10.1. Angekommen

15 Tage ist es schon her, dass ich die Grenze zu Marokko überschritten habe, aber erst heute bin ich angekommen. Erst hier, im Süden, ist mein Herz zu Hause. So schön es war in Jebha, in Afourer, in Boumalne und Tinerhir, hier erst bin ich bei Freunden. Es fing schon bei den Foggaras an. Ich hatte mich wirklich gefreut, die netten Jungs wiederzusehen, die die alten Wasserstollen neu ausgegraben, davor Zelte errichtet haben und nun darauf warten, dass Touristen kommen und sie ein paar Dirham für ihre Familie verdienen können. Es haben ja beide Seiten etwas davon, die Touristen sehen nicht nur die alte Bewässerungstechnik, sie erleben auch ein wenig die traditionelle Gastfreundschaft, die mit einem Tee eingeleitet wird. Gerne habe ich in meinen Büchern darauf hingewiesen. Und freue mich eben, sie wiederzusehen.
Abdou und sein Bruder Bachir erkennen mich sofort. Überhaupt kennt mich hier jeder, obwohl ich meinerseits Probleme habe, die vielen Gesichter auseinander zu halten. Wir trinken Tee, erzählen. Und kommen darauf zu sprechen, dass ich mir schon sehr lange einen richtigen Burnus wünsche. Einen handgemachten, aus Schafswolle gewebt, den man fest um sich wickeln, in dem man sogar schlafen kann. Mit einer Kapuze, die man nie überzieht, wo man aber herrlich seine Einkäufe verstauen kann. Vor 25 Jahren in Tunesien hatte ich die erste Bekanntschaft damit geschlossen, er wurde mir damals nur ausgeliehen und ich habe darin eingewickelt sogar eine Nacht auf einer Sanddüne geschlafen. Immer schon wollte ich so etwas besitzen und jetzt in Marokko, wo es so kalt ist, kommt dieser Wunsch wieder auf. Nur kann man nicht einfach in einen Laden gehen und so etwas kaufen. Ein echter Burnus wird von der Frau des Hauses für ihren Mann gewebt.
Aber die Jungs meinen, sie könnten mir helfen. Wenn sie auch gleich sagen, sie selbst kämen nie auf die Idee, einen Burnus anzuziehen, das tragen nur noch die Alten. Wir fahren zusammen nach Jorf, 13 Uhr am Freitag ist wirklich alles für das Mittagsgebet und den anschließenden Couscous mit der Familie geschlossen. Doch Abdou hat seine Beziehungen, findet den Inhaber eines Ladens und er schließt für uns auf. Schön anzusehen ist dieser weite schwarze Umhang schon, wäre sogar geeignet, über einem Abendkleid ins Theater getragen zu werden. Aber ist eben doch nicht das, was ich will. Er ist aus Filz, nicht handgewebt und eben doch weitgehend maschinell hergestellt. Abdou telefoniert herum und findet jemand, der bereit ist, seinen gebrauchten Burnus zu verkaufen. Kastanienbraun, aus Schafwolle gewebt. Ja, so etwas habe ich gesucht. Er stinkt bestialisch nach Ziege, aber das kriegt die Reinigung schon hin. Wir einigen uns auf einen Preis und Abdou dirigiert mich noch zum Haus seiner Familie, wo er mit einer Schale Couscous beladen ins Auto steigt. Wir fahren schnell zu den Foggaras zurück, damit der Couscous nicht zu kalt wird, und setzen uns alle um die Schale. Ich frage, was sie denn essen würden, wenn ich nicht gerade gekommen wäre. Sie meinen, das wäre eben Maktoub.
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Vorher hatte ich noch einen anderen, sehr interessanten Besuch gemacht. Wenn man von Tinerhir nach Tinejdad fährt sieht am 9 km vor Tinejdad ein Schild zur Quelle Lalla Mimouna. Oft schon hatte ich das gesehen, mir aber nie die Zeit genommen, dort anzuhalten. Trotz Kälte und Regen war heute aber der Tag. Es war in dem Sauwetter natürlich weit und breit niemand zu sehen, aber ein Zeitungsartikel auf deutsch, der an einer Tafel hing, machte mich neugierig. Und eine Telefonnummer war aufgeführt. Ich rief an und Zaid kam sofort. Noch überraschender war, dass er perfekt deutsch spricht. Er hatte seinerzeit in Heidelberg Germanistik studiert, aber dann sein Herz für die Kunst entdeckt. Zaid ist ein unglaublich interessanter und vielseitiger Mensch. Nach langem Kampf mit den Behörden hat er die völlig verschmutzte Quelle gekauft und ein kleines Paradies und Freilichtmuseum errichtet. Höchst persönlich führte er mich durch die Anlage, an der sein Herz hängt, und erklärte alles. Übrigens ist davor ein großer Parkplatz, der sich ideal als Stellplatz für die Nacht eignet. Zaid verlangt weder eine Gebühr, noch dass die Leute sein Museum besuchen, ja, er bietet darüber hinaus auch Hilfestellung für alle Probleme an. Ich besuche dann in Tinejdad noch sein Privathaus in einem wunderschönen Garten, dort hat er auch eine Laden mit unglaublich schönen, auserwählten Stücken. In dem lauschigen Garten ist auch ein Restaurant, wo man einfach nur was trinken kann.