Tidjikja – Tichit

Es ist als hätte Idoumou meinen Reiseführer verinnerlicht, denn wie auch ich es empfehle fuhr er noch am Abend als erstes zur Tankstelle. Das ist ein Muss für jede Tour in Mauretanien, denn so hat man noch eine zweite Chance am Morgen, wenn am Abend der Treibstoff alle ist oder das Stromnetz mal wieder ausfällt. Und auch der Luftdruck der Reifen wurde verringert, denn heute geht es auf sandige Pisten. Da bleiben wir dann die nächsten Tage. Hatten wir gestern schon den Guide Ahmed dabei, von dem ich nicht so genau wusste, was seine Aufgabe war, saß er doch einfach nur dabei, so haben wir heute noch zwei andere. Also ich und vier Männer ab in die Wüste. Die Landschaft ist wunderschön. Kleine Sanddünen in wechselnden Farben, ein Oued zieht sich an unserem Weg entlang. Damit wir uns nicht falsch verstehen, es hat keinen Tropfen Wasser, aber ist dennoch zu erkennen an seinem Baumbewuchs. Und hie und da ist auch ein Brunnen. Das Wetter ist überraschend angenehm, eher bedeckt und nicht der heiße Wüstenwind wie gestern. Einmal kommen sogar 2,3 Tropfen Regen auf die Windschutzschreibe. Idoumou fährt zügig über den Sand und unser schwer bepackter Pickup schafft das spielend. Ich mache mir Sorgen, ob wir am Abend gemäß unserem Plan Tichit erreichen, wo wir in einer Auberge schlafen wollen, was natürlich bequemer ist. Aber 240 km richtig heftige Wüstenpiste in einem Tag? Das ist schon etwas. Bewohner gibt es kaum, Gegenverkehr natürlich auch nicht, aber dennoch sind Spuren vor uns und die Piste ist recht deutlich zu sehen und außerdem durch rot-weiße Pfosten markiert. Wir fahren und fahren durch sehr schöne abwechslungsreiche Landschaft, Stunden geht es und wir haben noch längst nicht die Hälfte. Dann kommen wir zu einem Brunnen, er wird von einer durch Solarenergie betriebenen Pumpe bedient und es gibt Wächter. Aber das Wasser ist kostenlos. Es gibt nur eine Ortschaft an der Strecke, Lekhcheb, und nur dort ist Mobilfunkempfang. Idoumous Handy fängt an zu piepsen, lauter Nachrichten kommen rein, aber natürlich wird dennoch nicht das Auto kurz geparkt, sondern weiterhin über Sanddünen bugsiert, während er telefoniert. Und so einige Wörter lassen mich aufhorchen. Ich verstehe Bagage und Nouakchott. Das heißt doch nicht etwa …?

Village Bagage

Es heißt! Zunächst ein guter Bekannter, der vorwarnt, dann der Polizeichef persönlich, dann Abdou aus Marokko. Man muss einfach wissen, dass in der Kofferangelegenheit inzwischen alle wichtigen Persönlichkeiten eingeschaltet sind, angefangen vom Polizeichef am Airport, den Direktoren der RAM in Nouakchott, in Casablanca und in Düsseldorf. Und letzterer hat es wohl geschafft, den Koffer zu lokalisieren, der immer noch in Frankfurt stand. Aber eben letzte Nacht in Nouakchott eingetroffen ist, wo der Polizeichef ihn persönlich in Gewahrsam nahm. Mich wundert nur, warum der Außenminister nicht eingeschaltet war. Nun wurde der Polizeichef gebeten, den Koffer in Richtung Kiffa aufzugeben, wo ich ihn, wenn alles gut geht, in 3 Tagen in Empfang nehmen könnte. Dieses Dorf Lekhcheb wird nun offiziell umgetauft in Village Bagage!

Idoumou futtert unablässig seine noch unreifen Datteln, wir anderen knabbern an einem Stück Brot und ich gehe eigentlich davon aus, dass das unser Mittagessen ist. Gefühlt ist es auch schon spät, weil wir ja schon so viel gefahren sind. Mein Handy ist aus und ich lebe ohne Zeit. Doch dann kommen wir an einen weiteren modernen Brunnen, auch der mit Solarpumpe und Wächter, und einem schönen großen Zelt, wie sie in Mauretanien üblich sind, so wie auch die Restaurants auf den Dörfern sind. Es ist leer, aber für uns werden Decken und Teppiche ausgerollt und die beiden Jungs haben nun ihre Aufgabe, Ahmed kocht das Mittagessen und der andere den Tee, was ja hier eine zeitraubende Angelegenheit ist. Nur der Dritte spielt Tourist, ist scheinbar einfach so mitgekommen, im Fall, es werden Männer zum Schieben gebraucht.

Idoumou fällt todmüde auf die Matte, er leistet ja auch wirklich viel. Gestern 10 Stunden Fahrt, heute die schwierige Piste, er lässt ja auch keinen anderen ans Steuer. Nicht, dass ich etwa wollte. Ich genieße es sehr, mich voll auf meine Arbeit zu konzentrieren, die Wegbeschreibung zu machen und ab und zu ein paar Fotos, zum Beispiel von den Kamelen am Brunnen. Eine Stunde machen wir Pause, es ist erst 14 Uhr und es geht es weiter. 80 km sollen es noch sein bis Tichit und ich habe langsam Vertrauen, dass wir doch vor Abend ankommen. Noch immer ist die Landschaft wunderschön, immer mal wieder beeindruckende Felsformationen. An einer solchen wieder ein Brunnen, auch hier arbeiten ein paar Männer. Kurzes Gespräch, Idoumou fragt immer, ob es noch weitere Fahrzeuge unterwegs gibt und erhält die Auskunft, dass gestern Abend um 9 Uhr zwei große LKW mit Versorgungsgütern für Tichit vorbeikamen. Das muss man sich mal vorstellen, alle Güter, ob Baumaterial oder Lebensmittel und auch Treibstoff, müssen auf dieser schwierigen Piste über 240 km herantransportiert werden. In Tichit gibt es eine Tankstelle, aber der Nachschub kommt auch über diese Piste und das darf auch kein Tourist vergessen, der sich munter auf diese Fahrt begibt und denkt, man kann ja in Tichit und Oualata nachtanken. Das ist durchaus nicht immer so und kostet verständlicherweise ein Drittel mehr. Und tatsächlich, keine halbe Stunde später, sehen wir in der Ferne vor uns zwei LKW stehen. Es sind die erwähnten. Sie stecken im Sand fest und versuchen seit gestern weiter zu kommen. Klar ist, sie werden es auch heute nicht schaffen. Später im Ort fragt uns jeder nach den vermissten Fahrzeugen und sie sind schon mal froh, dass wir sie gesehen haben und bis auf den Sand alles in Ordnung ist, sie sind seit einer Woche auf dem Weg von Nouakchott und bringen dringend benötigten Nachschub. Im Winter sind auf dieser Strecke ab und zu Touristen unterwegs, aber im Sommer kommt oft tagelang kein Fahrzeug vorbei und damit auch keine Nachrichten. Mobilfunkempfang gibt es nicht auf der Strecke.

Nach 9 Stunden Fahrzeit inklusive der Mittagspause erreichen wir Tichit, was natürlich niemandem zu raten ist. Ich arbeite und habe wenig Zeit, Idoumou noch weniger, deshalb fuhren wir sehr schnell, aber jeder, der seine Urlaubsreise hier verbringt sollte für diese Etappe zwei Tage einplanen, es gibt ja auch so schöne Rastplätze unterwegs.

Tichit

In Tichit werden wir von richtig großen Kamelherden begrüßt. Sie ziehen vom Brunnen wieder zurück in die Wüste. In der Zeit der großen Karawanen war Tichit eine sehr wichtige Station, denn hier gab es Salz; keine Kristalle oder Blöcke, sondern einen salzhaltigen Sand, der in Säcke verpackt noch heute in Mauretanien und die anliegenden Wüstenländer verkauft wird, hauptsächlich für die Kamele. So arm und mickrig der 1700-Seelen Ort auch aussieht, hier gibt es richtig reiche Familien, die hunderte von Kamelen besitzen, Tichit ist die Kamelhauptstadt Mauretaniens, sie werden selbst nach Algerien exportiert. Jetzt im Sommer kurz vor der Regenzeit sind die Kamele schwach, sie können nicht arbeiten. Aber im Winter wird das Salz in langen Kamelkarawanen bis Tidjikja transportiert und auch der Nachschub kommt so, verlässlicher als die LKW.

Und trotzdem gibt es zum Abendessen kein Kamelfleisch, aber Idoumou hat tatsächlich ein richtiges Festmahl organisiert mit Ziegenfleisch in allen Formen. Einmal als Mechoui, als halbe im Stück gebratene Ziege, dann noch mal mit Soße gekocht, natürlich gibt es auch die Innereien der Ziege, aber als Vorspeise gab es Kamelmilch und die ganz frischen Datteln der Saison.

Danach möchte ich gerne todmüde ins Bett fallen, muss aber noch die Erlebnisse aufschreiben, denn morgen kommen ja neue hinzu. Aber Internet gibt es hier am Ende der Welt natürlich nicht.