11.4. Ein ganz normaler Tag in Marokko

Am Morgen ging es zunächst von Stadtzentrum Beni Mellal aus den Berg hinauf zu der Quelle Ain Asserdoun. Das ist der Ausflugsort für die Einwohner, dort ist es schön kühl, das klare Wasser wird gerne zum Trinken geholt, in den Parkanlagen kann man lustwandeln und in den Cafés sich erholen. Doch ich wollte ja weiter über die Berge, mal wieder über eine neue Straße nach Tagleft. Und die war wirklich ein Erlebnis. Grandiose Ausblicke hinunter nach Beni Mellal hat man von hier, die Straße erklettert in ziemlich kurzer Zeit 1200 Höhenmeter, aber ich glaube am schönsten wäre sie in der Gegenrichtung, dann hätte man den Blick immer vor sich. Auch die Gebirgslandschaft ist einfach wunderbar, sie ändert sich auf dieser Strecke alle paar Kilometer, einfach wieder eine Straße, die man fahren muss. Auch für Motorradfahrer wäre das hier ein Paradies.

Als ich dann ins kleine Tagleft komme kreuzen schön geschmückte Fantasiareiter die Straße. Da muss ich natürlich nachsehen. Das Festival de la Fantasia findet heute statt und der ganze Ort ist auf den Beinen. Die Reiter spurten immer in Windeseile über den Festplatz, stoppen dann hart die Pferde und schießen mit ihren silbern verzierten Fantasiagewehren in die Luft. Die Pferde sind trainiert darauf, dass sie sich nicht erschrecken, ich aber nicht. Bei jedem Knall fahre ich zusammen und mein Foto wird verwackelt. Die Menschen sind sehr freundlich, viele sprechen mich an, die Kinder fragen nach meinem Namen, die Erwachsenen einfach wie es geht.

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Immer wieder wechselt das Landschaftsbild, schroffe Felsen, dann Felsbrocken, die fast kaum von den darüber ziehenden Schafen zu unterscheiden sind, dann eine Schlucht. Einfach wunderschön. Und dann fährt sogar noch eine Hochzeitsgesellschaft vor mir her. Die Braut sitzt im blumengeschmückten Mercedes, ein Transporter hat die Geschenke auf dem Dach und die Familie fährt in PKWs hinterher.

Ich stoße auf die Straße von El Ksiba nach Imilchil und biege zunächst Richtung Imilchil ab. Also für Wohnmobile würde ich diese Straße nicht mehr empfehlen. Ich bin sie zum ersten Mal vor etwa 28 Jahren gefahren, es war damals eine schmale Teerstraße, und daran haben Straßenbauer nicht das Geringste verändert. Die Winter jedoch schon. Oft ist der Teerbelag so schmal und zerstört, dass man über den auch mit Löchern übersäten Rand fahren muss, hier bin ich wirklich froh, einen Geländewagen zu haben. Dann zweigt die neuere Straße nach Imilchil ab, aber ich fahre geradeaus nach Aghbala. Dorthin bin ich in all den Jahren noch nie gekommen und ich möchte mal sehen, wie es so weiter geht. Eigentlich hoffe ich, eine Verbindung nach Tounfite zu finden. Am besten neu asphaltiert. Aber das gelingt mir leider nicht. Mein GPS schickt mich zwar in die richtige Richtung, aber auf Pisten, die mir dann doch zu wenig vertrauenerweckend aussehen, ich fürchte, dass die niemals Tounfite erreichen. Also fahre ich auf der immer noch ziemlich schlechten Straße vorbei an Obstplantagen, alles blüht wunderschön. Es kommen immer mal wieder Abzweigungen, aber von Wegweisern keine Spur. Ich habe eigentlich überhaupt keine Ahnung mehr, wo ich bin. Aber ich fahre das ja alles, damit ihr später besser wisst, wohin es geht.

Und irgendwann komme ich dann auf der Straße R503 nach Boumia und Midelt raus. Nicht ganz was ich wollte, aber immerhin die Richtung stimmt. Eigentlich wollte ich ja zu Youssef auf dem Camping Timnay, aber dort ist alles ausgebucht, die Spanier sind im Osterurlaub auf dem Weg nach Merzouga. Ich wollte zumindest mal kurz hin. Aber dann bin ich doch so weit nördlich von Midelt, dass ich darauf verzichte. Ich spüre einfach wieder das Heimweh, das mich schon seit Tagen quält. Ich will nach Norden, raus aus Marokko, will nach Europa, will heim. So schön es hier ist, es reicht. Ich muss weg. Und deshalb entschließe ich mich, noch schnell den Pflichtbesuch zu machen, den ich meinem Tichka-Direktor versprochen habe, er will, dass ich seine Auberge am See Aguelmane Sidi Ali besichtige. Zwar kenne ich die Auberge schon von früher, aber da wusste ich ja nicht, dass sie ihm gehört. Und wenn auch sein Körper den Job im Tichka erledigt, sein Herz ist am See und er erzählt nur immer voller Begeisterung, wie schön es dort ist.

Die Ankunft ist enttäuschend. Kein freundlicher Empfang, kein Strom, kein Telefonnetz, geschweige denn Internet. Ich will nur noch weg. Aber hier ist so schnell kein anderes Hotel zu finden, erst recht nicht in der Richtung, wo ich von hier aus hin will. Ich hatte am Abend zuvor, also am 10.4., eine Reiseanfrage über immerhin 15 Tage bekommen, die am 16.4. starten soll. Und dann kein Internet, das ist schon eine Herausforderung. Noch spät am Abend konnte ich mich mit dem Kunden über die Route einigen – stellt euch nur vor, sie geht zu der neu entdeckten Schule in Agouti über die neu entdeckten Straßen – ich habe am Morgen alles an die Agentur geschickt, damit sie in dieser Hochsaison noch schnell die entsprechenden Zimmer finden kann und dann verließ ich die Internetwelt. Am Nachmittag haben wir den Rest dann per SMS erledigt und die Familie kann beruhigt reisen. Es wäre nun natürlich schön gewesen, wenn ich die schriftliche Bestätigung hätte abschicken können, aber leider ist das nicht möglich. Und ich frage mich, wie es morgen gehen soll, denn auch da will ich über ganz kleine Dörfer. Auch mein Notebook kann ich nicht einsetzen und den Tagesbericht schreiben, weil der Generator noch nicht läuft und ich auf den Abend warten muss. Das zerrt an meinen Nerven.

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