Familiengeschichte Schröder – Teil 1

Ein Jubeln ging durch das Krankenhaus. Mitten in der „schlechten Zeit“, am 5. Dezember 1947 kurz nach dem Krieg, als es fast kein Geld und wenig zu essen gab, wurde endlich mal ein pralles Baby geboren. Natürlich kann ich, Edith Kohlbach geb. Schröder, mich nicht wirklich an das Geschrei erinnern, aber es war so etwas besonderes, dass es mir noch oft erzählt wurde. Genauso wie der Ärger meiner Schwester Sigrid, die 9 Jahre lang ihr Dasein als Einzelkind genoss, und genau am Nikolausabend auf ihre Mutter verzichten musste, denn ich wurde kurz vor Mitternacht geboren.

Großeltern väterlicherseits

Meinen Großvater, den Klavierbauer und Händler Johannes Schröder, habe ich nie kennengelernt, er wurde am 18. Oktober 1878 in Koblenz als Sohn des Kaufmanns Wilhelm Schröder geboren. Johannes hatte in Koblenz in der Schlossstraße das Musikaliengeschäft seines Vaters übernommen. Mein Vater Wilhelm Leonhard Hans Erich Schröder wurde am 25. November 1911 in Düren geboren. Die Heiratsurkunde zeigt, dass Erich eine Frühgeburt war, denn Johannes hat seine Margarete Steiger (geb. 4.11.1890) erst am 19. Mai 1911 geheiratet. Am 27. März 1915 wurde ein weiterer Sohn, Hans, geboren.

Johannes Schröder wurde im 1. Weltkrieg (28.7.1914 – 11.11.1918) als Soldat eingezogen. In dieser Zeit scheint sich das Ehepaar entfremdet zu haben. 1918 wurde Schwester Rita geboren, und der Vater war nicht Johannes. Das führte zur Scheidung im Jahr 1919. Die beiden Söhne kamen noch während des Krieges ins Waisenhaus. Johannes heiratete am 27. Mai 1921 erneut, und zwar Franziska Müller (geb. am 4. Mai 1886 in Koblenz-Pfaffendorf). Die beiden Jungen kamen irgendwann zurück zur Familie. Mein Vater hatte in seiner Jugendzeit oft Krach mit seinem Vater, verstand sich aber mit seiner Stiefmutter gut.

1942 wurde das Haus in der Schlossstraße 9, das Geschäft und Wohnung enthielt, völlig ausgebombt, so dass die Eltern das sehr zerstörte Koblenz verlassen mussten und zu Verwandten nach Wetzlar zogen. Meine eigenen Eltern besaßen noch viele Schall­platten aus ihrem Besitz. Der Großvater ist kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges am 14. Mai 1945 verstorben, die Familie sagte mir, er sei ermordet worden, weil man ihm sein Fahrrad stehlen wollte. So habe ich ihn nie kennengelernt. Seine zweite Frau Franziska starb am 1. Dezember 1952.

Die geschiedene Großmutter Margarete hat später Ritas Vater, einen Herrn Happ, geheiratet, der Kinder mit in die Ehe brachte. Eines davon war Hubert. Rita heiratete später diesen Stief-/Halbbruder Hubert, vermutlich um 1951. Alle wohnten in Büsdorf bei Köln. Meine Eltern pflegten einen guten Kontakt mit ihnen, wir fuhren oft hin und Familienfotos zeigen, dass Rita und Hubert uns auch besuchten.

Großeltern mütterlicherseits

Meine Großmutter Elisabetha Pauline Reinehr wurde am 9. Juni 1886 in Niederheimbach geboren, einem kleinen Ort am Rhein. Ihr Vater war dort der Schreinermeister und Möbeltischler Wilhelm Reinehr (geb. 1853) und ich habe noch Stücke aus seiner Hand gesehen. Reinehr war damals eine alteingesessene Familie im Ort, doch im Jahr 2019 steht kein einziger Reinehr mehr im Telefonbuch von Niederheimbach. Die kleine Gemeinde hatte damals wie heute keine 1.000 Einwohner.

Niederheimbach zieht sich entlang des Rheins, ist aber von der daran entlang führenden Eisenbahnlinie und der Straße vom Fluss getrennt. Es war ein eher armer Ort, der von seinen wenigen Weinbergen lebte; die Chronik berichtet, dass 1854 39 Bürger des Ortes wegen großer Not auswanderten nach Brasilien und Australien. Unter den Glücklichen, welche es geschafft hatten, ist auch ein Anton Reinehr. 1859 war dann der Eisenbahnbau in vollem Gange. Dies und die aufstrebende Schifffahrt mit ihrem Frachtverkehr auf dem Rhein brachten nun viele Einwohner Niederheimbachs in Arbeit und Brot. Viele Gärten, Äcker und Wiesen am Rhein fielen dem Eisenbahnbau zum Opfer. Für die Entschädigung konnten andere Grundstücke angekauft, oder, was mehrfach der Fall war, mit diesem Geld endlich Schulden bezahlt werden, welche die Menschen in den letzten sehr schlechten Jahren der Missernten zu machen gezwungen waren, um ihre Familien ernähren zu können. In einer Kopie eines Dokumentes vom 12. April 1859 sind die Namen der Niederheimbacher aufgeführt, die eine Entschädigung für ihr Grundstück erhielten. Hier findet sich auch ein Reinehr (Andreas).

1899 wurde dann auch mein Großvater in der Stadtchronik erwähnt. Am 21. August am Kirmes – Montag, 9 Uhr, brannten 12 Häuser im „Flecken“ nieder. Das Feuer brach im Stall von Anton Stark aus und innerhalb einer halben Stunde standen schon mehrere Häuser in Flammen. Es hatte in dieser Zeit wochenlang nicht geregnet, so dass der Heimbach kaum Wasser führte, was zum Löschen unbedingt benötigt worden wäre. Eine Wasserleitung gab es noch nicht. Wilhelm Reinehr gehörte eines der abgebrannten Häuser. Die Häuser waren damals schon alle bei der Provinzial versichert und erhielten Entschädigungen. Die damals wieder aufgebauten Häuser sind an ihren roten Backstein – Fassaden zu erkennen. Dieses Ereignis und andere schwere Brände führten 1932 zur Gründung einer freiwilligen Feuerwehr. Zum Brandmeister wurde Wilhelm Reinehr gewählt, vermutlich ein Bruder Paulines, denn der Vater wäre für diese Aufgabe schon zu alt gewesen.

 

Niederheimbach
Die neu aufgebauten Backsteinhäuser

Pauline heiratete am 2. August 1909 den Eisenbahnschaffner Josef Franz (geb. 5.3.1881), dessen Vater Winzer in Niederheimbach war. Auch die ersten Kinder wurden in Niederheimbach geboren. In den 1920ern zogen sie ins größere Boppard, Opa Josef war dann Lokführer der Hunsrück­bahn. In den 1930ern erwarben sie das Haus in der Sabelstraße 18, in dem ich aufgewachsen bin. Sie hatten fünf Mädchen, meine Mutter Berta Franz wurde am 29. Juli 1912 geboren. Die älteste war Paula, dann Berta, Käthe, Rosi und als Nesthäkchen Hannele.

Paula, Berta und Käthe noch in Niederheimbach

Die fünf Schwestern hatten ganz offensichtlich eine schöne Kindheit, wenn man rein von den Fotos her urteilt. Der 1. Weltkrieg (1914 – 1918) war gerade vorbei, die Weltwirtschaftskrise zum Ende der 1920er und im Verlauf der 1930er Jahre schien auf die Bahnbeamtenfamilie keine große Auswirkung zu haben. Oma Pauline starb am 15. Dezember 1978, Opa Josef lange vorher am 30. September 1957. 

Weihnachten um 1932 oder 1933

Die fünf Schwestern