Ecole vivante

Ich war hauptsächlich in Agouti, um die Einweihung der neuen Schule zu erleben. Die Deutsche Stephanie, die vor Jahren Haddou aus dem glücklichen Tal geheiratet hat, hatte, als ihr erster Sohn schulpflichtig wurde, damit begonnen, in diesem kleinen Dorf eine Privatschule aufzubauen und gleichzeitig sehr moderne Schulmethoden einzuführen, ein wenig wie Walddorfschulen, aber dem Leben in dieser einsamen Berggegend angepasst. Sie gründete unterstützt von einem schweizer Verein die Ecole Vivante, die den Kindern eine sehr gute Grundschul-Ausbildung für die ersten sechs Jahre ermöglicht. Um dieses Konzept fortzuführen wurde nun, nachdem die ersten Schüler die sechs Jahre erfolgreich abgeschlossen haben, ein College angebaut, also eine Oberschule. Auch hier beeindruckt das Konzept, das eine sehr offene Lehrweise ermöglicht, jedes Kind hat seinen eigenen Tisch, den es selbst gestalten und nach Belieben aufstellen kann. Die Ausbildung nimmt schon Bezug auf einen späteren Beruf, es gibt z.B. Schreinerwerkstätten und Nähzimmer. Aber auch ein Physiklabor ist vorhanden und die Landwirtschaft wird praktisch betrieben. Die ersten Schüler, die die 6. Klasse abgeschlossen hatten, mussten eine staatliche Prüfung ablegen und das Ergebnis lag über dem Durchschnitt der öffentlichen Schulen.

Die Eröffnung war sehr groß mit vielen freiwilligen Helfern angelegt, sogar die schweizer Botschaft war vertreten sowie der marokkanische Kultusminister. In Führungen konnten die Besucher die Räumlichkeiten erleben und es wurde auch der Unterricht gezeigt, für die drei hörgeschädigten Schüler gibt es sogar eine Lehrerin, die ebenfalls hörgeschädigt ist. Dazwischen aber immer wieder nette Sitzgelegenheiten für die Besucher mit Tee und Leckereien. Die örtlichen, zu einer Kooperative zusammen geschlossenen Frauen verkauften ihre Produkte. Und natürlich waren auch Sammelbüchsen für Spenden aufgestellt. Dieses Projekt verdient wirklich jede Unterstützung.

In meiner Unterkunft, der Auberge Flilou, war an dem Abend eine marokkanische Wandergruppe angesagt, so dass ich aus meinem Zimmer mit Bad in einem kleinen Schlafsaal zur Alleinbenutzung, aber ohne Bad, wechseln musste. Dazu wurde das Wetter auch ziemlich schlecht, es war kalt und regnerisch. Ich bin einfach kein Bergmensch, ich liebe die Hitze und gerne auch die staubtrockene Wüsten-Luft und so war es trotz der netten Gastfreundschaft im Flilou doch schön für mich, dass ich am nächsten Morgen weiter fahren konnte. Begleitet vom Österreicher, der in Azilal das Taxi weiter nach Ouzoud nehmen wollte, während ich in die zum Vergleich luxuriöse Umgebung des Chems Tazarkount in Afourer weiterfuhr. Die Hotelbsitzerin Ilse habe ich schon vor 27 Jahren kennengelernt, als das Hotel noch Baustelle war, und dort erhole ich mich immer gerne mal nach meiner anstrengenden Reise.