In Agadir war ich noch so unglücklich, weil ich nicht wusste, wo ich während der Osterzeit mein Lager aufschlagen sollte und mir das Stadtleben eigentlich nicht zusagt, aber der gestrige Tag hat alles geändert und die Abenteuer sprudeln nur so. Nachdem ich schon die schöne, neue Route entdeckt hatte, habe ich in der Auberge Irocha von Ahmed noch weitere interessante Details erfahren. Die Asphaltstraße, die ich gestern erreicht hatte, führt weiter zum Lac Ifni.
Lac Ifni – das erweckt Träume
Den Wegweiser dazu habe ich schon oft gesehen, er steht in Agioum an der Abzweigung der neuen Teerstraße. Immer schon wollte ich da mal hin. Aber der Lac Ifni liegt hoch oben in den Bergen, zu Füßen des Toubkal, des höchsten Berges in Nordafrika, und ist nur zu Fuß erreichbar. Schon immer wollte ich diesen natürlichen Bergsee sehen, aber es sind von Arumd aus, der Talstation zur Ersteigung des Toubkal, einige Tagesmärsche. Sollte ich da nun wirklich mit dem Auto hinkommen? Ahmed meinte, ja. Das würde eine völlig neue Region für mich erschließen, für mich und für meine Leser, denn im neuen Reisehandbuch könnte ich einen eigenen Bereich nur für den mir bis dahin ziemlich unbekannten Djebel Siroua bis zum Toubkal machen.
Also gab es mal wieder eine Programmänderung und ausgerüstet mit den Tipps von Ahmed fuhr ich wieder die gleiche Straße zurück, die ich gestern gekommen war. Aber eben darüber hinaus. Ich erreichte, immer noch auf Teer, Arbaa Toubkal, ein kleines Marktdorf zu Füßen des Djebel Toubkal. Bisher ziemlich unbekannt, denn die Toubkal-Besteigung läuft immer von der anderen Seite aus, von Arumd/Imlil. So gibt es eine Trekking-Tour, bei der man am 4. Tag den See erreicht, auch von der Seite her, auf der ich nun bin. Über den Gipfel geht es dann zurück nach Imlil. Deshalb ist dieses Arbaa Toubkal auch noch ein rein einheimisches Dorf, ganz ohne Touristen. Immerhin gibt es einen ganz großen Wegweiser dort, der zum Lac Ifni zeigt. Es sind noch 11 km bis zum See. Eine sehr schmale Piste, ausreichend für meinen Land Rover, aber schlecht mit Gegenverkehr, führt an einem Abhang durch etliche Dörfer. In Amzouzerte soll ich dann Belaid treffen, der mir vielleicht jemand mitgeben kann für die restliche schwierige Piste. Doch als ich bei Belaid ankomme winkt er ab. Hier bei ihm ist Endstation, mit dem 4×4-Auto geht es nicht mehr weiter, nur noch mit dem 4×4 Maultier. Oder den 2×2 Beinen.
Ich winke ab. Nein danke. Wie immer habe ich ein großes Programm und ein weiterer wichtiger Punkt ist auch die Frage, wo ich heute Abend schlafe. Bei der Strecke, die ich mir vorgenommen habe, sind noch ziemlich viele Kilometer zurückzulegen, am Abend möchte ich in Ouarzazate sein und in einem anständigen Hotel schlafen, nicht in einer Berghütte. Wo soll ich da die Zeit hernehmen, 4 km mit dem Muli hochzureiten und 4 km wieder zurück, in etwa je eine Stunde. Ein Anruf bei Ahmed, er verspricht, mir Fotos vom See zu schicken für mein Buch. Das reicht.
Belaid bietet mir zumindest einen Tee an, das nehme ich gerne. Dazu bringt er ein frisches, hausgebackenes Brot und lokalen Honig, in dem noch die Wabe schwimmt. Mhm, so etwas köstliches. Hinter mir rauscht es ziemlich laut, ich schaue mich um, sehe von ganz oben einen Wasserfall herunter stürzen und da macht es Klick. Es ist so ein schöner Anblick. Und in dem Moment weiß ich, was ich versäume, wenn ich das nicht mache. Ich muss zum See!
Gesagt, getan. Das Maultier steht in Windeseile bereit, ich kann nur noch schnell Hose und Schuhe wechseln. Natürlich kann man die 4 km auch laufen, tun die Meisten, aber ich habe weder Bergschuhe noch bin ich trainiert, berghoch komme ich furchtbar ins Schnaufen und so ein Maultier ist ja auch mal was Neues und muss sein Brot verdienen. Allerdings denkt das Tierchen da wohl etwas anders, es bleibt öfter mal stehen und mein Führer Hassan muss kräftig ziehen. Kurz hinter Belaids Gaststube sind die letzten Häuser des Tales und die Piste, die tatsächlich bis zum See mal wunderschön für Fahrzeuge angelegt wurde, ist an mehreren Stellen durch Regenfälle beschädigt und wird nicht mehr ausgebessert. Es gibt ja keine Anwohner mehr. Ein Durchkommen ist also selbst für Geländefahrzeuge nicht mehr möglich.
Eine gute Stunde ging es so, recht locker, wenn es auch ungewohnt ist, die Beine auf dem breiten Maultiersattel so weit zu spreizen. Aber laufen ist anstrengender. Gerade als wir das Schild erreichen, das den Beginn des Nationalparks Toubkal anzeigt, ist der schneebedeckte Gipfel auch schon in Sicht. Aber es geht doch noch ein Weilchen aufwärts, bis endlich nach einer Art Passhöhe ein kleines Hüttchen auftaucht. Hassan stellt mal sofort für mich ein Schild auf „Café el Garat“. Und schon fängt er an Tee zu kochen. Aber ich schaue nur. Da unten liegt er, der See. Mein Traum. Ich habe es geschafft. Wir sind hier auf 2.400 m, mein Auto haben wir auf 1.900 m zurückgelassen, aber zum See geht es noch mal 200 m tiefer. Ich gehe nicht ganz nach unten, denn der Tee ist fertig.
Wenn ich dachte, das war dann mein Abenteuer für heute, hatte ich mich geirrt. Denn das beginnt jetzt erst. Hinaufreiten war ja ganz nett, aber abwärts ist das doch etwas anderes. Hassan bekam irgendwie zu viel wie er mich da auf dem Rücken des armen Tieres festgekrallt sah. Wie machen das nur die Einheimischen. Schon kleine Kinder reiten locker auf den Mulis. Ich wäre ja zurecht gekommen, habe mich halt sehr festgehalten. Aber Hassan war nicht zufrieden, wies mich an, nach hinten zu rutschen, und zack, saß er vor mir. Nun musste das arme Tierchen gleich zwei tragen. Aber Hassan gab mir mit seinem Körper einen guten Halt, ich brauchte mich nicht mehr so festzuklammern und saß ganz bequem. Aber ganz ehrlich, es hat schon was erotisches, so zu zweit auf einem Maultier!