Toundout und Majorelle

In einem französischen Forum hatte ich gelesen, dass es bei Toundout einen neuen Campingplatz gibt und auch, dass man bei dem Ort die Knochen eines besonders großen, besonders alten Dinosauriers gefunden hat. So etwas wird natürlich gleich gespeichert, damit ich es beim nächsten Besuch verifizieren kann. Und heute war also dieser Tag gekommen, auf den ich mich schon eine Weile gefreut hatte.

Ich fuhr zunächst direkt zu der kleinen Etappenunterkunft von Mohammed. Auf dem Weg dorthin ist mir etwas passiert, was mir leider immer noch nachgeht. Das ganze geschah in etwa einer Sekunde, so schnell, dass ich nicht reagieren konnte, aber das Bild verfolgt mich immer noch. Zwei wunderschöne Echsen, eine rot, eine orange, Agamen, rannten plötzlich über die Straße. Bremsen war nicht mehr drin, ich versuchte zumindest auszuweichen, aber ich spürte sogleich, dass mein Reifen über etwas fuhr und auf dem Rückweg wurde das dann bestätigt, ich hatte die schöne rote Agame überfahren. Es tut mir so leid, ich stelle mir so richtig vor, dass es ein Pärchen war und dass nun der eine Partner den anderen vermisst. Gerne würde ich es ungeschehen machen. Bin die ganze weitere Strecke im Schneckentempo gefahren, aber es gab keine Gefahrensituation mehr.

Mohammed lebt mit seiner Familie in einem kleinen Lehmhaus kurz vor Toundout. Er muss schon früh geheiratet haben, denn drei seiner fünf Kinder sind schon um die zwanzig, nur zwei Töchter sind jünger, aber seine Frau sieht überraschend jung und hübsch aus, für schwer arbeitende Berberfrauen ungewöhnlich. Die ganze Familie ist sehr nett und offen, Mohammed arbeitet als Bergführer und nun hat er seine eigene Gite. Es gibt nur drei sehr einfache Zimmer, zwar ist alles sehr sauber, aber Möbel sind außer Betten nicht vorhanden, und dazu gibt es einen Stehklo mit einer warmen Dusche. Aber vor dem Haus ist eine Möglichkeit für 5 – 8 Wohnmobile zu stehen, es gibt Stromanschluss und Wasser, er hat sogar eine Ablassstation gebaut, da sieht man den Einfluss des französischen Camperforums.

 

Mohammed ist gleich bereit, mir das Museum zu zeigen, wenn er im Grunde auch nicht so recht einsieht, was ich da will. Für ihn gibt es andere Sehenswürdigkeiten bei Toundout und vor allem die Salzmine ist ihm wichtig, zu der eine Piste führt oder auch ein Fußmarsch. Aber ich versichere ihm, dass ich das gerne in meinem Campingführer erwähne, aber ganz sicher nicht selbst hin will. Meins ist das Museum.

Doch das hat zu. Es gibt einen Wächter, doch der ist nicht aufzufinden. Inzwischen finde ich das auch nicht mehr schlimm. Denn ich entdecke, dass in dem schlichten Toundout, durch das ich bisher immer nur durchgeeilt bin, doch sehr viel an Schönheit steckt und die will ich erkunden. Vor allem will ich wissen, was denn nun mit dem Maler Majorelle ist. Dem normalen Deutschen eher unbekannt, dem Marokkofahrer aber spätestens ein Begriff, wenn er in Marrakech ist. Majorelle lebte in Marokko während des französischen Protektorats und seine Bilder über Marokko erlangten Weltberühmtheit. Er lebte einige Zeit in einer Kasbah in Toundout und malte die Umgebung, diese Bilder kosten heute ein Vermögen. Und diese Kasbah, in der er lebte, die wollte ich sehen. Sie ist auch nur einen Katzensprung vom Museum entfernt. Ich hatte schon bei meiner Recherche gespürt, dass Majorelle nicht unbedingt ein Freund der Familie geworden ist, auch das wollte ich erkunden, aber um ehrlich zu sein, die genauen Umstände habe ich nicht erfahren. Aber bestätigt wurde dieses Gerücht.

Mohammed führt mich also zu dieser Kasbah, die immer noch im Familienbesitz ist. Wie immer in Marokko steht der alte Teil leer, die Familie hat daneben ein neues Haus gebaut, mit festen Mauern, in denen man leichter Strom- und Wasserleitungen installieren kann. Mohammed klopft und nach kurzem Gespräch kommt Abdelhakim heraus, der Nachfahre des alten Kadi. Marokkokenner wissen inzwischen, was ein Kaid ist. Er ist das Oberhaupt einer Sippe und wohnt meist in einer befestigten Kasbah. In diesem Fall ging es aber um einen Kadi. Das ist ein Richter. Der Urgroßvater von Abdelhakim war also der Richter in der Region, in dieser Kasbah fanden die Gerichtsitzungen statt und in den Kellerräumen war auch ein Gefängnis. Abdelhakim ist gerne bereit, mir die nicht von der Familie bewohnten alten Räume zu zeigen. Wanddekorationen gibt es hier nicht, aber dafür wunderschöne kleine Räume mit einer wahnsinnigen Aussicht, wo man sich so richtig vorstellen kann, wie die alten Herren, die Notablen, abends bei Tee und Couscous auf den Teppichen saßen und in die Landschaft schauten. Dabei über Regen und Ernte, über Schafe und Alltagsprobleme diskutierten. Es soll zwar noch Räume mit Wanddekorationen geben, aber da wohnt die Familie, die sind tabu.

 

Doch ich bin vollkommen zufrieden. Es war so ein schönes Erlebnis. Ich frage Abdelhakim   nach Majorelle und er windet sich. Er macht ganz klar, dass dieser kein Freund der Familie war. Dass die Franzosen ihn mit Zwang dort einquartiert haben. Mehr erfahre ich leider nicht.

Wir fahren zurück und noch schnell an der Glaoui Kasbah vorbei. Man muss wissen, dass die anderen Kasbahs alle den Stammesfürsten der Region gehörten. Der Glaoui war etwas ganz anderes. Sein Sitz war Telouet im Hohen Atlas. Aber er verbündete sich mit den Franzosen, stieg daher zu großer Macht auf, die noch über dem Sultan lag, fiel aber dementsprechend tief, als die Franzosen abzogen. Und um seine Macht zu festigen, baute er an vielen Orten weitere Kasbahs als Bastionen. Nach der Unabhängigkeit fiel all sein Besitz an den Staat, die Kasbahs verfielen und wurden erst in den letzten Jahren an die Nachkommen der Familie zurück gegeben. Außer in Telouet wird bei den meisten Gebäuden nichts restauriert, und so verfällt auch diese in Toundout. Wir konnten ohne Probleme rein, es wohnt niemand mehr dort, aber die meisten Böden sind eingestürzt und es gibt nur wenig zu sehen. Gleich beim Eingang aber ein schöner Raum mit alten Deckengemälden.

Zum Abschluss ging es dann zurück zu Mohammed und ein schöner Tag wurde mit einem Mittagessen zusammen mit seiner Familie gekrönt.