Aber schön war der Abend schon, wann erlebe ich das einmal im tristen Taunusstein und die Disco ist wirklich genau gegenüber. Also gut, ich komme mit, auf einen letzten Drink. Was mir dort am meisten fehlte war Papier und ein Stift, denn ich hätte am liebsten nur gesessen, geschaut und alles aufgeschrieben, über eine marokkanische Disco könnte ich fast ein Buch schreiben. Es geht schon ganz anders zu als bei uns (wobei ich natürlich nicht unbedingt DIE Disco-Spezialistin bin in meinem Alter).
Es war noch recht leer und wir fanden bequem einen Tisch, was natürlich nicht ohne viele Umarmungen und Küsschen zwischen Kamal und der Mannschaft vor sich ging. Er scheint hier wie überall bekannt zu sein wie ein bunter Hund. Das erste, was sehr erstaunlich war, ist die Anzahl des Personals. Ich schätze, dazu gehören in dieser doch recht kleinen Disco mindestens 30 Personen, sie waren zu Anfang in der Überzahl. Aber das sollte sich ändern. Am wichtigsten schienen die Typen in den weißen Hemden zu sein, ich sah etwa fünf. Die kurzen Ärmel spannten sich über dem muskelbepackten Bizeps und die Krawatte deutete auf Autorität hin. Zu Anfang hielt ich sie für Kellner, aber es waren Sicherheitsbeamte, oder sagt man eher Rausschmeißer? Je weiter die Nacht fortschritt und der Raum sich füllte, desto mehr sah ich, wie sie alles fest im Griff hatten, den Saal ständig genau überblickten. Manchmal begleiteten sie sogar die Mädchen zum Ausgang oder auf die Toilette. Ich sah nirgends eine unfreundliche Geste unter den Gästen, aber ich kann mir schon vorstellen, dass es nach reichlichem Alkoholgenuss leicht dazu kommen kann. Doch die fünf grimmig ausschauenden Kerle werden damit fertig.
Damit sind wir am zweiten Punkt, dem Alkohol. Auf jedem der noch leeren Tische standen eine Flasche stilles Wasser, eine Flasche Sprudel und eine Flasche Cola. Ist man hier so abstinent? Kamal fragte mich, was ich trinken wolle und ich sagte klugerweise, das gleiche wie ihr. Darauf kam ein großer Sektkübel gefüllt mit Eiswürfel, eine Tischrakete und eine Flasche Jonny Walker. Das ist hier so üblich. Mit einer Flasche Bier gibt man sich nicht ab. Und dabei sah ich auch die Kellner. Sie tragen durchweg zu ihren schwarzen Hosen ein weißes Hemd mit Werbeaufdruck, aber mit langem Arm und ohne Muskeln. Und dann gibt es noch die Jungs, die ein graues T-Shirt tragen. Das sind die Kohlenmänner. Auf jedem Tisch steht eine Chicha bereit und sie sind ständig unterwegs mit den glühenden Kohlen, um wieder aufzufüllen. Natürlich hat man hier noch nie von einem Rauchverbot in Räumen gehört, meine Lungen waren sehr froh, doch frisch genug zu sein, um mit der rauchgeschwängerten Luft fertig zu werden.
Was auch auffiel war die große Anzahl von jungen, schick gekleideten Mädchen mit meterhohen High Heels. Ich kenne das ja, was man darüber sagt, es seien Prostituierte. Dennoch kann ich das nicht genau bestätigen. Manche vielleicht, manche aber auch wollten sich nur mit ihren Freundinnen amüsieren. Ich blicke da nicht so recht durch. Jedenfalls habe ich nicht bemerkt, dass sie sonderlich auf die Männer zugingen. Uns betraf das ja nicht, wir waren 3 Männer und 3 Frauen und so vor allen Angriffen gefeit.
Und die Musik! Kein Rock, sondern richtig orientalisch und laut. Und so mitreißend, dass selbst ich mich nicht ruhig auf den Beinen halten konnte. Man braucht hier nicht unbedingt auf die Tanzfläche zu gehen, man tanzt im Sitzen, fasst sich bei den Händen, steht auf und schwenkt sich im Rhythmus. Ich habe voll mitgemacht und alle meine Freunde wissen, wie selten das ist. Es war einfach schön. Zwei Geburtstags-Parties waren da und natürlich wurde jede Gruppe mit einem großen Hallo von den Musikern gefeiert. Aber nicht nur die, die Musiker kamen auch an unseren Tisch, hatten Kamal vorher nach meinem Namen gefragt und sangen mir dann immer Edit ins Gesicht. Was noch konnte ich nicht verstehen. Dann bekam ich sogar eine rote Rose geschenkt, wie lange ist mir das nicht mehr passiert. Und natürlich wechselten ständig große Geldscheine die Besitzer. Ja, das ist auch Marokko. Es gibt nicht nur das touristische, oder das arme Marokko, das Menschen zur Flucht treibt. Es gibt auch eine Mittelschicht, die so richtig erst nach König Hassan II entstanden ist. Kamal zog mich immer wieder von meinem Platz, bezog die anderen Mädels mit ein und forderte zum Tanzen auf. Ach, was für eine Nacht. Brauche natürlich nicht zu sagen, dass bald die Whiskyflasche leer und Kamal voll war. Und ich mich langsam auf den Weg in mein Bett machen sollte.
Das lief tatsächlich ohne Probleme, wurde so gegen 4 von allen akzeptiert und ein herzlicher Abschied folgte. Und schon war ein Bodyguard zur Stelle, der mich bis an den Grundstücksrand begleitete. Asmaa kam noch mit in mein Hotel auf der anderen Straßenseite und beschwor mich, sie mal in Casablanca zu besuchen. Was mich in Marokko immer am meisten erstaunt ist die fehlende Grenze zwischen den Jungen und den Alten. Die gibt es einfach nicht, sondern nur Freundschaft und Menschlichkeit.