Archiv für den Monat: April 2022

Auf der Kuchalb

Meine Familie und ich verbringen einige Tage in Geislingen, weil meine Enkelin hier ein Studium angefangen hat und wir sie besuchen. Es sind einfach wunderschöne Tage, wo jeder einzelne Moment erzählenswert wäre. Aber der heutige Abschluss der Reise war doch besonders.

Ich wohne nicht bei meiner Enkelin, sie hat eine schöne Wohnung, aber auch nicht sooo viel Platz, sondern außerhalb in einem netten Hotel auf der Kuchalb. Kennt ihr das? Nein? Komisch. Der Ort hat immerhin genau 12 Häuser und 38 Einwohner, 10 Windräder, etwa 50 Kühe, 100 Schafe, 20 Pferde, etliche Katzen und Zwergkaninchen, die auf der Straße umherhoppeln. Herrlich zum Fahrrad fahren oder wandern.

Mit meiner Familie habe ich so viel Schönes unternommen, dass ich heute schon früh in mein Hotel auf der Alb zurück fuhr, war einfach müde. Aber da ist ja Mutter Franzl. DAS Restaurant des Ortes. Nur Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Eigentlich wollten wir heute dorthin, aber dann haben wir heute in Blaubeuren so gut gegessen, dass wir keinen Hunger mehr hatten. Aber ich könnte ja nur einen Wein trinken …

Ich also hin und von außen durchs Fenster geschaut. Viel Betrieb, die Leute saßen an Tischen und aßen. Keine Bar. Soll ich wirklich? Nein, ich traue mich nicht. Müsste ja an einen Tisch so ganz allein. Die Katze empfing mich nett, lief mir ständig nach als ich ums Haus herum schlich. Aber nein. Also wieder ins Hotel zurück, gerade 50 m entfernt.

Aber im Zimmer? Auch allein. Um 20 Uhr. Langweilig. Wieder zurück. Allen Mut zusammen genommen. Rein! An der Theke gefragt: Haben Sie einen Platz für mich ganz allein? Ja, warum nicht gleich am Stammtisch. Ich völlig perplex. Ja gerne, wenn ich darf. Nur ein Mann saß da, sprach mich gleich an. Er stammt von der Kuchalb, wohnt aber nun im Ort unten, 300 steile Höhenmeter kommt er mit seinem eBike, damit er etwas trinken kann. Woher, wohin. Ich erzählte kurz. Dann kam der nächste. Fragte auch woher. Ich sage dann immer Wiesbaden, weil Taunusstein ja eh keiner kennt und ich mich nach 45 Jahren Wiesbaden dort auch eher zuhause fühle. Er sagte, ach wie interessant, ich habe in Taunusstein gearbeitet. Könnte nun sagen, damit war das Eis gebrochen. Nur, da war niemals Eis. Die beiden waren total nett, nahmen mich sofort auf und waren doch echte, urtypische Schwaben. Geschichten gingen hin und her, so lustig wie der eine seine Frau aus Norddeutschland erobert hat. Der eBike-Fahrer mit Strohhut, Strickjopperl und Cordhose strich regelmäßig Schnupftabak auf seinen Handrücken. Um zumindest etwas typisches zu essen bestellte ich eine Flädlesuppe.

Dann kam Julia. Sie ist die Wirtin und setzte sich zu uns. Ein richtiges Unikum. Ich schätze sie auf 45, so richtig babyspeckdick mit Pausbäckchen, aber gekleidet wie in Florida (heute ist es kalt). Knappe Shorts, Tanktop, Bandana über der Stirn und Speckrollen auf dem Bauch. Super Type. Betonte wie wichtig es ihr ist, die Erzeugnisse der Küche aus dem regionalen Anbau zu beziehen. Vor allem auch das Fleisch. Der eine Gast bezahlte und wollte gehen, da rief sie ihn zurück und bestellte Marillenschnaps für uns alle vier. Übrigens ist die echte Mutter Franzl schon einige Jahre tot und Julia hat die Gastwirtschaft übernommen.

Ach, was war das so schön. Hier möchte ich wohnen und Mutter Franzl gleich um die Ecke habe. Ich liebe die Kuchalb.

Rösti

Also alle Bocuse-Jünger und Meisterköche, schaltet mal ab. Das ist nichts für euch, die ihr alles besser wisst. Das ist nur der Bericht einer Amateurin. An Ostern will meine Familie zu mir zum Essen kommen. Ich freue mich total. Aber. Vielleicht ergeht es manchem ähnlich, je älter ich werde, desto schwerer fällt mir das ausführliche Kochen. Ich koche ja nur noch für mich, zwar immer gesund mit reinen Zutaten, keine Kochmischungen mit Chemie, aber ein Essen ist in höchstens 15 Minuten fertig. Dabei habe ich ja heute mehr Zeit als ich haben möchte.

Mir fiel schließlich ein Hauptgericht ein, dass ich früher ab und zu gekocht habe, für Besuch, nicht für den Alltag, und ich glaube mein Sohn hat es immer sehr gemocht. Aber da wäre ja noch eine Vorspeise. Es könnte eine schöne cremige Suppe geben. Aber gerade am letzten Samstag war ich zum Essen eingeladen, bei einer Meisterköchin, die nicht nur fantastisch und gesund kocht, sondern es noch versteht, ihr Heim derart hübsch und gemütlich zu machen, dass mir richtig schlecht wird, wenn ich an meine Oster-Aufgabe denke. Und die cremige Bärlauchsuppe mit gerösteten Knoblauch-Brot Streifen kann ich nicht übertreffen. Also besser gar nicht versuchen, hier Konkurrenz aufzubauen.

Dann komme ich auf Kartoffelpuffer mit Lachs, Meerrettich und Dill. Ja, das wäre was. War im Lidl, der hatte keine Kartoffelpuffer, außerdem stelle ich mir so kleine runde vor und die wären eh zu groß. Dann kommt ein sehr überraschender und schöner Anruf. Meine Enkelin schlägt vor, dass sie zu diesem Anlass schon etwas früher kommt und wir zusammen kochen. Ach, wie schön. Ich erzähle von den Rösti, oder was auch immer das ist, mit Lachs, und sie findet es gut. Meint, wenn ich sie nicht bekomme könnten wir sie ja auch selbst machen.

Eigentlich eine gute Idee, natürlich hat auch meine Mutter manchmal Reibekuchen selbst gemacht. Da es aber so nicht unbedingt meins ist habe ich es nie nachgekocht, sondern nur einmal fertige gekauft, weil ich die zu Lachs essen wollte.

Bin dann zu Aldi. Ja, dort gab es Kartoffelpuffer. Sowohl fertig in runder Form als auch ein Becher mit dem Teig, den man ja dann selbst irgendwie in die Pfanne bekommen könnte. Wie üblich schaue ich mir die Liste der Zutaten an: 93% Kartoffeln, Rapsöl, Zwiebeln, Stärke, Speisesalz, Aroma, Raucharoma, Emulgator Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, Hefeextrakt, Gewürze. Kann Spuren von Gluten, Milch, Ei, Sellerie und Senf enthalten.

Mhm. Nein. Ist nicht meins. Ich komme immer mehr zu dem Schluss, keine vorgefertigten Speisen zu kaufen, die alles Mögliche enthalten, was ins Originalprodukt nicht rein gehört.

Also Kartoffeln gekauft. Was ja auch viel billiger ist. Und erst einmal im Internet nachgeschaut, was der Unterschied zwischen Kartoffelpuffer und Rösti ist. Sehr interessant. Die schweizer Variante Rösti besteht tatsächlich nur aus Kartoffeln, Pfeffer und Salz. Selbst die Zugabe einer Zwiebel ist nur eine Variante. Deutsche Reibekuchen bestehen wie die Rösti aus geriebenen Kartoffeln. Dazu kommen aber noch Eier und Mehl. Manchmal werden noch Zwiebelwürfel, Milch oder gar Quark zum Teig gegeben.

Ziemlich schnell wurde mir klar, die reine schweizer Variante soll es sein. Nicht aber ohne es zuvor auszuprobieren. Denn eine Premiere beim Osteressen könnte schief gehen. Also rohe Kartoffeln grob gerieben und auch noch eine Zwiebel hinterher. Zwei durchschnittlich große Kartoffeln ergeben einen großen oder zwei kleine Puffer. Butterschmalz soll man nehmen, Aldi hat aber keins, also nehme ich Olivenöl. Und mache einen großen Puffer. Ja, schmeckt recht gut. Vielleicht etwas mehr würzen. Dazu Apfelmus. Lecker. An der Form könnte man noch etwas arbeiten.

Donnerstag Mittag. Was soll ich heute kochen? Warum nicht wieder Rösti, diesmal wie vorgesehen mit Lachs. Der Teig wird bereitet, da fällt mir ein, dass ich auch noch etwas frischen Spinat im Haus habe. Schnell gedünstet. Da ich keine Bacon-Streifen habe werden ein paar Bits gebraten und zwei Puffer. Einen mit Lachs und Meerrettich, einen mit Bacon Bits und Spinat. Oh mein Gott, wie gut. Ich könnte nur noch von Rösti leben und stelle mir unzählige Varianten vor.