Eine Liebesgeschichte in der Wüste

Vor wenigen Jahren hatte ich bei Mhamid den Ksar Ouled Mhajar entdeckt. Es ist ein altes Dorf, das heute weitgehend vom Sand überrollt ist und dessen einst mächtige Kasbah fast zerfallen ist. Ich hätte das abseits des Weges liegende Dorf nie entdeckt, wenn ich nicht am Straßenrand ein kleines Schild gesehen hätte mit einer Einladung zum Tee. Abdelkader Khalil ist der alte Kaid des halb zerfallenen Dorfes und bot in seinem aus einfachen Planen zusammengebauten Zelt den zufälligen Passanten Tee, um ein wenig Geld zu verdienen. Ich fand den Alten schon damals sehr sympathisch, aber er sprach kaum Französisch.

Im Jahr darauf kam ich wieder zu der magischen Stelle und suchte nach Abdelkader, traf an seiner Stelle aber den viel jüngeren Jamal, seinen Sohn. Das Zelt hatte sich ein wenig vergrößert, es waren ein paar zusätzliche Hüttchen dazu gekommen und erst durch Jamal erfuhr ich die vollständige Geschichte des magischen Ortes und nahm ihn in meine Reiseführer auf. Ich bekam das Recht, jederzeit meine Freunde in die halb mit Sand gefüllte Familienkasbah zu führen, die im Innern wunderschöne Architektur aufweist, besuchte das Familien-Marabut, das seine Berühmtheit erhielt, weil der alte Marabut, Jamals Ur-Ur-Großvater die Baraka besaß, den Karawanen eine erfolgreiche Rückkehr zu ermöglichen, und erklimmte den Hügel mit den magischen Tamarisken, die den jungen Mädchen des Dorfes zu einem Ehemann verhelfen sollten. All das schrieb ich in meinem Reiseführer und empfahl Jamal, eine Fläche einzuebnen, damit Fahrzeuge bei ihm über Nacht stehen können.

In diesem Jahr nun besuchte ich Jamal erneut. Er kam mir überglücklich entgegen. Tatsächlich kommen nun Touristen, Deutsche, mit meinem Führer. Er hat eine kleine Betonbrücke über den Bewässerungskanal gelegt und nun kann man ganz gut bei ihm einfahren. Und die Landschaft, die sich dahinter bietet, ist einfach grandios. Wer braucht schon Chegaga, wenn sich in Fußweite von Mhamid so schöne Dünen bieten, immer mit kleinen Tamariskengruppen dazwischen oder mit Palmen. Einfach wunderschön. Und Jamal bietet nun auch Kamelexkursionen in diese herrlichen Dünen an, fern von Chegaga, aber mindestens genauso schön.

Ich hatte nur kurz Zeit und versprach, noch einmal wiederzukommen. Und genau das tat ich nach meiner Rückkehr aus Chegaga. Ich rief Jamal kurz an und kündigte meinen Besuch für den Nachmittag an. Jamal war da und stellte mir seine Frau vor.

Was! Eine Frau? Und eine Europäerin!

Ich war zunächst mal sprachlos, hatte ihn nie mit einer Frau gesehen. Und zunächst macht man sich ja mal seine Gedanken, lässt seine Vorurteile spielen, wovon ja niemand ganz frei ist. Ich zeigte Bronia und Eckhard den magischen Hügel, dann kamen wir zurück und Camelia, was für ein schöner Name, lud uns ein in ihr Hüttchen. Und wir erfuhren einiges aus ihrem Leben, das meine Meinung doch ganz schön änderte.

Camelia ist Rumänin. Sie ist 50 Jahre alt und hat schon sehr viel erlebt. Ihre Eltern waren bekennende Christen in einem kommunistischen Land, hatten viel zu erdulden. Camelia war beim Militär, hatte später in vielen Berufen gearbeitet, auch als Filmregisseurin und viel im Ausland, in Skandinavien. Und dann schrieb sie sich ihre Erlebnisse von der Seele in drei Bänden, wofür sie einen ersten Preis in Rumänien gewann. Sie kam nach Marokko auf der Suche nach ihrer Identität, auch auf der Suche nach der Wahrheit der Religionen, denn sie war keine praktizierende Christin wie die Eltern, sie war auf der Suche. Kam in dieses kleine Camp. Jamal bot ihr eine Kameltour an. Sie hasste Jamal auf den ersten Blick, wollte nichts von ihm wissen. Sie spazierte über das Gelände, sah den Friedhof um das Marabut und hatte auf einmal das Gefühl, dass sie nur dort einmal ihre letzte Ruhestätte haben wollte. Jamal kam zu ihr, nahm seine Sonnenbrille ab, sie blickte in seine Augen und sah darin das Leid, das auch er in seinem Leben erfahren hatte. Das änderte alles. Jamal sagte schon beim zweiten Besuch von Camelia seinen Eltern, dass dies die Frau sei, die er heiraten wolle. Und auch die Eltern lieben Camelia, obwohl sie ja wissen, dass sie von ihr nicht die in Marokko üblichen und erwünschten Enkelkinder bekommen können. Camelia ist nicht reich, auch sie muss für ihren Lebensunterhalt arbeiten, sie ist eine sehr stille, nachdenkliche, liebenswerte Frau, so dass ich ihr diese Liebesgeschichte voll abnehme.

Der Plan der Beiden ist, demnächst nach Norwegen abzureisen, wo Camelia Beziehungen hat, dort den Sommer über zu arbeiten, und dann im Oktober wiederzukommen, um das kleine Camp auszubauen und vielleicht ein richtiges Restaurant zu eröffnen. Auch die alte Kasbah soll aus ihrem sandigen Schlaf befreit werden. Ich wünsche den beiden viel Glück und Erfolg, viele Besucher und werde ihren weiteren Weg im Auge behalten.