GNV, MS Atlas, irgendwo auf dem Mittelmeer

Wenn ich etwas hasse dann ist es die lange Überfahrt zwischen Marokko und Europa. So oft ich kann nutze ich die Fähre ab Tarifa, auch wenn das zur Folge hat, dass ich den ganzen langen Weg durch Spanien fahren muss. Aber es geht im Endeffekt wesentlich schneller, es gibt so gut wie keine Wartezeit. Ich komme im Hafen an, kaufe das Ticket für die nächste abgehende Fähre und schon geht es los. Einchecken und Auschecken sind superschnell, es sind ja auch verhältnismäßig wenige Fahrzeuge.

Rein vom Preis her ist aber die lange Überfahrt günstiger. Diesmal habe ich für die Rückfahrt für mich und meinen Land Rover 288 Euro bezahlt. Dafür kann ich nicht Treibstoff für die zusätzlichen 1700 km, Autobahngebühren und Hotelübernachtungen zahlen. Ich muss für den Geburtstag meiner Enkelin zu Hause sein und habe dies als die sicherste Variante angesehen, rechtzeitig anzukommen, ich konnte ja vorher nicht wissen, ob es eventuell schlechtes Wetter geben wird.

Und nun bin ich also auf der MS Atlas. Es ist wie eine Strafe für mich. Absolut keine deutsch sprechenden Leute sind auf dem Schiff. Nicht, dass ich daran gebunden wäre, ich kann ja auch andere Sprachen, aber mit deutschen Campern hätte sich sofort eine Verbindung ergeben. Hier absolut nichts. Ich bin völlig allein und das ja immerhin etwa 40 Stunden lang. Schrecklich. Ich muss immer etwas tun, aber hier bin ich nicht Herrin der Lage. Bin kurz vor der Depression.

Wie anders war das doch früher, als die marokkanische Comanav noch fuhr. 1987 bin ich zum erstenmal auf dem Schiff Marrakech gefahren. Das war noch ein Erlebnis. Nicht nur war das Schiff sehr schön eingerichtet, es gab eine große Bar, wo man sich traf und wo oft auch musikalische Unterhaltung geboten wurde, bis hin zum Tanz. Wenn ich nach ein, zwei Jahren mal wieder auf dieses Schiff kam, kamen mir Tränen vor Freude. Und es gab immer jemand zum Reden. Die Fahrt war mit Vollpension, und es gab ein vorzügliches Essen an einem schön gedeckten Tisch mit netter Bedienung, nicht so eine grässliche Cafeteria mit Massenabfertigung wie auf der italienischen Atlas. Zunächst musste man sich seinen Platz geben lassen und saß dann während der ganzen Überfahrt mit den gleichen Menschen am Tisch. Dadurch ergaben sich immer nette Bekanntschaften. Einmal lernte ich sogar den amerikanischen Konsul in Casablanca kennen und wohnte später ein paar Tage in seinem Haus. Und auch an der Bar traf man immer wieder Leute zum Gespräch. Da machte die Überfahrt Spaß, da verging die Zeit schnell.

Nun also MS Atlas. Die Nacht vorher schlief ich in Tetuan. Unzählige Stunden sollte ich nur mit Warten verbringen, da wäre ich fast durch Spanien durch gewesen in der Zeit. Die Fähre sollte um 22 Uhr am Abend abgehen, man muss 4 Stunden vor Abfahrt da sein. Am Nachmittag besuchte ich noch Susanne Koch, die mit ihrem Mann ein Restaurant bei Tetuan betreibt und für Wohnmobile eine Stellfläche anbietet. Das war ein netter Besuch. Dann ging es zum Hafen Tanger – Med und ich war etwa um 17 Uhr dort, also sogar 5 Stunden früher. Wenn man nun denkt, dass man zunächst im Hafen herumsteht, darauf wartet, dass das Einchecken beginnt und schon mal die ersten Leute kennenlernt, so wie es früher war, dann hat man sich getäuscht. Es gab nun ein endloses Schlange fahren und stehen. Zunächst an den Ticketschalter. Dort wurde ich wieder fortgeschickt, weil es einen Parkwächter gibt, der zunächst einen Stempel auf das Ticket drücken muss. Immer mal wieder was Neues. Dann erneut zum Schalter, die Schlange hier war nicht lang.

Nun muss man in den Hafen einfahren und steht schon in der Schlange, ohne dass man so richtig weiß, wofür, man sieht ja nichts vor lauter Autos. Irgendwann kamen wir dann zur Polizeikontrolle. Am Schalter wurde der Pass gestempelt. Weiter in endloser Schlange. Dann holte ein Beamter den kleinen Schein für das Fahrzeug, den ich bei der Einreise bekommen hatte, und brachte ihn gestempelt zurück. Irgendwann dann kam die Zollkontrolle, Hunde gehen durchs Auto, ich habe ein gutes Gewissen. Dann verengen sich die fünf Schlangen auf nur zwei, das dauert. Endlos geht gar nichts weiter, dann höchstens mal eine Wagenlänge. Es wird langsam dunkel. Nach langer Zeit geht es um die Ecke und wir stehen vor dem Scanner. Da passen so etwa füpnf Fahrzeuge rein, das hält auf. Doch dann ist auch das geschafft. Dann geht es zum Schiff. Der Hafen ist riesig, zwischen den einzelnen Stationen liegen Kilometer. Habe Zweifel, ob ich auch in der richtigen Schlange lande und nicht vielleicht versehentlich in Algeciras lande. Aber wie ein Wunder bin ich doch bei den richtigen Leuten nach Sète. Natürlich auch hier noch Warten. Zwar ist das Schiff hell beleuchtet und offen, aber wir müssen noch warten. Inzwischen ist es 20 Uhr, die letzten drei Stunden habe ich nur mit Stop and Go verbracht. Es wird schließlich 21 Uhr, als endlich Bewegung in unsere Schlange kommt, noch einmal muss ich aussteigen, das Auto wird von Polizei durchsucht, ob sich Menschen versteckt halten, und direkt an der Einfahrt noch ein weiteres Mal vom Schiffspersonal. Man hat wohl böse Erfahrungen gemacht, der Hafen ist ja auch sehr groß und unübersichtlich, es kann sich schon mal jemand einschleichen. Es ist fast 22 Uhr, als ich erschöpft in meiner Kabine ankomme. Das Schiff setzt sich aber noch lange nicht in Bewegung.

Auf den ersten Blick sieht die Atlas aus wie ein modernes Schiff. Aber es gibt kaum Einrichtungen. Man will ja nicht den ganzen Tag in seinem winzigen Kabinchen liegen, aber es gibt kaum Räume, wo man sitzen kann. Auch hier eine Bar, aber kein Vergleich mit der Marrakech. Die wenigen Tische davor sind dauernd besetzt, wer hier einen Sessel ergattert, behält ihn. Die Cafeteria ist nur während der Essenszeiten geöffnet, und das ist wirklich ein Fraß, das tue ich mir diesmal nicht an. Kein Wunder, dass Marokkaner mit vollen Kühltaschen aufs Schiff kommen. Zwar gibt es auch ein schöneres Restaurant, auch das nur kurz geöffnet, aber das Essen dort ist ziemlich teuer. Dann gibt es einen großen Kinderbereich, eigentlich ja eine schöne Idee. Nur Spielsachen sind da so gut wie keine. Und das war es auch schon. Auf den Gängen so gut wie keine Sitzgelegenheiten, es gibt ein, zwei Sofas in den Gängen, aber die wurden sofort von Leuten okkupiert, die keine Kabinen gebucht haben, und die sich sodann während der Überfahrt dort häuslich einrichten. Im Grunde bleibt außer Schlafen nichts zu tun.

Ich habe mir einen sogenannten Food Pass gekauft. Der kostet 22,90 Euro und berechtigt zum Einkauf von 30 Euro. Das ist die beste Alternative. An der Snackbar kann man ganz nette Kleinigkeiten kaufen, z.B. gut belegte Croissants, und ich werde mich damit ernähren, habe ja zusätzlich auch ein paar Kleinigkeiten eingepackt. Dachte irgendwie dass ich hier verhungern muss, nun aber muss ich mich beeilen, den Pass auch abzufuttern. Oder zu trinken, denn man kann ja auch einen Aperitif dafür bekommen.

Nun ist es Montagvormittag, wir werden irgendwann in Sète ankommen und dann noch einmal 1.000 km und ich kann wieder in meinem Bett schlafen. Vermutlich werde ich aber noch einmal in Frankreich übernachten und hoffentlich so richtig gut essen, denn das fehlt mir nach so langer Zeit in Marokko.