So richtig gut hat die Reise ja nicht angefangen. Und irgendwie habe ich mich auch nicht richtig darauf gefreut. Diesmal wollte ich fliegen und die ganze Programmgestaltung und Durchführung meinem Gewährsmann Idoumou überlassen. Schließlich ist er derjenige, der viele Touren mit Touristen durch sein Land macht und so weiß er, welche Strecken die wünschen. Als ich den ersten Reiseführer über Mauretanien 2007 herausgab, war die Ausgangslage ja eine andere. In der marokkanischen Westsahara war das Gebot, ab Dakhla nur im Konvoi zu fahren, aufgehoben worden, und auf der mauretanischen Seite war die Straße von der Grenze bis Nouakchott frisch geteert worden. Deshalb fragten etliche Wohnmobilfahrer, die im marokkanischen Süden um Dakhla überwinterten, nach Informationen, um ihre Fühler auch nach Mauretanien auszustrecken. Also schrieb ich ein Buch nur über Asphaltstraßen. Doch dieser Wohnmobil-Traum wurde schon im Dezember zunichte gemacht, als am Weihnachtstag fünf Franzosen überfallen wurden und vier ihr Leben lassen mussten. Daraufhin wurde die Rallye Paris-Dakar abgesagt und der Tourismus in Mauretanien war tot. Ehrlicherweise muss man sagen, dass es auch noch weitere Probleme gab und der Osten des Landes nicht als sicher galt.
Bei der zweiten Auflage 2013 war dann die Lage ein wenig besser und ich fügte auch für die Geländewagenfahrer zwei schöne Pisten zu. Nun im Jahr 2019 sieht es ganz anders aus. Endlich hat Mauretanien seine Probleme in den Griff bekommen, die Sicherheitslage hat sich so weit gebessert, dass selbst die deutsche Botschaft sagt, man kann in das Gebiet nahe der Grenze zu Mali im Osten reisen und die Traumstrecke Chinguetti – Tichitt – Oualata wird damit zugänglich. Und die zeitweise stark überteuerte Visumsgebühr wurde auf 55 Euro gesenkt, nicht ohne meine tätige Mithilfe. Die Wohnmobilfahrer sind weitgehend verschwunden, nur sehr abenteuerlustige Menschen wagen sich noch hierher, gibt es ja auch wenig Infrastruktur für sie, aber für die Geländewagenfahrer wird Mauretanien wieder sehr interessant, ist doch Marokko so ziemlich zugeteert. Deshalb habe ich nun vor, mit Idoumou diese schöne, mehrtägige Strecke zu fahren und möchte sie in mein Buch aufnehmen.
Am Freitag um 18:40 sollte es also von Frankfurt aus losgehen. Vorher hatte ich mein Gepäck vorbereitet. Viel Kleidung brauche ich ja im heißen Juli nicht, aber sonst hat sich etliches angesammelt. Das Bordcase ist hauptsächlich mit meinen alten Reiseführern voll, ich will jedem Herbergsvater einen schenken. Dazu sollten wichtige persönliche Gegenstände kommen, die man so braucht, und mein Laptop. Der große Koffer war voll mit meiner wenigen Kleidung, einer Mini-Kaffeemaschine (wie soll ich sonst die Wüste überstehen), einer großen Tasche mit Geschenken für Idoumous Familie. Und damit war er voll. Aber ich hatte immer noch einen weiteren Beutel mit wunderschönen Babysachen auf dem Boden liegen und auch eine Tüte Bonbons. Wie soll ich das nur machen. Zwar darf ich mit Royal Air Maroc zwei Koffer einchecken, aber ich muss die schweren Dinger doch auch noch zum Flughafen karren, zwei Koffer plus Handgepäck und Handtasche, das schaffe ich nicht. Kurz vor der Abfahrt fiel mir dann die Lösung ein. Laptop in einer Umhängetasche und das Bordcase mit Kindersachen so weit wie möglich aufgefüllt und einchecken. Das ist die Lösung, das ist die Obergrenze, was ich mitnehmen kann.
Ich kam auch gut an und gab meine Koffer ab. Aber dann verzögerte sich der Abflug. Gut eine Stunde. Dabei habe ich in Casablanca doch nur 1:15 Stunde zwischen den Flügen. Ob ich das noch schaffe? Habe zur Sicherheit schon mal Abdou Bescheid gesagt, im Fall ich strande in Casa, da findet er immer eine Lösung. In Casa dann Hetze bis zu meinem wirklich weit abgelegenen Gate. Auf der Hinweistafel hatte ich aber schon gelesen, dass auch dieser Flug später abgehen soll, und von Idoumou hörte ich später, dass die Maschine extra gewartet hat, weil es mehrere Umsteiger gab. Um halb drei Uhr morgens Ortszeit kamen wir dann auf dem neuen Flughafen von Nouakchott an, weit draußen, denn der alte in der Stadt wird zugebaut. Und wie versprochen war Idoumou so ziemlich der erste Mensch, den ich sah. Der Service, den er mir bot, gilt aber nicht nur der Reiseführer-Autorin, den kann jeder buchen. Man gibt ihm vorher seine Daten durch, er regelt bereits vorher alle Formalitäten, das kostet natürlich etwas. Aber dann zieht er mit Pass und Visagebühr los an allen Schlangen vorbei und im Nu waren wir durch den VIP-Ausgang an der Gepäckausgabe.
Das Band drehte sich, und drehte sich, hunderte Koffer kamen, aber meine nicht. Wir warteten bis zum bitteren Ende, aber nichts. Und wir waren nicht allein. Etliche Koffer waren nicht mitgekommen, es ist also kein seltenes Phänomen. Aber zaubern kann auch Idoumou nicht und wir wurden vertröstet, morgen Nacht sollen die beiden Koffer kommen. Inch’allah! Idoumou brachte mich also in ein Hotel, das er für mich gebucht hatte und er hat sogar eine Suite bestellt. Die hat den Vorteil, dass im Badezimmer eine große Schachtel steht mit Zahnputzzeug und Kamm, so wichtige Gegenstände für mich nun. Er meinte, nun solle ich erstmal schlafen, am Morgen gehen wir dann Wäsche kaufen.
Schlafen! Wie soll ich das bloß machen. Da hilft auch keine Übermüdung, da hilft nur das Schlafhormon Melatonin. Und das ist im Bordcase, das ich ja kurzentschlossen eingecheckt habe. Mit noch drei anderen Mitteln, die ich eigentlich unbedingt täglich brauche. Und meiner ganzen Kleidung. Wenn die Koffer nicht kommen weiß ich nicht, wie ich die Tour durchführen soll.
Aber reden wir von den positiven Dingen. Die Suite ist groß und gemütlich, wenn man sich die Installationen auch nicht zu genau anschauen sollte. Das Duschwasser tröpfelte kalt, aber vielleicht lag das an der Uhrzeit. Die Klimaanlage ist laut, aber bei der Landung waren es nur 20 ° Grad, das geht auch ohne. Die beiden Fernseher haben nur arabische Sender und mein Buch ist ausgelesen. Bleibt als einziges das Internet, das aber gut geht. Wenn die Sachen kommen und wir starten können, dann werde ich in der nächsten Zeit weder so fürstlich wohnen, noch Internet haben mitten in dem Sandkasten.
Es ist jetzt 7:50 in Mauretanien, 9:50 Uhr in Deutschland und ich habe keine Minute geschlafen. Also gehe ich schnell mal vors Haus, um euch ein paar erste Fotos zu machen, von der Luxusstraße, in der mein Hotel liegt. Als ich zurückkam wollte ich mir einen Kaffee kochen, Warmwasserbereiter und Kaffepulver sind ja da. Aber wir wären nicht im Mauretanien, wenn das geklappt hätte. Zu dem schönen Wasserkocher gehört ein Stecker, der vielleicht irgendwo in Afrika passt, hier jedenfalls nicht.