Auf der Kuchalb

Meine Familie und ich verbringen einige Tage in Geislingen, weil meine Enkelin hier ein Studium angefangen hat und wir sie besuchen. Es sind einfach wunderschöne Tage, wo jeder einzelne Moment erzählenswert wäre. Aber der heutige Abschluss der Reise war doch besonders.

Ich wohne nicht bei meiner Enkelin, sie hat eine schöne Wohnung, aber auch nicht sooo viel Platz, sondern außerhalb in einem netten Hotel auf der Kuchalb. Kennt ihr das? Nein? Komisch. Der Ort hat immerhin genau 12 Häuser und 38 Einwohner, 10 Windräder, etwa 50 Kühe, 100 Schafe, 20 Pferde, etliche Katzen und Zwergkaninchen, die auf der Straße umherhoppeln. Herrlich zum Fahrrad fahren oder wandern.

Mit meiner Familie habe ich so viel Schönes unternommen, dass ich heute schon früh in mein Hotel auf der Alb zurück fuhr, war einfach müde. Aber da ist ja Mutter Franzl. DAS Restaurant des Ortes. Nur Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Eigentlich wollten wir heute dorthin, aber dann haben wir heute in Blaubeuren so gut gegessen, dass wir keinen Hunger mehr hatten. Aber ich könnte ja nur einen Wein trinken …

Ich also hin und von außen durchs Fenster geschaut. Viel Betrieb, die Leute saßen an Tischen und aßen. Keine Bar. Soll ich wirklich? Nein, ich traue mich nicht. Müsste ja an einen Tisch so ganz allein. Die Katze empfing mich nett, lief mir ständig nach als ich ums Haus herum schlich. Aber nein. Also wieder ins Hotel zurück, gerade 50 m entfernt.

Aber im Zimmer? Auch allein. Um 20 Uhr. Langweilig. Wieder zurück. Allen Mut zusammen genommen. Rein! An der Theke gefragt: Haben Sie einen Platz für mich ganz allein? Ja, warum nicht gleich am Stammtisch. Ich völlig perplex. Ja gerne, wenn ich darf. Nur ein Mann saß da, sprach mich gleich an. Er stammt von der Kuchalb, wohnt aber nun im Ort unten, 300 steile Höhenmeter kommt er mit seinem eBike, damit er etwas trinken kann. Woher, wohin. Ich erzählte kurz. Dann kam der nächste. Fragte auch woher. Ich sage dann immer Wiesbaden, weil Taunusstein ja eh keiner kennt und ich mich nach 45 Jahren Wiesbaden dort auch eher zuhause fühle. Er sagte, ach wie interessant, ich habe in Taunusstein gearbeitet. Könnte nun sagen, damit war das Eis gebrochen. Nur, da war niemals Eis. Die beiden waren total nett, nahmen mich sofort auf und waren doch echte, urtypische Schwaben. Geschichten gingen hin und her, so lustig wie der eine seine Frau aus Norddeutschland erobert hat. Der eBike-Fahrer mit Strohhut, Strickjopperl und Cordhose strich regelmäßig Schnupftabak auf seinen Handrücken. Um zumindest etwas typisches zu essen bestellte ich eine Flädlesuppe.

Dann kam Julia. Sie ist die Wirtin und setzte sich zu uns. Ein richtiges Unikum. Ich schätze sie auf 45, so richtig babyspeckdick mit Pausbäckchen, aber gekleidet wie in Florida (heute ist es kalt). Knappe Shorts, Tanktop, Bandana über der Stirn und Speckrollen auf dem Bauch. Super Type. Betonte wie wichtig es ihr ist, die Erzeugnisse der Küche aus dem regionalen Anbau zu beziehen. Vor allem auch das Fleisch. Der eine Gast bezahlte und wollte gehen, da rief sie ihn zurück und bestellte Marillenschnaps für uns alle vier. Übrigens ist die echte Mutter Franzl schon einige Jahre tot und Julia hat die Gastwirtschaft übernommen.

Ach, was war das so schön. Hier möchte ich wohnen und Mutter Franzl gleich um die Ecke habe. Ich liebe die Kuchalb.