27.4. Erg Chebbi mit Ali

Ich staune hier immer wieder über die Bedürfnislosigkeit der Menschen. Ali hat eine wunderbare Auberge aufgebaut, hat die Zimmer sehr schön eingerichtet, mit Teppichen und Tüchern dekoriert, sie sind geräumig, haben auch einen Wandschrank und ein ordentliches Bad. Der Innenhof ist am Abend romantisch von Laternen beleuchtet. Ali hat Geschmack bewiesen. Man müsste davon ausgehen, dass er auch für sich selbst ein kleines Reich geschaffen hat, ich zumindest hätte das getan. Doch als ich heute Morgen in dem langen Salon schon über eine Stunde bei der Arbeit sitze, klingt plötzlich ein „Guten Morgen“ an mein Ohr. Ich schaue mich um, erblicke zunächst niemanden. Dann aber, ganz am Ende des Salons, sehe ich Ali, in Gandora und Chech wie schon seit Tagen, auf den Sitzpolstern liegen und noch halb schlafend. Er ist einfach noch immer der Nomade, als der er geboren wurde.
Aber was er hier geschaffen hat beeindruckt mich wirklich. Dieser Junge, den ich Haschisch rauchend und auf Touristen wartend vor 20 Jahren kennengelernt habe, hat dies alles zusammen mit seinem Bruder aufgebaut. Diese Herberge läuft, hier klappt alles, es ist sauber und ordentlich. Und auch an Gästen mangelt es nicht. Heute sind allein 25 Personen im Biwak, eine ebenso große Gruppe kommt zum Abendessen, Musiker aus Khamlia spielen dazu, eine Joga-Gruppe bezieht die Zimmer, französische Motorradfahrer springen noch spät in den Pool, und spätabends wird noch eine Gruppe Portugiesen erwartet, die erst an diesem Tag in Marokko eingetroffen sind und den weiten Weg bis nach Merzouga mit eigenen Geländewagen zurücklegen wollen. Aber dennoch hat man hier nie den Eindruck einer Gruppenabsteige, obwohl die 35 Zimmer um die 100 Leute aufnehmen können. Vielleicht auch, weil hier keine Bustouristen ankommen, sondern zumeist Gruppen von Geländewagenfahrer und Rallyes. Und auch das Büffet ist einfach grandios. Das ist kein Kantinenessen, hier ist alles so lecker zubereitet und aufgebaut, als wurde für jeden Gast einzeln gekocht. Und Ali braucht sich nicht zu kümmern. Er hat die drei Tage ganz für mich reserviert und sein Bruder und die Angestellten machen das hervorragend.
Wir sind am Morgen die Piste vom Erg Chebbi nach Norden gefahren. Aber dann doch nicht Richtung Boudenib wie vorgesehen, sondern wir haben einen weiten Bogen nach Erfoud geschlagen. Und dies war eine der schönsten Strecken, die ich in dieser Gegend je gefahren bin. Die Wüste zeigt alles, was sie zu bieten hat. Kleine, rotgoldene Sanddünen, winzige Oasen mit wenigen saftig grünen Dattelpalmen, einsame Reg-Ebenen, oleanderbewachsene Schluchten, dazwischen ein kleiner, steiniger Pass, kaum Bewohner, null Verkehr, viele Militärposten, die die nahe Grenze zu Algerien bewachen. Die Strecke stellt Ansprüche an den Fahrer, aber mein Land Rover bleibt nicht stecken.
Und dann endlich mal ein Picknick. Wir haben uns eine schöne Stelle ausgesucht, mit ein wenig Schatten, und Ali hat wirklich alles dabei. Nicht so ein Edith-Picknick mit Brot und La Vache qui rit, nein, es gab gegrillte Kefta, die in eine geröstete Brottasche mit Zwiebeln und Tomaten gesteckt wurden, ganz lecker. Dazu Rotwein und zum Nachtisch Orangen. Als Zuschauer hatten wir Kamele, die die grünen Spitzen der Bäume abknabberten und uns in die Ohren schmatzten. Und das Wetter war einfach Spitze. Sonnig, heiß, aber nicht zu heiß. Drei Nomadenkinder kamen vorbei und schauten zu. Das hier ist eine Strecke, wo wirklich wenig Bewohner kommen, sie haben nicht gebettelt, und das wird belohnt. Ich drücke ihnen mit Alis Einverständnis ein paar Kindersachen und Bonbons in die Hand und sie ziehen still ab, sind ganz liebe Kinder und wir können in Ruhe unsere Pause genießen.