9-Euro-Ticket forever

In Facebook hatte ich geschrieben: „Ich liebe das 9-Euro Ticket. Bitte dauerhaft einführen.“ Es war schon etwas provokativ gemeint. Darauf bekam ich die Antwort: „Frage mich nur wer das auf Dauer alles bezahlen soll. 9-Euro als Jobticket wäre noch ok, aber nicht für das Vergnügen.“

Ich finde darauf ist eine Antwort fällig. Zunächst einmal realistisch: Ja, das wäre teuer, aber tatsächlich sind die öffentlichen Verkehrsmittel viel zu teuer. Statt diesem Ticket hätte ich mir schon lieber eine dauerhafte Änderung in diesen Preisen gewünscht und tatsächlich gibt es einzelne Gemeinden im In- und Ausland, die kostenlosen öffentlichen Nahverkehr anbieten.

Aber eigentlich will ich ja auf das „Vergnügen“ antworten. Denn ich denke, es ist sehr viel mehr als Vergnügen, dieses Ticket gibt den Menschen eine große Freiheit. Und die können sie nach eigenem Gutdünken nutzen. Ich habe schon die 7 vor meinem Alter, das ist nicht so einfach. Da muss man überlegen, was man in seiner noch verbleibenden Lebenszeit anfangen will. Das geht jedem so. In meinem Fall kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Ich hatte einen Selbstverlag, habe Reiseführer über Marokko geschrieben. Das ist durch Corona vollkommen weggebrochen. Nun ist es hauptsächlich das Radfahren, das mich aufrecht und am Leben erhält. Jeder Mensch braucht irgendetwas. Und nachdem ich die Radwege in meiner Umgebung längst zigmal abgefahren habe ermöglicht mir dieses Ticket, mehr von meiner Umgebung zu sehen. Ich habe wunderschöne Tage dadurch, die meiner seelischen Gesundheit helfen.

Etwas Besonderes ist aber gestern meiner älteren Nachbarin passiert, das finde ich erwähnenswert. Ich hatte ihr von diesem Ticket erzählt und sie überzeugt, auch eines zu kaufen. Wir haben damit einen schönen Ausflug nach Boppard zusammen gemacht. Aber dann beschloss sie, das Ticket für einen Besuch bei einer guten, aber alten und kranken Freundin zu nutzen. Eine Reise mit 4x umsteigen und 7 Stunden in der Bahn, aber es machte ihr nichts aus, sie hatte ja Zeit. Im Altersheim angekommen bekam sie sogar ein schönes Zimmer zu einem guten Preis und konnte sich zwei Tage mit der Freundin beschäftigen, die sich unsäglich gefreut hat. Gestern Abend kam sie zurück und erzählte mir von den Erlebnissen, auch, dass es der 85jährigen nicht gut geht und es vermutlich nicht mehr lange dauern wird.

Zwei Stunden später rief sie mich wieder an. Die Freundin ist gestorben! Also am gleichen Tag, als sie sich morgens noch umarmt hatten. Vielen, vielen Dank an das Ticket, niemals wäre meine Nachbarin sonst gefahren, sie war so glücklich, die Dame noch mal zu treffen und es scheint auch so, dass diese sich gerade noch am Leben gehalten hat, um die Freundin noch einmal zu sehen.

Ich bin sicher viele von euch können von solch besonderen Erlebnissen mit dem Ticket erzählen, gerade Rentner, die nicht so viel Geld haben. Das dann nur auf ein Jobticket zu beziehen finde ich mal wieder sehr einseitig und egoistisch.