6.4. Auf neuen Wegen

Kaum habe ich mich von meiner bequemen Burg Tichka losgerissen, kommen sie wieder, die tollen Erlebnisse und neuen Eindrücke. Auch nach 30 Jahren Marokko erlebe ich auf jeder Reise etwas Neues, nie Gesehenes. Zunächst geht es auf einer unbedeutenden Straße nach Demnate und von dort weiter nach Imi-n-Ifri. An der Naturbrücke war die Hölle los. Sechs Reisebusse standen an diesem herrlichen Sonntag dort, brachten marokkanische Familien. Bei diesem Andrang habe ich lieber nicht gestoppt und fuhr weiter zu den Dinosaurierspuren, die nur 6 km entfernt von der Brücke liegen. Dort war es zwar wesentlich ruhiger, aber dennoch kamen sofort Kinder und wollten sich ein paar Dirham verdienen. Nicht mit mir. Ich kannte die Spuren schon, außerdem wurde inzwischen ein Hinweisschild aufgestellt. Bisher war ich auf dieser Straße noch nicht weiter gefahren, aber Haddou aus der Tichkafamilie hatte mir gesagt, dass dies eine gute Verbindung ins Tal Ait Bouguemès ist. Und das war sie.

Satte rote Erde, frische, tiefgrüne Vegetation, alte Lehmdörfer, in der Ferne glitzern schneebedeckte Gipfel, es geht über viele Kurven hinauf und hinab. Die Frauen waschen die Wäsche am reißenden Fluss oder sitzen vor den Häusern und spinnen die Wolle, Schafe kreuzen den Weg. Wunderschön, nur – ich muss mal – und nirgendwo ist eine ruhige Toilette zu finden. Es gibt kaum richtige Dörfer, aber immer wieder Bauernhöfe. Die Erde ist fruchtbar, das Wasser kein Mangel. Die schmale Teerstraße ist gut, aber an jeder Furt ist der Asphalt weg gerissen, da kann man sich vorstellen, was bei Regen so los ist. In endlosen Kurven geht es bergan und bergab, ich komme kaum vorwärts, weil ich dauernd anhalten und fotografieren muss. Nur wenige Kilometer von dem Luxus von Marrakech und was für eine unberührte Natur, was für eine Schönheit der Landschaft. Ideal ist die Strecke für Motorradfahrer, hier gibt es Kurven satt. Gefällt mir noch besser als die Strecke entlang der Cathedrale des Roches, es ist ein richtiger Geheimtipp.

Natürlich schaue ich gleich, wo es einen Platz gibt, der sich als freier Stellplatz eignet. Entlang der Straße gibt es tatsächlich wenige Parkmöglichkeiten, ich finde auf der ganzen Strecke nur einen Platz, der anfahrbar ist, wenn auch nicht ganz eben. Doch von dort hat man eine wunderbare Aussicht auf ein Lehmdorf und kommt auch noch in den Genuss des Muezzinrufes. Und nach nur 72 km, viel zu früh, komme ich in Agouti bei Beatrice in der Auberge Flilou an. Agouti liegt im Tal Ait Bouguemès, auch genannt das Glückliche Tal wegen seiner blühenden Landwirtschaft. Aber langsam frage ich mich, ob es vielleicht so heißt, weil es hier immer noch kein DSL und damit kein Wi-Fi gibt. Hier ist man von der Welt abgeschlossen. Nur mit dem langsamen Modem kann man sich verbinden, und meins ist abgelaufen.