bietet mir genug davon. Dort war es die letzte Zeit sehr ruhig, habe niemand zum Reden gefunden. Was ich ja gerne tue.

Auf dem Weg zur Umkleide sprach mich jemand an, hallo Edith. Oh, hallo. Du bist Michael, nicht wahr. Nein, ich bin Rick. Okay, sorry, aber da fiel es mir wieder ein. Es ist genau vier Jahre her, dass ich ihn traf. Wir gingen ein paarmal aus, einmal zu einem Basketballspiel.

https://marokkoblog.edith-kohlbach.de/my-first-ball-game-in-usa/

Aber dann meinte er, er will mich nicht mehr treffen, da ich keine ernsthafte Beziehung suche, sondern nur Freundschaft. Okaaay, ganz wie er will. Ich brauche ihn zwar nicht, aber Menschen, um etwas zu unternehmen und zu reden schon.

Das ist also das erste Mal seit vier Jahren, dass wir uns treffen. Ich bin da ziemlich gleichgültig, aber Rick flippt total aus. Ich sähe ja so gut aus, so toll, er könne es gar nicht fassen. Und wie er so da vor sich hin brummelt und Lobeshymnen schwingt kommt ein weiterer Herr vorbei, James. Auch ihn kenne ich aus der Gym, auch mit ihm ist die Freundschaft zerbrochen, will gar nicht genau erläutern warum, aber ihr könnt euch ja alle vorstellen, dass er schuld war und auf keinen Fall ich. Er auf dem Weg ins Jacuzzi, ich auch, und dort haben wir natürlich alle Differenzen beigelegt und uns für bald verabredet.

Ein kleines Erlebnis, aber das muntert auf. Danke. Und abends auf dem AB gingen die Lobreden weiter. Noch habe ich nicht zurück gerufen.

Doch damit ob der freudigen Ereignisse nicht genug. Silvester Nachmittag war ich mit Roger Fulton zum Radfahren verabredet, Schriftstellerkollege. Ich war früh dran. Parkte auf dem Trailhead für Biker, wartete. Direkt neben mir ein schöner weißer Jeep, der Mann schnallte sein Fahrrad ab. Irgendwann dann begannen wir ein Gespräch. Ich erzählte, dass ich ein Buch über die Biketrails veröffentliche, er völlig heiß darauf. Kaufte es sofort. Und beschwor xmal, wie froh er doch sei, mich getroffen zu haben. Wir tauschten Adressen aus. Dann kam Roger und auch das war richtig nett. Zunächst fuhren wir ein kurzes Stück 1), dann trafen wir Bekannte von ihm und dann gingen wir zur Picknickhütte zum „Socialising“, wie auch zuvor ausgemacht. Jeder hatte was zu trinken und knabbern dabei. War nett.

1) Ein kurzer Einschub hier. Wie ihr alle wisst, bin ich Ü70, also nicht mehr taufrisch. Und auch die Menschen um mich herum sind etwa im gleichen Alter. Aber was für ein Unterschied zwischen Mädels und Jungs. Wir Weiber sind alle topfit, aktiv und sportlich (tun zumindest so), und die Männer haben lauter Wehwehchen und jammern. Auch Roger. Er kann kaum noch ein paar Kilometer fahren, dann tut sein Knie weh. Okay, so ist es nun mal.

Silvester dann habe ich gefeiert nach deutscher Zeit, dass heißt, um 18 Uhr (Florida) mit Sekt, Dinner for One und Whatsapp mit Family und dann ins Bett. An Neujahr sollte es wieder eine schöne Biketour geben, alleine, etwas weiter weg, also fahre ich wie üblich mit Auto dorthin. Starte, Anzeige kommt: Ölwechsel notwendig“. Ja, das kam auch schon vor ein paar Tagen, so was vergesse ich dann leicht. Aber da ich heute eine längere Strecke fahren will prüfe ich schnell den Ölstand und sehe kaum einen Tropfen. Es ist Neujahr! Und morgen Sonntag! In Deutschland hieße das, bis Montag läuft nichts mehr. Vor allem nicht mein Auto. Ich suche mir die Rechnung des letzten Ölwechsels heraus, damit ich zumindest weiß, welches Öl benutzt wurde. Und wähle einfach mal so die Nummer der Werkstatt. „How can I help you“. Es dauerte einige Sekunden, bis mir klar war, dass dies kein Anrufbeantworter ist. Ja, ich soll gleich kommen, dann kann man mich noch dazwischen schieben. Und mit weniger als einer Stunde Verspätung war ich auf dem Weg zu meinem Trail.

Mein Ziel war, den Flagler Trail zu erkunden, und das allein ist schon ein Blogbeitrag für sich. Doch das folgt morgen. Unterwegs kam ich an eine Wegkreuzung, war mir ziemlich sicher, welcher Trail das war, wollte es aber genau wissen und fragte das junge Paar, das dort rastete. Ja, richtig, es ist der Florida Trail. Und natürlich kamen wir auch hier ins Gespräch. Ein junger Amerikaner, der einige Jahre in Frankreich lebte und auch Deutschland besucht hatte, sogar recht gut deutsch sprach. Okay, auch hier kamen wir darauf zu sprechen, dass ich ein Buch über die Biketrails habe, und auch er ganz heiß darauf. Nein, ich habe es nicht bei mir auf dem Fahrrad. Aber wir haben Adressen ausgetauscht und er will es haben. Im Weggehen fragte er: Parlez-vous francais? Ja, natürlich und wir haben uns noch ein bisschen auf Französisch unterhalten. Das sind einfach die kleinen Begebenheiten am Rande, die ich so liebe. Und meine Bücher helfen mir sehr, die Kontakte zu haben. Ich sagte ihm dann noch das, was ich wirklich immer erlebe. Die Menschen, die man in USA in der Natur trifft, sind immer ganz anders als die Amerikaner, die man sich gemeinhin so vorstellt. Nicht fett und rechtsradikal, sondern natürlich, offen und liberal. Ach, es ist einfach schön, in USA zu sein. Vor allem in der Covid-Zeit.