Archiv für den Monat: März 2014

Manchmal ist das Leben zu kurz

Ich habe, seit ich in Marokko bin, zwei Todesnachrichten bekommen, die mich doch sehr mitgenommen haben. Das eine habe ich schon vor Wochen erfahren, die nette deutsche Familie, die sich in Ouzoud niedergelassen hat, hat ihren Sohn verloren. Der kleine Odin, ich glaube er war 6 oder 7 Jahre alt, hat plötzlich eine schwere Infektion bekommen. Die Eltern haben ihn ins Auto gepackt und sind nach Beni Mellal ins Krankenhaus gefahren, aber es war ihm nicht mehr zu helfen. Ein so süßer Junge.

Das andere erfuhr ich heute erst. Ich wollte meine Freundin Ilse vom Hotel Chems Tazarkount anrufen und fragen, ob ich auf meiner Rückreise noch mal vorbei schauen soll. Und dann sagte sie mir, dass am 20. Januar ihr Mann gestorben ist, mit dem zusammen ich noch Silvester gefeiert habe und er hat mit Ilse noch fröhlich getanzt. Krank sah er ganz bestimmt nicht aus. Ich konnte es kaum glauben, aber Ilse sagte, er hat einen Herzinfarkt bekommen und war sofort tot. Einfach schrecklich. Zwei Menschen, wenn auch in so unterschiedlichen Lebensstufen, aber nicht krank und einfach nicht mehr da.

30.3. Heimweh

Gut drei Monate bin ich nun unterwegs und so langsam sehne ich mich nach zu Hause. Es sind die kleinen Dinge, die mir fehlen. Mich einfach zu Hause fühlen, die Waschmaschine voll packen und saubere Sachen raus bekommen, die Angebote von Aldi studieren und mein Notebook mal gründlich überholen. Bei Media Markt nach einem neuen Fotoapparat schauen, den Kleiderschrank so lange durchforsten, bis ich das richtige für den Tag gefunden habe oder einfach mal nichts tun. Es ist eine sehr interessante Erfahrung für mich, die mir zeigt, dass ich doch nicht unbedingt ein volles halbes Jahr in Marokko bleiben möchte.

Obwohl … eben hab ich mal in meiner Suite den Fernseher angestellt. Ich bekomme hier nur das ZDF, sonst nichts in Deutsch. Und da läuft an einem Sonntagmittag „Bares für Rares“. Und da läuft an einem Sonntagmittag „Bares für Rares“, gefolgt von der „Hundeflüsterin“. Bin ich denn plötzlich im Privatfernsehen gelandet? Wie kann das Öffentlichrechtliche einen solchen Quatsch senden. Irgendwie brauch ich vielleicht doch noch nicht heim?!

29.3. Vom Schnee ins Tichka

Dieser Filou! Mich so zu verarschen. Oder liebevoller, mich auf den Arm zu nehmen. Hab ja seit gestern um mein Zimmer im Tichka gezittert und als ich dann schließlich die Zusage bekam sagte mir der Direktor, dass ich diesmal leider nicht in meine Suite kann, das Hotel sei so gut wie voll, fast schon überbucht. Und er sagte mir ja auch, es gäbe nur diese eine.

Als ich Imlil heute früh verließ waren etwa 20 cm Schnee von meinem Auto weg zu schaufeln, wie gut, dass ich auch für Marokko den Schneeschieber dabei habe. Noch um 11 Uhr waren es nur 2 Grad. Am Morgen noch Schnee, dann nur Regen, auch in Asni waren es nicht mehr als 5 Grad. Auf der Strecke dann lagen an vielen Stellen Felsbrocken, die durch das Unwetter auf die Straße gespült wurden, nicht gerade ein beruhigender Anblick. Erst 15 km vor Marrakech änderte sich das, der Regen hörte auf, die Sonne lugte hervor und das Thermometer stieg auf 13 Grad. Immerhin.

Im Tichka wartete Moulay Abdellah schon in der Halle und entschuldigte sich noch einmal, dass ich diesmal nicht in die Suite kann. Ich versicherte ihm, dass ich mich freue, überhaupt da zu sein und auch mit dem kleinsten Zimmerchen zufrieden bin, notfalls tuts die Badewanne. Mein Gepäck wurde hinaufgebracht, diesmal weder der oberste Stock noch Blick zum Pool, aber, eine Suite! Ist ja nicht zu glauben. Eine Idee kleiner, aber mit Rosenblättern geschmückt und ein Obstkorb wartet. Er ist einfach goldig und das Tichka ist das beste.

Ich gehe gleich zum Mittagsbüffet, es ist wirklich viel zu tun heute, eine Konferenz ist im Haus und hat gerade Lunchpause, aber da läuft der Koch zur Hochform auf, die Salatauswahl ist einfach grandios und die leckeren Desserts kenne ich ja schon.

Ach, ein paar Tage lasse ich es mir hier gut gehen.

Noch 28.3. Kalt, nass, Schnee

Die Passstraße über den Tizi-n-Test ist im Bau. Nötig ist das, denn sie ist nur einspurig und von Schlaglöchern übersät. Aber es sind unzählige Bagger im Einsatz, die Straße wird verbreitert, gearbeitet wird wie wild und es ist oft nicht so einfach, an den Baggerschaufeln vorbeizukommen. Seit ich in Nouakchott einen Bagger gesehen habe, der rückwärts gerade mal so in einen PKW gefahren ist, habe ich doch Respekt davor. Zum Glück ist wenig Verkehr. Die beiden schweren, leeren Laster, die mir entgegen kommen, lasse ich an einer günstigen Stelle vorbei, sie haben wohl Bagger gebracht. Ansonsten ist ziemlich wenig Gegenverkehr und die beiden Wohnmobile, die ich vor mir habe, sind auch so nett, an den Rand zu fahren und mich vorbeizulassen. Ein Franzose und ein Deutscher. Den beiden Großtaxis muss ich dagegen doch ziemlich Dampf machen. Aber obwohl ich sehr viel schneller bin als alle anderen auf der Straße schaffe ich nur 40 km pro Stunde.

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Das Wetter ist noch okay. Unten 12 Grad und sonnig, oben auf dem Pass 5 Grad und neblig, aber kein Regen. Das ändert sich in Ouirgane, es fängt an zu nieseln. Und als ich in Asni auf die schmale, ziemlich schlechte Asphaltstraße nach Imlil abbiege wird es richtig ungemütlich, in Imlil schließlich dann Schneeregen. Ich bin total unglücklich. Kalt, nass, matschig und wo soll ich schlafen. Ein Anruf von der Strecke in Marrakech hat ergeben, dass das Tichka ausgebucht ist. Ich fühle mich heimatlos und allein, könnte heulen. Besichtige zunächst das Hotel Dar Imlil, ganz klar das beste hier. Ein Traum. Große, gemütlich eingerichtete Zimmer, Kaffee und Tee zum selbst zubereiten stehen bereit, Pantoffeln auch, es ist geheizt, die großen Türen am Balkon zeigen einen weiten Blick auf den Schneeregen im Tal mit dem rauschenden Bach. Hier könnte ich es aushalten. Wenn … ja wenn der Preis nicht wäre. Es gibt Zimmer zu 1300 Dirham (alle besetzt), Suiten zu 1500 Dirham (eine frei) und die großen Suiten zu 2000 Dirham (auch noch eine frei). Wo nur ist der reiche Prinz, der mich einlädt (und dann alleine schlafen lässt)?

Solange der nicht kommt gehe ich ins nächst beste Hotel, das Riad Imlil. Das Gebäude ist schön, wirkt wie eine trutzige Burg und ist aus schweren Felssteinen gebaut. Mohammed war lange Bergführer in der Schweiz, hat da das Metier von Grund auf gelernt und wollte dann in seinem Heimatort ein schweizer Chalet nachbauen, wenn auch gemixt mit dem Riadstil. Es ist gleich zentral in Imlil, direkt an der Brücke über den Fluss und bietet von seinen Terrassen einen herrlichen Ausblick. Nur die Zimmer sind ein wenig klein. Alles ist sauber und ordentlich, aber mein Zimmer hat nur Platz für ein großes Doppelbett, ein kleiner Tisch, aber noch nicht mal einen Stuhl. Und wenn ich die Reisetasche abstelle ist der Durchgang versperrt und Tageslicht gibt es auch nicht. Aber ein Radiator heizt das kleine Zimmer und es kostet nur 450 Dirham mit Frühstück. Es geht mir schon besser. Etliche SMS und Telefonate mit Marrakech ergeben, dass man nun doch ein Zimmer im Tichka für mich hat, aber nur für wenige Tage. Im April ist nun mal Hochsaison in Marrakech.

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Im Hotel werde ich von einem schweizer Paar angesprochen, sind Sie nicht Frau Kohlbach? Huch, das habe ich nicht erwartet. Sie hatten mich schon in Mhamid gesehen, wenn wir dort auch nicht ins Gespräch kamen, und fahren mit ihrem PKW und meinem Reisehandbuch sechs Wochen durch Land. In einer Reisebuchhandlung in der Schweiz stand mein Buch zusammen mit vielen anderen und nach einer Qualitätsprüfung haben sie sich für mich entschieden. Ja, ich weiß, wenn ich in Buchhandlungen präsent wäre, würde ich sehr viel mehr verkaufen, aber ich will das nicht, ich habe ein anderes Konzept und es würde im Endeffekt nur dazu führen, dass ich es allein nicht mehr schaffe, höhere Kosten habe, aber keine höheren Einnahmen. Es bleibt alles beim Alten, und die, die mein Buch kennen und wissen, dass sie es online bestellen müssen, haben den Vorteil der Aktualität.

Für Wohnmobilisten gibt es Imlil betreffend gute Nachrichten. Bisher war der kleine Ort, an dem die Straße zum Toubkal endet, ja viel zu klein für Wohnmobile. Es gab keinen ausreichend großen Parkplatz, keinen Camping und noch nicht mal eine gute Wendemöglichkeit. Das hat sich nun geändert. Am Beginn des Ortes wurde ein großer Platz zum Fluss hin eingeebnet. Er dient als Parkplatz für alle Besucher, da der kleine oben im Ort nicht ausreichend ist, aber auch als Stellplatz für Wohnmobile. Die Übernachtung kostet 20 Dirham, parken nur am Tag 5 DH. Damit ist es nun auch diesen Leuten möglich, Imlil und den Toubkal-Nationalpark zu besuchen und vielleicht sogar eine Bergwanderung zu buchen. Das Fahrzeug kann so lange dort abgestellt werden. Im Ort sind zahlreiche Agenturen und auch ein offizielles Büro der Bergführer. Natürlich sind auch viele Wanderungen alleine möglich.

28.3. Für alle, die sich Sorgen machten

Die Nacht ging vorüber ohne Ansturm auf meine von der schweren Reisetasche verrammelte Tür und meine Unschuld. So ganz schaue ich bei Ahmed nicht durch. Zwar ist seine Alkoholfahne unverkennbar und seine Sprache kaum verständlich. Aber er bedauerte, mir keinen Wein zum Abendessen anbieten zu können und ich frage mich, woher die Fahne kommt. Aber die Auberge ist ordentlich und sauber und der kurze Blick in die Privaträume zeigt mir, dass alles aufgeräumt ist. Ahmed hätte gerne, dass ich ein paar Tage bleibe, auch für Imlil wäre es besser, wenn ich erst nach dem angekündigten Wintereinbruch eintreffen würde, aber mich hält hier doch nichts. Und die Dusche war auch kalt.

27.3. Taliouine

Immer wenn ich längere Zeit an einem Ort bin fällt es mir schwer, weiter zu fahren. Und wieder in neue Gegenden zu kommen, dort wo keine Freunde auf mich warten. Aber es muss ja sein, ein wenig muss ich noch arbeiten. Und schweren Herzens entschließe ich mich also, dem schönen Dratal den Rücken zu kehren und Richtung Taliouine und später Hoher Atlas zu fahren. Die Wetteraussichten sind ja nicht so rosig, am Freitag sollen es in Asni nur 9 Grad werden, und ich will Freitag in Imlil sein, was noch ein wenig höher liegt. Lust habe ich darauf ganz bestimmt nicht. Und auch die Aussichten, danach in Marrakech wieder in meine schöne Suite zu kommen, sind schlecht, denn Ostern nähert sich und damit die Hochsaison in Marrakech. Ich habe mir nun ein Limit gesetzt, am Ostersonntag werde ich für drei Nächte in Tanger sein und dann die Fähre nach Spanien nehmen. So ganz langsam schleicht sich bei mir doch die Lust auf zu Hause ein. Was mir fehlt ist der Komfort der eigenen Wohnung, dort einfach nur mal dem Sofa zu liegen und fernzuschauen, oder am Abend in die Sauna hinunterzusteigen, und auch der Taunuswald direkt vor der Tür, in dem ich meine morgendlichen Runden in herrlicher Luft drehe, nur Rehe als Zuschauer. Und dann mal wieder was Leckeres essen, ein knackiges Brötchen am Morgen, halt so die Lieblingsgerichte.

Von Agdz aus fahre ich nach Taznakht, eine Route, die zur Zeit teilweise im Bau ist. Ich muss sagen, dass im Moment die Verbindung Foum Zguid – Zagora trotz Piste besser zu fahren ist als Agdz – Foum Zguid. Die schmale Teerstraße ist voller Schlaglöcher, die die schweren Lastwagen hineingefahren haben, die die Erze aus den Minen transportieren. Deshalb wird sie zur Zeit verbreitert und ist im Moment wirklich schlechter als eine Piste. Bis zur nächsten Wintersaison wird sich das natürlich wieder komplett ändern, dann dürften beide Strecken eigentlich ganz gut befahrbar sein. Aber über Bou Azzer ist auch ziemlich viel Lastwagenverkehr, ich würde die Verbindung Foum Zguid – Zagora auf jeden Fall bevorzugen.

In Taznakht ist zwar kein Souk, aber trotzdem ziemlich viel los. Ich halte mich nicht lange auf, denn ich will nach Taliouine. Den Camping Toubkal besichtige ich jedes Jahr, der wird mir nicht viel Neues bringen, mich interessiert mehr Zagmouzen. Den Besitzer Ahmed kenne ich von meiner ersten Marokkoreise vor vielen Jahrzehnten, und seinen Campingplatz habe ich gesehen, als er ihn gerade aufbaute. Als ich aber vor drei Jahren dort war, war der Platz wegen einem Todesfall gerade geschlossen. Ich halte deshalb an der Auberge Souktana, die auch Ahmed gehört, und treffe ihn an. Ahmed hatte die Auberge mit seiner französischen Frau Michelle als eine der ersten schönen Häuser vor 30 Jahren aufgebaut. Inzwischen ist er geschieden, die Auberge noch in genau dem gleichen Zustand, es wurden nicht wie so oft in anderen Orten mehr und mehr Zimmer angebaut. Ahmed scheint aber die Auberge trotz einer Alkoholfahne ganz gut im Griff zu haben, alles ist schön sauber und ordentlich, was sicher auch dem guten Personal zu verdanken ist, das seit Beginn hier arbeitet. Und auch der Camping Zagmouzen ist offen. Es ist ein kleiner Platz für alle, die nicht so gerne auf Massenplätzen stehen, ideal auch für 4×4 mit Dachzelt. Die Anfahrt ist möglich bis zur normalen Standardgröße, es gibt zwei ebene Stellflächen für je etwa vier Fahrzeuge und saubere Sanitäranlagen. Im schattigen Garten sind kleine Bungalows, auch die schön sauber, die Sanitäranlagen des Camping werden genutzt. Und im hinteren teil ein kleiner Bauernhof.

Ahmed freut sich mich zu sehen, kann sich noch gut an meinen ersten Besuch erinnern und lädt mich ein, in der Auberge zu übernachten. Ich nehme gerne an, wenn ich auch ein wenig Bedenken habe, ob es am Abend nicht Probleme geben wird. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Und der Temperaturunterschied ist bereits deutlich zu spüren. Ganz abgesehen von dem starken Wind, der draußen weht.

26.3. Mit Kamal auf Entdeckungsreise

Wenn ich Kamel El Kacimi in der Kasbah des Arts in Agdz besuche ist immer das schönste, wenn wir einfach so in der Umgebung drauf los fahren. Dabei haben wir schon die wunderbarsten Stellen entdeckt, wo nie Touristen hinkommen. Im letzten Jahr haben wir unseren privaten Pool dabei entdeckt, eine herrliche Stelle, wo der Dra immer Wasser führt und man wunderbar in klarem Wasser baden kann. Diesmal haben wir eine andere Piste ausprobiert, wir hatten keine Ahnung wohin sie führen wird. Es ging ganz weit hinter dem Jebel Kissane entlang, dort, wo weit und breit keine Asphaltstraße ist. Hier sind auch keine Dörfer zu finden, aber die Landschaft ist wunderbar, es geht durch wilde felsige Schluchten. Wir fahren die ganze Zeit entlang eines trockenen Flussbetts, hin und wieder von kleinen Pflanzungen gesäumt. Auch hier werden nun Wassermelonen angebaut, das ist das neueste. Die Wassermelonen, die seit wenigen Jahren erst bei Zagora in der Wüste heranreifen, sind die ersten auf dem Markt und erzielen die höchsten Preise. Nun versucht jeder, auf dieser Welle mitzuschwimmen, aber irgendwann ist das Angebot einfach zu groß. Wir fahren immer weiter und suchen ein schönes Plätzchen für ein Picknick, Brot und Ölsardinen haben wir dabei. Das Brot wurde in der Familie gebacken, denn heute streiken alle drei Bäcker von Agdz. Aber den Einheimischen macht das nicht allzu viel aus, denn Brot wird immer noch sehr häufig zu Hause gebacken.

Wir wissen nicht so recht, wo uns die Piste hinführt, sie ist recht gut. Ab und zu halten wir mal, in Abständen steht ein Bauernhaus am Wegesrand, und es gibt sogar eine Schule. Aber keine Leute, die man mal fragen könnte. Eigentlich will ich schon lange umdrehen, oft sieht es so aus, als wäre der weitere Weg von einem Berg versperrt, aber da ist immer noch eine Kurve vor uns, und ich will einfach wissen, was dahinter kommt. Dann hören die Autospuren auf und es sind nur noch Mopedspuren zu sehen. Also noch diese Kurve an dem engen Durchlass da und wir drehen endgültig um. Sind ganz erstaunt, als hinter der Kurve ein großes, hübsches Haus auf der Bergeshöhe steht, so hübsch verziert, es könnte fast eine Auberge sein. Und direkt davor ist dann endgültig die Piste zu Ende, ist das Tal ringsum von Felsen eingeschlossen.

Kamal steigt hinauf zum Haus um sich zu erkundigen. Und winkt mir gleich runter, ich soll doch zum Tee kommen. Wir werden eingeladen von Mohammed (wie sonst?) und seiner Familie, er hat acht Kinder. Seine Eltern waren Nomaden in dieser Gegend, aber er hat sich nun in dem windigen Tal dieses schöne Haus auf einer Anhöhe erbaut. Er lebt damit wirklich am Ende der Welt, denn hier geht es nicht mehr weiter. Alle seine Lebensmittel und das Diesel für die Motorpumpe muss er im 25 km entfernten Agdz kaufen und mit dem Moped heim transportieren.

Vor dem Haus steht ein Pfahl, an dem sind zwei Sandalen befestigt. In jeder steckt ein Handy, Mohammeds Telefonzelle. Nur an dieser einen Stelle ist Mobilfunkempfang, wenn sein Handy klingelt, muss er schnell vom Haus zum Pfahl laufen. Mohammeds Frau hat uns würzigen Tee zubereitet und dann kommt das frisch gebackene, noch heiße Brot herein, dazu eine Schale mit Öl. Mir schmeckt das köstlicher als alle die Tajines, mit denen ich die letzten Tage gefüttert wurde. Und die Bäcker können ruhig weiter streiken. Zum Glück habe ich noch ein paar Kleidungsstücke zum Verschenken im Auto. Mohammed ist ganz verwirrt, er hat für seine Gastfreundschaft keine Gegenleistung erwartet, aber wir insistieren, und er sagt, das ist Maktoub. Das hat Allah gesandt.

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23.3. Kasbahs satt

In USA gibt es die Ambulance Chaser, das sind junge Rechtsanwälte, die Krankenwagen hinterherfahren, um vielleicht bei einer Schadenersatzklage für ein Unfallopfer das dicke Geld einstreichen zu können. Hier in Zagora sind es die Moped-Guides der Werkstätten, die allen Touristen mit Fahrzeug hinterherjagen, um sie in ihre Werkstatt zu schleusen. Eben kommt eine Gruppe von italienischen Motorradfahren im Riad Sofian an und schon sind zwei Mopedguides unterschiedlicher Werkstätten da. Auch auf die Campingplätze fahren sie regelmäßig, um nach Kunden Ausschau zu halten. Es haben sich so viele Werkstätten in Zagora etabliert, dass ein regelrechter Konkurrenzkampf entstanden ist. Gibt’s nur hier. Mein Freund Ali Nassir hat das nicht nötig, da stehen die Kunden von selbst Schlange vor der Werkstatt, weil er einfach der beste ist.

Meine Kasbah-Kunden sind heute Nachmittag angekommen. Wir haben ganz lange zusammen gesessen und sie haben von ihren Erlebnissen erzählt. Es gab ja Kasbahs satt. Die erste Nacht verbrachten sie in Ait Benhaddou, in der Kasbah Hajja im alten Ksar. Typischer kann man dort nicht wohnen. Aber es gibt auch keinen städtischen Strom und alles ist recht einfach. Sie sagen, für eine Nacht ist es okay, aber länger nicht. Schön ist es jedoch, wenn man dann am Morgen noch ganz allein im historischen Dorf ist, noch bevor die vielen Reisebusse ankommen. Die nächste Nacht dann waren sie im Gästehaus der Kasbah Amerhidil in Skoura, auch das eine historische Kasbah. Aber doch sehr viel bequemer. Auch das Essen wurde gelobt und die herrliche Kasbah mit Museum ist gleich nebenan. An den nächsten beiden Tagen gab es nur Kasbahs zum Anschauen, nicht zum Wohnen, aber dann Ksar Khorbat war so ziemlich der Höhepunkt. Davon waren sie am meisten begeistert. Vor allem auch von den großen, gemütlichen Zimmern.

In der Kasbah Des Arts waren die Zimmer eher bescheiden, ich weiß das auch, aber das Haus ist es einfach wert. Es ist so unglaublich. Und auch die Anwesenheit von Kamal und die interessanten Gespräche mit ihm lassen die eher ungemütlichen Betten ertragen. Nun sind wir alle im Dar Sofian und werden uns heute Abend das Essen gemeinsam schmecken lassen.

Eben gehe ich in Amazon, um den Campingführer raus zu nehmen, er ist ja nun vergriffen. Und traue meinen Augen nicht. Ganz offensichtlich werden meine Bücher Sammlerstücke. Die alten aus dem Werner-Rau-Verlag werden immer noch angeboten, obwohl die Informationen ja alles andere als aktuell sind. Und selbst mein neuestes Reisehandbuch wird zu einem wesentlich höheren Preis angeboten, obwohl es ja immer noch auf dem Markt ist. Verstehen muss ich das nicht, oder?

21.3. Schweinehund und Kundenpflege

Die Versuchung ist groß. Jeden Morgen, wenn der Kaffeeduft durchs Haus zieht, würde ich mich sehr viel lieber an den schön gedeckten Frühstückstisch setzen, anstatt die Laufsachen anzuziehen und meine 3 km zu laufen. Aber ich weiß ganz genau, wenn ich einmal nachgebe, dann ist es aus. Nur wenn ich tagein, tagaus meine Runden drehe halte ich auch durch. Wenn ich losjogge denke ich, ich bringe das nicht. Nicht heute. Will mich am liebsten hinter einer Düne verstecken, bis die Zeit um ist. Doch ich laufe weiter und dann geht alles wieder wie von selbst, wie eine Maschine. Ich bin ja keine durchtrainierte Sportlerin, der das leicht fällt, ich habe mein Arbeitsleben lang viel gearbeitet und wenig Sport gemacht, aber seit ich in Rente bin und mein Blutdruck etwas zu hoch war, habe ich gemerkt, wie wichtig das im gehobenen Alter ist. Und seitdem fühle ich mich gesundheitlich sehr viel wohler. Und deshalb überwinde ich jeden einzelnen Morgen den Schweinehund.

Und der Kaffee im Riad Dar Sofian wartet ja auf mich.

Ansonsten sind meine Aufgaben hier eher Kundenpflege. Recherchiert habe ich in Zagora ja schon beim letzten Mal. Aber März und April sind Hochsaison für meine Reisen, Kunden, die nach Marrakech fliegen und dann ein paar Tage mit einem Geländewagen und Fahrer durch den Süden reisen. Heute früh traf ich Birgit mit ihrem Sohn auf einen Kaffee. Sie waren auf der Durchreise in Zagora, kamen gestern in Marrakech an, fuhren dann über den Hohen Atlas nach Ait Benhaddou und weiter über den Anti-Atlas in seinem schönsten Nachmittagslicht. Sie übernachteten in der wunderschönen Kasbah des Arts in Agdz. Als Porzellandesignerin hat Birgit sich in der künstlerischen Atmosphäre dort natürlich sofort heimisch gefühlt, besonders da Kamal, der Filmproduzent, der die Kasbah ins Leben zurückgeholt hat, vor Ort war. Und sie brachte mir sogar ein kleines Geschenk mit, ein Aquarell der Kasbah des Arts, das sie auf die Schnelle dort für mich gemalt hatte. Ist das nicht lieb? Birgit und ihr Sohn sind zum ersten Mal in Marokko und ganz überwältigt von den Eindrücken. Ich habe schon jetzt das Gefühl, dies wird nicht ihre letzte Reise in dieses Land sein. Schon der Abschied aus Agdz fiel ihnen schwer, auch bei unserem Kaffeepäuschen in Zagora wären sie gerne länger geblieben, nur das laute Marrakech war für sie nach einem Tag ausreichend. Und nun geht es für 5 Tage in die Wüste, zum Kameltrekking. Sie hatte eigentlich eine Gruppe gesucht, der sie sich anschließen kann, nachdem die aber nicht auf die Schnelle zu finden war, konnte ich sie überreden, das allein mit ihrem Sohn zu machen und ich bin ganz zuversichtlich, dass sie sich nicht eine Minute langweilen wird.

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In zwei Tagen dann kommen andere Kunden, auf die ich schon sehr gespannt bin. Diese Reise für sie zusammenzustellen hat mir besonders viel Spaß gemacht. Sie waren schon in Marokko, hatten sich aber nie die Zeit genommen, die herrlichen Kasbahs im Süden zu besuchen. Und deshalb sollte das nun eine ganz spezielle Kasbahtour sein. Auf fast zwei Wochen geht es von Marrakech aus zu den schönsten Burgen der Berber und ich habe versucht, sie so oft wie möglich tatsächlich auch in historischen Kasbahs unterzubringen, nicht nur eine Besichtigungstour zu absolvieren. Aber darüber werde ich mehr erzählen, wenn sie hier eingetroffen sind.

Aber auch um die Camper habe ich mich gekümmert. Der Platz Oasis Palmier liegt ja gleich neben meinem Riad, so dass ich da öfter einen kleinen Rundgang mache und immer wieder nette Leute treffe. Es haben zwar bestimmt 90 % der deutschsprachigen zumindest meinen Campingführer, aber hin und wieder gibt es doch Leute, die das Buch nicht haben, aber meinen Namen inzwischen schon so oft von anderen Campern gehört haben, dass sie gleich wissen, wer ich bin. Meine Bücher stehen halt nicht in Buchhandlungen, und wer zum ersten Mal nach Marokko reist, hat oft noch nichts davon gehört. Das ändert sich aber, sobald man in Marokko die ersten anderen Camper trifft. Und auch Christa und Manfred, die ich erst neulich in Mhamid traf, sitzen im „In-Café“ von Zagora, dem Oscar, und wir verplaudern den Nachmittag.

19.3. Genug ist genug

10 Tage Mhamid sind genug. Ich bin immer rastlos, muss immer etwas zu tun haben, Leerlauf vertrage ich nicht. Nun habe ich alle meine Aufgaben hier erledigt. Hab nicht nur die Ultra-Läufer fotografisch und moralisch begleitet, das Festival besucht, mit Isolde und den anderen europäischen Frauen, die sich hier angesiedelt haben, geschwatzt, Campingplätze abgeklappert, mit meinen Lesern kommuniziert, Spaghetti gekocht, sondern auch versucht, die Zimmer in Abdou’s Hotel ein wenig zu verbessern, habe dem Handwerker im Nacken gesessen, damit er alles repariert, die Betten gestrichen, Spiegel aufgehängt, Teppiche angeordnet. Nun gibt’s nichts mehr zu tun. Zwar sind die Zimmer noch lange nicht so, wie ich sie haben möchte, aber dazu bräuchte ich mehr Material aus Marrakech, das einfach nicht kommt. Und 10 Tage im Staub, im Sandsturm, mit Duschwasser, das entweder zu heiß ist oder gerade nicht mehr läuft, wenn ich nackt im Bad stehe, oder wenn es läuft, den ganzen Tag mit einem überschwemmten Bad zurecht kommen muss, mit eintönigem Essen, reichen mir einfach. So lieb die Leute hier sind, ich muss weiter ziehen. Und erstmal wieder für einige Tage in die Zivilisation von Zagora zurück. Das Zimmermädchen Touda hier ist eine Perle, immer fröhlich, sie arbeitet mehr als alle Männer und wäscht gerne meine Wäsche, aber im Wüstenwind getrocknet kommt sie steinhart zurück. Ich muss in die Reinigung, in die Apotheke, in mein Dar Sofian.

Auf dem Weg nach Zagora komme ich noch durch Tamegroute. Zu Hause gibt es schon etliche Stücke der typischen grünen Keramik der örtlichen Töpfer. Doch mir fehlen noch die Eierbecher, die hatte ich bisher nicht gefunden. Heute klappt es, ich kaufe 6 Eierbecher, noch 4 Frühstücksteller und werde zum Essen mit der ganzen Mannschaft eingeladen, so geht’s hier immer zu. Richtig nett. Wer sich diese Keramik kaufen möchte muss nur darauf achten, dass der grüne Farbüberzug giftige Stoffe enthält, die bei Wärme frei gesetzt werden, sie dürfen also nicht zum kochen benutzt werden, wie zum Beispiel ein Tajine.