Archiv für den Monat: April 2018

Skoura – 123Soleil

 

Vielleicht meint es das Schicksal doch nicht so schlecht mit mir. Der Plan war ja, nach Taroudannt den Tizi-Test hoch nach Imlil zu fahren, dort 1 – 2 Tage zu bleiben und dann nach Marrakech zum Erholen. Das hat nicht geklappt, weil mein Lieblingshotel keinen Platz für mich hatte, ein weiterer Schlag gegen mein Gemüt. Also änderte ich den Plan und fuhr Richtung Ouarzazate und Skoura, was ja einige Tage gedauert hat. Auch gestern in Ouarzazate bekam ich kein Zimmer – Marokko ist einfach überfüllt, zumindest an bestimmten Orten – und so fuhr ich also nach Skoura, wo Hassan im 123Soleil immer ein Plätzchen für mich hat. Und das war die richtige Entscheidung, denn über Facebook kommen nun immer neue Bilder rein. Schnee im Hohen Atlas, also genau da, wo ich eigentlich jetzt sein sollte. Hier bei uns ist es stürmisch, schon seit einigen Tagen, das Wetter ist in diesem Jahr ungewöhnlich kalt, aber das ist es scheinbar in ganz Europa. Also ist Skoura ein guter Platz, um besseres Wetter und das Ende der Hochsaison abzuwarten. Gestern Abend war es richtig schön. Erst ein nettes Gespräch mit einem sehr gut deutsch sprechenden Belgier, dann bekam Hassan Besuch von einem französischen Paar, das in der Nähe wohnt, und lud mich zum gemeinsamen Essen ein. Es folgte ein sehr interessanter Abend, die Frau war vor 50 Jahren als Ärztin in Marokko tätig und hat sich nun, nach Ihrer Rente, ein Haus im Palmenhain von Skoura gebaut. Ganz für sich und ihre Familie, kein Gästehaus. Ich kenne Skoura noch ohne eine einzige Unterkunft, jetzt gibt es etwa 40 sehr schöne, meist gehobene Gästehäuser im Palmenhain, die sich gegenseitig starke Konkurrenz machen. Hassan ist eher Mittelklasse, aber er hat sich seinen Platz erkämpft und es kommen auch immer mehr Camper, die den schönen schattigen Platz mit Pool schätzen und auch die Tatsache, dass durch die enge Zufahrt nur die kleinen Fahrzeuge mit abenteuerlustigen Fahrern passen, und nicht die Dickschiffe mit allem Komfort und Fernseher. Es gibt nun mal auch unter Campern Klassenunterschiede, auch hier gesellt sich gleich gerne zu gleich, aber ich stehe irgendwo dazwischen.

Ich habe ein schönes Zimmer oben im Haus und höre dem Dröhnen des Windes zu, noch bis zum Montag soll es stürmen und ich kann nur hoffen, dass dann auch in Marokko besseres Wetter einzieht.

Höllenfahrt

An diesem Morgen war ja wirklich alles dran, ein Wunder dass ich überhaupt angekommen bin. Nach Taznakht gab es plötzlich richtig dollen Nebel, ich konnte kaum 5 Meter weit sehen. Meist konnte ich ja meinem Vordermann gut hinterherfahren, aber ab und zu musste ein langsam kriechender LKW überholt werden, nicht ganz einfach ohne Sicht. Als es dann endlich etwas auflockerte sah ich nur Polizei. Am Café geparkt eine Wagenflotte, dann war wirklich jede Straße und Piste, jeder Feldweg von einem Polizisten besetzt. Ich blieb hinter meinem Vordermann, dachte, der führt mich schon mit der richtigen Geschwindigkeit. Alles rot beflaggt, kommt etwa gleich der König. Aber in Taznakht löste sich das Rätsel, es findet ein Radrennen statt, viele Zelte waren aufgebaut, ein Start und Ziel, Musikgruppen spielten, Servicetrucks, nur Fahrräder sah ich keine. Auf staubigen Wegen musste ich das Zentrum umfahren, fuhr aus der Stadt raus und wurde an den Rand gescheucht, eine Militärkolonne kann mir entgegen, LKW mit Panzern aufgeladen, Überbreite. Rüsten wohl auf für die Polisario. Und als die endlich vorbei waren, scheuchte mich ein Motorrad mit Blaulicht, gefolgt von einer Wagenkolonne. Ich denke, es war nicht der König, sondern der Gouverneur von Ouarzazate, der zum Radrennen wollte.

Djebel Siroua

Ich bin immer noch ziemlich deprimiert über die Sache mit Naji und erwäge schon, aus Marokko abzureisen und noch ein paar Tage in Spanien zu bleiben, um dann früh nach Hause zu kommen. Doch noch hält mich das kalte Wetter ab. Ich war zwei Tage in Taghazoute in einem sehr schönen Hotel, konnte es gar nicht richtig genießen, dann eine Nacht in einem schönen Riad in Taroudannt. Habe hin und her überlegt, ob ich Abdou anrufen soll und ihm mein Leid klagen, habe mich aber dagegen entschieden, will ihn nicht mit meinem Ärger belasten. Oft reden wir ja nicht. Und genau da klingelt mein Telefon und Abdou ist dran. Unglaublich. So lieb. Will einfach nur mal fragen, wie es mir geht. Ich sage, dass mir das immer noch nahe geht und er hält dagegen, es gibt eben Freunde und Freunde. Ich soll mir nichts daraus machen, einfach weitergehen. Und nach dem Gespräch schickt er mir noch so eine nette Mitteilung, dass ich doch Teil der Familie bin, dass sie mich hier lieben und dass ich doch so viel für Marokko tue. Das ist natürlich Balsam für meine Wunden, aber so richtig gut geht es mir immer noch nicht. Ich fahre Richtung Skoura, hatte mich ja bei Hassan angesagt, auch Hassan ist ein Freund, bei dem ich mich aussprechen kann.

Aber ich komme nie an. Mein erster Stopp ist Taliouine. Dieses kleine Städtchen ist Zentrum des Safrananbaus und ich kenne es schon seit meiner ersten, schicksalshaften Marokkoreise 1986. Damals war ich mit Freunden unterwegs nach Agadir, und in Taliouine haben wir zum Mittagessen gestoppt. Damals waren Herbergen, die von einem Marokkaner zusammen mit einer europäischen Partnerin aufgebaut wurden, noch etwas ganz seltenes. Die Auberge Souktana gab es schon, der Hausherr war Ahmed mit seiner französischen Frau Michelle und es war die beste Unterkunft in dem damals sehr einfachen Taliouine, es gab noch lange keinen Strom. Abends saßen wir alle um das Feuer in der Mitte des Restaurants, denn die Gegend kann ganz schön kalt sein.

Leider ist Michelle zusammen mit ihren zwei Kindern längst nach Frankreich zurück gegangen und Ahmed blieb allein. Er ist ein bisschen ein Freak, oder Hippie, oder was auch immer. Und hat die Auberge zwar erhalten, aber nicht voran gebracht. Viele Touristen stoppen hier nicht mehr, aber er kann sich über Wasser halten. Ich wollte vorbei fahren und nur stoppen, wenn ich ihn oder seinen Wagen vor der Tür sehe. Ich sah beides, Ahmed lud gerade eine Gasflasche ein. Und es war ziemlich klar, dass ich nun erstmal nicht weiter kam. Zumindest Tee müssen wir trinken. Es war ja noch früh am Tag, Ahmed beschwor mich, da zu bleiben, ich sagte, nein, ich will weiter nach Skoura, und überhaupt, mir geht es nicht gut und was soll ich denn hier den ganzen Nachmittag machen.

Er zeigte mir Fotos, was es in der Gegend nicht alles zu sehen gäbe, beschwor mich, und ich merkte, wie mein Widerstand und meine schlechte Laune langsam schmolzen. Und ab ging es in mein Auto. Ich ließ Ahmed fahren, der noch nie einen Automatik chauffiert hatte, es ruckelte und zuckelte, aber bald kam er ganz gut damit zurecht. Es ging hoch in die Berge, dann auf Piste, und selbst zu Ahmeds Erstaunen stellten wir fest, dass man begonnen hatte, unsere Straße auszubauen. Doch meine Freude war nur von kurzer Dauer, denn schon bald mussten wir die Straße auf einer Piste verlassen. Und da war ich heilfroh, dass Ahmed dabei war. Allein wäre ich sie nicht gefahren, da ich ja keine Infos über die Strecke hatte. Die Spur war so schmal, dass ich jederzeit fürchtete, es ginge nur mit Maultier weiter. Aber Ahmed sagte, vertrau mir, wir kommen durch.

Es ging bis zu den höchsten Gipfeln des Djebel Siroua und ich war mal wieder erstaunt, wie auch in solch abgelegenen Stellen immer noch kleine Dörfer sind, Menschen wohnen, und ihrer kargen Landwirtschaft nachgehen. Viel wächst hier nicht, aber sie sind zufrieden, haben ein paar Tiere und wollen nicht in die Stadt. Das Ziel unserer Reise war das letzte Dorf, Artougha, auf 1.900 Meter, hier geht es nicht mehr weiter, aber hier mussten auch wir wieder ein Stück zurück fahren. Tiefgrüne Terrassenfelder mit Getreide waren unterhalb des Dorfes angelegt, es gab viel Schnee im Winter, ein gutes Jahr ist zu erwarten. Die Felder bieten mehrere Ernten pro Jahr, Getreide, Gemüse, Futter und natürlich auch Safran.

In einem Bogen ging es dann zurück auf die Teerstraße, wir wollten Tislit noch erreichen. Auch das ein Dorf im Siroua-Gebiet, aber nicht ganz so abgeschieden, es ist nur einige Kilometer von der Teerstraße entfernt und hat eine unglaublich schöne Schlucht. Tislit ist hauptsächlich Ziel von Trekkingtouren, die gerne im Siroua gemacht werden. Wir fuhren allerdings nur bis zum Ende der Piste, und konnten die Schlucht von ferne sehen, gerne wäre ich hineingewandert, aber Ahmed hatte Hunger. Ich hatte ihn ja tatsächlich von seinem Mittagessen weggelockt und auf die Bergtour gelotst. Oder er mich. Mir allerdings tat es nach Tagen der Völlerei mal gut, nichts zu essen.

Und Ahmed hat sein Ziel voll erreicht, mich aufzumuntern. So gefällt mir das Leben, so ist Marokko schön. Und am Abend in der Auberge ließ er mir noch ein Essen servieren, das besser war als alles, was ich vorher hatte. Ich bin die schlecht gewürzten Tajine ja so leid, und er schlug mir Lammkoteletts vor, mit sehr guten Bratkartoffeln und grünen Bohnen. Leicht und schmackhaft. Köstlich. Ich fiel geradezu in mein Bett.

Und so sieht danach der Frühstückstisch einer Reiseschriftstellerin aus, inklusive meiner Kaffeemaschine.

 

Ein Herz für Tiere

In Tamrakht bei Agadir wohnen zwei Frauen, Michaela und Renata, die sich ganz besonders den Tieren annehmen. In ihrem Haus leben mehrere Hunde und Katzen, um die sie sich liebevoll kümmern, da kann es passieren, dass sie morgens ihr Auto aufmachen und einen Kasten mit drei jungen Kätzchen finden, die noch nicht von der Mutter entwöhnt sind. Die Beiden sind schon fast am Ende ihrer Belastung angelangt, sie verwenden ihre ganze Zeit und ihr knappes Geld, sich um die oft auch kranken Tiere zu kümmern, bringen sie zum Tierarzt, lassen sie entwurmen und sterilisieren und kümmern sich um eine Vermittlung. Oft gibt es Menschen in Europa, die so ein Tier haben möchten, das heißt aber auch, dass es zuvor geimpft und gechipt werden muss und eine Weile in Marokko leben muss, bevor es die Reise zu dem neuen Besitzer antreten kann. Nun sind die Mittel aber knapp bemessen, bei der großen Meute fällt viel Geld für Futter und für Tierarztbesuche an. Daher ein dringender Aufruf, wenn Sie in die Gegend von Agadir kommen. Gebraucht werden Medikamente (z.B. Flohmittel, Entwurmung, Augentropfen), Futter oder Geldspenden. Renata kümmert sich zudem noch um die Menschen in den Bergen, fährt regelmäßig dorthin, um z.B. dringend benötigte Winterkleidung und Schuhe abzugeben, auch da ist ein großer Bedarf. Wer helfen kann findet Renata Vetsch und Michaela Dinkel in Facebook unter diesen Namen oder unter der Telefonnummer in Marokko 0615 01 02 34. Dann könnte auch ein Treffen vereinbart werden, zum Beispiel beim Marjane in Agadir, wo die Beiden oft die Vorräte auffüllen müssen. Michaela berichtet in Facebook auch regelmäßig von ihren Erlebnissen mit den Tieren.

P.S. Auf dem Foto sind nicht Michaelas Katzen, aber Katzenfotos kommen immer gut an.

Gastfreundschaft oder Schmarotzer

Der Ärger in Foum Zguid vor einigen Tagen geht mir noch ziemlich nahe. Den Streit mit Bari alleine hätte ich ja noch verkraftet, aber wenn sich dann noch eine Kollegin einschaltet und mir zu verstehen gibt, dass ich mich hier praktisch kostenlos einniste, weil ich Reiseführer schreibe, dann geht mir das nahe, weil es in diesem Fall einfach nicht stimmt. Ich komme schon so lange nach Marokko und habe aus dieser Zeit sehr viele, sehr alte Freunde. Ob ich nun Bücher schreibe oder nicht, diese Freunde laden mich ein. Sie betteln manchmal richtig darum, dass ich komme, dass ich mir ein paar Tage Zeit nehme, dass ich bei ihnen bleibe. Naji ist solch ein Freund. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer, die ich alle kennenlernte, als sie noch lange kein Hotel besaßen. Hassan aus Skoura ist so einer, Abdou natürlich, Ali Mouni, Ali in Tinerhir und viele andere. Mit allen diesen Leuten bin ich seit langem befreundet und es ist für die marokkanische Gastfreundschaft selbstverständlich, dass ich bei ihnen wohnen kann, wenn ich im Ort bin. Ich versuche, es nicht zu oft zu machen, zum Beispiel nicht jedes Jahr zu den gleichen Leuten zu gehen, obwohl sie sich dann beschweren, wenn sie hören, dass ich da war ohne bei ihnen vorbei zu kommen, dann bekomme ich Anrufe, ob ich sie denn gar nicht mehr mag.

Dann gibt es natürlich Fälle, wo ich bei meiner Recherche zu einer netten Auberge komme, sie besichtige, es ist Nachmittag und der Besitzer lädt mich ein, über Nacht zu bleiben, um so das Hotel besser kennen zu lernen. Das ist Geschäft, das hat nichts mit Freundschaft zu tun, da werde ich wirklich einzig und allein eingeladen, weil ich Reisebücher schreibe.

Und dann gibt es noch eine andere Art des Hotelbesuchs. Mein Freund Abdou hat eine große Agentur und kann nicht immer und überall die Hotels selber testen. Vor allem möchte er manchmal auch die Meinung eines Nicht-Marokkaners haben, weil seine Kunden ja meist keine Marokkaner sind. Und deshalb wird hier und da von der Agentur für mich dort ein Zimmer gebucht und ich gebe meine Meinung dazu ab.

Ganz interessant war der heutige Fall. Der Inhaber des Camping Erkounte bei Mirleft, ein neuer Platz, der sich sehr schnell in der Beliebtheit bei den Kunden durch seinen freundlichen Empfang und seine super Ausstattung an einen der ersten Plätze gesetzt hat, kauft manchmal meine Bücher an, um sie im Laden weiterzuverkaufen. Ich rief ihn an und fragte, ob er Bücher braucht, dann würde ich vorbei kommen. Dabei fragte ich, ob ich über Nacht bei ihm bleiben könne, denn ich erinnere mich, dass es hübsche kleine Zeltchen gibt. Er sagte zu.

Durch die schlimme Erfahrung in Foum Zguid wurde ich aber total unsicher. Ich glaubte in seiner Stimme zu hören, dass er das nicht gern getan hat, fühlte mich wirklich als der Schmarotzer, als den ich hingestellt wurde, und bekam Gewissensbisse. Zusätzlich gibt es in Mirleft eine Auberge mit Camping, an der ich nie den richtigen Ansprechpartner gefunden hatte, über den ich keine korrekten Kontaktdaten habe, und ich buchte kurzentschlossen ein Studio auf diesem Platz, es war sehr billig, mit Küche und Bad 200 DH.

Doch zunächst ging es nach Erkounte. Der Besitzer strahlte schon von weitem, als er mich sah, aber noch mehr war ich überrascht, als mir Camper vom Platz freundlich zuwinkten. Oje, mein Gedächtnis. Habe ich die Leute schon getroffen? Nein, es stellte sich heraus, dass der Chef ihnen ganz freudig und erwartungsvoll erzählt hat, dass ich komme und dass er mir sein bestes Apartment bereit hält. Oje, nun war ich in der Zwickmühle. Er hat sich wirklich gefreut, mich hier zu behalten, ich habe das andere gebucht und muss mich dort sehen lassen. Auch die Deutschen erzählten, wie sehr er sich auf meinen Besuch gefreut habe. Habe versucht, eine Kontakttelefonnummer für Mirleft zu bekommen. Keine Chance. Auch Email über Booking half nicht. Zusammen mit den Deutschen ließ ich mir aber erst einen Couscous schmecken, immerhin ist Freitag. Das Essen in diesem Restaurant ist einfach vorzüglich, die Portionen riesig und super billig. Als ich den Teller der deutschen Frau sah bestellte ich eine halbe Portion, und selbst die konnte ich nicht aufessen. Okay, Maria hatte mir zuvor in Sidi Ifni schon ein Croissant spendiert.

Dann fuhr ich nach Mirleft, um die Unterkunft zu besichtigen. Was für ein Unterschied. Okay, natürlich auch im Preis. In Mirleft gibt es viele sehr billige Unterkünfte, es ist immer noch ein Ort für Aussteiger und junge Leute mit wenig Geld. Es war klar, dass ich mich dort fehl am Platz gefühlt hätte. Aber Abdellah, der Chef, war sehr nett, er zeigte mir alles, auch mein Studio, und er machte mir das anständige Angebot, nur 100 DH zu zahlen. Das nahm ich gerne an und fuhr zurück in mein schönes Apartment in Erkounte. Und ja, ich bin eingeladen.

Noch Fragen?

Der Beruf des Faux Guide

Ein sogenannter falscher Führers spricht Touristen auf der Straße an und versucht irgendetwas zu verkaufen. Viele Touristen fühlen sich dadurch bedrängt, andere lernen so ihre besten Freunde kennen. Der Faux Guide heißt so, weil er keine offizielle Lizenz hat und auf eigene Faust arbeitet. Er bekommt von den Geschäften und Hotels, zu denen er Touristen vermittelt, Provisionen, er bietet auch seine Dienste als Führer an und wird dann vom Gast bezahlt. So ist das schon seit Jahrzehnten und es wird oft abschätzig betrachtet und vollkommen unterschätzt. Denn eigentlich ist es eine solide Berufsausbildung. Der meist junge Mann lernt die Wünsche und Bedürfnisse der Touristen von Grund auf kennen, er lernt meist mit Leichtigkeit Sprachen, indem er einfach zuhört, und bekommt dann oft einen richtigen Job in einem Hotel oder als Reiseleiter. Und viele von denen, die ich früher auf der Straße kennengelernt habe, machen sich dann selbstständig und sind heute angesehene Geschäftsleute, betreiben ein Hotel oder eine Reiseagentur, es geht ihnen gut und sie haben sogar Mitarbeiter, denen sie Lohn und Brot geben. Aber nicht nur das, sie sorgen damit auch für eine gute touristische Infrastruktur, indem sie Geschäfte und Hotels eröffnen. Was man besonders in Merzouga sehen kann. Dort sind an die 100 Hotels, die vielen Biwaks im Sand kann man kaum zählen, und alle haben gut zu tun.

Also bitte schimpfen Sie nicht gleich auf die falschen Führer.

Ganz anders ist die Situation in anderen Landesteilen. Ich bin gerade in der Region Tata – Tafraoute. Hier wohnt ein ganz anderer Menschenschlag, hier stellt sich niemand auf die Straße und spricht Touristen an. In Tata niemand, in Tafraoute schon, aber das sind alles Leute, die von Merzouga oder Zagora herübergekommen sind, um hier etwas zu verdienen. Den Menschen im Anti-Atlas ist diese direkte Ansprache fremd, sie sind sehr viel zurückhaltender. Aber das wirkt sich dann auch auf die fehlende Infrastruktur aus. Hübsche kleine Gästehäuser sind hier sehr viel seltener, weil es eben keine falschen Führer gibt, die sich hochgearbeitet haben. Erst langsam entwickeln sich auch in Tafraoute schöne Unterkünfte, in Tata absolut noch nicht. Dort gibt es hauptsächlich zwei ziemlich heruntergekommene Hotels sowie die teure Kasbah eines Franzosen. Gestern war ich bei einem Herrn zu Gast, der ein gutes Beispiel dafür ist. Er hat nun Ideen und die Mittel, aber er hat keinerlei touristische Erfahrung. Er sollte sich vielleicht mit einem Burschen aus Merzouga zusammen setzen und von ihm lernen.

Mit Mohammed Belkassan durch Tata

Ich hatte noch nie so eine schöne Zeit in Tata. Mohammed und ich haben uns einfach gefunden. Obwohl er erst 32 Jahre alt ist kenne ich ihn schon etliche Zeit als Hotelinhaber, kannte vorher seinen Vater, aber ich hatte doch nie näher mit ihm zu tun. Er fragte mal nach meinen Reiseführern, ja, aber das war es im Wesentlichen. Doch diesmal nahm er sich Zeit, was wohl vor allem daran lag, dass er sich neuerdings wieder für den Tourismus interessiert. Das Hotel hat er jahrelang zugunsten seiner anderen Projekte vernachlässigt, bezeichnet sich als Entrepreneur, also Unternehmer. Und daher wollte er von mir Ratschläge über den touristischen Sektor.

Gepasst hat es aber vor allem wegen einem Körperteil, das bei jedem von uns fest verbunden ist, dem Smartphone. Wohin er ging und was er tat, das Smartphone war dabei. Meins aber auch. Und so wurde gegenseitig natürlich alles fotografiert und in facebook gepostet, was eben nur ging. Kein Essen ohne Foto vorher. Es hat total Spaß gemacht, echt. Ihr könnt alle schimpfen so viel ihr wollt, hier hatten sich zwei gefunden. Wenn wir eine Polizeikontrolle passierten und er gerade telefonierte stellte er es auf Lautsprecher und legte es auf den Beinen ab.

Aber auch der touristische Sektor kam nicht zu kurz. Am ersten Tag zeigte er mir ein Gelände am trockenen Oued Dra, wo er sich vorstellen könnte, ein Biwak oder eine Ecolodge aufzubauen. Die Landschaft war wirklich traumhaft schön und die Architektur der einheimischen Gebäude schon richtig saharisch. Und natürlich trafen wir Freunde von ihm, wurden zum Tee eingeladen, saßen sehr entspannt im kühlen Garten und genossen die süßen Datteln, die in ebendiesem wuchsen.

Noch interessanter wurde es aber am nächsten Nachmittag. Er brachte mich zu einem würdigen älteren Herren, der ein touristisches Projekt machen möchte, dafür schon einen Plan und Geld vom Staat hat. Er wollte meine Meinung dazu hören. Nun, ich bin deutsch, und das heißt, ich sage immer geradeaus meine Meinung. Sein Haus im Garten war abseits der Straße, hatte keinerlei Schönheit an sich. Der alte Herr sprach keinerlei Fremdsprachen, hatte nie im Tourismus gearbeitet und keine Ahnung, was ein Tourist sucht und braucht. Sein Kopf platzte nur so von Ideen, was er alles machen wollte. Das traditionelle Leben zeigen, einheimische Gerichte zusammen mit den Gästen kochen, die Zimmer im berberischen Stil einrichten. Und und und.

Wunderbare Ideen. Nur hat er eins vergessen. Dazu braucht er Gäste. Und möglichst viele. Nach Tata kommen kaum welche. Hauptsächlich Camper, die ihre eigene Unterkunft dabei haben. Dazu einige Rallyes, die zwar Geld bringen, aber nicht ein solches Gästehaus suchen. An letzteres hatte er gedacht. Er führte mich zu einem Lager, in dem massenhaft Waren gestapelt waren, die er bereits mit dem staatlichen Geld gekauft hat. Kühlschrank und Gefriertruhe, Kochtöpfe, in denen Suppe für eine Armee gekocht werden kann, Teekessel, Tajinetöpfe, Becher, Wasserkessel …., ich kann es gar nicht alles aufzählen. In riesiger Menge. Das nagelneue Zeug lagert dort und verkommt. Er hat keinerlei Verbindungen zum touristischen Sektor, zu Organisatoren von Rallyes, nichts. Er wird diese Waren nie einsetzen können.

Dann zeigte er mir ein weiteres Haus, das ihm gehört, ein flaches Lehmhaus, in dem seine Tante mit Familie lebt. Ja, das ist etwas anderes. Hier blühte mein Herz auf. Mit diesem Haus kann man was machen. Es liegt unweit der Hauptstraße vor einem reizvollen alten Dorf mit Agadir, hat einen herrlichen, wenn auch vernachlässigten Palmengarten daneben, mit Brunnen. Über dem Berg gleich daneben ging bei unserem Besuch rotgolden die Sonne unter und ich sah alles vor mir. Vier schöne Gästezimmer mit Bad, auf dem Dach ein Zelt, in dem man sich abends zum Tee setzt und den Sonnenuntergang direkt vor sich genießt, ein schön mit Blumen bepflanzter Palmengarten mit herausgeputztem Brunnen, in dem die Gäste spazieren gehen oder sich in den Schatten setzen.

Aber genau diese touristische Weitsicht hat er nicht. Ein solches Projekt kann man nur erfolgreich ausführen, wenn man entweder bereits Erfahrung im Tourismus hat oder einen ausländischen Partner an seiner Seite. Ich fragte ihn, was er sich in Bezug auf Sanitäranlagen dachte und er meinte, im Garten würde er extra Gemeinschaftstoiletten bauen. Ja, mein Lieber, das geht heute gar nicht mehr. Das zeigt mir einfach, dass hier sehr viel Wissen fehlt. Mir tut der arme Mann leid, er wird scheitern. Hat auch keinen Sohn, der ihm in diesem Projekt helfen könnte, nur einen Neffen, der aber auch keine Ahnung hat.

Dann fragte uns die Tante, die in dem Haus lebt, ob wir einen Tee wollen und diesmal sagte ich jubelnd zu, denn sie erwähnte Amlou. Diese erdnussbuttergleiche Paste wird aus Mandeln und Arganöl hergestellt, dazu brachte sie noch warmes, frisch gebackenes Brot und auf dem Boden genossen wir den köstlichen Imbiss.

Die Ausflüge mit Mohammed haben mir total Spaß und erinnern mich an die Zeiten, bevor ich Reiseführer schrieb. Da kam ich eigentlich viel mehr mit der eigentlichen Bevölkerung in Kontakt und erlebte viel. Heute geht es in erster Linie um Arbeit und Recherche. Und ich habe tausendmal lieber in Mohammeds abbruchreifem Hotel gewohnt als in dem im Vergleich luxuriösen Bab Rimal mit einem so unfreundlichen Empfang.

Von Foum Zguid nach Tata

Ganz ausgestanden war der Streit vom Tag zuvor noch nicht. Am Morgen habe ich noch einmal mit Naji telefoniert und er bestürmte mich, doch wieder zu Bab Rimal zu kommen, mein Zimmer sei bereit. Da es wirklich ein schönes Hotel ist bekämpfte ich meinen Stolz und fuhr hin. Der „nette“ Mensch an der Rezeption, von dem ich nun endlich weiß, dass er Bari heißt und Najis Bruder ist, sagte mir auch zu, dass das Zimmer in wenigen Minuten bereit sei. Doch dann beging ich den Fehler, zu fragen, ob noch Frühstück zu bekommen sei. Da brach es aus ihm heraus und er beschimpfte mich. Ich drehte mich um und ging, das reicht mir jetzt. Naji ist so ein lieber Kerl, aber wenn er nicht da ist dann sieht alles anders aus, das habe ich schon von anderen Campern gehört, aber auch von Einheimischen.

Am Ortsende hielt ich erstmal an und rief Mohammed vom Hotel Renaissance an. Nach den schlimmen Erfahrungen wollte ich doch erst mal hören, ob da noch ein Zimmer frei ist. Die Hotelsituation in Tata ist ja recht eigenartig. Es gibt absolut nichts Neues. Das Renaissance war schon mein Hotel, als ich in den 1980ern Tata nach anstrengender, staubiger Pistenfahrt erreichte und mir dort ein kühles Bier gönnte. Damals war es noch vom alten Herrn bewirtschaftet, der schon lange nicht mehr lebt. Als der Sohn Mohammed es übernahm hat er mit Eifer einige Zimmer neu streichen lassen und drei Suiten schön eingerichtet, aber inzwischen richtet sich seine Energie mehr auf die Landwirtschaft und an dem Hotel wurde seit Jahren nichts gemacht. Die Sanitärinstallationen sind eine Katastrophe. Duschwasser ist heiß, aber das Wasser läuft überall hin, die Klobrille fällt ins Kreuz und das Wasser rinnt ständig vor sich hin und wenn man mal was zum Abziehen hat ist keine Kraft da. Aber so ist es nun mal, es ist immer noch das beste Hotel in Tata für Durchreisende. Das Relais de Sable ist mal sehr schön angelegt worden, mit Garten und Piscine, aber auch dieses ist heruntergekommen, das Personal lustlos und das ganze wenig zu empfehlen. Und dann gibt es noch das Dar Infiane, betrieben von einem Franzosen und sehr teuer, kommt für mich nicht infrage. Tata wird hauptsächlich von Wohnmobilfahrern besucht, die den Winter hier verbringen. Für sie gibt es vier schöne Plätze.

Mohammed war richtig froh, von mir zu hören, verfolgt er doch meine Schritte in Facebook. Viens, Madame, viens, on vous donne une belle chambre.

Das tut mir gut nach dem Ärger mit Bari und ich mache mich frohgemut auf den Weg. Natürlich mit einem Stopp an den Kaskaden von Tissint. Als ich in Tata ankomme wartet Mohammed schon auf mich, wir trinken Tee und am Nachmittag machen wir eine kleine Fahrt in die Umgebung. Er zeigt mir sehr schöne Ecken, die ich noch nicht kannte, zum Beispiel die Dünen von Tata. Die Region bietet sehr viel, ist aber bei Touristen wenig bekannt. Meine Freundin Christel Jeschke hatte ja mal einen Tata-Führer geschrieben, den ich herausgegeben habe. Aber der ist schon lange vergriffen, Christel krank und kann nichts mehr machen. Aber in Tata ist sie unvergessen.

Ich beschließe, bei dem freundlichen Empfang noch eine Nacht zu bleiben, hatte ja auch noch keine Zeit, die Campingplätze zu besuchen. Das habe ich dann am nächsten Morgen nachgeholt, die Saison ist hier fast vorbei, kaum Camper da, keine netten Gespräche. Also habe ich alle Notizen nachgetragen und bin nun bereit für neue Abenteuer.

Freunde erkennst du in der Not

Oh mein Gott. An manchen Tagen kommt es knüppeldick. Das ist einer der Tage, die ich am liebsten vergessen, aus dem Kalender streichen würde. Ein Tag, an dessen Ende ich die Wahl hatte entweder auf der Straße zu schlafen oder Alleinherrin auf einem Campingplatz zu sein. Die Entscheidung zwischen beiden war nicht sehr schwer und das Ende vorhersehbar.

Aber fangen wir doch ganz von vorne an. Der Tag begann genauso angenehm wie er am Tag zuvor aufgehört hatte. Gut ausgeschlafen und mit weniger Schmerzen im Rücken begab ich mich zum Frühstück, Brahim und Brigitte bestürmten mich, doch noch einen Tag zu bleiben, aber ich sagte ihnen, ich habe mich bei Naji in Foum Zguid angekündigt, der mir trotz Hochsaison ein Zimmer zugesagt hat und dann muss ich das auch nehmen, immerhin kann er am Ostersamstag das Zimmer dreimal belegen. Brahim sagte, ja du bist deutsch und immer korrekt, aber nimm dir Zeit. Doch ich bestand auf meiner Verabredung. Auf dem Weg dorthin habe ich noch in Tamnougalt Halt gemacht, hatte viele schöne Erlebnisse dort, habe mir die Casbah des Caids angeschaut, habe bei Chez Yacoub gegessen, wurde auch hier zum Bleiben aufgefordert, aber nein, Foum Zguid und Bab Rimal rufen mich. Auch in Agdz hätte ich halten können, dort hätte es viel für mich zu tun gegeben. Aber nein, ich habe eine Reservierung in Bab Rimal und dort geht es hin.

Gut gelaunt kam ich dort um 16:30 Uhr an. Das Hotel ist proppevoll, nichts anderes habe ich erwartet. Der eher unfreundliche Mann von der Rezeption fragt, was er für mich tun kann, ich sage, er kann mir mein Zimmer zeigen, doch er sagt, er hat keins mehr. Ich sage ihm, dann frage doch Naji, den Besitzer. Aber Naji ist in der Wüste und auf der mir bekannten Nummer dort nicht zu erreichen. Einige Telefonate ergeben schließlich, dass doch noch ein Zimmer frei ist und zwar in einem extra-Block, in dem sonst die Chauffeure schlafen. Mir gefällt das Zimmer überhaupt nicht, es hat keine Luft, keine Terrasse wie die sonst so schönen Zimmer bei Naji, man kann nicht draußen sitzen und muss etliche Treppen hochsteigen. Ich lehne ab. Telefoniere schließlich doch mit Naji und sage ihm, ich suche mir was anderes im Ort. Doch ich finde nichts. Foum Zguid ist nicht grade eine Hotel-Hochburg. Es gibt nur wenige, und dann sehr einfache Unterkünfte. Ich lande bei Said auf dem Campingplatz und kann mich endlich mal aussprechen. Foum Zguid hat drei Campingplätze, wobei Rose de Sable von Said am Ortsausgang am wenigsten ansprechend ist. Das gilt aber nicht für den Besitzer, er kümmert sich immer persönlich um seine Gäste, ist freundlich und engagiert und ich kenne ihn schon lange. Ist immer hilfsbereit und der einzige im Ort, mit dem man wirklich reden kann. Schließlich bin ich noch einmal am Telefon mit Naji und sage zu, das Chauffeurs-Zimmer zu nehmen. Ich fahre zurück zu Bab Rimal, es ist ein ewiges Hin und Her, und der „liebenswerte“ Mohammed an der Rezeption sagt, tja, Pech gehabt, auch dieses Zimmer ist nun weg. Was folgt ist ein Heißlaufen meines Telefons, nun mit Najis Bruder, Naji ist in der Wüste abgetaucht. Ewig lang und sehr heftig, aber es ist nun mal kein Zimmer mehr frei. Man schlägt mir vor, nach Tissint zu fahren, doch es ist spät und ich will nicht mehr fahren. Schließlich sage ich mich von unserer Freundschaft los und fahre ab. Doch wohin? Wirklich auf der Straße schlafen? Ich war einem Weinkrampf nahe und erwische gerade noch Said, der mangels Gästen den Campingplatz schließen will und er ist so lieb. Ich kann jedem nur raten, wenn er in Foum Zguid ein Problem hat, geht zu Said, er ist immer freundlich und hilfsbereit. Er hat ein offenes Ohr, hört zu und hilft einfach. Gibt mir sofort eines seiner neuen Zimmer, die auch ein Bad haben. Schlägt sogar vor, auch in einem der Zimmer zu schlafen, weil ich vielleicht Angst hätte allein, aber ich schicke ihn heim zu seiner Familie und bin nun ganz allein auf dem Campingplatz, über mir ein herrlicher Vollmond. Ich packe meine Vorräte aus, die ich zum Glück trotz normalerweiser Hotelverpflegung dabei habe und labe mich an einem Rotwein mit österreichischem Bergkäse. Ein Brot hatte mir Said noch gebracht.

Sable d‘Or hatte lange keinen Stromanschluss, doch das ist nun geregelt und der Platz wird schöner werden, auch der Pool wird nun bald das ganze Jahr über Wasser haben. Ich bin sicher, Said wird sich seinen Platz unter den Campingmöglichkeiten erkämpfen. Einfach mit seiner Freundlichkeit und Engagement.