Wolfgang

Die Zeit der zufälligen Begegnungen reißt nicht ab. Gestern waren wieder einige Besucher in der Kasbah, das netteste Erlebnis war ein deutsches Paar, das nur zum Abendessen kommen wollte. Wir hatten sofort eine Verbindung. Sie erzählten, dass sie im Chez le Pacha 2 Nächte gebucht hatten, über booking.com, es dort aber überhaupt nicht schön fänden. Die Atmosphäre gefiele ihnen nicht. Das ist ja wieder mein Lieblingsthema. Ich rate jedem, der durch Marokko reist, dringend ab, die Unterkünfte im voraus zu buchen. Früher hat das niemand getan, aber booking.com hat den Markt gründlich verändert. Es gibt im Land viel mehr Hotelbetten als Gäste und wenn man nicht gerade Ostern oder Weihnachten kommt gibt es genügend Unterkünfte und man sucht sich das aus, wo man sich am wohlsten fühlt. So sind wir früher immer durch Marokko gereist. In Marokko geschieht jeden Tag etwas unvorhergesehenes, und sich darauf einzulassen ist einfach schön. Wie oft wollte ich nur eine Nacht bleiben und es wurde am Ende eine Woche daraus, weil ich einfach mal wieder tolle Menschen traf. Das Umgekehrte, dass ich ankomme für 3 Tage und es mir so wenig gefällt, dass ich gleich wieder abreisen möchte, kommt sehr selten vor.

Aber zurück zu den Beiden, deren Namen ich schon wieder vergessen habe. Es war noch früh, nach dem Essen begann es gerade zu dämmern und sie fragten mich, wo man denn am besten die Sterne sehen könnte. Ja, das ist eine gute Frage, die nur eine Antwort hat: bei Jamal. Ich habe Jamal vor einigen Jahren kennen gelernt, als er gerade mit seinem einfachen Wüstencamp anfing, und half ihm mit Tipps, wie er das ganze verbessern kann. Vor allem nahm ich ihn als Geheimtipp in meinen Campingführer auf. Seine Geschichte kann man hier nachlesen.

https://marokkoblog.edith-kohlbach.de/?p=20278521

Ich hatte so das Gefühl, dass die beiden Deutschen genau dorthin passen und so war es dann auch. Ich zeigte ihnen die wichtigsten Stellen, redete kurz mit Jamal, und schon waren sie eingetaucht in die Magie des Platzes. Worüber ich aber am meisten erstaunt war, es standen drei kleinere Wohnmobile in den Dünen. Das war das erstemal dass ich tatsächlich Camper-Gäste dort sah, also musste ich sofort mit ihnen sprechen. Das erste war ein kleiner Bus aus der Schweiz und ich wollte natürlich wissen, ob sie den Platz mit Hilfe meines Buches gefunden hatten. Nein, Jamal hätte sie im Ort angesprochen. Aber – sie hätten schon sehr viel von meinem Buch gehört und würden es gerne haben. Dann ging es zum zweiten Wohnmobil. Jamal hatte gesagt, es sind Deutsche. Ich kam auf das Fahrzeug zu, inzwischen war es stockdunkel. Jamal stellte mich vor und ein Mann ohne Hose rief: Edith! Ich bin Wolfgang.

Ja, so klein ist mal wieder die Welt. Wir kennen uns schon lange, haben uns aber nie getroffen. Wolfgang veranstaltet Enduro-Reisen, auch nach Mauretanien, und da hat er mich schon oft um Rat gefragt. Wir hatten viel Kontakt, aber nie ein persönliches Treffen. Und da er nicht in Facebook ist wussten wir auch nicht, dass wir gleichzeitig so nahe sind. Man sieht also, nicht nur Facebook bringt Freunde zusammen, auch die Vorsehung oder der gute Stern. Wolfgangs Enduros wollen am nächsten Tag nach Chegaga fahren, aber am Abend wieder zurück kommen. Deshalb haben wir uns für heute Abend nochmal verabredet, ich möchte ihn gerne bei etwas hellerem Licht sehen und ein paar Fotos machen.

Zurück bei den Zelten von Jamal war einiges los. Etliche Freunde hatten sich dort versammelt, das dritte Wohnmobil, aus Italien, Frankreich, enthielt Bekannte von Jamal. Und obwohl im Moment hier kaum Ruhe und Abgeschiedenheit herrschten, lagen meine zwei Deutschen auf der Decke und fühlten sich sauwohl. Sie hatten sofort entschieden, dass sie die eine Nacht noch im Pacha schlafen wollen, die nächste aber, obwohl sie schon bezahlt ist, zu Jamal überwechseln wollen. Ja, ich wusste, die Beiden passen dorthin. Genau so mache ich es auch mit den Reiseanfragen, die ich bekomme. Ich versuche, ein Gefühl für die Leute zu bekommen und schlage ihnen dann genau das vor, was zu ihnen passt. Und Jamal war glücklich inmitten seiner Gäste. Was ich nämlich noch nicht erwähnt habe, seine rumänische Frau ist zurück in ihr Land gegangen, wollte Jamal mitnehmen, aber er könnte ohne seine Wüste nicht leben und muss sich auch um seine kranken Eltern kümmern. Das macht ihn oft sehr traurig. Ein Aspekt meiner jahrzehntelangen Reisen durch Marokko ist auch, dass ich von vielen Menschen die Familiengeschichte kenne, da miterlebe. Und oft, wenn mich die Reisenden etwas fragen, kann ich nicht mit einem kurzen Satz antworten, denn ich weiß einfach zu viele Geschichten. Genauso ist es auch in meinem Reisehandbuch. Es ist vollgestopft mit Informationen, anstatt mit viel Platz einnehmendem Layout, all die interessanten Dinge, die ich in den drei Jahrzehnten gefunden habe.

Und hier ist nun der Wolfgang