Noch 3.4. Die Liebenden von der Mohammed VI

Der Abend endete dann mal wieder anders als gedacht. Gegen 18 Uhr zog ich mich um für die üblichen Kamingespräche. Aber die einzige, die ich traf, war Amina im Jogginganzug, eine Hotel-Repräsentantin aus Ouarzazate, die auf der Suche nach einer Begleiterin für ihren Abendlauf war. Aber eigentlich wollte Abdou ja gegen 18 Uhr vorbei kommen. Nur bei dem Mann weiß man ja nie. Ein Anruf ergab, dass er gegen 20.30 Uhr kommen wird. Also schnell ins Renn-Outfit und ab mit Amina. Während ich bevorzuge, kein Auto zu nutzen und gleich ab Hotel zu joggen, wollte sie lieber in eine ruhigere Gegend, also fuhren wir in der hereinbrechenden Dämmerung mit schweren, schwarzen Wolken über dem Atlas zum Boulevard Mohammed VI und den Menara Gärten. Das ist schon was anderes. Der Boulevard hat einen breiten, gepflegten Mittelstreifen, mit Blumen bewachsen, ab und zu einen Springbrunnen, und dazwischen überwucherte Lauben mit Bänken, der ideale Platz natürlich für Liebespaare. Und wer denkt, dass es die in einem islamischen Land nicht gibt, der irrt ganz gewaltig. Fast jede Bank war besetzt und es war sehr interessant zu sehen, dass die jungen Leute in Marokko die gleichen Bedürfnisse und Wünsche haben wie alle jungen Leute auf der ganzen Welt. Es war ein Geknutsche überall und machte mir richtig Spaß. Immer nur wird von den unterdrückten Frauen in einem islamischen Land gesprochen, aber Marokko zeigt, dass es auch ganz anders gehen kann. Wie ich gesprächsweise hörte soll der König nun sogar ein Gesetz unterzeichnet haben, das es einem Muslim gestattet, in eine andere Religion zu konvertieren. Das wäre wirklich revolutionär.

Als ich dann ins Hotel zurückkam stand mein Abholer schon an der Rezeption, aber zu meiner Überraschung war es nicht Abdou, sondern ein Fahrer. Für eine Dusche war keine Zeit mehr, kurz die Kleidung gewechselt und ab ins Auto. Und dort saß ein deutsches Paar, das mich ebenso überrascht ansah wie umgekehrt. Abdous Spezialität ist, immer eigene Pläne zu haben und sie nie zu kommunizieren. Das Paar war erst am Abend in Marrakech zur ersten Marokkoreise angekommen, wollte sich gerade nach einem Restaurant zum Abendessen umschauen, als ein Anruf im Riad besagte, dass sie abgeholt werden würden. Es stellte sich heraus, dass es Bekannte von Abdous Familie in Hamburg waren, und das erforderte eine Spezialbehandlung. Ich hatte Abdou erst vor ein paar Tagen nach dem Restaurant Al Fassia gefragt, das einen sehr guten Ruf hat, aber vor allem dafür bekannt ist, dass dort nur Frauen beschäftigt sind. Als wir am Dienstag aber zum Essen gehen wollten hatte das Restaurant seinen Ruhetag. Und um mir eine Freude zu machen ging es also nun ins Al Fassia. Zwar nicht in Gueliz, denn das Lokal dort ist immer lange vorreserviert, aber es gibt ein zweites im gleichen Stil in der neuen Hotelzone in Agdal. Und ganz im Gegensatz zu dem Azar war dies keine Enttäuschung. Im Al Fassia verzichtet man auf alle überflüssigen Showeffekte und bietet statt dessen eine bodenständige Feser Küche an, serviert von traditionell gekleideten Damen. Gestern war ich noch überrascht über die karamellisierten Tomaten, aber auch hier im Al Fassia stehen sie auf der Karte. Und so bestellten wir drei Ausländer jeweils ein anderes Tajine, aber alle mit karamellisierten Zutaten, Tomaten, Zwiebeln, Zucchini, aber Abdou hatte ein traditionelles Hühnchen mit Oliven. Toll war die Vorspeisenplatte, sie bestand aus kleinen gefüllten Teigtäschchen und darum gruppiert unzählige Schälchen mit verschiedenen Salaten. Wenn ich das nun direkt mit dem Hühnchen am Abend zuvor im Tichka vergleiche, so war es im Tichka geschmacklich ein wenig besser, im Al Fassia aber war die Vorspeisenplatte besser. Alles in allem muss man aber sagen, das Al Fassia ist sein Geld wert, wesentlich mehr als das Azar. Und wir wurden so reichlich satt, dass kein Platz mehr für ein Dessert blieb.

Als ich todmüde ins Tichka zurückkam musste ich ein letztes Glas mit Moulay Abdellah trinken und ihm beichten, dass ich fremd gegessen habe. Als ich ihm aber versichern konnte, dass sein Hühnchen viel besser war, hat er mir verziehen.