Wer hat nicht den Traum, einmal eine Nacht in der Wüste zu verbringen, mit dem Kamel über die Dünen zu reiten, den blau verschleierten Jungs beim Trommeln zuzuhören und unter dem Sternenhimmel zu schlafen. Es ist ein Erlebnis und wird es immer sein. Und dennoch bringt dies Probleme mit sich. Für die Anwohner, weniger für die Touristen.
Ich kannte Merzouga noch als ein verschlafenes Dorf mit einigen Lehmhütten. Es gab lediglich das sehr einfache Hotel Merzouga, die Zimmer hatten nur Betten, auf dem Gang Klo und Dusche. Klimaanlage? Es gab noch nicht mal Strom. Vor den Dünen waren drei Cafés, auch ohne Strom und Wasser, dort herrschte aber eine super Atmosphäre. Wenn man dort schlafen wollte musste man es entweder auf den Sitzpolstern tun oder in einem kleinen Zelt hinter dem Haus, wozu man natürlich seinen eigenen Schlafsack brauchte. Aber es war toll.
Das war 1986. Heute sind wir 33 Jahre älter und gut 100 Hotels reicher. Alle haben Strom, alle haben Wasser, die Klimaanlagen surren und es gibt einen erfrischenden Pool. Eine Zeitlang waren die gut gefüllt. Die Touristen kamen und blieben ein paar Tage, aßen in den Restaurants, kauften mal einen Teppich und buchten einen Ausflug in die Wüste. Daran konnten viele verdienen und es war gut so, wenn auch der Luxus einiger Hotels für diese Abgeschiedenheit etwas zu groß war. Trotzdem, die einfachen Auberges gab es noch und die Stimmung dort war besser, denn dort wurde abends auf die Trommeln gehauen, was das Zeug her gab.
Doch dann kamen immer mehr Touristen nur für eine Nacht. Und die soll natürlich in der Wüste verbracht werden. Das führte dazu, dass viele Hotels nur gering gefüllt sind, aber in den Dünen immer mehr Biwaks entstanden. Feste Biwaks, die Zelte mit Betonuntergrund und die Ausstattung immer luxuriöser. Seit neuestem sogar mit Klimaanlage, der Strom kommt aus Solarpanelen. Und natürlich hat jedes Luxuszelt ein vollwertiges Badezimmer, oft noch besser eingerichtet als die Hotels. Zählen kann man diese Camps nicht mehr, es sind sicher 200 – 300, da fast jedes Hotels Biwaks anbietet und dann getrennt nach Standard und Luxus. Diese Gäste kamen nie in den Ort, kauften nichts, aßen nicht in den Restaurants. So verdienen nur wenige.
Lange haben die Behörden dem tatenlos zugesehen. Für ein Hotel brauchte man eine Erlaubnis, für ein Biwak nicht. Also wurden immer mehr aufgeschlagen. Doch seit 2019 ist damit Schluss. Alle Camps mitten in den Dünen, das waren vor allem die Standardcamps, mussten abgebaut werden. Regeln wurden aufgestellt. Jedes Biwak muss mindestens 200 Meter von den Dünen entfernt sein, um die schöne Natur nicht immer mehr zu zerstören. Der Erg ist ja ziemlich klein und Biwak an Biwak tut der Natur nicht gut. Aber die Camps müssen auch für Notfälle anfahrbar sein. Das hat für sehr viel Verunsicherung gesorgt, kein Veranstalter wusste mehr so recht, wo er hin soll. Und es muss nun eine Erlaubnis beantragt werden. Leider sind die Vorschriften noch ziemlich vage, in der Zukunft soll noch einiges geändert werden, so dass die Biwakbetreiber nicht recht wissen, was genau sie machen sollen/können.
Im Moment ist die Sachlage so, dass sowohl vor als hinter dem Erg Biwaks sind. Viele sehr dicht nebeneinander, so dass man den Generator und die Musik vom Nachbarn hört. Eine Tour sieht in der Regel nun so aus:
Ist das Biwak nahe der Auberge vor den Dünen, so reitet man zunächst mit dem Kamel 40 – 60 Minuten in die Dünen, um den Sonnenuntergang zu erleben; dann geht es zum Camp. Dort hat man dann die Wahl zwischen Standard und Luxus. Standard bedeutet Zelt nur mit Betten, Klos sind draußen. Das Luxuszelt hat bequeme Betten wie ein Hotel, oft noch schöne Möbel und Sitzecken und ein vollwertiges Bad mit WC und Dusche. Standard kostet etwa 40 – 50 Euro für die Nacht mit Halbpension und Kamelritt, Luxus etwa 100 Euro, pro Person. Wenn das Biwak in der Nähe der Auberge ist hat man auch städtischen Strom und Wi-Fi, was ja leider für viele auch im Urlaub unverzichtbar ist. Und Auberge du Sud bietet sogar Klimaanlagen.
Ist das Biwak jedoch auf der anderen Seite der Dünen, wo ja keine Hotels sind, dauert der Kamelritt zwei Stunden. Die Gäste haben meistens die Wahl, ob sie alles reiten wollen, oder eine Stunde Kamel und den Rest mit dem Auto. Vor allem am Morgen sieht man die Kamelkarawanen ohne Reiter zurücklaufen, weil die Gäste ja schnell weiter müssen und mit dem Wagen abgeholt werden. Es gibt ein Dünental von einer Seite zur anderen, das niedriger ist und wo sich nun viele Karawanen und Fahrzeuge begegnen, die Einsamkeit der Wüste findet sich hier nicht.
Und genau deshalb bietet Ali vom Ksar Bicha nun eine dritte Möglichkeit an. Zurück zu den Ursprüngen. Ein Paar bucht zum Beispiel eine solche Tour, um die Einsamkeit der Wüste zu erleben. Sie besteigen zwei Kamele, ein Packtier trägt ein echtes Nomadenzelt und den Hausrat und ab geht es wie die richtigen Nomaden und hinein in die herrlichen Sanddünen. Feste Biwaks sind hier nun verboten, aber nicht, nur für eine Nacht sein Zelt aufzubauen und am Morgen ohne Spuren zu hinterlassen wieder wegzureiten. Eine solche Tour ist etwas teurer als Standard, weil der Aufwand höher ist, aber hier erlebt man die richtige Wüste und die Einsamkeit, hier sucht man sich einfach ein schönes Plätzchen und bleibt für die Nacht.
So schön das ist, und ganz ohne Luxus und Hilfsmittel, es bleibt abzuwarten, wie es weiter geht. Denn wenn es jeder machen würde wäre die Wüste auch wieder voll und die Toilette ist ja in freier Natur und kann nicht entsorgt werden.