Zum Schlafen komme ich im Augenblick recht wenig. Ganz unvermittelt geriet ich in eine Abendveranstaltung, die sehr typisch für das marokkanische Leben ist, wenn auch lange nicht so aufregend wie die Disco. Doch sehr vielfrüher als die Disconacht hat das auch nicht geendet.
Am Samstag ging es wie üblich gegen 19 Uhr zum Plauderstündchen auf der Hotelterrasse. Der Direktor saß alleine dort und fragte, ob ich mitkommen wolle, wir seien zum Abendessen eingeladen. Hm, warum nicht. So was kann ja nicht lange dauern, spätestens um 22 Uhr bin ich wieder zu Hause und kann den Schlaf nachholen, nach der kurzen Nacht bin ich schon reichlich müde. Kurz darauf kam ein weiterer Freund und wir fuhren in seinem Wagen los. Zu meiner Überraschung ging es nicht in ein Restaurant, sondern ich erfuhr, dass Abdelouahad uns in sein neues Haus zum Essen eingeladen. Ich nenne ihn jetzt kurzerhand Abdel. Er kommt zwar öfter mal auf ein Glas Wein ins Hotel, ich weiß dass er touristisches Transportunternehmen hat, aber über sein Privatleben weiß ich nichts, keine Ahnung, ob er verheiratet ist oder Familie hat. Irgendwie glaubt man ja, wenn man zum Essen eingeladen ist, muss es da zumindest eine Frau geben, die sich um die Küche kümmert. Aber vielleicht bin ich da auch zu eingefahren. Das Haus war ziemlich groß, wenn auch nicht schön, denn im Erdgeschoss bestand es aus einer großen Garage, wo auch mal seine Minibusse untergestellt werden können. Über neu geflieste Marmorstufen ging es hinauf, auf den Treppenabsätzen standen Blumenkübel, darum große Wasserflecken auf den neuen Fliesen und dennoch waren die Blumen verdorrt. Oben öffnete Abdel und war ziemlich erstaunt mich zu sehen, von wegen „wir sind zum Abendesen eingeladen“. Aber egal, er freute sich und begrüßte mich herzlich. Die Wohnung war groß, ja man sah, dass alles neu war, der Anschluss für das Klimagerät hing noch aus der Wand, aber vor dem Kamin war eine gemütliche Polstergarnitur und an der Wand ein großer Fernseher, der natürlich den ganzen Abend lief. Als ich mich umsah, sah ich schon ziemlich schnell, dass hier keine Frau für Dekoration sorgt. Aber was ist mit der Küche? Essensgerüche gab es nicht. Wir tranken Wein und knabberten Nüsse, gegen 22 Uhr fragte Abdel, ob ich hoffentlich nicht zu hungrig sei, denn wir würden noch auf weitere Freunde warten. Das Essen sei schon bereit, ich solle mir doch mal die Küche ansehen. Oh, die war schön, modern und offen, hätte direkt aus Deutschland kommen können, aber der Tajinetopf stand zwar auf dem Ofen, aber nicht auf einer Flamme, es hatte noch gar nicht angefangen zu kochen. Und dann fuhr auch noch unser Fahrer weg, meinte, er käme bald wieder, und alle Chance auf eine frühe Heimkehr war dahin. Nach einer halben Stunde waren plötzlich Schneidegeräusche aus der Küche zu hören, einer von Abdels Chauffeuren war eingetroffen und begann den Salat zu bereiten. Hat vermutlich auch das Tajine angeheizt.
Hunger quälte mich nicht, denn ich kann zur Zeit kaum was essen, aber müde war ich. Zum Glück war eine ganze Ecke der gemütlichen Couch meins und ich machte es mir richtig gemütlich, es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre eingeschlafen. Hier hätte mir Kamal gefehlt, der mich immer wieder zum Tanzen hochgezogen hat. Aber die Männer störten sich überhaupt nicht daran, dass ich etwas schlafen wollte, sie hatten sich viel zu erzählen und meist in Arabisch. Gegen Mitternacht kamen dann endlich die fehlenden Freunde, wir waren dann fünf Männer und ich, und es war genau 0:35 Uhr, als der Salat aufgetragen wurde. Als der große Tajinetopf aufgetragen wurde dampfte er herrlich, es war wirklich lecker. Zum meinen Ehren gab es sogar Teller, alleine würden sie alle aus der Schale essen. Wir sechs schafften ihn nicht ganz und dann kam unser Koch aus der Küche und vertilgte den Rest. Diesmal natürlich traditionell aus dem Topf aufgetunkt.
Um etwa 2 Uhr fragte mich mein Direktor, ob ich vielleicht müde sei. Ach, müde kann man das gar nicht nennen. Aber trotzdem, ich fand es doch sehr interessant, zu sehen, wie so ein gutbürgerlicher Männerabend in Marokko aussieht.