Edith allein unter Männern

Gleich am Morgen hatte ich eine Verabredung mit dem Direktor der Therme Moulay Yacoub. Gestern waren noch viele Fragen für mich offen, aber bis heute hatte ich recherchiert und es gab nicht mehr so viel Gesprächsbedarf. Aber im Stillen hoffte ich doch, dass er mich einlädt, das Bad zu besuchen, deshalb hatte ich auch Handtuch und Badeanzug eingepackt. Und tatsächlich, am Ende des Besuches bot er mir genau das an. Ich war ja ziemlich neugierig. Zunächst bekam ich einen Kleiderbügel, Badelatschen und einen Bademantel. Ich zog mich um und gab dann das Kleiderbündel an der Rezeption ab. Handy und Fotoapparat waren natürlich streng verboten und mussten gut versteckt werden. Dann hatte ich zur Auswahl das gemischte Bad oder das Frauenbad. Ich entschied mich für gemischt. Aber es waren tatsächlich nur Männer anwesend. Ein mittelgroßes rundes Becken, um das Liegen stehen, das Thermalwasser läuft aus verschiedenen Kanälen ins Becken. Ich habe mich als Frau durchaus wohl gefühlt, keiner hat nach mir geschaut, aber es gibt in meinem Alter ja auch nicht so viel zu schauen. Das Wasser ist fast 50 °C heiß, für mich Winterflüchtling ideal, manch einem dürfte es etwas zu warm werden. Vor allem im Sommer. Hab mal verdeckt ein Foto gemacht, aber natürlich ist es nicht gut geworden, durfte ja keiner sehen. Und die Linse war auch sofort beschlagen.

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So richtig Ausdauer hatte ich nicht, bin ja auch nicht krank, und so ging ich bald wieder. Zog meinen Bademantel an, spürte am Mund ein Haar, wollte es wegwischen … und hatte ein schwarz gekräuseltes Haar in der Hand. Lecker! Einzige Hoffnung war, dass es nicht gerade ein Schamhaar war. Es sieht so aus, als werden die Bademantel nicht nach jedem Kunden gewaschen.

Ich schaute noch mal ins Damenbad, aber das wäre nichts für mich. Ein winziges rechteckiges Becken und ziemlich viele Frauen dort. Einige hatten sogar einen Ganzkörper-Badeanzug an. Nein, dann doch lieber mit den Männern.

Auf den vielen tausend steilen Treppen hinauf kam mir eine richtige Prozession entgegen. Man reist hier mit Wolldecke und Kopfkissen. Jeder hat so was unterm Arm. Es wohnt ja kaum einer wie ich im 4-Sterne-Hotel auf der Hügelspitze, sondern fast jedes Haus bietet billige Privatzimmer an. Es gibt auch einige Hotels im Zentrum, parken muss man außerhalb und so gibt es eine endlose Karawanen von hoch bepackten Eseln, die den Transport des Gepäcks zwischen Parkplatz und Unterkunft erledigen. Ich komme mir vor wie auf dem Djebel Toubkal. Naja, es ist ja auch fast so steil. Man muss schon recht fit sein, wenn man die vielen Stufen zum Hotel mehrmals täglich zurücklegen will.

Eigentlich wären die heilsamen Quellen ideal für europäische Winterurlauber mit dem Wohnmobil, doch ist in den steilen Ort am Hang kein richtiger Platz zum Parken und erst recht nicht für eine Übernachtung. Die Parkplätze sind alle auf PKW ausgelegt. Zwar werden ab und an einzelne Mobile gesichtet, doch sind dies dann immer Einzelreisende, deren Drang zum Bad größer ist als der Wunsch nach einem guten Parkplatz und die dann am Straßenrand ein Plätzchen finden. Ideal ist es nicht.