Thanksgiving with Shay

Thanksgiving ist in USA der höchste Feiertag, mehr noch als Weihnachten. Und niemand möchte an diesem Tag alleine sein. Im letzten Jahr war ein wunderschönes Weihnachtsessen veranstaltet von einer Kirche, dort habe ich mich sehr wohl gefühlt. Leider machen die das in diesem Jahr nicht.

Also habe ich in der lokalen Facebookgruppe mal nachgefragt, ob jemand eine andere Kirche kennt, die ein solches schönes Essen mit netten Menschen veranstaltet. Daraus ging unter anderem eine persönliche Einladung hervor, die ich schließlich annahm. Shay hatte Freunde, Familien, Nachbarn zu Gast zum Turkey Dinner und lud mich herzlich ein.

Also Shay. Ich sollte um 12 erscheinen. Es ist nicht meine erste Einladung zu einem amerikanischen Thanksgiving Dinner, so hatte ich in etwa eine Vorstellung, was mich erwartete. Man steht zusammen, trinkt ein Glas, setzt sich dann um einen großen Tisch und die vielfältigen traditionellen Speisen werden aufgetragen.

Bei der Anfahrt fiel mir auf, dass nicht allzu viele Autos vor der Tür parkten, was man bei vielen Gästen ja eigentlich erwarten würde. Die Familie saß versammelt in der Garage, hier in Florida gang und gäbe. Garagen werden selten für Autos verschwendet. Statt hallo waren die ersten Worte, die Shay zur Begrüßung sagte, wir rauchen Weed, stört dich das? Nein, überhaupt nicht! Ich fühlte mich auf einen Schlag versetzt in meine Anfangstage in Marokko, als die ganzen Jungs um mich herum Haschisch rauchten. Ich rauche gar nichts, weder Zigaretten noch Haschisch, das sagte ich auch, aber damit war dann alles klar. Ein Stuhl wurde bereit gestellt und ich wurde fröhlich aufgenommen. Ich hatte Wein mitgebracht, Shay suchte Gläser, was nicht so einfach war, denn sie trinken selten Wein. Sie trinken tatsächlich hauptsächlich Softdrinks, keinen Alkohol, und ich leerte die Flasche quasi allein. Dafür wird dann so eine dicke Tüte gedreht, die reihum ging. Man bot sie mir an, akzeptierte aber meine Weigerung, eben ganz genau wie früher in Marokko.

Shay stellte mir ihren Mann Kris vor, ihre Schwester mit Boyfriend und ihren Schwiegervater. Dazu gehörten ein Baby und ein vierjähriger Sohn. Alle sehr nett und es gab überhaupt keine Schwierigkeiten mit der Kommunikation. Irgendwann erwähnte Shay, dass Kris sich um den Turkey kümmern würde, während sie einen Kuchen als Nachtisch gemacht hatte. Dann bot sie mir stolz an, eine Tour durchs Haus zu machen. Nun könnte ich sagen, dass ich geschockt war, aber das stimmt nicht. Ich habe schon einige amerikanische Haushalte gesehen und die reichen vom Luxus bis zur totalen Unordnung. Das Haus hier war auf der Skala von 1 bis 10 so etwa bei 3. Aber Shay war so stolz auf ihr Haus mit Garten, das sie erst vor einigen Monaten bezogen haben und sah die totale Unordnung als völlig normal an. Dabei konnte ich auch einen Blick in die Zimmer der zwei großen Mädels (10 und 15) werfen, die noch zur Familie gehören. Sie lagen auf dem Bett und hörten Musik.

Inzwischen war es halb drei, in der Küche hatte ich vom Turkey weder etwas gesehen noch gerochen, und ich sagte, ich wolle aufbrechen. Auch das wurde sehr freundlich aufgenommen und ich verabschiedete mich herzlich.

Auf dem Heimweg stoppte ich bei deutschen Freunden vor Ort, die auch ein fettes Tier brieten, aber eine Einladung von denen erfolgte nicht. Obwohl ich viel für die tue. Also ging es nach Hause und eine Dose aus dem Gefrierschrank musste daran glauben. Ich aß gemütlich, trank noch ein Gläschen und dachte zwei Dinge. Erstens dass ich nun ein wenig Bewegung brauche und zweitens, dass es bei Shay doch eigentlich ganz nett war. Also stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr wieder zurück. Alle freuten sich. Der Vierjährige war von meinem Fahrrad begeistert, worauf ich ihn durch die Nachbarschaft fuhr. Übrigens lief er die ganz Zeit barfuß. Ich war zuvor schon mit ihm und dem Baby spazieren gegangen, wobei er den ganzen Weg über spitze Steine barfuß zurück legte. Eben wie die Kinder in Marokko.

Um den Garagentisch fehlten einige Personen, dafür waren neue dazu gekommen. Man erwähnte sogar ganz kurz wieder etwas von einem Turkey, aber wiederum konnte ich ihn weder sehen noch riechen. Er schien aber bereits gegessen worden zu sein. Auf dem Tisch lagen einige interessante Tüten und ich wollte nun doch mal genaueres wissen. Was sie rauchen ist also medizinisches Cannabis, dafür braucht man ein Rezept, was aber alle Mitglieder der Familie hatten. In einer Dose war die reine Pflanze, die zerkrümelt und mit Tabak gemischt in einer selbst gedrehten Zigarette geraucht wird. Aber auf einer anderen Tüte stand Milchschokolade. Man zeigte mir ein Stückchen, bot mir es auch hier wieder freundlich an (nein, danke) und es gab noch eine zweite Tüte mit dem Geschmack von Pecan Nüssen. Mhm. Und die ganzen Kinder drumherum. Ich wollte wissen, was besser ist. Man meinte, geraucht wirkt es schneller. Der Vater litt unter Nackenschmerzen, ich fragte, ob er dafür das Cannabis rauche, ob es seine Schmerzen lindere. Nein, sagte er, er wäre nun schon so daran gewöhnt, dass es keinen Unterschied mehr macht. Warum also raucht man es? Ich weiß es nicht. Übrigens konnte ich den ganzen Nachmittag lang an den Menschen keine Veränderung feststellen, sie waren unverändert freundlich und herzlich. Wenn ich an Menschen denke, die so viel Alkohol trinken, dann verändern die sich doch sehr. Welche Droge ist also schlechter?

Ich blieb noch ein Weilchen, weil ich mich bei den Leuten wirklich wohl und herzlich aufgenommen gefühlt habe, dann machte ich mich auf dem Heimweg, es wurde ja schon langsam dunkel. Shay bot mir an, etwas von ihrem Kuchen mitzunehmen, was ich auch gerne tat. Den gab es also.

Zuhause musste ich mich sofort ausziehen und meine Kleidung in die Waschmaschine stecken, so sehr habe ich nach Weed und Zigaretten gestunken. Aber schön wars. Haben uns für die Weihnachtsparty verabredet.