Archiv für den Monat: November 2022

Ein ganz normaler Tag in Florida

Heute ist Samstag, gestern war Black Friday, davor Thanksgiving. Nur zur Einordnung. Heute brauchte ich einfach mal wieder ein wenig Bewegung. Also aufs Fahrrad. Inzwischen pendelt sich hier der Benzinpreis bei so um die 3 $ pro Gallone ein, also unter 1 Euro pro Liter. Da kann ich mir doch wieder einige Meilen leisten. Fuhr also nach Winter Springs, 43 Meilen, und parkte da am Central Winds Park. Schöne Sportstätten, Restrooms, Picknick, Spielplatz und natürlich Tools für das Bike.

Ich möchte euch von dieser Fahrt so gerne etwas Aufregendes erzählen, aber es gab einfach nichts. Wunderschöne Tour auf Bike Trails, nur selten musste ich eine Straße mit Ampel überqueren, also es passierte einfach nichts. Alles in allem 68 Kilometer hin und leider auf gleichem Wege zurück. Aber einfach schön.

Auf dem Heimweg dann kurz bei Safe a lot gehalten, brauche Milch zum Frühstückskaffee. Auch die ist hier, genau wie die Eier, sehr teuer geworden. Ich könnte ja mal nach Steaks schauen. Esse selten Fleisch, brauche es einerseits nicht, andererseits sind auch die teuer geworden. Doch heute die T-Bones 3.99 das Pound. Super Preis, schon lange nicht mehr gesehen. Also sofort eine Packung gekauft und eins auf dem Grill gelegt. Dazu gibt’s nur Steaksauce und eine Tomate. Lecker. Dann kurz mal in die Heuteshow geschaut. Was in Deutschland so los ist. Dann gelangweilt. Am liebsten gleich ins Bett gegangen, morgen ist ja ein schöner neuer Tag. Aber noch so früh.

Doch halt. Ich bin ja in Florida. Also habe ich das Rad wieder raus geholt und bin rüber ins First Turn. Eine Rock Band hat gespielt. Ich brauche da kein Getränk, stelle mich einfach vor die Band und tanze vor mich hin. Schön ist das. Tue so als sind die Rockband und ich die einzigen Menschen auf der Welt. Niemand, der mich mal wieder enttäuscht. Nur die und ich und ich tanze.

Genau das ist es, was mir in Taunusstein fehlt.

Thanksgiving with Shay

Thanksgiving ist in USA der höchste Feiertag, mehr noch als Weihnachten. Und niemand möchte an diesem Tag alleine sein. Im letzten Jahr war ein wunderschönes Weihnachtsessen veranstaltet von einer Kirche, dort habe ich mich sehr wohl gefühlt. Leider machen die das in diesem Jahr nicht.

Also habe ich in der lokalen Facebookgruppe mal nachgefragt, ob jemand eine andere Kirche kennt, die ein solches schönes Essen mit netten Menschen veranstaltet. Daraus ging unter anderem eine persönliche Einladung hervor, die ich schließlich annahm. Shay hatte Freunde, Familien, Nachbarn zu Gast zum Turkey Dinner und lud mich herzlich ein.

Also Shay. Ich sollte um 12 erscheinen. Es ist nicht meine erste Einladung zu einem amerikanischen Thanksgiving Dinner, so hatte ich in etwa eine Vorstellung, was mich erwartete. Man steht zusammen, trinkt ein Glas, setzt sich dann um einen großen Tisch und die vielfältigen traditionellen Speisen werden aufgetragen.

Bei der Anfahrt fiel mir auf, dass nicht allzu viele Autos vor der Tür parkten, was man bei vielen Gästen ja eigentlich erwarten würde. Die Familie saß versammelt in der Garage, hier in Florida gang und gäbe. Garagen werden selten für Autos verschwendet. Statt hallo waren die ersten Worte, die Shay zur Begrüßung sagte, wir rauchen Weed, stört dich das? Nein, überhaupt nicht! Ich fühlte mich auf einen Schlag versetzt in meine Anfangstage in Marokko, als die ganzen Jungs um mich herum Haschisch rauchten. Ich rauche gar nichts, weder Zigaretten noch Haschisch, das sagte ich auch, aber damit war dann alles klar. Ein Stuhl wurde bereit gestellt und ich wurde fröhlich aufgenommen. Ich hatte Wein mitgebracht, Shay suchte Gläser, was nicht so einfach war, denn sie trinken selten Wein. Sie trinken tatsächlich hauptsächlich Softdrinks, keinen Alkohol, und ich leerte die Flasche quasi allein. Dafür wird dann so eine dicke Tüte gedreht, die reihum ging. Man bot sie mir an, akzeptierte aber meine Weigerung, eben ganz genau wie früher in Marokko.

Shay stellte mir ihren Mann Kris vor, ihre Schwester mit Boyfriend und ihren Schwiegervater. Dazu gehörten ein Baby und ein vierjähriger Sohn. Alle sehr nett und es gab überhaupt keine Schwierigkeiten mit der Kommunikation. Irgendwann erwähnte Shay, dass Kris sich um den Turkey kümmern würde, während sie einen Kuchen als Nachtisch gemacht hatte. Dann bot sie mir stolz an, eine Tour durchs Haus zu machen. Nun könnte ich sagen, dass ich geschockt war, aber das stimmt nicht. Ich habe schon einige amerikanische Haushalte gesehen und die reichen vom Luxus bis zur totalen Unordnung. Das Haus hier war auf der Skala von 1 bis 10 so etwa bei 3. Aber Shay war so stolz auf ihr Haus mit Garten, das sie erst vor einigen Monaten bezogen haben und sah die totale Unordnung als völlig normal an. Dabei konnte ich auch einen Blick in die Zimmer der zwei großen Mädels (10 und 15) werfen, die noch zur Familie gehören. Sie lagen auf dem Bett und hörten Musik.

Inzwischen war es halb drei, in der Küche hatte ich vom Turkey weder etwas gesehen noch gerochen, und ich sagte, ich wolle aufbrechen. Auch das wurde sehr freundlich aufgenommen und ich verabschiedete mich herzlich.

Auf dem Heimweg stoppte ich bei deutschen Freunden vor Ort, die auch ein fettes Tier brieten, aber eine Einladung von denen erfolgte nicht. Obwohl ich viel für die tue. Also ging es nach Hause und eine Dose aus dem Gefrierschrank musste daran glauben. Ich aß gemütlich, trank noch ein Gläschen und dachte zwei Dinge. Erstens dass ich nun ein wenig Bewegung brauche und zweitens, dass es bei Shay doch eigentlich ganz nett war. Also stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr wieder zurück. Alle freuten sich. Der Vierjährige war von meinem Fahrrad begeistert, worauf ich ihn durch die Nachbarschaft fuhr. Übrigens lief er die ganz Zeit barfuß. Ich war zuvor schon mit ihm und dem Baby spazieren gegangen, wobei er den ganzen Weg über spitze Steine barfuß zurück legte. Eben wie die Kinder in Marokko.

Um den Garagentisch fehlten einige Personen, dafür waren neue dazu gekommen. Man erwähnte sogar ganz kurz wieder etwas von einem Turkey, aber wiederum konnte ich ihn weder sehen noch riechen. Er schien aber bereits gegessen worden zu sein. Auf dem Tisch lagen einige interessante Tüten und ich wollte nun doch mal genaueres wissen. Was sie rauchen ist also medizinisches Cannabis, dafür braucht man ein Rezept, was aber alle Mitglieder der Familie hatten. In einer Dose war die reine Pflanze, die zerkrümelt und mit Tabak gemischt in einer selbst gedrehten Zigarette geraucht wird. Aber auf einer anderen Tüte stand Milchschokolade. Man zeigte mir ein Stückchen, bot mir es auch hier wieder freundlich an (nein, danke) und es gab noch eine zweite Tüte mit dem Geschmack von Pecan Nüssen. Mhm. Und die ganzen Kinder drumherum. Ich wollte wissen, was besser ist. Man meinte, geraucht wirkt es schneller. Der Vater litt unter Nackenschmerzen, ich fragte, ob er dafür das Cannabis rauche, ob es seine Schmerzen lindere. Nein, sagte er, er wäre nun schon so daran gewöhnt, dass es keinen Unterschied mehr macht. Warum also raucht man es? Ich weiß es nicht. Übrigens konnte ich den ganzen Nachmittag lang an den Menschen keine Veränderung feststellen, sie waren unverändert freundlich und herzlich. Wenn ich an Menschen denke, die so viel Alkohol trinken, dann verändern die sich doch sehr. Welche Droge ist also schlechter?

Ich blieb noch ein Weilchen, weil ich mich bei den Leuten wirklich wohl und herzlich aufgenommen gefühlt habe, dann machte ich mich auf dem Heimweg, es wurde ja schon langsam dunkel. Shay bot mir an, etwas von ihrem Kuchen mitzunehmen, was ich auch gerne tat. Den gab es also.

Zuhause musste ich mich sofort ausziehen und meine Kleidung in die Waschmaschine stecken, so sehr habe ich nach Weed und Zigaretten gestunken. Aber schön wars. Haben uns für die Weihnachtsparty verabredet.

Brita Taunusstein

Auf den Family Days in Port Orange war ein Stand von Brita, einer Firma, die Wasserfilter herstellt und in meinem Wohnort Taunusstein beheimatet ist. War natürlich klar, dass ich an diesem Stand stehen bleiben und alle aufklären musste, dass Brita aus meiner Stadt kommt. Das hat nun nicht wirklich jemand von dem freundlichen Personal beeindruckt, die hatten weder eine Ahnung, wo Brita herkommt noch hat es sie überhaupt interessiert. Es wurde einem die Teilnahme an einer Verlosung versprochen für einen 500 $ Einkaufsgutschein beim örtlichen Supermarkt. Kann man in Zeiten von Inflation gebrauchen, aber ich gewinne ja nie was. Was sie wirklich wollten war die Anschrift von Hauseigentümern. Weil es Brita war habe ich den Zettel ausgefüllt.

Und schon am Montag bekam ich einen Anruf. Ob jemand vorkommen dürfe um meine Wasserqualität zu testen. Und wieder habe ich zugestimmt, einfach weil es Brita ist und ich neugierig war, was kommt. Und ja, die 500 $ hatte ich nicht gewonnen, aber ich würde doch einen 50 $ Gutschein bekommen für meine Zeit. Ich stimmte zu und dachte im Stillen, der kann mich mal, den Gutschein nehme ich und dann muss ich ihn loswerden.

Aber es kam so ganz anders als ich dachte. Es erschien ein sehr sympathischer junger Mann, Will, und packte seinen Testkoffer aus. Während er noch das Wasser laufen ließ, bot ich ihm einen Espresso an. Nun ist mein Espresso immer gewürzt mit einem Sambucca, alte Familientradition. Damit hatte ich ihn schon mal gewonnen. Er war begeistert. Doch dann legte er los und nun war ich begeistert. In den knapp zwei Stunden, die er bei mir war, habe ich so viel über das Floridawasser gelernt, und es waren sehr wichtige Dinge, die ich nicht wusste. Zunächst einmal erklärte er mir, dass Brita tatsächlich der Marktführer ist in USA für solche im Haus installierten Filtersysteme. Er testete zunächst das Wasser aus dem Wasserhahn (1), dann das aus meinem Kühlschrank (2), der an einen Filter angeschlossen ist (USA – Kühlschränke haben einen Wasseranschluss für gekühltes Trinkwasser und Eiswürfel), dann fragte er mich, ob ich gekauftes Wasser in Flaschen habe. In USA wird zweierlei Wasser angeboten, Purified (3) und Spring Water (4). Ich hatte beides im Kühlschrank, wenn ich auch vorwiegend Spring Water kaufe, ist doch aus einer natürlichen Quelle. Dachte ich.

Zu diesen vier Proben kam dann noch eine Probe von Brita gefiltertem Wasser hinzu, das er mitgebrachte hatte. Und dann wurde getestet mit verschiedenen Fläschchen, von denen er etwas ins Wasser träufelte. Bestanden hat das Brita Wasser, das aus meinem Kühlschrank und das Purified. Spring Water und das aus dem Hahn färbte sich schrecklich gelb. Hier in Florida wird sehr wenig getan um das Trinkwasser zu reinigen, man schüttet einfach nur Chlorbleiche hinzu, was man auch riecht und schmeckt. Sonstige Bakterien werden nicht abgetötet, außerdem enthält das Wasser auch viel Sand, was wiederum den Geräten wie Kühlschrank, Waschmaschine und Heißwasserbereiter schadet. Es war wirklich eindrucksvoll, was er mir gezeigt hat und die Zeit für diesen Besuch war nicht verschwendet. Ich werde nie mehr das Spring Water kaufen, das noch nie eine Quelle gesehen hat.

Zum Abschied servierte ich ihm noch einen Limoncello und wir wurden Freunde fürs Leben. Er rief dann seinen Chef an, berichtete ihm von meinem Besuch und überzeugte ihn, dass ich als Snowbird, die ja nur einige Monate jedes Jahr im Land bin, mir diese schöne und sicher gute Anlage nicht zulegen kann. Aber ich kann Brita nur in höchsten Tönen loben. Von der Qualität der Produkte her und von der Freundlichkeit der Mitarbeiter.

Trick or Treat

Gestern war der 31. Oktober, Halloween. Dieses etwas verrückte Fest kommt ja aus den USA, wo ich gerade bin, wenn es auch seinen Weg über den Atlantik gefunden hat. Dennoch ist es hier ein wenig anders. Die Tradition will, dass die Kinder von Haus zu Haus ziehen und um Süßigkeiten bitten, Treat; anderenfalls sie schreckliches androhen und vollziehen, Trick. Doch werden schon seit Jahren Eltern immer mehr gewarnt, das doch nicht zu machen oder zumindest die Kinder zu begleiten, zu sehr hat man Angst vor bösen Menschen, die die Süßigkeiten vergiften könnten oder sonstwas anstellen.

Ja, die Welt wird halt immer gefährlicher.

Um dieser Gefahr entgegen zu wirken, den Kindern aber trotzdem ihren Spaß zu lassen, hat es sich immer mehr durchgesetzt, dass es ein öffentlich organisiertes Trick or Treat gibt. Manchmal organisiert von Privatleuten, von Geschäften, der Stadt, aber vor allem von den Kirchen. Und die machen den Job gar nicht mal so schlecht. Diesmal fiel der Tag auf einen Montag, deshalb war auch schon das ganze Wochenende mit Halloween Veranstaltungen angefüllt. Für mich die Ideale Gelegenheit, das Rad einzusetzen und die verschiedenen Adressen abzufahren. Am Samstag war es meine Stadt Port Orange, die daraus ein dreitägiges Family Days Event gemacht hat mit Buden und Kirmes. Am Sonntag fuhr ich dann drei Kirchen ab. Die erste sehr schön in einem Park, im großen Kreis waren Autos geparkt, die jeweils furchterregend dekoriert waren, die wie in unserem Fasching verkleideten Kinder gingen im Kreis umher mit einem Eimerchen und packten Süßigkeiten ein. Ließen sich auch gerne und stolz fotografieren.

Bei der zweiten Kirche ging es sehr viel ruhiger zu, ich wurde mit meinem Fahrrad von einigen älteren Damen begrüßt und meinte spaßig, ich wäre ja wohl schon zu alt für Trick or Treat. Nein, nein, meinten sie, ich solle nur losziehen. Und so war es. Habe ein Körbchen vorne am Rad und jeder warf mir etwas ein, eine sagte, mein Zahnarzt wird sich freuen.

Bei der dritten Kirche war dann richtig was los. Auf der Straße stand schon ein Polizeiwagen und leitete die Fußgänger sicher auf die andere Straßenseite und dort war es dann richtig schwer, überhaupt mit meinem Rad durchzukommen. Aber es fiel kein einziges böses Wort, jeder machte mir freundlich Platz. Hier konnten die Kinder sehr viel machen, im Hamsterrrad drehen, Hüpfburg, Streichelzoo und Ponyreiten. Kein Wunder, dass hier so ein Gedränge war. Aber mein Körbchen wurde nicht gefüllt, ich kam ja noch nicht mal durch zu den Ausgabestellen und gönne es gerne den Kindern.

Am Montag dann, dem eigentlichen Halloween, gab es im Riverwalk Park direkt am Fluss wieder ein großes Fest, auch diesmal von einer Kirche. Es spielte sogar eine Band, zu den Süßigkeiten gab es noch Eis und Popcorn. Jedes Auto war auch wieder schön dekoriert, die dazu gehörigen Menschen natürlich auch, und immer wurde ein christliches Thema dargestellt. Man ging in einer langen Schlange an den Autos vorbei und hielt sein Körbchen zum Füllen hin, oft mussten die Kinder auch irgendwas spielen, Angeln, Axtwerfen oder so. Hier bekam ich dann auch wieder was ab. Das wird nun sicher bis zum Ende meines Aufenthaltes reichen, denn ich darf ja täglich nur einen Snack essen. Die Linie ….