Alle, die sich auf weitere Abenteuer aus Mauretanien freuen oder sogar auf Berichte über Pisten, die sie selbst fahren wollen, muss ich leider enttäuschen. Heute Nacht war Idoumou ganz sicher, dass mein Koffer ankommen würde. Aber um 4 Uhr bekam ich eine SMS, dass wieder nichts dabei ist. Da konnte ich natürlich nicht mehr schlafen und machte mich an die Arbeit. Eigentlich sollte ja heute unsere große, mehrtägige Tour anfangen, aber Idoumou wollte sich erstmal ausschlafen. Es war daher schon fast 11, als er endlich zum Hotel kam. Bis dahin hatte sich so ein Ärger auf Royal Air Maroc aufgestaut, dass ich den erstmal ablassen musste. Habe Abdou in Marokko angerufen und ihn gebeten, sich dort zu kümmern. Er fragte nach der TAG-Nummer und nach einer Bestätigung, dass wir den Koffer als vermisst gemeldet haben. Ja aber, Abdou, wir sind doch in Mauretanien, da gehen die Uhren anders. Wir hatten natürlich nichts bekommen und ich muss Abdou recht geben. Denn jeder könnte ja mit dem Gepäckstreifen nachher sagen, hallo, mein Koffer kam nicht an. Also zum Büro von Royal Air in der Stadt. Der arme Direkter, der gerade zur Tür reinkam, wusste gar nicht, wie ihm geschah. So eine Furie hat er wohl noch nicht getroffen. Als er auf dem Flughafen anrief, um nachzufragen, sprach er von Eklat. Hah! Jedenfalls sagte er uns, wir müssten zuerst zum Airport und dieses Papier besorgen. Idoumou fährt ja seit dem 5.Juli nächtlich die vielen Kilometer raus zum neuen Terminal und ist es langsam leid. Aber wir fuhren. Und durften sogar in dem Raum nachschauen, wo die überzähligen Koffer stehen. Natürlich nicht dabei. Dann ging es ins Büro, wo ich ja meine TAG-Nummer haben wollte. Inzwischen haben wir also alle Nummern, aber immer wird nur der eine Koffer angezeigt, der ja angekommen ist. Großes Hin und Her, das immerhin dazu führte, dass ich meine Bescheinigung bekam, nur wo der Koffer ist weiß niemand. Wir können nur vermuten, dass der Anhänger abgerissen wurde und so der Koffer nicht zugeordnet werden kann. Die Frage ist aber, wo ist das geschehen? Wenn es bereits in Frankfurt war, dann müsste er dort stehen. Nun läuft also parallel eine Suchorganisation in Casablanca und Frankfurt.
Nun hatte ich aber dem Direktor gesagt, dass ich mir was zum Anziehen kaufen muss und die Airline verpflichtet ist, mir das zu zahlen. Ganz zu schweigen, von den zusätzlichen Nächten in Nouakchott und dem Ausfall meiner vielen Ausrüstung, die ich einfach auf so einer Recherchefahrt brauche. Idoumou war überrascht, das kannte er nicht, meinte, hier in Afrika gibt es nichts. Doch der Direktor zuckte nicht mit der Wimper, als ich das forderte. Nach Vorlage der Papiere zahlte er mir fast 100 Euro aus, natürlich in Ougiya. Es ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber besser als nichts.
Inzwischen war es drei Uhr geworden und natürlich konnten wir nicht mehr diese weite Reise antreten. Was also tun? Mein Hotel war bereits geräumt und ich fand es auch zu teuer. Hier fallen nur Hotelkosten an und nichts kommt bei raus. Also brauche ich eine preiswerte Unterkunft. Alle empfehlenswerten Gästehäuser waren ausgebucht, ich bekam nur ein Zimmer im Sanaga, das ich zwar bereits kannte, aber es ist doch ziemlich heruntergekommen seitdem. Oberflächlich schönes Bad, aber als ich duschen wollte, stelle sich heraus dass die Dusche aus einem rosa Plastikbecher besteht, der mit Wasser gefüllt über den Kopf gegossen werden muss. An der Badewanne kommt kein Tröpfchen raus. Und wie gut, dass in dem einzig angekommenen Koffer zumindest ein Handtuch war. Es gibt auch eine Klimaanlage, aber ihr müsst nicht denken, dass die geht. Aber ich halte durch für eine Nacht. Bin sehr überrascht, dass die Wasserspülung einwandfrei funktioniert.
Ja, der Koffer. Habe ja schon ein wenig über den Inhalt erzählt und von den Medikamenten gesprochen. Aber die sinds nicht wirklich. Es sind zum Teil nur Nahrungsergänzungsmittel, die dennoch für mein Funktionieren wichtig sind, aber nicht lebensbedrohend. Und alles war halt nicht so richtig fürs Handgepäck geeignet, also schimpft nicht so mit mir. Sehr viel schlimmer ist einfach, keine Kleidung zu haben. Ich hatte ja nur das, was ich am Leib trug. Mit dem zweiten Koffer kamen nur Pyjama und ein Slip hinzu. Und dann soll ich auf eine anstrengende Wüstenfahrt gehen? Das bring ich einfach nicht. In jeder Minute fehlt mir ein anderes Teil, zum Beispiel auch mein Waschmittel mit Klappeimer, mein Kamm, Nagelschere. So Kleinigkeiten halt, es war alles so schön organisiert. Klar, die Kaffeemaschine war Luxus, die Erdbeermarmelade auch, aber trotzdem wäre es so schön, es zu haben. Und auch Bargeld war vorhanden, in einer verschlossenen Geldkassette, denn ich hatte meinen Barvorrat auf zwei Gepäckstücke aufgeteilt. In Mauretanien zahlt man nicht einfach so mit Kreditkarte, man braucht bares.
Dann habe ich mich mit Idoumou ruhig zusammen gesetzt. Es war schwer, ihm meine Sicht zu vermitteln. Er meinte einfach, vergiss es die paar Tage, wir fahren los. Trotz abgeschlossenem Studium hat er immer noch seine Nomadenmentalität, er denkt einfach ganz anders als ich und benötigt nicht viel zum Leben. Mit seinem Boubou kann er wochenlang auskommen, die Männer benutzen das Kleidungsstück einfach für alles, auch zum Abtrocknen oder Nase schnäuzen.
Nun hatten wir ja schon drei Tage verloren, er wollte sein Programm durchziehen, wo wir Pistentage gehabt hätten, mit Schlafen im Zelt und täglich 8 – 10 Stunden auf Piste. Ohne jeden Extratag, falls was passiert. Wir haben Brainstorming gemacht und sind nun zu einem Kompromiss gekommen. Ich will es hier nicht aufzählen, weil ich inzwischen so sehr befürchte, dass auf dieser Reise alles in die Hosen geht. Ich habe in Mauretanien nie viel Glück gehabt und komme wirklich nur hierher, um Idoumou und dem Land einen Gefallen zu tun. Was mich diese Reise inklusive aller Missgeschicke kostet ist ein Vielfaches von dem, was ich jemals an dem Reiseführer verdienen kann.