Eiskalt ist der Morgen in der Sierra auf 1100 m Höhe. Und auch auf der weiteren Fahrt wird es eher kälter. Dafür aber sonnig und trocken und die Straße ist gut zu fahren. Der Orkan versucht mit allen Mitteln, mich von der Straße zu wehen, aber der Disco hält tapfer durch. Immerhin geht es durch eine der schönsten Gegenden in Spanien immer Richtung Granada. Die Berge sind schneebedeckt, wir steigen auf 1300 Meter. Erst bei Guadix mit seinen bizarren Sandsteinfelsen und den Höhlenwohnungen verschwindet der Schnee, aber viel wärmer wird es auch hier nicht.
Ich möchte unbedingt die Schnellfähre um 13 Uhr erreichen und bin gespannt, ob sie überhaupt fährt. Die Strecke zieht sich, von meiner Unterkunft noch 450 km. Aber kurz vor 12 Uhr komme ich in einem sonnigen, 14 Grad warmen Tarifa an, die Fähre ist noch nicht eingelaufen und ich bekomme ohne Probleme einen Platz.
Die etwa 20 Flaschen Wein habe ich im Fußraum der Rückbank, nicht wirklich versteckt, nur eine Decke drüber gelegt. Meist wird ja nur in den Kofferraum geschaut. Aber der Fahrer des schweizer Range Rover vor mir, der den Zöllner schon lange neben seiner geöffneten Heckklappe erwartet, muss statt dessen die ganze Rückbank ausladen. Das kann ja heiter werden. Obwohl die Zöllner eigentlich immer sehr großzügig sind.
Dann kommt er zu mir, und oh Wunder, schaut nur hinten nach. Fragt, ob ich Geld zu deklarieren und Waffen dabei habe. Klar, ich habe ein Millionenköfferchen zur Finanzierung der Islamisten sowie eine Tonne Sprengstoffgürtel dabei. Aber meine treuherzigen Augen und meine Versicherung, wie sehr ich Marokko liebe, veranlassen ihn, mich durchzuwinken. Alles in allem 15 Minuten in Tanger Stadt. Ich liebe diese Fähre!
Zunächst aber zur Tankstelle, mein Tank ist fast trocken. Sprit ist auch in Marokko teurer geworden, aber der Diesel zu 8,34 Dirham immer noch ein Traum gegen unsere Preise. Dafür muss ich natürlich auch viele Kilometer zurücklegen. Es geht zunächst nach Asilah, wo ich die beiden gut besuchten Stellplätze besuche und mit den Deutschen nett plaudere. Manchmal, wenn ich zu einem Wohnmobil gehe und freundlich guten Tag sage, schaut man mich ziemlich böse an ob der Störung. Wenn ich meinen Namen sage kehrt sich das zwar um, aber ich wundere mich doch ziemlich. Will man keinen Kontakt zu anderen?
Übernachten will ich in Moulay Bousselham. Vor Jahren hatte ich dort mal das reizende Gästehaus Maison des Oiseaux entdeckt und wurde sehr herzlich aufgenommen. Ich freute mich den ganzen Tag, wieder dort hin zu kommen und rief auch vorher an. Aber wie so oft in Marokko hatte sich mal wieder die Lage vollkommen geändert. Die französische Besitzerin, die schon damals schwer krank in Frankreich lag, war inzwischen gestorben und in das Haus nichts mehr investiert worden. Die marokkanische Familie betreut es zwar noch, aber der Mann muss außer Haus arbeiten, da er nicht mehr bezahlt wird, und die Ehefrau kümmert sich um die Vermietung. Eine ganze Schulklasse mit 5 Lehrern war da, um die Vogelwelt der Lagune zu studieren, aber ich glaube, europäische Gäste kommen nicht mehr. Ich fühlte mich ziemlich verloren, der Hausherr war noch auf Arbeit, die Hausfrau mit Kochen beschäftigt und keiner konnte mir Auskunft geben. Am liebsten wäre ich wieder gefahren. Aber es war inzwischen dunkel, wo sollte ich da noch hin.
Den Camping Flamant Loisir, der nicht weit entfernt ist, habe ich mir noch schnell angeschaut. Ich war ein paar Jahre nicht dort und war angenehm überrascht. Die Bäume sind wunderbar gewachsen und geben viel Schatten, der Platz ist sehr groß und man muss nicht dicht an dicht stehen. Und auch dort folgt ein längeres Schwätzchen mit meinen Lesern, bisher habe ich noch niemand ohne meine Bücher getroffen.
Das Abendessen nehme ich dann mit der Schulklasse ein. 15 Schüler und Schülerinnen um die 10 Jahre, 3 weibliche Lehrer, ein Mann. Eine Privatschule aus Rabat, man merkt es, alle sind sehr wohlerzogen, sagen freundlich Bonjour. Die Gebühren sind ca. 120 Euro im Monat plus Essensgeld, spottbillig für uns, aber in Marokko schon ein stattlicher Betrag. Der Lehrer spricht sogar deutsch, wenn er es auch seit seiner eigenen Schulzeit nicht mehr praktiziert hat, die Lehrerinnen haben ihre Augen überall und sorgen für Ordnung. Ganz zwanglos gruppieren sich zwei Tische, einer mit den Jungs, einer mit ganz in rosa gekleideten Mädels. Die Lehrerin sagt, sie wollen es so. Vor dem Essen werden französische Lieder gesungen, dann gibt es gegrillte Sardinen mit Linsen.
Die Nacht ist trotz Extradecke und Radiator kalt, das Haus eher gegen die Sommerhitze gebaut. WC und (kalte) Dusche sind außerhalb, weshalb ich mir letztere schenke und langsam nachsinne, in welches Paradies ich morgen flüchten kann.